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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 11.07.2003
Aktenzeichen: 3 Wx 302/02
Rechtsgebiete: ZPO, InsO, GBO


Vorschriften:

ZPO § 868
InsO § 88
GBO § 22 Abs. 1
GBO § 29
1.

Ist eine zu Gunsten eines Insolvenzgläubigers im Grundbuch eingetragene Sicherungshypothek nach § 88 InsO unwirksam geworden, kann der Insolvenzverwalter die Berichtigung des Grundbuchs verlangen.

2.

Die mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unwirksam gewordene Sicherungshypothek ist zu einer Eigentümergrundschuld geworden; zur Löschung ist grundbuchrechtlich die Bewilligung des Insolvenzverwalters in der Form des § 29 GBO erforderlich.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

3 Wx 302/02

In dem Grundbuchverfahren

pp.

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 3 und 4 gegen den Beschluss der 19. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 21. August 2002 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. H, der Richterin am Oberlandesgericht T und des Richters am Oberlandesgericht Dr. T am 11. Juli 2003

beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird teilweise dahin abgeändert, dass die Sache an das Amtsgericht Neuss mit der Weisung zurückgegeben wird, dem Beteiligten zu 1 zur Vorlage einer Löschungsbewilligung in der Form des § 29 GBO eine angemessene Frist zu setzen. Die Entscheidung über die Kosten des dritten Rechtszuges bleibt dem Amtsgericht vorbehalten.

Gründe:

I.

Im Grundbuch von X sind als Eigentümer des o.a. Grundbesitzes zu je 1/2 die Eheleute L und F C eingetragen. Über den Nachlass des am 25.06.2000 verstorbenen L C ist durch Beschluss des Amtsgerichts Düsseldorf vom 07.06 2001 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beteiligte zu 1 zum Insolvenzverwalter bestellt worden.

In Abteilung III des Grundbuches sind auf dem 1/2-Anteil des Erblassers unter lfd. Nrn. 3-5 Sicherungshypotheken wie folgt eingetragen:

a)

für den Beteiligten zu 2 (H) 75.716,20 DM, im Wege der Zwangsvollstreckung eingetragen am 31.05.2000,

b)

für den Beteiligten zu 3 (I) 80.707,32 DM, im Wege der Zwangsvollstreckung eingetragen am 29.11.2000,

c)

für den Beteiligten zu 4 (T2) 138.815,36 DM, im Wege der Zwangsvollstreckung eingetragen am 03.01.2001.

Der Beteiligte zu 1 hat am 06.02 und 11.04.2002 unter Vorlage einer Ablichtung des amtsgerichtlichen Beschlusses vom 07.06.2001 und des Originals seiner Bestallungsurkunde beantragt, die vorstehenden Sicherungshypotheken im Grundbuch zu löschen, weil mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach § 88 Insolvenzordnung die durch Zwangsvollstreckung erlangten Sicherungen an dem zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögen des Schuldners unwirksam geworden seien, er - der Beteiligte zu 1 - mit mehreren ernsthaften Interessenten bezüglich des Ankaufs des Hälfteanteils aus der Insolvenzmasse in Verhandlungen stehe und seitens der Interessenten in den Verhandlungen verlangt werde, dass die Sicherungshypotheken vor Abschluss eines Kaufvertrages gelöscht seien.

Das Amtsgericht hat die Anträge mit Beschlüssen vom 15.04 und 10.07.2002 zurückgewiesen, weil die eingetragenen Sicherungshypotheken nicht eine "noch nicht beendete" Vollstreckungsmaßnahme darstellten, sondern als selbständige Vollstreckungsmaßnahme mit der Eintragung im Grundbuch beendet seien. Außerdem werde die in § 88 Insolvenzordnung festgelegte "Rückschlagsperre" im Nachlassinsolvenzverfahren nicht gemäß § 321 Insolvenzordnung auf den Erbfall vorverlagert.

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1 hat das Landgericht unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels den Beschluss des Amtsgerichts vom 15.04.2002 aufgehoben und die Sache an das Amtsgericht mit der Weisung zurückgegeben, die Löschung der Sicherungshypotheken zu III/4 und III/5 vorzunehmen.

Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 3 und 4, die rügen, sie hätten vor Erlass des landgerichtlichen Beschlusses keine Gelegenheit zum rechtlichen Gehör gehabt. Außerdem habe das Landgericht in unzulässiger Weise das Amtsgericht zur Vornahme von Löschungen im Grundbuch angewiesen. Der Beschluss des Landgerichts sei zudem in der Sache fehlerhaft, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes könne eine Löschung der Zwangssicherungshypotheken nur im Rahmen einer Verwertung der Grundstückshälfte des Erblassers in Betracht kommen, eine unbedingte und vorbehaltlose Löschung der Zwangssicherungshypotheken hätte nicht angeordnet werden dürfen.

Der Beteiligte zu 1 ist dem Rechtsmittel entgegengetreten Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die weitere Beschwerde ist zulässig (§§ 78, 80 GBO). Sie führt zur teilweisen Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung und - insoweit - zur Zurückgabe der Sache an das Amtsgericht zur erneuten Behandlung und Entscheidung auch über die Kosten des dritten Rechtszuges.

