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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 30.10.2000
Aktenzeichen: 3 Wx 318/00
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 22 Abs. 1 Satz 2
WEG § 14 Nr. 1
WEG § 21 Abs. 4
§§ 22 Abs. 1 Satz 2, 14 Nr. 1; 21 Abs. 4 WEG

1.

Ein Zweitbeschluss mit dem Inhalt, Altbestände von Außenrolläden oberhalb der Erdgeschosswohnungen einer Wohnanlage zu belassen, beinhaltet die konkludente Zustimmung zur Anbringung von Außenrolläden und greift in eine geschützte Rechtsposition ein, wenn die Gemeinschaft zuvor bestandskräftig die Anbringung von Außenrolläden oberhalb von Erdgeschosswohnungen für unzulässig erklärt und den Verwalter verpflichtet hat, ggf. alles Erforderliche zur Durchsetzung der Beseitigung einzuleiten.

2.

Bei einem bereits als uneinheitlich empfundenen optisch ästhetischen Gesamteindruck der Fassade einer Wohnanlage - hier durch die Wirkung verschiedenartiger Markisen - kann sich eine nachteilige Veränderung aus einer Verstärkung und Intensivierung dieses Eindrucks ergeben.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

3 Wx 318/00 7 T 72/00 LG Krefeld 38 UR II 31/99 WEG AG Krefeld

In dem Wohnungseigentumsverfahren

betreffend die Wohnanlage "K", Krefeld,

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner gegen den Beschluss der 06. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld vom 05. Juli 2000 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. Gottschalg, der Richterin am Oberlandesgericht Schaefer-Lang und des Richters am Oberlandesgericht von Wnuck-Lipinski am 30. Oktober 2000

beschlossen:

Tenor:

Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegner tragen die gerichtlichen Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde.

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Wert des Beschwerdegegenstandes: 5.000,- DM.

Gründe:

I.

Der Antragsteller ist Eigentümer einer Erdgeschosswohnung der Wohnungseigentumsanlage "K" in Krefeld, die aus mehreren Gebäuden mit insgesamt 119 Wohneinheiten besteht.

In der Vergangenheit gab es immer wieder Auseinandersetzungen über die Zulässigkeit von Außenrolläden.

Nachdem die Eigentümerversammlung vom 28. Mai 1974 zunächst darauf hingewiesen hatte, dass die Anbringung von Außenrolläden unzulässig sei, beschloss sie am 23. September 1975 mehrheitlich, dass auf Kosten eines jeden Wohnungseigentümers Rolläden in einheitlicher Ausführung nach Absprache mit der Verwaltung angebracht werden dürfen.

Die Eigentümerversammlung vom 08. Mai 1996 befasste sich erneut mit der Frage der Anbringung von Außenrolläden, ohne allerdings hierüber zu beschließen.

Am 11. März 1997 fasste die Wohnungseigentümerversammlung zu TOP 11 mehrheitlich folgenden Beschluss:

"Die Wohnungseigentümerversammlung weist noch einmal darauf hin, daß das Anbringen von Außenrolläden oberhalb von Erdgeschoßwohnungen unzulässig ist. Sofern Außenrolläden oberhalb von Erdgeschoßwohnungen nicht bis zum 30.04.1997 entfernt worden sind, wird der Verwalter verpflichtet, alles Erforderliche zur Durchsetzung zu veranlassen und ggf. gerichtliche Schritte einzuleiten."

Der Wohnungseigentümer H hat diesen Beschluss erfolglos angefochten (vgl. Senatsbeschluss vom 25. Februar 1998 3 Wx 15/98).

Am 23. März 1999 beschloss die Eigentümerversammlung zu TOP 4 u. a.:

Antrag Nr. 1:

Der Beschluss vom 11.03.1997 wird aufgehoben mit der Folge, daß von der Gemeinschaft nichts gegen Wohnungseigentümer unternommen wird, die in der Vergangenheit Außenrolläden oberhalb des Erdgeschosses angebracht haben.

