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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 13.12.2000
Aktenzeichen: 3 Wx 265/00
Rechtsgebiete: GG, WEG


Vorschriften:

GG Art. 5 Abs. 1 S. 1
GG Art. 14
WEG § 14 Nr. 1
WEG § 22 Abs. 1
Ein ausländischer Wohnungseigentümer, dem der vorhandene Kabelanschluss den Empfang nur eines Programms in seiner Landessprache ermöglicht, kann grundsätzlich auch dann die Zustimmung der Miteigentümer zur Anbringung einer Satellitenanlage verlangen, wenn in der ihm beim Erwerb seines Wohnungseigentums bekannten Teilungserklärung die Anbringung privater Antennenanlagen am gemeinschaftlichen Eigentum untersagt ist, es sei denn, die gebotene Abwägung der beiderseitigen Interessen ergebe ein überwiegendes Interesse der übrigen Wohnungseigentümer.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

3 Wx 265/00 25 T 136/00 LG Düsseldorf 290 II 47/99 WEG AG Düsseldorf

In dem Wohnungseigentumsverfahren

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss der 25. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 8. Juni 2000 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. Gottschalg, der Richterin am Oberlandesgericht Dr. Krautter und des Richters am Oberlandesgericht Dr. Schütz am 13. Dezember 2000

beschlossen:

Tenor:

Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des dritten Rechtszuges an das Landgericht zurückverwiesen.

Wert des Beschwerdegegenstandes: 5.000 DM.

Gründe:

I.

Die Beteiligten zu 1) sind griechische Staatsangehörige. Sie sind Eigentümer einer im Erdgeschoss liegenden Wohnung der o.a. Eigentumsanlage. Das Haus ist an das Breitbandkabelnetz angeschlossen, in das ein kostenpflichtiges Fremdsprachenpaket mit u.a. einem griechisch sprachigen Programm (ERT SAT) eingespeist wird, dass über eine sogenannte Set/Top/Box und eine kostenpflichtige Smart/Card empfangen werden kann.

Die Teilungserklärung vom 21.11.1989 bestimmt in § 3 Ziff. 8:

Die Anbringung privater Antennenanlagen am Gemeinschaftseigentum für Fernsehen, Amateurfunk und Rundfunk ist nicht zulässig.

In der Hausordnung der Gemeinschaft ist bestimmt:

Außenantennen außerhalb der Wohnung sind nicht zulässig.

Die Beteiligten zu 1) haben unter Hinweis darauf, dass sie durch Aufstellen einer mobilen Satellitenanlage auf ihrer Terrasse einen griechischen Sender nicht empfangen können, in der Versammlung der Wohnungseigentümer vom 04.05.1999 beantragt, ihnen zu gestatten, auf dem Dach des Hauses eine Parabolantenne mit Kabelführung durch die Versorgungsschächte zu installieren. Der Antrag ist von den Wohnungseigentümern mit Mehrheit abgelehnt worden.

Die Beteiligten zu 1) haben beim Amtsgericht beantragt,

1. den Beschluss der Eigentümergemeinschaft Düsseldorf vom 04.05.1999 zu Tagespordnungspunkt 10 der Eigentümerversammlung vom 04.05.1999, wonach den Antragstellern die Genehmigung zur Anbringung einer Parabol-Antenne für die Wohnung Nr. 4 nicht erteilt wurde, für unwirksam zu erklären;

2. die Antragsgegner zu verpflichten, der Errichtung einer Satellitenempfangsanlage durch die Antragsteller auf dem Dach des Hause Düsseldorf zuzustimmen und zu dulden, dass die Antragsteller eine Satellitenempfangsanlage auf dem Dach des Hauses installieren.

Sie haben geltend gemacht, die Aufstellung einer Prabolantenne auf dem Dach stelle allenfalls eine nur unwesentliche Beeinträchtigung der übrigen Wohnungseigentümer dar. Nur mit einer Satellitenanlage könnten sie einen griechischen Sender empfangen, bei ERT/SAT handele es sich um eine in Deutschland ansässige Sendeanstalt, die lediglich ein Programm in griechischer Sprache ausstrahle.

Die übrigen Beteiligten haben dem Antrag widersprochen und vorgetragen, dem Informationsbedürfnis der Beteiligten zu 1) werde mit dem Empfang eines griechisch sprachigen Senders genügt, zumal weitere Informationsmöglichkeiten durch Rundfunk und Presse gegeben seien.

