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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 20.07.2001
Aktenzeichen: 3 Wx 174/01
Rechtsgebiete: WEG, BGB


Vorschriften:

WEG § 25 Abs. 5
BGB § 164
BGB § 167
1.

Ein Wohnungseigentümer, der zugleich das Verwalteramt innehat, ist nicht stimmberechtigt und auch nicht befugt, einen anderen Wohnungseigentümer bei der Stimmabgabe zu vertreten, wenn seine Abberufung als Verwalter aus wichtigem Grund zur Beschlussfassung steht.

2.

Ein Nichtwohnungseigentümer kann einen Wohnungseigentümer dann nicht bei der Stimmabgabe wirksam vertreten, wenn der Vertreter (hier: der Verwalter) - wäre er selbst Wohnungseigentümer - einem Stimmverbot unterläge.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

3 Wx 174/01

In dem Wohnungseigentumsverfahren

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss der 25. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 18. April 2001 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. Gottschalg und der Richter am Oberlandesgericht Dr. Schütz und von Wnuck-Lipinski am 20. Juli 2001

beschlossen:

Tenor:

Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

Der Beteiligte zu 1 trägt die gerichtlichen Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde.

Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.

Wert des Beschwerdegegenstandes: 5.000,- DM

Gründe:

I.

Der Beteiligte zu 1 und die Beteiligten zu 3 bis 14 sind die Mitglieder der Eigentümergemeinschaft der eingangs bezeichneten Wohnungseigentumsanlage, deren erster Verwalter der Beteiligte zu 2 ist.

Unter dem 19. Mai 2000 hat der Beteiligte zu 1 beantragt, den Beteiligten zu 2 wegen mangelhafter Amtsführung als Verwalter abzuberufen und einen neuen Verwalter nach Absprache mit der Eigentümergemeinschaft zu bestellen.

Mit Anwaltsschriftsatz vom 07. Juni 2000 hat der Beteiligte zu 1 sodann beantragt, nicht über den vorgenannten Antrag zu entscheiden, sondern dem Beteiligten zu 2 aufzugeben, innerhalb angemessener Frist, spätestens bis zum 31.08.2000 eine Versammlung der Eigentümer der Wohnungen des Hauses L... in D... einzuberufen mit folgenden Tagesordnungspunkten:

1. Wohngeldabrechnung 1998/1999

2. Erstellung eines Wirtschaftsplanes für das Jahr 2000;

3. Hausreinigung;

4. Abwahl des Verwalters C...;

5. Bestellung eines neuen WEG-Verwalters;

6. Sonstiges.

Am 11. Juli 2000 hat das Amtsgericht den Beteiligten zu 1 im Wege der einstweiligen Anordnung ermächtigt, eine Versammlung der Eigentümer mit den genannten Tagesordnungspunkten einzuberufen. Hiervon hat der Beteiligte zu 1 keinen Gebrauch gemacht, weil der Beteiligte zu 2 zwischenzeitlich selbst eine Eigentümerversammlung einberufen hatte.

Die auf den 27. Juli 2000 einberufene Eigentümerversammlung war nicht beschlussfähig, weil in ihr nur zwei stimmberechtigte Wohnungseigentümer bzw. bevollmächtigte Vertreter, insgesamt 17.895/100.000 Miteigentumsanteile, vertreten waren. Es wurde deshalb einvernehmlich eine Wiederholungsversammlung auf den 29. August 2000 terminiert. In der Versammlungsniederschrift vom 27. Juli 2000 heißt es hierzu:

"Der Verwalter wird nach Belegprüfung, die am 14. August 2000 stattfinden wird, erneut zur Wohnungseigentümerversammlung einladen mit den weiteren Tagesordnungspunkten:

Abwahl des Verwalters

Bestellung eines neuen Verwalters."