1.

Die mit der weiteren Beschwerde erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch.

Die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs durch das Beschwerdegericht ist allerdings grundsätzlich berechtigt. Nach dem Akteninhalt sind die Beteiligten zu 3 und 4 auf die Verfügung des Amtsgerichts vom 25.06.2002 lediglich von dem Antrag des Beteiligten zu 1 auf Löschung der Zwangssicherungshypotheken, der Stellungnahme des Rechtspflegers vom 14.03.2002 und der Erwiderung des Beteiligten zu 1 vom 05.04.2002 unterrichtet worden. Dass sie von der vom Beteiligten zu 1 eingelegten Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 15.04.2002, der Verfügung des Berichterstatters der Kammer vom 10.06.2002 und der Nichtabhilfeentscheidung des Landgerichts Kenntnis erhalten haben, lässt sich den Akten nicht entnehmen. Die Stellungnahme ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 10.07.2002 bezieht sich denn auch ausschließlich auf die vom Amtsgericht veranlasste Übersendung der Anträge des Beteiligten zu 1 und 2 mit der Bitte um Kenntnis und Stellungnahme.

Der durch den Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs begründete Verfahrensmangel zwingt aber nicht zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts, denn der Mangel ist im Rechtsbeschwerdeverfahren dadurch geheilt worden, dass die Beteiligten zu 3 und 4 in ihrer weiteren Beschwerde ausführlich und hinreichend Gelegenheit hatten, zu den maßgeblichen Rechtsfragen Stellung zu nehmen und Stellung genommen haben. Neues tatsächliches Vorbringen, das bei Kenntnis von der Beschwerde des Beteiligten zu 1 im landgerichtlichen Verfahren hätte vorgebracht werden können, im Verfahren der weiteren Beschwerde aber nicht berücksichtigt werden dürfte, enthält die weitere Beschwerde nicht.

2.

In der Sache hat das Landgericht ausgeführt, die nach dem Eintritt des Erbfalls erfolgten Eintragungen der Sicherungshypotheken zu III/4 und III/5 am 29.11.2000 bzw. am 03.01.2001 stellten Maßnahmen der Zwangsvollstreckung dar, die gemäß § 321 Insolvenzordnung kein Recht zur abgesonderten Befriedigung gewährten. Der Beteiligte zu 1 könne als Insolvenzverwalter die Löschung dieser Eintragungen gemäß § 22 GBO beantragen. Der Nachweis der Unrichtigkeit des Grundbuches sei ordnungsgemäß durch Vorlage einer Ausfertigung des Beschlusses des Amtsgerichts Düsseldorf vom 07.06.2001 erbracht worden.

3.

Diese Erwägungen des Landgerichts halten der dem Senat obliegenden rechtlichen Nachprüfung nur zum Teil stand.

a)

Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Beteiligte zu 1 als Insolvenzverwalter - grundsätzlich - die Berichtigung des Grundbuches durch Löschung der Sicherungshypotheken zu III/4 und 5 gemäß § 22 Abs. 1 GBO verlangen kann.

Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist das Grundbuch unrichtig geworden. Gemäß § 88 Insolvenzordnung wird eine Sicherung, die ein Insolvenzgläubiger im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag durch Zwangsvollstreckung in das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen des Schuldners erlangt hat, mit der Eröffnung des Verfahrens unwirksam. Das gilt hier für die zu III/4 und 5 eingetragenen Zwangssicherungshypotheken. Mit der Eintragung der Zwangshypothek ist - entgegen der Auffassung des Amtsgerichts - die Zwangsvollstreckung auf nicht beendet, denn die Vollstreckungsmaßnahme "Eintragung einer Sicherungshypothek" kann erst dann als beendet angesehen werden, wenn eine auf dieser Grundlage vorgenommene Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung durchgeführt ist (vgl. BGH ZIP 1995, 1425, 1426 ZIP 1999, 1490, 1491).

Sind die Zwangsvollstreckungsmaßnahmen somit bei Verfahrenseröffnung noch nicht beendet gewesen, so unterfallen sie der Bestimmung des § 321 Insolvenzordnung mit der Folge, dass die in § 88 Insolvenzordnung enthaltene Unwirksamkeitsfolge für Zwangsvollstreckungsmaßnahmen mit Verfahrenseröffnung für das Nachlassinsolvenzverfahren auf den Zeitpunkt des Erbfalls vorverlegt wird (vgl. Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, 3. Aufl., Rn. 2 zu § 321; Kübler/Prütting, RWS Kommentar zur Insolvenzordnung Rn. 2 zu § 321).