Im übrigen sei eine Einspeisung weiterer griechischer TV- und Radiosender in das vorhandene Kabelnetz vorgesehen. Schließlich müssten die Beteiligten zu 1) die Bestimmungen der Teilungserklärung und der Hausordnung, die ihnen bei Erwerb der Wohnung bekannt gewesen seien, gegen sich gelten lassen. Eine Satellitenempfangsanlage auf dem Dach würde abgesehen von dem damit verbundenen Eingriff in die Gebäudesubstanz auch das äußere Erscheinungsbild der Wohnanlage nachteilig verändern.

Das Amtsgericht hat die Anträge der Beteiligten zu 1) zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 1) ist beim Landgericht ohne Erfolg geblieben.

Mit der sofortigen weiteren Beschwerde verfolgen die Beteiligten zu 1) ihr Begehren weiter. Die übrigen Beteiligten sind dem Rechtsmittel entgegengetreten.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwies

II.

Die gemäß § 45 Abs. 1 WEG, §§ 22 Abs. 1, 27, 29 FGG zulässige sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht zur erneuten Behandlung und Entscheidung, denn der Beschluss des Landgerichts hält der dem Senat obliegenden rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Das Landgericht hat unter Bezugnahme auf die Gründe der amtsgerichtlichen Entscheidung ausgeführt, die Anbringung einer Satellitenschüssel auf dem Dach der Wohnanlage stelle eine bauliche Veränderung dar, die mit nachteiligen Einwirkungen auf das Bauwerk verbunden sei, welche die Eigentümergemeinschaft auch unter Berücksichtigung des Grundrechts der Beteiligten zu 1) aus Art. 5 GG nicht hinnehmen müssten. Zwar könne - nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts - ein ständig in Deutschland lebender Ausländer auch dann die Zustimmung der Miteigentümer zur Anbringung einer Satellitenanlage verlangen, wenn ein vorhandener Kabelanschluss den Empfang nur eines Heimatprogramms ermöglicht. Hier müsse aber das Informationsinteresse der Beteiligten zu 1) gegenüber dem durch die Aufstellung der Satellitenschüssel beeinträchtigten Interesse der übrigen Wohnungseigentümer zurücktreten, weil die gebotene Interessenabwägung ergebe, dass derjenige, der eine Wohnung in Kenntnis einer Teilungserklärung erwerbe, die das Anbringen privater Antennenanlage am Gemeinschaftseigentum untersage, sich nicht auf das grundgesetzlich geschützte Recht der Informationsfreiheit berufen könne. Ein solcher Wohnungseigentümer nehme bewusst eine Beschränkung seines Informationsinteresses in Kauf.

Diese Erwägungen des Landgerichts begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

a) Das Landgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei der - beabsichtigten - Anbringung einer Satellitenschüssel auf dem Dach der Wohnanlage um eine bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG handelt, die grundsätzlich der Zustimmung aller Wohnungseigentümer bedarf, es sei denn, keinem von ihnen entstünde ein über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgehender Nachteil. Das Landgericht ist aber sodann rechtsfehlerhaft zu dem Ergebnis gelangt, die Anbringung der Satellitenschüssel führe zu einem wesentlichen Nachteil im Sinne von § 14 Nr. 1 WEG, den die übrigen Wohnungseigentümer auch bei Berücksichtigung des dem Beteiligten zu 1) zustehenden Rechtes auf Informationsfreiheit nicht hinnehmen müssten.

b) Nach den vom Bundesverfassungsgericht (NJW 1995, 1665 ff.; NJW 1994, 1147) und den Oberlandesgerichten (vgl. u.a. BayObLGZ,1991, 296; OLG Düsseldorf NJW 1993, 1274; WG 1994, 108; OLG Hamm NJW 1993, 1276) entwickelten Grundsätzen sind bei der Beantwortung der Frage, ob die Anbringung einer Parabolantenne einen über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgehende Nachteil mit sich bringt, die gesamten Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Das durch das Grundrecht auf Informationsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) geschützte Interesse an einer umfassenden Information eines in Deutschland lebenden Ausländers auch durch den Empfang von in seinem Heimatland ausgestrahlten Fernsehprogrammen und das durch Art. 14 GG geschützte Interesse der übrigen Wohnungseigentümer an der Vermeidung von Beeinträchtigungen des gemeinschaftlichen Eigentums sind - wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - gegeneinander abzuwägen, ohne dass eines der beiden Grundrechte von vornherein vorgeht.

