Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 27.06.2001
Aktenzeichen: 3 Wx 156/01
Rechtsgebiete: VerschG, FGG


Vorschriften:

VerschG § 1
VerschG § 2
FGG § 27
Ernstliche Zweifel am Fortleben eines Verschollenen bestehen dann, wenn Leben und Tod bei vernünftiger Betrachtungsweise gleichermaßen ungewiss sind und über das Schicksal des Betroffenen keine Nachrichten zu erlangen sind, obwohl sie nach Lage des Falles zu erwarten gewesen wären.

Insofern sind auch der Gesundheitszustand und das Alter des Betroffenen zu berücksichtigen.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

3 Wx 156/01

In dem Todeserklärungsverfahren

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 12. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 05.09.2001 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. Gottschalg, des Richters am Oberlandesgericht von Wnuck-Lipinski und der Richterin am Oberlandesgericht Dr. Krautter am 27. Juni 2001

beschlossen:

Tenor:

Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

Wert: 5.000 DM.

Gründe:

I.

Der Betroffene, Ehemann der Antragstellerin, ist seit dem 07.06.1989 verschwunden. Vom selben Tag datiert ein letztes Lebenszeichen von ihm, das an die Antragstellerin gerichtete Telegramm, das er am Flughafen Frankfurt am Main aufgegeben hatte ("komme uebermorgen keine sorge dein Schatz"). Nachforschungen bei seinen beiden Brüdern, seiner Schwester, seinen beiden Kindern und seiner Mutter blieben ergebnislos; bei keinem von ihnen hatte sich der Betroffene zwischenzeitlich gemeldet, obgleich er nach Darstellung der Antragstellerin sehr an seiner Familie gehangen hatte und auch eine gute Ehe geführt haben soll. Die aufgrund der Vermisstenanzeige vom 10.01.1990 von der Polizei durchgeführten Ermittlungen führten zur Befragung von zwei Zeugen, Angestellten der Firma K in Oberhausen. Nach deren Angaben hatte der Betroffene am 07.06.1989 seinen PKW Mazda für einen Barerlös von 12.000 DM verkauft - die Abmeldebestätigung der Versicherung hatte die Antragstellerin bereits wenige Tage nach dem 07.06.1989 erhalten - und sich sodann zum Flughafen Düsseldorf fahren lassen. Der Fahrer gab an, der Betroffene sei mit verschiedenen großen Taschen bepackt gewesen und habe ihm mitgeteilt, dass er seinen, Haushalt in Oberhausen vollständig aufgelöst habe und nunmehr nach Kolumbien gehe, wo er Arbeit, ein Haus und auch seine Familie habe.

Der Betroffene hatte einen Reisepass in der Wohnung zurückgelassen. Dieser wurde ausweislich eines polizeilichen Vermerks vom 16.01.1990 nach Rücksprache mit dem Einwohnermeldeamt für ungültig erklärt. Der Betroffene hat sich am 15.04.1988 von der Stadt Oberhausen einen neuen Reisepass ausstellen lassen.

Versuche der Antragstellerin und des Amtsgerichts, über die Deutsche Botschaft in Kolumbien den Aufenthalt des Betroffenen zu ermitteln, blieben ohne Ergebnis, ebenso wie gerichtliche Anfragen bei der Flughafenpolizei und bei der Frankfurter Flughafen AG. Die Staatsanwaltschaft Duisburg ermittelt gegen den Betroffenen wegen Verletzung der Unterhaltspflicht. Eingeleitete Fahndungsmaßnahmen blieben ohne Erfolg.