In der Versammlung vom 29. August 2000, zu der der Verwalter unter dem 21. August 2000 eingeladen hatte, und in der lediglich der Beteiligte zu 1, versehen mit Vollmachten der Beteiligten zu 11 und 12, anwesend war, stellte der Versammlungsleiter, ein Angestellter des Beteiligten zu 2, die Beschlussfähigkeit mit 54.868/100.000 Miteigentumsanteilen fest. Denn der Versammlungsleiter selbst verfügte ebenfalls über Vollmachten verschiedener Miteigentümer, die insgesamt 29.210/100.000 Miteigentumsanteile darstellten. Der Beteiligte zu 1 stimmte zu TOP 10 mit den von ihm vertretenen 25.658 Miteigentumsanteilen für die Abwahl des Verwalters C... aus wichtigem Grund, der Vertreter der Beteiligten zu 2 stimmte mit 29.210 Miteigentumsanteilen dagegen. Der Versammlungsleiter stellte sodann fest, dass die Abberufung mangels Mehrheit nicht zustande gekommen sei.

Der Beteiligte zu 1 hat unter dem 26. September 2000 beantragt,

festzustellen, dass der Hausverwalter C... durch Beschluss der Eigentümergemeinschaft vom 29. August 2000 wirksam aus wichtigem Grund abgewählt worden ist,

hilfsweise,

dass der Verwalter C... aus wichtigem Grund abberufen werde.

Das Amtsgericht hat am 18. Dezember 2000 dem Hauptantrag stattgegeben, weil der Vertreter der Verwaltung bei der Abstimmung über die Verwalterabwahl wegen vorhandener Interessenkollision einem Stimmverbot unterlegen habe. Deshalb seien die von ihm abgegebenen Stimmen gegen den Antrag zu TOP 10 nicht mitzuzählen und nur Ja-Stimmen zu verzeichnen gewesen, weshalb der Verwalter C... - entgegen der vom Versammlungsleiter getroffenen Feststellung - abgewählt worden sei.

Das Landgericht hat am 18. April 2001 auf die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 2 die amtsgerichtliche Entscheidung geändert und den Antrag des Beteiligten zu 1 vom 26. September 2000 zurückgewiesen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Beteiligte zu 1 mit der sofortigen weiteren Beschwerde und bittet um Bestätigung des amtsgerichtlichen Beschlusses.

Er macht geltend, der Kammer sei zwar dahin zuzustimmen, dass die Eigentümerversammlung bei der Abstimmung über die Abwahl des Verwalters C... nicht beschlussfähig gewesen sei. Die Beschlussfähigkeit sei indes vom Landgericht nicht mehr zu überprüfen gewesen, weil der Beteiligte zu 2 seine Abwahl nicht angegriffen und das Fehlen der Beschlussfähigkeit nicht innerhalb der Frist des § 23 Abs. 4 WEG gerügt habe.

Der Beteiligte zu 2) tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die gemäß § 45 Abs. 1 WEG; 22, 27, 29 FGG zulässige sofortige weitere Beschwerde ist nicht begründet. Denn die Entscheidung des Landgerichts beruht nicht auf einer Verletzung gesetzlicher Vorschriften im Sinne des § 27 FGG.

1.

Das Landgericht hat zur Begründung ausgeführt, der Beteiligte zu 2 sei in der Eigentümerversammlung vom 29. August 2000 nicht als Verwalter abgewählt worden. Zwar habe es nicht an der zur Abwahl erforderlichen Mehrheit gefehlt, die Versammlung sei vielmehr in Bezug auf diesen Punkt nicht beschlussfähig gewesen. Der Beteiligte zu 2 habe - dies ergebe sich aus einer entsprechenden Anwendung des § 25 Abs. 5 WEG - nicht an der Abstimmung über seine Abwahl teilnehmen dürfen. Dies gelte sowohl für den Verwalter, der selbst Wohnungseigentümer ist als auch für den Verwalter, der zwar nicht selbst Wohnungseigentümer ist, sondern als Vertreter einzelner Wohnungseigentümer an der Abstimmung teilnehmen wolle. Denn auch insoweit bestehe die Gefahr der Interessenkollision.

