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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 10.07.2000
Aktenzeichen: 3 Wx 214/00
Rechtsgebiete: WEG, GKG


Vorschriften:

WEG § 45 Abs. 1
GKG § 16
WEG § 45 Abs. 1; GKG § 16

1.

Der Wert der Beschwer, der sich nach dem vermögenswerten Interesse des Rechtsmittelführers an der Beseitigung der von zwei Nadelbäumen im Bereich des Balkons seiner Eigentumswohnung ausgehenden Beeinträchtigung (Lichtentzug) richtet, übersteigt 1.500,-- DM.

2.

Der Jahresbetrag einer um 10 % geminderten fiktiven Monatsmiete kann schon deshalb nicht entsprechend § 16 GKG zur Bemessung der Beeinträchtigung (Beschwer) herangezogen werden, da diese Vorschrift - aus sozialen Erwägungen - allein für die Wertfestsetzung zur Gebührenberechnung gilt.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

3 Wx 214/00 6 T 83/00 LG Wuppertal 93 UR II 79 /99 WEG AG Wuppertal

In dem Wohnungseigentumsverfahren

betreffend die Wohnungseigentümergemeinschaft in Wuppertal,

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin vom 29. Mai 2000 gegen den Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal vom 5. Mai 2000 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. Gottschalg, der Richterin am Oberlandesgericht Dr. Krautter und des Richters am Oberlandesgericht von Wnuck-Lipinski am 10. Juli 2000

beschlossen:

Tenor:

Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des dritten Rechtszuges - an das Landgericht zurückverwiesen.

Wert des Beschwerdegegenstandes (Gebührenwert): 5.000,- DM.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin und die Antragsgegner sind die Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft in Wuppertal. Die Wohnung der Antragstellerin befindet sich im Erdgeschoss der Wohnanlage.

Die Antragstellerin macht geltend, zwei vor 6 oder 7 Jahren angepflanzte Nadelbäume im Bereich vor ihrem Balkon hätten sich mittlerweile derart entwickelt, dass sie einen ausreichenden Lichteinfall in ihre Wohnung verhindern, was den Wohnwert nicht unerheblich reduziere.

Die Wohnungseigentümerversammlung hat am 17. Juni 1999 zu TOP 7 mehrheitlich beschlossen, dass "keine Veränderung zu den bisherigen Strauchschnitten" erfolgen solle.

Die Beteiligte zu 1 hat beantragt,

den Antragsgegnern aufzugeben, die im Bereich des Grundstücks Wuppertal, gelegenen zwei Nadelbäume, vom Hof aus gesehen im rechten Bereich vor der Wohnung der Antragstellerin, Parterre rechts, zu entfernen und vorsorglich, den Beschluss der Eigentümergemeinschaft vom 17. Juni 1999 zu TOP 7 aufzuheben.

Das Amtsgericht hat nach mündlicher Verhandlung und Ortsbesichtigung durch Beschluss vom 22. Dezember 1999 die Anträge der Beteiligten zu 1 abgelehnt.

Die Antragstellerin hat gegen diese Entscheidung sofortige Beschwerde eingelegt, ihre ursprünglichen Anträge weiterverfolgt und hilfsweise beantragt,

die im Bereich des Grundstücks Wuppertal gelegenen zwei Nadelbäume, vom Hof aus gesehen im rechten Bereich vor der Wohnung der Antragstellerin, Parterre rechts, auf eine Höhe von 4 m und einen Radius von 2 m - gemessen vom Stamm aus - zu beschneiden.

Das Landgericht hat am 05. Mai 2000 das Rechtsmittel als unzulässig verworfen, weil der Beschwerdewert 1.500,- DM nicht übersteige.

Die Antragstellerin hat hiergegen sofortige weitere Beschwerde eingelegt, mit dem Antrag, unter Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen nach ihren zuletzt gestellten Anträgen zu entscheiden.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

1.

Die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin ist begründet.

a)

Die Zulässigkeit des Rechtsmittels ergibt sich ohne weiteres daraus, dass die Erstbeschwerde als unzulässig verworfen worden ist (vgl. BGH NJW 1992, 3305).

b)

Die sofortige weitere Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Denn die Entscheidung des Landgerichts ist nicht frei von Rechtsfehlern (§ 27 FGG).