Die Antragstellerin, die vom Betroffenen mittellos zurückgelassen worden ist, hat am 04.01.2000 beantragt, den Betroffenen für tot zu erklären. Sie geht davon aus, dass ihr seit 1988 arbeitsloser Ehemann möglicherweise zwecks Arbeitssuche nach Kolumbien ausgereist ist, wo er in den Jahren 1985 bis 1987 geschäftlich tätig war. Zwar hatte er ihr nicht mitgeteilt, dass er verreisen wolle - er hatte ihr am 07.06.1989 erklärt, er wolle sich zu einem Vorstellungsgespräch nach Köln begeben. Die Antragstellerin meint jedoch, wenn ihr Ehemann zur Arbeitssuche ins Ausland gereist wäre, dann jedenfalls in der Absicht, sich anschließend bei ihr zu melden, so wie im Mai 1988, als er - ebenfalls, ohne sie zu informieren - nach Kolumbien ausreiste und ihr eine Woche später telefonisch mitteilte, er habe in Kolumbien eine Arbeitsstelle gefunden. Im November 1988 sei er nach Deutschland zu ihr zurückgekehrt, nachdem er, wie er ihr mitgeteilt habe, im August 1988 in Kolumbien einen Herzinfarkt erlitten habe und sich mehrere Monate stationär habe behandeln lassen müssen.

Das Amtsgericht hat den Antrag mangels ernstlicher Zweifel am Fortleben des Betroffenen zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist vom Landgericht nach Einholung einer schriftlichen Stellungnahme des Internisten Dr. V der den Betroffenen im Dezember 1988 und danach behandelt hatte, zurückgewiesen worden. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin.

II.

Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.

Die angefochtene Entscheidung beruht nicht auf einer Verletzung des Gesetzes (§ 27 FGG).

Die Kammer hat zur Begründung ihrer Entscheidung ausgeführt: Auch sie sei nach dem Ergebnis der Ermittlungen nicht davon überzeugt, dass ernstliche Zweifel am Fortleben des Betroffenen bestünden. Die Umstände seines Verschwindens sprächen dafür, dass er geplant habe, sich abzusetzen, und dass er nicht beabsichtigt habe, sich lediglich zur Arbeitssuche nach Kolumbien oder in das sonstige Ausland zu begeben, um anschließend wieder zurückzukehren, wie er dies bereits im Jahre 1988 getan habe. Entscheidend gegen eine Rückkehrabsicht spreche der Verkauf des Fahrzeugs vor der Abreise, ferner die gegenüber dem Mitarbeiter der Firma K gemachte Äußerung, die geeignet gewesen sei, eine falsche Spur zu legen, um die zu erwartende Suche nach seiner Person zu erschweren. Für die Absicht des Betroffenen, den Beginn der Suche nach seiner Person zu verzögern und die Verfolgung seiner Spur zu erschweren, spreche ebenfalls das in Frankfurt aufgegebene Telegramm, mit dem er seine Rückkehr erst für den übernächsten Tag in Aussicht gestellt habe. Hiernach habe er mit Suchmaßnahmen frühestens nach zwei Tagen rechnen müssen, wodurch eine Verfolgung seiner Spur erheblich erschwert worden sei, zumal nach Auskunft der Flughafenpolizei Passagierlisten in der Regel nur 24 bis 28 Stunden aufbewahrt würden. Die guten Fremdsprachenkenntnisse des Betroffenen und seine im Ausland gesammelte Berufserfahrung stellten Umstände dar, die ihn besonders befähigten, im Ausland zu leben und seinen Entschluss hätten stützen können, ins Ausland auszuwandern. Vor dem Hintergrund eines geplanten Absetzens begründe der Umstand, dass sich der Betroffene elf Jahre lang weder bei seiner Ehefrau und seinen Kindern noch bei seiner Mutter und seinen Geschwistern gemeldet habe, auch keine ernstlichen Zweifel daran, dass er noch lebe, weil davon ausgegangen werden müsse, dass der Betroffene seine Verbindungen zu seinen Angehörigen bewusst abgebrochen habe. Zwar könne auch ein Mensch, der seine Angehörigen bewusst verlassen und sich absichtlich verborgen gehalten habe, in Verschollenheit geraten. Allerdings begründe allein das Alter des Betroffenen, der inzwischen 59 Jahre alt sei, keine Zweifel an seinem Fortleben. Dies gelte auch für seinen Gesundheitszustand. Das von der Kammer eingeholte ärztliche Attest stehe dem nicht entgegen.