Da der Verwalter von der Abstimmung in Vertretung für andere Wohnungseigentümer ausgeschlossen gewesen sei, sei die Versammlung insoweit nicht mehr beschlussfähig im Sinne des § 25 Abs. 3 WEG gewesen, weil im Hinblick auf die Abstimmung zu TOP 10 nur 25.658/100.000 Miteigentumsanteile vertreten gewesen seien. Der Umstand, dass es sich um eine Wiederholungsversammlung handelte, ändere hieran nichts. Denn die Abwahl des Verwalters sei nicht Gegenstand der Tagesordnung der für den 27. Juli 2000 einberufenen Eigentümerversammlung gewesen. Dies ergebe sich zum einen aus der Niederschrift der Versammlung vom 27. Juli 2000, in dem es ausdrücklich heißt, die Tagesordnung (für die Wiederholungsversammlung am 29. August 2000) werde erweitert um die Tagesordnungspunkte "Abwahl des Verwalters" und "Bestellung eines neuen Verwalters". Da der Beteiligte zu 1 das Einladungsschreiben vom 7. Juli 2000 nicht vorlege, müsse davon ausgegangen werde, dass dieses die Tagesordnungspunkte "Abwahl" und "Neuwahl" nicht enthalten habe. Die Bestimmungen über die Beschlussfähigkeit von Wiederholungsversammlungen seien aber nur auf wiederholte, nicht aber auf Tagesordnungspunkte anzuwenden, die noch nicht Gegenstand der zuvor einberufenen Eigentümerversammlung gewesen seien.

2.

Diese Ausführungen halten der dem Senat obliegenden rechtlichen Nachprüfung stand.

Das Landgericht ist ohne Rechtsfehler zu der Beurteilung gelangt, dass der Beteiligte zu 2 in der Eigentümerversammlung vom 29. August 2000 nicht als Verwalter abgewählt worden ist.

Dass die Wohnungseigentümerversammlung vom 29. August 2000 zu TOP 10 (Abwahl des Verwalters) nicht beschlussfähig war, weil die erschienenen stimmberechtigten Wohnungseigentümer nicht mehr als die Hälfte der Miteigentumsanteile, berechnet nach der im Grundbuch eingetragenen Größe dieser Anteile, sondern nur 25.658/100.000 Miteigentumsanteile vertraten (§ 25 Abs. 3 WEG) und die Zusammenkunft in Bezug auf diesen Punkt nicht als ohne Rücksicht auf die vertretenen Anteile beschlussfähige Wiederholungsversammlung im Sinne des § 25 Abs. 4 WEG anzusehen war, hat die Kammer rechtlich einwandfrei festgestellt.

Die fehlende Beschlussfähigkeit der Eigentümerversammlung, die nicht wegen Bestandskraft einer Abwahlentscheidung nach § 23 Abs. 4 WEG der Überprüfung durch die Kammer entzogen war (b), liegt darin begründet, dass weder der Beteiligte zu 2 noch sein von ihm unterbevollmächtigter Angestellter als Versammlungsleiter selbst oder als Vertreter nicht erschienener Wohnungseigentümer zum TOP "Abwahl des Verwalters" stimmberechtigt waren (a).

a)

aa)

Der Wohnungseigentümer, der zugleich das Verwalteramt inne hat, ist nach heute einhelliger Meinung nicht stimmberechtigt, wenn seine Abberufung als Verwalter aus wichtigem Grund zur Beschlussfassung steht (Bärmann/Pick/Merle WEG 8. Auflage 2000 § 25 Rdz. 107). Nach der Rechtsprechung und herrschenden Lehre ist ein vom Stimmverbot betroffener Wohnungseigentümer auch nicht befugt, einen anderen Wohnungseigentümer bei der Stimmabgabe zu vertreten (Bärmann/Pick/Merle a.a.O. Rdz. 121 mit Nachw.). Hierbei ist unerheblich, ob die Begründung für den Stimmrechtsausschluss darin liegt, dass niemand Richter in eigener Sache sein soll oder dem Rechtsgedanken der §§ 712 Abs. 1, 737 BGB; 117, 127, 140 HGB; 47 Abs. 4 GmbHG zu entnehmen ist, wonach ein Gesellschafter immer dann nicht stimmberechtigt ist, wenn ihm eine Rechtsposition aus wichtigem Grund entzogen werden soll, weil es gleichermaßen unerträglich erscheint, dass ein Gesellschafter mit der eigenen Stimme in seiner Rechtsposition verbleiben kann, obwohl er eine schwere Pflichtverletzung begangen hat wie auch dass ein Wohnungseigentümer und Verwalter trotz Vorliegens eines wichtigen Grundes mit seiner eigenen Stimme im Verwalteramt verbleiben könnte (Bärmann/Pick/Merle a.a.O). Der Sinn des Stimmrechtsauschlusses des Verwalters liegt jedenfalls darin, dass er wegen seiner privaten Sonderinteressen nicht auf die Beschlussfassung einwirken soll, wobei es unerheblich ist, ob diese Einwirkung in eigenem oder in fremdem Namen erfolgt. Denn auch der Wohnungseigentümer, der in fremdem Namen handelt, gibt eine eigene Willenserklärung (Stimme) ab. Hiernach unterliegt auch der von einem Wohnungseigentümer bevollmächtigte Verwalter (und demnach auch ein von jenem unterbevollmächtigter Angestellter) dem Stimmverbot, wenn ein Beschluss über die Abwahl als Verwalter aus wichtigem Grund gefasst werden soll.

