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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 25.07.2003
Aktenzeichen: 3 Wx 133/03
Rechtsgebiete: WEG, BGB


Vorschriften:

WEG § 10 Abs. 1
WEG § 15 Abs. 1
WEG § 23 Abs. 1
WEG § 23 Abs. 4
BGB § 242
1.

Werden bestimmte abgegrenzte Stücke einer in der Teilungsordnung als Gemeinschaftseigentum ausgewiesenen Gartenfläche durch Mehrheitsbeschluss "der alleinigen Nutzung der entsprechenden Wohnungseigentümer" unterstellt, so ist die hierin zu sehende nur durch Vereinbarung mögliche Zuweisung von Sondernutzungsrechten wegen Fehlens der Beschlusskompetenz der Eigentümerversammlung nichtig.

2.

Allein die jahrelange Nutzung bestimmter Teilflächen des Gemeinschaftsgartens durch einzelne Wohnungseigentümer kann aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) weder Sondernutzungsrechte noch auf Vereinbarung solcher gerichtete Ansprüche einzelner Wohnungseigentümer begründen.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

3 Wx 133/03

In dem Wohnungseigentumsverfahren

betreffend die Wohnungseigentumsanlage A., in ...,

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss der 10. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal vom 07. März 2003 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. G. und der Richter am Oberlandesgericht Dr. S. und von W. am 25. Juli 2003

beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss des Landgerichts wird aufgehoben.

Die Entscheidung des Amtsgerichts vom 18. Dezember 2001 wird wieder hergestellt.

Die gerichtlichen Kosten des gesamten Verfahrens tragen die Beteiligten zu 2 bis 4.

Außergerichtliche Kosten werden in allen drei Rechtszügen nicht erstattet. Wert des Beschwerdegegenstandes: Bis 2.000,- Euro.

Gründe:

I.

Die Beteiligten sind Mitglieder der eingangs bezeichneten Wohnungseigentümergemeinschaft, zu der ein größeres Gartengelände (ca. 4700 m2) gehört. Dieser Garten steht im gemeinschaftlichen Eigentum sämtlicher Miteigentümer. Der Beteiligte zu 1, die Rechtsvorgänger der Beteiligten zu 2 und 4 und später die Beteiligten zu 3 teilten das Gartengrundstück im gegenseitigen Einverständnis so auf, wie es sich aus der Skizze (18 II 39/97 WEG AG Solingen Blatt x) ergibt, wobei die mit A, B, C, D bezeichnete Fläche zum Gartenteil der Rechtsvorgänger der Beteiligten zu 4 zählte.

1985 errichtete der Beteiligte zu 1, um die von ihm genutzte Gartenfläche von den weiteren Gartenflächen abzugrenzen, einen Gartenzaun. Sein Verlauf ist in der Skizze mit A und B gekennzeichnet. Die Grenzziehung erfolgte aufgrund einer Einigung mit den Rechtsvorgängern der Beteiligten zu 4, den Eheleuten L.. Im August 1996 erwarben die Beteiligten zu 4 deren Miteigentumsanteil. Noch im selben Jahr versetzte der Beteiligte zu 1 den Zaun so, dass dieser mit dem einen Ende der auf dem Gartengrundstück errichteten und in seinem Sondereigentum stehenden Scheune abschloss. Der Grenzverlauf ist in der Skizze mit C und D bezeichnet.

In dem schon genannten Vorverfahren beantragten die Beteiligten zu 4, dem Beteiligten zu 1 aufzugeben, diesen Zaun zu beseitigen. Mit Beschluss vom 28. April 1998 gab das Amtsgericht dem Antrag statt. Hiergegen legte der Beteiligte zu 1 sofortige Beschwerde ein. Sein Rechtsmittel wurde durch Beschluss des Landgerichts vom 13. Januar 1999 zurückgewiesen. Die von ihm dagegen eingelegte sofortige weitere Beschwerde wies der Senat am 19. Juli 1999 zurück.