Diese Ausführungen sind aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Gemäß § 2 VerschG kann ein Verschollener unter den Voraussetzungen der §§ 3-7 VerschG im Aufgebotsverfahren für tot erklärt werden. Verschollen ist, wessen Aufenthalt während längerer Zeit unbekannt ist, ohne dass Nachrichten darüber vorliegen, ob er in dieser Zeit noch gelebt hat oder gestorben ist, sofern nach den Umständen hierdurch ernstliche Zweifel an seinem Fortleben begründet werden, § 1 VerschG.

Der Aufenthalt des Betroffenen ist trotz umfassender Ermittlungen - ein Aufklärungsdefizit kann nicht festgestellt werden - über einen längeren Zeitraum bis heute unbekannt geblieben und Nachrichten über sein Ableben oder Fortleben liegen nicht vor. Ernstliche Zweifel an seinem Fortleben hat das Landgericht gleichwohl ohne Rechtsfehler verneint. Solche Zweifel bestehen dann" wenn Leben und Tod bei vernünftiger Betrachtungsweise gleichermaßen ungewiss sind und über das Schicksal des Betroffenen keine Nachrichten zu erlangen sind, obwohl sie nach Lage des Falles zu erwarten gewesen wären (Arnold, Kommentar zum Verschollenheitsrecht, Rdnr. 9; vgl. auch OLG Freiburg NJW 51, 661 m.w.N.).

Es kann nach Lage des Falles nicht festgestellt werden, dass das Fortleben des Betroffenen ebenso ungewiss wäre wie sein Tod. Vielmehr erscheint das Fortleben nach den konkreten, vom Landgericht im einzelnen dargestellten Umständen wahrscheinlicher. Zwar mag die Veräußerung des PKW für sich allein genommen noch nicht unbedingt für ein geplantes Absetzen des Betroffenen sprechen. Die Beschwerdeführerin trägt vor, dass der Betroffene zum Zeitpunkt seines Verschwindens völlig mittellos gewesen sei und ohne die Veräußerung des PKW keinen Auslandsflug hätte finanzieren können, der zwecks Arbeitssuche nötig gewesen wäre. Gegen eine Abreise lediglich zur Arbeitssuche spricht aber in jedem Fall, wie in dem angefochtenen Beschluss zu recht hervorgehoben, die Verschleierungstaktik des Betroffenen.

Vernünftigerweise war bei dem anzunehmenden Sachverhalt auch nicht in der Folgezeit mit Nachrichten von dem Betroffenen zu rechnen. Das andauernde Stillschweigen des Betroffenen ist vor dem Hintergrund eines bewussten Absetzens von Ehefrau und Familie nur konsequent. Die Ansicht der weiteren Beschwerde, es gebe keinerlei Motiv für ein Absetzen, erscheint lebensfremd. Motive sind zwar nicht bekannt, wohl aber denkbar. In diesem Zusammenhang könnte die als Geschenk deklarierte Überweisung von 500 DM am 11.01.1989 an eine weibliche Person in Bogota von Bedeutung sein.

Der Gesundheitszustand des Betroffenen nach angeblichem Herzinfarkt führt ebenfalls nicht zu ernstlichen Zweifeln an seinem Fortleben. Der behandelnde Arzt hat ausweislich seiner schriftlichen Stellungnahme bei einer im Dezember 1988 durchgeführten Untersuchung mittels Ruhe- und Belastungs-EKG Hinweise auf einen drei Monate zuvor erlittenen Herzinfarkt nicht gefunden. Es wurden lediglich Herzrythmusstörungen diagnostiziert. Gleichwohl hat der Arzt die Lebenserwartung des Betroffenen als gut bezeichnet und Aussicht auf weitgehende Genesung bejaht.

Schließlich legt auch das Alter des Betroffenen von 59 Jahren nicht die Annahme nahe, dass er zwischenzeitlich verstorben ist.

Soweit mit der weiteren Beschwerde neue Tatsachen vorgetragen werden, sind diese vom Senat als Rechtsbeschwerdegericht nicht zu berücksichtigen (Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 14. Aufl., § 27 Rdnr. 43).

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

Ende der Entscheidung

Zurück