bb)

Etwas anderes kann nicht gelten, wenn der - hier durch einen unterbevollmächtigten Angestellten als Versammlungsleiter seinerseits vertretene - Verwalter, zwar als Nichtwohnungseigentümer keinem Stimmverbot nach § 25 Abs. 5 WEG unterliegt, sondern als solcher von vornherein nicht stimmberechtigt war. Denn bei ihm kollidieren in gleicher Weise Gemeinschafts- und Privatinteressen und auch er gibt - obgleich in fremdem Namen handelnd - eine eigene Willenserklärung (Stimme) ab. Festzuhalten ist hiernach, dass auch ein Nichtwohnungseigentümer einen Wohnungseigentümer dann nicht bei der Stimmabgabe wirksam vertreten kann, wenn der Vertreter - wäre er selbst Wohnungseigentümer - einem Stimmverbot unterläge.

cc)

Die Frage, ob der Beteiligte zu 2 nur dann vom Stimmrechtsverbot betroffen ist, wenn tatsächlich ein wichtiger Grund für die Abwahl des Beteiligten zu 2 als Verwalter gegeben war (Bärmann/Pick/Merle, a.a.O. § 25 Rdz. 107), bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Denn bei Vorliegen eines wichtigen Grundes scheitert die Abwahl des Beteiligten zu 2 - wie ausgeführt - an der fehlenden Beschlussfähigkeit der Eigentümergemeinschaft zu TOP 10 vom 29. August 2000. Lag ein wichtiger Grund indes nicht vor, so kam eine Abwahl des Beteiligten zu 2 der Sache nach ohnehin nicht in Betracht.

b)

Zu Unrecht rügt der Beteiligte zu 1, dass die Kammer die Beschlussfähigkeit der Eigentümerversammlung vom 29. August 2000 zu TOP 10 nicht mehr hätte überprüfen dürfen, sondern die Abwahl des Beteiligten zu 2 als bestandskräftig beschlossen hätte behandeln müssen, weil der Beteiligte zu 2 seine Abwahl als Verwalter nicht rechtzeitig angefochten habe.

Letzteres trifft nicht zu. Am 29. August 2000 wurde durch den Versammlungsleiter festgestellt, dass eine Abwahl des Beteiligten zu 2 in Ermangelung einer entsprechenden Mehrheit nicht zustande gekommen sei. Das festgestellte Ergebnis dieses durch eine nicht beschlussfähige Eigentümerversammlung gefassten ohnehin nicht anfechtbaren "Nichtbeschlusses" (vgl. Staudinger-Bub WEG 1997 § 23 Rdz. 147 ff.) beschwerte den Beteiligten zu 2 überdies nicht, sodass er aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt Anlass hatte, hiergegen vorzugehen. Erst nach Zustellung des amtsgerichtlichen Beschlusses vom 18. Dezember 2000 am 12. Januar 2001 musste der Beteiligte zu 2 unter Zugrundelegung dieser Entscheidung davon ausgehen, dass er - ungeachtet der anderslautenden Feststellung durch den Versammlungsleiter - am 29. August 2000 möglicherweise als Verwalter abgewählt worden war. Diesen Beschluss des Amtsgerichts aber hat der Beteiligte zu 2 jedenfalls rechtzeitig angefochten.

Die sofortige weitere Beschwerde konnte nach alledem keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 47 WEG.

Die Erstattung außergerichtlicher Kosten unter Billigkeitsgesichtspunkten war nicht anzuordnen.

Ende der Entscheidung

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