Da das Landgericht und der Senat in ihren Entscheidungen darauf hingewiesen hatten, dass eindeutig umrissene Gartensondernutzungsflächen nicht festzustellen waren, beschloss die Wohnungseigentümerversammlung auf Vorschlag der Beteiligten zu 2 und damaligen Verwalterin H. am 17. August 2001 unter TOP 25 zur Klarstellung eine als Hausordnung bezeichnete Nutzungsregelung bezüglich der Gartenfläche. In ihr wurden bestimmte abgegrenzte Flächen "der alleinigen Nutzung der entsprechenden Wohnungseigentümer" unterstellt (vgl. Im Einzelnen Anlagen GA 24 f.). Der Beteiligte zu 1 und seine Ehefrau, die Beteiligte zu 5, hatten an dieser Wohnungseigentümerversammlung nicht teilgenommen.

Der Beteiligte zu 1 hat beantragt,

festzustellen, dass der auf der Wohnungseigentümerversammlung vom 17. August 2001 unter TOP 25 gefasste Beschluss unwirksam ist.

Das Amtsgericht hat am 18. Dezember 2001 die Nichtigkeit dieses Beschlusses festgestellt und weiterhin entschieden, dass die Beteiligten zu 2 bis 4 die Gerichtskosten zu tragen haben und eine Erstattung außergerichtlicher Kosten nicht erfolge. Zur Begründung hat das Amtsgericht u.a. ausgeführt, ihrem Inhalt nach schaffe die "Hausordnung" Sondernutzungsrechte. Solche könnten jedoch nur durch Vereinbarung aller Miteigentümer begründet werden, was vorliegend nicht geschehen sei und zur Nichtigkeit des auf der Wohnungseigentümerversammlung vom 17. August 2001 zu TOP 25 gefassten Beschlusses führe.

Gegen diese Entscheidung haben die Beteiligten zu 2 bis 4 sofortige Beschwerde eingelegt und beantragt,

den angefochtenen Beschluss zu ändern und den Antrag des Beteiligten zu 1 zurück zu weisen.

Der Beteiligte zu 1 hat beantragt,

das Rechtsmittel zurückzuweisen und im Wege der Anschlussbeschwerde, den Beteiligten zu 2 und 4 seine in erster Instanz entstandenen außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen.

Das Landgericht hat nach mündlicher Verhandlung am 07. März 2003 den amtsgerichtlichen Beschluss geändert und den Feststellungsantrag des Beteiligten zu 1 sowie dessen Anschlussbeschwerde zurückgewiesen.

Hiergegen wendet sich der Beteiligte zu 1 mit der sofortigen weiteren Beschwerde, der die Beteiligten zu 2 bis 4 entgegen treten.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg. Denn der angefochtene Beschluss ist von entscheidungserheblichen Rechtsfehlern beeinflusst (§ 27 FGG).

1.