Antrag Nr. 3:

Die alten Bestände der Außenrolläden oberhalb der Erdgeschoßwohnungen sollen in Anlehnung an die 1975 genehmigte Anbringung von Außenrolläden der Erdgeschosswohnungen belassen werden und über die weitere Ausgestaltung mit Außenrolläden von Interessenten zu einem günstigeren Zeitpunkt, d.h. in der nächstfolgenden Wohnungseigentümerversammlung im März 2000, neu verhandelt und die entsprechenden erforderlichen Kriterien neu festgelegt werden.

Im März 2000 wurden mit Rücksicht auf das noch anhängige Beschwerdeverfahren Beschlüsse betreffend Außenrolläden nicht gefasst.

Der Antragsteller hat beantragt,

die Beschlüsse zu TOP 4 Anträge 1 und 3 der Eigentümerversammlung vom 23. März 1999 für ungültig zu erklären.

Das Amtsgericht hat nach Beweisaufnahme mit Beschluss vom 11. Februar 2000 den Antrag abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Die zur Anlage gehörenden Gebäude hätten schon vor der angefochtenen Beschlussfassung ein uneinheitliches Bild in Gestalt einer Vielzahl von Windfängen, Pergolen und Markisen aufgewiesen. Die in unterschiedliche Geschossen angebrachten Rolläden trügen ebenfalls hierzu bei. Hierdurch erleide der Antragsteller keinen rechtlich relevanten Nachteil. Im übrigen erscheine es mißbräuchlich, dass der Antragsteller, der sich selbst nur auf eine mehrheitliche Genehmigung für die Anbringung von Außenrolläden berufen könne, anderen Miteigentümern Außenrolläden in Ermangelung einer einstimmig erteilten Genehmigung verbieten lassen wolle.

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers hat das Landgericht nach mündlicher Verhandlung am 05. Juli 2000 mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 23. März 1999 hinsichtlich TOP 4 Antrag 3 teilweise für unwirksam erklärt wird, nämlich soweit beschlossen worden ist, die alten Bestände der Außenrolläden oberhalb der Erdgeschosswohnung in Anlehnung an die 1975 genehmigte Anbringung von Außenrolläden der Erdgeschosswohnungen zu belassen.

Mit ihrer sofortigen weiteren Beschwerde, der der Antragsteller entgegentritt, erstreben die Antragsgegner unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses die das Gesuch des Antragstellers insgesamt ablehnende Entscheidung des Amtsgerichts wieder herzustellen.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die gemäß § 45 Abs. 1 WEG, §§ 22 Abs. 1, 27, 29 FGG zulässige sofortige weitere Beschwerde ist in der Sache unbegründet. Denn die Entscheidung des Landgerichts beruht nicht auf einer Verletzung gesetzlicher Vorschriften (§ 27 FGG).

1.

Das Landgericht hat u.a. ausgeführt, die angefochtenen Beschlüsse seien als "Zweitbeschlüsse" nur wirksam, soweit sie nicht in schutzwürdige Belange eines Wohnungseigentümers eingriffen. Dies sei hinsichtlich des Antrags zu TOP 4 Ziffer 1 und des zweiten Teiles von TOP 4 Ziffer 3 nicht der Fall. Hinsichtlich des ersten Teiles des Beschlusses zu TOP 4 Ziffer 3 liege dagegen ein Eingriff in die geschützte Rechtsposition des Antragstellers vor. Denn durch die mehrheitlich beschlossene Belassung der alten Bestände der Außenrolläden oberhalb der Erdgeschosswohnungen werde konkludent die Zustimmung zur Anbringung der Außenrolläden erklärt, die indes gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG der Einstimmigkeit bedurft hätte. Denn die bauliche Veränderung in Form der Anbringung von Außenrolläden beeinträchtige - entgegen der Auffassung des Amtsgerichts - im Sinne einer optischen Verstärkung des ohnehin uneinheitlichen Gesamteindrucks. Dies ergebe sich auch ohne Augenscheinseinnahme aus den vorgelegten Fotos.

2.

Diese Erwägungen halten der dem Senat obliegenden rechtlichen Nachprüfung stand.

a)

Ein Beschluss der Wohnungseigentümer, der denselben Gegenstand wie ein früherer Beschluss betrifft und die durch diesen Erstbeschluss getroffene Regelung ändert, ist als abändernder Zweitbeschluss grundsätzlich zulässig (Bärmann/Pick/Merle Wohnungseigentumsgesetz 8. Auflage 2000 § 23 Rdz.66, 190).