Die vom Landgericht vorgenommene Interessenabwägung ist aber nicht frei von Rechtsfehlern.

c) Ob die Anbringung der Parabolantenne auf dem Dach der Eigentumsanlage einen erheblichen Eingriff in die Substanz des Daches erfordert und ob und gegebenenfalls in welchem Ausmaß der optische Gesamteindruck der Wohnanlage nachteilig verändert würde, lässt sich mangels hinreichender Feststellungen der Vorinstanzen nicht beurteilen. Das Amtsgericht, auf dessen Begründung das Landgericht insoweit Bezug genommen hat, hat lediglich ausgeführt, es könne keinem Zweifel unterliegen, dass die beabsichtigte Maßnahme "zu einer Einwirkung auf die Substanz des Gemeinschaftseigentums und die in Aussicht genommene Installation auf dem Dach der Anlage zu einer Beeinträchtigung des optischen Gesamtbildes der Wohnanlage führe. Das reicht nicht aus.

Zwar wird in der Regel mit der Aufstellung einer Parabolantenne ein "Eingriff" in die Bausubstanz und auch eine nachteilige Veränderung des optischen Gesamtbildes der Wohnanlage verbunden sein, dass schließt aber nicht aus, dass im Einzelfall der notwendige Eingriff in die Bausubstanz nur geringfügig ist und das optische Gesamtbild der Wohnanlage nur unwesentlich beeinträchtigt wird.

Hier steht nur fest, dass die Satellitenschüssel auf dem Dach der Wohnanlage aufgestellt werden soll. An welcher Stelle des Daches sie angebracht und wie weit die Bausubstanz des Daches durch die Befestigung der Schüssel beeinträchtigt wird und wie die Kabelführung zur Wohnung der Beteiligten zu 1) verlaufen soll, ist weitgehend ungeklärt. Die Beteiligten zu 1) haben einmal von der Anbringung auf dem als Satteldach ausgeführten Teil des Daches gesprochen, an anderer Stelle haben sie das vor dem Satteldach liegende Flachdach als Aufstellungsort angegeben. Das bei den Akten befindliche Foto (Bl. 107 d.A.) lässt keine endgültige Beurteilung der Frage zu, ob eine auf dem Dach aufgestellte Satellitenschüssel in jedem Fall - d.h. unabhängig von dem genauen Aufstellungsort - deutlich sichtbar ist oder möglicherweise wenig auffällt.

Das Landgericht hat ferner bei der Abwägung zu Unrecht dem Gesichtspunkt, dass in der Teilungserklärung und der Hausordnung die Anbringung privater Antennenanlagen am Gemeinschaftseigentum nicht gestattet ist und den Beteiligten zu dies zumindest bekannt sein musste, besonderes Gewicht beigemessen und daraus gefolgert, die Beteiligten zu 1) könnten sich nicht auf ihr grundgesetzlich geschütztes Recht der Informationsfreiheit berufen. Das Landgericht hat dabei verkannt, dass ein Wohnungseigentümer trotz Kenntnis des Inhalts der Teilungserklärung bei Erwerb seines Wohnungseigentums nicht gehindert ist, die übrigen Wohnungseigentümer auf Zustimmung zur Änderung der Teilungserklärung in Anspruch zu nehmen, wenn diese Teilungserklärung in hohem Maße ungerechte Bestimmungen enthält - wie z.B. bezüglich der Festsetzung der Größe des Miteigentumsanteile oder des Kostenverteilungsschlüssels - oder verfassungskräftig verbürgte Rechte beeinträchtigt.

Der angefochtene Beschluss unterliegt der Aufhebung. Welche nachteiligen Einwirkungen auf die Substanz des gemeinschaftlichen Eigentums und auf das optische Gesamtbild der Wohnanlage mit einer Anbringung der Satellitenschüssel je nach Standort auf dem Dach verbunden sind, bedarf weiterer Feststellungen, die der Senat als Rechtsbeschwerdegericht nicht treffen kann. Die Sache war daher an das Landgericht zu verweisen, das gegebenenfalls auch aufzuklären hat, ob über den vorhandenen Kabelanschluss inzwischen mehrere griechische Programme empfangen werden können und ob es sich dabei um Programme griechischer Sender oder lediglich in Deutschland produzierte Programme in griechischer Sprache handelt.

Ende der Entscheidung

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