Die Kammer hat zur Begründung ausgeführt, der auf der Wohnungseigentümerversammlung vom 17. August 2001 zu TOP 25 gefasste Beschluss sei nicht nichtig. Denn der Beteiligte zu 1 sei ausnahmsweise unter Beachtung des Gebots von Treu und Glauben verpflichtet, für sich selbst und für seine Ehefrau, deren Wohnungseigentumsangelegenheiten er seit Jahren von ihr geduldet erledige, der als Hausordnung bezeichneten Nutzungsregelung bezüglich des Gartens zuzustimmen. Es sei deshalb von einer allstimmigen Beschlussfassung auszugehen mit der Folge, dass der vom Amtsgericht angenommene Nichtigkeitsgrund entfalle. Entscheidend für die aus Treu und Glauben hergeleitete Zustimmungsverpflichtung des Beteiligten zu 1 sei, dass er über mehr als 10 Jahre (vor 1985 bis 1996) mit der in rechtlicher Hinsicht die Wohnungseigentümer nicht bindenden Aufteilung des Gartengrundstücks einverstanden gewesen sei. Überdies habe die beschlossene Hausordnung in Verbindung mit der die einzelnen Gartenflächen ausweisenden Landkarte, die die Grenzen für die Nutzung der Gartenflächen im etwaigen damaligen Ausmaß rechtlich verbindlich und überprüfbar habe festschreiben wollen, keine wesentliche Veränderung zu dem Zustand geschaffen, mit dem der Beteiligte zu 1 mehr als 10 Jahre gelebt und den er gebilligt habe. Plausible Gründe gegen die Annahme der Verpflichtung des Beteiligten zu 1, der Hausordnung zuzustimmen - etwa die Zuweisung einer zu geringen oder ihm nachvollziehbar nicht genehmen Gartennutzungsfläche - seien nicht ersichtlich. In Bezug auf seinen Miteigentumsanteil (141.319/1.000.000) habe der Beteiligte zu 1 mit ca. 100 m2 (richtig: ca. 1.000 m2) im Verhältnis zu den anderen Miteigentümern (Beteiligte zu 2:192.448/1.000.000 - ca. 100 2 (richtig: ca. 1.000 m2); Beteiligte zu 3: 177.472/1.000.000 - ca. 100 m2 (richtig: ca. 1.000 m2); Beteiligte zu 4: 192.849/1.000.000 - ca. 950 m2) die größte Gartenfläche zugewiesen erhalten. Hierbei gehe die Kammer davon aus, dass die in der Hausordnung bezeichneten m2 - Angaben der Gartenflächen - vom Katasteramt Solingen per Computer - zutreffend ermittelt worden sind. Entgegen der Auffassung des Beteiligten zu 1 führe sein 163.797/1.000.000 Miteigentumsanteil, verbunden mit dem Sondereigentum an der Scheune nicht dazu, dass er im Verhältnis zu den Miteigentumsanteilen der anderen Beteiligten eine größere Gartennutzungsfläche erhalten müsse. Denn bei der Aufteilung der Gartennutzungsflächen vor 1985 sei dieser Miteigentumsanteil unberücksichtigt geblieben, was der Beteiligte zu 1 über 10 Jahre hingenommen habe. Entsprechendes gelte für die unterbliebene sinnvolle Aufteilung einer weiteren Gartenfläche vor dem Haus (ca. 700 m2), weil diese dem Zugang Aller zu den einzelnen zugewiesenen Gartenflächen bzw. zum Wohnhaus diene.

2.

Diese Ausführungen halten der dem Senat obliegenden rechtlichen Überprüfung nicht stand.

a)

Der Senat legt den Eigentümerbeschluss zu TOP 25 vom 17. August 2001 in eigener Kompetenz (BGH ZMR 2000, 772) nicht als bloße Gebrauchsregelung, sondern als die Einräumung bzw. Bestätigung vermeintlicher Sondernutzungsrechte (Klarstellung) an den in Rede stehenden Gartenflächen aus. Denn Letztere sollten den jeweiligen Wohnungseigentümern, die in Abweichung von § 16 Abs. 2 WEG die Kosten der Instandhaltung und Gestaltung zu tragen hatten, auf Dauer zu deren alleiniger Nutzung zur Verfügung stehen (vgl. Bärmann/Pick/Merle Wohnungseigentumsgesetz, 9. Auflage 2003, § 15 Rdz. 17).

b)

Ein Sondernutzungsrecht kann nur durch Vereinbarung, nicht auch durch bestandskräftig gewordenen Mehrheitsbeschluss begründet werden. Der Wohnungseigentümerversammlung fehlt hierzu die absolute Beschlusskompetenz Ein in Ermangelung derselben gefasster Beschluss ist nichtig (BGH NJW 2000, 3500 = NZM 2000, 1184 = ZMR 2000, 772; Bärmann/Pick/Merle a.a.O.).

c)

Der vorstehend aufgezeigte Mangel kann nicht durch die Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) überwunden werden, mit der Folge, dass -wie offenbar das Landgericht meint - die Beschlussfassung zu TOP 25 wegen treuwidrig verweigerten zustimmenden Abstimmungsverhaltens der - bei der Beschlussfassung nicht anwesenden - Beteiligten zu 1 und 5 als allstimmige zu fingieren sei und hiernach die Voraussetzungen einer Vereinbarung anzunehmen seien oder der Beschwerdeführer deshalb in Bezug auf sein Feststellungsbegehren nicht rechtschutzbedürftig sei.

