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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 09.03.2001
Aktenzeichen: 3 Wx 12/01
Rechtsgebiete: GVG, WEG, BGB


Vorschriften:

GVG § 17 a Abs. 5
WEG § 13
WEG § 45
BGB § 985
BGB § 605
Eine auf Eigenbedarf gestützte außerordentliche Kündigung eines Leihverhältnisses über Räume kann unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen ungerechtfertigt sein, wenn der Entleiher im Vertrauen auf eine dauerhafte unentgeltliche Überlastung entsprechende Investitionen, getätigt hat.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

3 Wx 12/01 25 T 216/00 LG Düsseldorf 290 II 84/99 WEG Neuss

In dem Wohnungseigentumsverfahren

betreffend die Wohnungseigentumsanlage ..., ... Düsseldorf,

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss der 25. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 17. Oktober 2000 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. Gottschalg, des Richters am Oberlandesgericht Dr. Schütz und der Richterin am Oberlandesgericht Schaefer-Lang am 9. März 2001

beschlossen:

Tenor:

Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten zu 1 tragen die gerichtlichen Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Wert des Beschwerdegegenstandes: 6.000,00 DM.

Gründe:

I.

Die Beteiligten zu 1 bis 3 bilden die im Rubrum näher bezeichnete Wohnungseigentümergemeinschaft, deren Verwalterin die Beteiligte zu 4 ist. Der Beteiligte zu 2 ist Sondereigentümer der im Erdgeschoss links liegenden Wohnung, die im Aufteilungsplan mit Nummer 2 bezeichnet ist. Er betreibt in der Wohnung seine Anwaltspraxis. Die Beteiligten zu 1 sind Sondereigentümer der rechts im Erdgeschoss gelegenen Wohnung, die im Aufteilungsplan mit Nummer 1 bezeichnet ist. Zu dieser Wohnung gehört ein ursprünglich als Abstellkammer bezeichneter Raum, welcher schon seit Jahren als Toilette benutzt wird, und zwar zunächst von den Mietern der Wohnung Nr. 2 und seit 1988 von dem Beteiligten zu 2. Dieser renovierte den Raum mit Zustimmung der Beteiligten zu 1 in der Weise, dass er eine Gastherme, eine Toilette und ein Handwaschbecken einbaute.

Mit Schreiben vom 15.12.1998 erklärten die Beteiligten zu 1 gegenüber dem Beteiligten zu 2 u.a., die "Leihe" des Abstellraumes im Erdgeschoss zum 31.12.1998 zu beenden. Da der Beteiligte zu 2 sich weigerte, den Raum herauszugeben, haben die Beteiligten zu 1 die Herausgabe im vorliegenden Verfahren beantragt.

Das Amtsgericht hat dem Antrag der Beteiligten zu 1 entsprochen. Auf die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 2 hat das Landgericht den Beschluss des Amtsgerichts abgeändert und den Herausgabeantrag zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss des Landgerichts wenden sich die Beteiligten zu 1 mit ihrer sofortigen weiteren Beschwerde. Sie meinen, die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 2 sei unzulässig gewesen, weil der Beschwerdewert in Höhe von 1.500,00 DM nicht erreicht gewesen sei. Im übrigen habe das Landgericht die Bekundungen der von ihm vernommenen Zeuginnen P...-W... und M...-P... nicht zutreffend gewürdigt. Schließlich habe das Landgericht nicht geprüft, ob das Leihverhältnis gemäß § 605 BGB gekündigt werden konnte. Der Beteiligte zu 2 ist dem Rechtsmittel entgegengetreten.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

1.

Die gemäß §§ 45 Abs. 1 WEG, 22 Abs. 1, 27, 29 FGG zulässige sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 hat in der Sache keinen Erfolg, da die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Verletzung gesetzlicher Vorschriften im Sinne des § 27 FGG beruht.

Das Landgericht hat ausgeführt, dem Rückgabeanspruch der Beteiligten zu 1 stehe der mit dem Beteiligten zu 2 vereinbarte Zweck der Leihe entgegen. Dieser habe nach den Bekundungen der Zeugin P...-W... darin bestanden, dass der Beteiligte zu 2 sein Sondereigentum in eine großzügige Anwaltspraxis umwandeln könne und durch den Umbau des Abstellraumes in einen Toilettenraum auf dessen Einbau in den eigenen Räumlichkeiten verzichten könne. Die Nutzung durch den Beteiligten zu 2 habe somit solange erfolgen sollen, bis dieser den Raum für seine Anwaltspraxis nicht mehr benötige.

2.

Diese Ausführungen halten der dem Senat obliegenden rechtlichen Überprüfung stand.

2.1.

Es bestehen zwar erhebliche Zweifel, ob eine Zuständigkeit des angerufenen Wohnungseigentumgerichts gegeben ist. Die Beteiligten streiten nämlich um einen Eigentumsherausgabeanspruch aus § 985 BGB, nicht aber über die Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer untereinander. Gemäß § 17 a Abs. 5 GVG hat jedoch das Rechtsbeschwerdegericht die von den Vorinstanzen ausdrücklich oder stillschweigend bejahte Zuständigkeit des Wohnungseigentumsgerichts nicht mehr zu überprüfen ( vgl. Bay ObLGZ 1991, 186, 188 f. ).

2.2.