Der Beteiligte zu 1 hat die Unrichtigkeit des Grundbuchs im Sinne des § 22 Abs. 1 GBO auch in der Form des § 29 GBO nachgewiesen. Er hat mit seinem Antrag auf Löschung der Zwangshypotheken eine Ablichtung des Eröffnungsbeschlusses des Amtsgerichts Düsseldorf sowie des Insolvenzantrags der Nachlasspflegerin vom 28.12.2000 vorgelegt. Auch wenn dies allein zur Wahrung der Form des § 29 GBO nicht ausreicht, liegt darin zumindest eine Bezugnahme auf die bei den Akten befindliche, dem Ersuchen des Insolvenzgerichts auf Eintragung des Insolvenzvermerks beigefügte durch die Geschäftsstelle des Insolvenzgerichts erstellte Ausfertigung des Beschlusses über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Damit wird den Anforderungen des § 29 GBO genügt, denn die Unrichtigkeit des Grundbuchs ergibt sich damit aus einer öffentlichen Urkunde.

b)

Der Anspruch auf Berichtigung des Grundbuchs aus § 22 GBO ist auch nicht lediglich eingeschränkt gegeben. Soweit in der Rechtsprechung die Ansicht vertreten wird, ein Insolvenzverwalter dürfe von einer ihm aufgrund eines gerichtlichen Urteils zu erteilenden Löschungsbewilligung nur insoweit Gebrauch machen als dies zur Verwertung des Grundstücks notwendig ist (vgl. BGH ZIP 1995, 1425), besteht keine Veranlassung, dies entsprechend auf einen Berichtigungsanspruch gemäß § 22 GBO zu übertragen. Das das Grundbuchrecht beherrschende Interesse an der Richtigkeit des Grundbuches und der Sicherheit des Rechtsverkehrs sowie die wirtschaftliche Notwendigkeit einer Verwertung des Grundbesitzes im Insolvenzverfahren lässt eine derartige Beschränkung des Anspruchs aus § 22 GBO nicht zu. Der - geforderte - Nachweis einer bereits "erfolgten Verwertung" etwa durch Vorlage eines notariellen Kaufvertrages o.a. wird in der Regel kaum zu führen sein. Ein potentieller Erwerber wird durchweg zum Abschluss eines Kaufvertrages nur bereit sein, wenn die eingetragenen Zwangshypotheken gelöscht sind. Ist der Insolvenzgläubiger zur Erteilung der Löschungsbewilligung nicht bereit, bedarf es erst eines u. U. längeren Rechtsstreites, wodurch eine schnelle und günstige Verwertung möglicherweise verhindert oder zumindest erschwert wird. Der "Nachweis" einer beabsichtigten Verwertung z.B. durch Veräußerung des Grundbesitzes kann daher von dem Insolvenzverwalter nicht verlangt werden.

c)

Der vom Landgericht bereits angeordneten Löschung der Zwangshypotheken steht aber ein - behebbares - Hindernis entgegen.

Die gemäß § 88 Insolvenzordnung mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unwirksam gewordenen Zwangshypotheken sind in entsprechender Anwendung des § 868 ZPO zu Eigentümergrundschulden geworden (vgl. BayObLG ZIP 2000/1263, 1264; Demharter GBO 24. Aufl., Anhang § 44 Rn. 66; Keller ZIP 2000, 1329; Uhlenbruck, Insolvenzordnung 12. Aufl., Rn. 15 zu § 88).

Das hat zur Folge, dass es zur Löschung dieser Eigentümerrechte materiellrechtlich der Aufgabeerklärung des Beteiligten zu 1 gem. § 875 BGB und grundbuchrechtlich der Bewilligung zur Löschung durch den Beteiligten zu 1 in der Form des § 29 GBO bedarf. Der Senat schließt sich insoweit der Auffassung des Bayerischen Obersten Landesgerichtes (BayObLG Z 2000, 176) an. Zwar liegt in dem Antrag auf Löschung der Zwangshypotheken durch den Beteiligten zu 1 sowohl eine Aufgabeerklärung als auch eine Bewilligung zur Löschung, letztere entspricht allerdings nicht der Form des § 29 GBO, so dass das Grundbuchamt die zu Eigentümergrundschulden gewordenen Zwangshypotheken erst nach Vorlage einer den Anforderungen des § 29 GBO genügenden Löschungsbewilligung löschen darf.

Das hat das Landgericht verkannt. Die Entscheidung des Landgerichts war daher dahin abzuändern, dass das Grundbuchamt nicht bereits zur Löschung der Zwangshypotheken, sondern anzuweisen war, dem Beteiligten zu 1 zur Behebung des Eintragungshindernisses, nämlich der Vorlage einer Löschungsbewilligung in der Form des § 29 GBO, eine angemessene Frist zu setzen.

Die insoweit gegen eine "Anweisung" des Amtsgerichts (Grundbuchamtes) von den Beteiligten zu 3 und 4 vorgetragenen Bedenken sind ersichtlich unbegründet.

Erweist sich ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung oder Verfügung des Grundbuchamts als begründet, so kann je nach Sachlage das Grundbuchamt auch zur Vornahme der beantragten Eintragung angewiesen oder aber ihm der Erlass einer Zwischenverfügung aufgegeben werden.

Die Sache war daher an das Amtsgericht zurückzugeben, dem auch die Entscheidung über die Kosten des dritten Rechtszuges obliegt.

Ende der Entscheidung

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