Das Landgericht hat ausgeführt, die sofortige Beschwerde sei unzulässig, weil der Wert der Beschwer 1.500,- DM nicht übersteige, § 45 Abs. 1 WEG. Maßgeblich für die Bemessung der Beschwer sei das vermögenswerte Interesse der Beschwerdeführerin an einer Änderung der angefochtenen Entscheidung in ihrem Sinne, hier also letztlich ihr Interesse an der Beseitigung bzw. dem Rückschnitt, der beiden in Rede stehenden Nadelbäume im Bereich vor ihrer Wohnung. Zur Bewertung der von der Antragstellerin geltend gemachten Eigentums- und Besitzstörung an ihrer Wohnung könne, unter Zugrundelegung einer Monatsmiete von 758,50 DM und einer Mietminderung um 10 % von einem jedenfalls 1.200,- DM nicht übersteigenden jährlichen Mietminderungsbetrag ausgegangen werden. Die Minderung um nicht mehr als 10 % sei angemessen, weil selbst nach dem Vorbringen der Antragstellerin die Beeinträchtigung nicht zu jeder Zeit und auch nicht in allen Teilen der Wohnung gegeben sei.

2.

Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht Stand.

aa)

Der Beschwerdewert richtet sich nach der Beschwer und dem Änderungsinteresse des Beschwerdeführers. Die Beschwer bestimmt sich danach, was dem einzelnen Beschwerdeführer durch die angefochtene Entscheidung versagt wird (BGH NJW 1992, 3305). Maßgebend für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels ist somit allein das vermögenswerte Interesse des Beschwerdeführers an der Änderung der angefochtenen Entscheidung (BGH a.a.O.; BayObLG WE 1994, 380; Bärmann/Pick/Merle WEG 8. Auflage 2000 § 45 Rdz. 27).

bb)

Dies vorausgeschickt bestimmt sich der Wert des Beschwerdegegenstandes des zweiten Rechtszuges vorliegend nach dem vermögenswerten Interesse der Beteiligten zu 1 an einer Änderung der amtsgerichtlichen Entscheidung im Sinne ihrer Anträge, also der Beseitigung der von den beiden Nadelbäumen im Bereich ihres Balkons für ihre Wohnung ausgehenden angeblichen Beeinträchtigung durch Entfernung bzw. Rückschnitt der Bäume. Zu Unrecht hat das Landgericht bei seiner Einschätzung des Beschwerdewertes, ausgehend von einer Wohnungsmiete von monatlich 758,50 DM eine nach § 16 GKG an dem Jahresmietzins orientierte, mit nicht mehr als 10 % zu bewertende, potentielle, Jahresmietminderung als Anhaltspunkt befürwortet.

§ 16 GKG gilt allein für die Wertfestsetzung zur Gebührenberechnung. Der Begrenzung auf den Jahreswert liegen überwiegend soziale Erwägungen zugrunde (vgl. Hartmann, Kostengesetze 29. Auflage 2000 § 16 GKG Rdz. 2). Für die Bestimmung der sachlichen Zuständigkeit, des Rechtsmittelstreitwerts und des Werts der Beschwer gilt dagegen in diesen Fällen § 8 ZPO (vgl. BGH. NJW RR 1994, 256; Zöller-Herget, ZPO 21. Auflage 1999, 98 Rdz. 2). Hiernach ist der auf die gesamte streitige Zeit entfallende Zins, höchstens aber der fünfundzwanzigfache Betrag des einjährigen Zinses für die Wertberechnung maßgebend. Dies führt dazu, dass - selbst wenn man im übrigen dem Landgericht folgt - das Interesse der Beschwerdeführerin mit jedenfalls einem Vielfachen, womöglich dem 25-fachen Betrag, der jährlichen Nutzungsreduzierung anzusetzen wäre. Bei diesem Ansatz würde der - im Zweifel großzügig zugunsten des Beschwerdeführers zu schätzende (vgl. KG WE 1995, 123; Bärmann/Pick/Merle a.a.O. § 45 Rdz. 31) Wert der Beeinträchtigung und damit der Beschwerdegegenstand 1.500,DM ( § 45 Abs. 1 WEG ) bei weitem übersteigen. Entsprechendes gilt, wenn man - wie es die Beschwerdeführerin für richtig hält - eine an ihrem Vorbringen zur Beeinträchtigung orientierte Verminderung eines potentiellen Verkaufspreises zugrunde legt.

Nach alledem ergibt sich jedenfalls, dass das wohlverstandene Interesse der Beschwerdeführerin an der Beseitigung der geltend gemachten Beeinträchtigung ihres Wohneigentums in Gestalt einer Verminderung des Lichteinfalls wegen des vorhandenen Baumbewuchses durch Entfernung oder Beschneidung der beiden Nadelbäume deutlich über 1.500,- DM anzusetzen ist, mit der Folge, dass das Landgericht die Erstbeschwerde der Antragstellerin zu Unrecht ohne sachliche Prüfung als unzulässig verworfen hat.

Die Sache war daher - nach Aufhebung des angefochtenen Beschlusses - zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der weiteren Beschwerde, an das Landgericht zurückzuverweisen.

Ende der Entscheidung

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