Die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1 war auch nicht etwa wegen Nichterreichens des Beschwerdewertes gemäß § 45 Abs. 1 WEG unzulässig. Der Beschwerdewert richtet sich nach der Beschwer und dem Änderungsinteresse des Beschwerdeführers. Die Beschwer bemisst sich danach, was dem einzelnen Beschwerdeführer durch die angefochtene Maßnahme versagt wird ( vgl. BGH NJW 1992, 3305 ). Maßgebend für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels ist somit allein das vermögenswerte Interesse des Rechtsmittelführers an einer Änderung der angefochtenen Entscheidung ( vgl. BGH a.a.O.; Bay ObLG WE 1994, 380 ). Das vermögenswerte Interesse des Beteiligten zu 2 an einer Änderung der amtsgerichtlichen Entscheidung bestimmte sich an den Aufwendungen, die er tätigen müßte, wenn er den als Toilette genutzten Abstellraum an die Beteiligten zu 1 zurückgeben müßte. In diesem Fall müßte er mit erheblichem finanziellen Aufwand eine Toilette in den Räumlichkeiten der Anwaltspraxis einbauen. Dass diese Aufwendungen mehr als 1.500,00 DM betragen, liegt auf der Hand. Der Beschwerdewert war damit gegeben.

2.3.

In der Sache selbst hat das Landgericht zu Recht den Herausgabeantrag der Beteiligten zu 1 gemäß § 985 BGB, § 13 Abs. 1 WEG zurückgewiesen. Die Beteiligten zu 1 sind zwar - wie auch der Beteiligte zu 2 nunmehr einräumt - nach der Teilungserklärung und dem Aufteilungsplan Sondereigentümer des von ihm als Toilette genutzten Abstellraumes. Er hat indes gegenüber den Beteiligten zu 1 ein Recht zum Besitz aufgrund der zwischen den Parteien getroffenen Leihabrede. Die Kammer hat die Aussagen der von ihr vernommenen Zeuginnen dahin gewürdigt, dass der genannte Raum dem Beteiligten zu 2 solange zur Verfügung stehen sollte, wie dieser ihn für den Betrieb seiner Anwaltspraxis benötigt. Insoweit handelt es sich um tatrichterliche Feststellungen, an die der Senat gebunden ist. Die Beweiswürdigung der Kammer wäre nur dann rechtsfehlerhaft, wenn sie in krassem Widerspruch zu den Zeugenaussagen stünde. Dies ist jedoch nicht der Fall. Die Zeugin P...-W... hat bekundet, es sei zwar nicht ausdrücklich darüber gesprochen worden, dass der Abstellraum ständig zur Praxis gehören sollte; darüber seien die Geschwister sich aber stillschweigend einig gewesen. Mit dieser Aussage läßt sich die Würdigung der Kammer ohne weiteres in Einklang bringen.

Die Leihe kann auch nicht gemäß § 605 Nr. 1 BGB gekündigt werden. Nach dieser Vorschrift steht dem Verleiher ein Kündigungsrecht zu, wenn er die Sache infolge eines nicht vorhergesehenen Umstandes selbst braucht. Es handelt sich also um die Geltendmachung eines außerordentlichen Kündigungsrechts wegen Eigenbedarfs. Ob eine berechtigte Kündigung gegeben ist, ist anhand einer Abwägung der beiderseitigen Interessen zu beurteilen. Dabei ist zunächst zu prüfen, ob ein Eigenbedarf, der zwar nicht dringend sein, aber im Zeitpunkt der Kündigung wirklich vorliegen muss ( vgl. Staudinger-Kollhosser, BGB, § 605 Rz. 4 ), vorliegt. Es erscheint zweifelhaft, ob ein Eigenbedarf auch dann gegeben ist, wenn der Verleiher den Raum - wie hier - nicht persönlich nutzen will, sondern zur besseren Vermietbarkeit einer daneben gelegenen Wohnung und ob es sich dabei um einen "nicht vorhersehbaren Umstand" im Sinne von § 605 Nr. 1 BGB handelt. Dass die Beteiligten zu 1 aus finanziellen Gründen darauf angewiesen sind, den hier streitgegenständlichen Raum mit der ihnen gehörenden Wohnung zu vermieten, ist weder dargetan noch ersichtlich ( vgl. hierzu Nehlsen-v.-Stryk, Unentgeltliches schuldrechtliches Wohnrecht, AcP 187, 552, 585). Der geltend gemachte Eigenbedarf muss aber für eine berechtigte Kündigung um so stärker sein, je mehr sich der Entleiher auf die Dauer der Leihe verlassen und entsprechende Investitionen getätigt hat ( vgl. Staudinger-Kollhosser, a.a.O. Rz. 5; Nehlsen-v.-Stryk, a.a.O. S. 586 ). Vorliegend hat der Beteiligte zu 2 erhebliche Investitionen durch den Umbau des Abstellraumes in eine Toilette getätigt; nach seinem Vorbringen hat er über 10.000,00 DM aufgewendet. Er hat sich damit auf eine dauerhafte Leihe eingestellt. Er müßte, wenn er den Raum jetzt zurückgeben müßte, nochmals erhebliche Aufwendungen tätigen, um einen Toilettenraum in die jetzigen Praxisräume zu integrieren. Sein Interesse an der Beibehaltung des Leihverhältnissen ist daher nach Ansicht des Senats höher zu bewerten als das Interesse der Beteiligten zu 1 an der Erzielung einer monatlich 50,00 DM höheren Miete.

Das Rechtsmittel konnte danach keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten aus Billigkeitsgründen kommt unter Berücksichtigung der divergierenden Entscheidungen der Vorinstanzen nicht in Betracht.

Die Festsetzung des Geschäftswertes in Höhe von 6.000,00 DM entspricht dem Interesse der Beteiligten an der Nutzung des Abstellraumes.

Ende der Entscheidung

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