Denn es ist nicht ersichtlich, aufgrund welcher Vorschriften, Vereinbarungen Übungen oder sonstigen Gegebenheiten die Beteiligten zu 1 und 5 verpflichtet sein sollten, in Bezug auf die in Rede stehenden Gartenflächen Sondernutzungsrechte mit dem Inhalt des Eigentümerbeschlusses zu TOP 25 zu vereinbaren.

aa)

Nach § 3 der Teilungserklärung 1254/1981 vom 16. Dezember 1981 bestehen Sondernutzungsrechte ausdrücklich nicht. Die Benutzung der Gartenfläche ist lediglich durch § 2 Nr. 4 TE dahin geregelt, dass sie als Ziergarten zu verwenden ist.

bb)

In der Zeit bis zu der Beschlussfassung zu TOP 25 wurde weder eine auf Einräumung von Sondernutzungsrechten gerichtete Abmachung getroffen noch ein entsprechender - rechtsunwirksamer - Beschluss gefasst, aus dem man auf einen dahin gehenden Regelungswillen der Gemeinschaft hätte schließen können. Auch eine Übung oder tatsächliche Handhabung, die geeignet sein könnte, die Beschwerdeführer aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben zu verpflichten, Sondernutzungsrechte an den in Rede stehenden Gartenflächen (unter entsprechender Änderung der Teilungserklärung) zu vereinbaren, ist nicht ersichtlich.

Abgesehen von der Frage, ob die Gartennutzung in der Vergangenheit überhaupt in Bezug auf die in Rede stehenden Flächen durchgehend wie Sondernutzungsrechte ausgeübt worden ist, lässt sich aus der Praktizierung eines Sondernutzungsrechts über einen längeren Zeitraum mit Blick auf die Entscheidung des BGH (NJW 2000, 3500) ein Anspruch auf Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung regelmäßig auch aus Treu und Glauben nicht herleiten. Dies folgt mittelbar daraus, dass die Nichtigkeit einer inhaltsgleichen Beschlussregelung ohne zeitliche Befristung geltend gemacht werden kann (BGH a.a.O. S, 775; BGHZ 107, [270 f.].

In diesem Zusammenhang kommt auch eine Ergebniskorrektur aus dem Gesichtspunkt unzumutbarer Härte nicht in Betracht. Denn zum Einen ist der erstmals die ausschließliche Nutzung der einzelnen Gartenflächen regelnde Eigentümerbeschluss am 17. August 2001 und damit lange nach der Entscheidung des BGH vom 20. September 2000 (NJW 2000, 3500) gefasst worden, zum Anderen kann eine rechtlich schützenswerte Position der Beteiligten zu 2 bis 4 im Hinblick auf ein Sondernutzungsrecht schon deshalb nicht bejaht werden, weil darin, dass - in der Teilungserklärung von vornherein gar nicht vorgesehene - Sondernutzungsrechte nicht zur Entstehung gebracht werden, eine unzumutbare Härte nicht gesehen werden kann.

d)

Da die Beteiligten zu 2 bis 4 nach den voran gegangenen Ausführungen die Einräumung von Sondernutzungsrechten in Bezug auf die in Rede stehenden Gartenflächen von den Beteiligten zu 1 und 5 nicht beanspruchen können, ist die Unwirksamkeit der getroffenen Beschlussregelung festzustellen.

Etwas Anderes ergibt sich nicht daraus, dass der Beschwerdeführer möglicherweise einer Gebrauchsregelung ähnlichen Inhalts wie der aus der Beschlussanlage zu TOP 25 als Maßnahme ordnungsgemäßer Verwaltung zustimmen müsste. Denn diese würde im Gegensatz zum Sondernutzungsrecht nicht die Zuweisung alle anderen Wohnungseigentümer ausschließender Gebrauchsvorteile als exklusive Nutzung (vgl. Bärmann/Pick/Merle a.a.O. § 15 Rdz. 17) zum Inhalt haben.

Auf das Rechtsmittel der Beschwerdeführer waren daher der angefochtene Beschluss des Landgerichts aufzuheben und die die Unwirksamkeit des Eigentümerbeschlusses zu TOP 25 feststellende Entscheidung des Amtsgerichts wieder herzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG. Für eine Erstattungsanordnung hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten nach Billigkeitsgesichtspunkten besteht keine Veranlassung.

Ende der Entscheidung

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