Allerdings kann jeder Wohnungseigentümer nach § 21 Abs. 3 und 4 WEG verlangen, dass der Zweitbeschluss schutzwürdige Belange aus Inhalt und Wirkung des Erstbeschlusses berücksichtigt (vgl. BGHZ 113, 197, 200). Eine Verletzung schutzwürdiger Belange eines Wohnungseigentümers kommt insbesondere dann in Betracht; wenn ein Wohnungseigentümer durch den abändernden Zweitbeschluss einen rechtlichen Nachteil im Verhältnis zur Regelung des Erstbeschlusses erleidet.

b)

Rechtlich einwandfrei hat das Landgericht in dem zweiten Teil des Beschlusses zu TOP 4 Ziffer 3 der Eigentümerversammlung vom 23. März 1999, in dem die Eigentümer beschlossen haben, die Altbestände der Außenrolläden oberhalb der Erdgeschosswohnungen zu belassen, gleichzeitig konkludent die Zustimmung zu der Anbringung von Außenrolläden gesehen und diese als einen Eingriff in die durch den zu TOP 11 der Eigentümerversammlung vom 11. März 1997 gefassten Erstbeschluss geschützte Rechtsposition des Antragstellers bewertet.

aa)

Die Anbringung von Außenrolläden stellt nämlich eine auf Dauer angelegte Veränderung der Fassade des Gebäudes dar. Die Zustimmung aller Wohnungseigentümer wäre deshalb nur dann entbehrlich, wenn der Antragsteller durch die Auswirkung dieser baulichen Maßnahmen bzw. deren Billigung durch den angefochtenen Eigentümerbeschluss einen über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgehenden Nachteil nicht erlitte (§ 22 Abs. 1 Satz 2, 14 Nr. 1 WEG). Unter einem Nachteil in diesem Sinne ist jede nicht ganz unerhebliche konkrete und objektive Beeinträchtigung zu verstehen (vgl. BGH NJW 1992, 979 m.w.Nachw.; KG NJW 1995, 587; Senat 3 Wx 148/97 vom 14:05.97 und 3 Wx 15/98 vom 25.02.98). Dass ein solcher Nachteil auch in einer nicht ganz unerheblichen Veränderung des optischen Gesamteindrucks liegen kann, ist anerkannt (vgl. BGH a.a.O.; BayObLG WM 1992, 88; Senat a.a.O. und für Rolladenkästen NJW-RR 1995, 1418 sowie WE 1990, 203).

bb)

Soweit das Landgericht in der Anbringung der Außenrolläden eine nachteilige Veränderung des optischen Gesamteindrucks des Gebäudes sieht, liegt diese Würdigung auf tatsächlichem Gebiet und kann vom Senat nur darauf überprüft werden, ob sie im Ergebnis auf einem Rechtsfehler beruht. Dies ist nicht der Fall. Insbesondere musste das Landgericht die baulichen Maßnahmen nicht an Ort und Stelle in Augenschein nehmen. Die überreichten Lichtbilder und die Niederschrift über die amtsgerichtliche Ortsbesichtigung vom 26. November 1999 geben die Örtlichkeit hinreichend und anschaulich wieder.

cc)

Die im Gegensatz zu der Bewertung des Amtsgerichts stehende Annahme des Landgerichts, der optische Gesamteindruck der Gebäudefassade sei durch die Außenrolladen nachteilig verändert worden, beruht nicht auf einer unterschiedlichen Einschätzung der örtlichen Verhältnisse, sondern auf der rechtlich nicht zu beanstandenen Auffassung der Kammer, dass auch bei einem bereits als uneinheitlich empfundenen Gesamteindruck der Fassade einer Wohnanlage - hier insbesondere durch die Wirkung der verschiedenartigen Markisen - eine nachteilige Veränderung sich auch aus einer Verstärkung und Intensivierung dieses Eindrucks ergeben kann und vorliegend ergibt (vgl. KG vom 03.12.1993 - 24 W 6483/93 -).

c)

Der Antragsteller ist auch nicht aus anderen Gründen zur Hinnahme dieses Zweitbeschlusses verpflichtet.

Insbesondere verstößt er mit seinem Verlangen, den die Anbringung der Außenrolläden ab erstem Obergeschoss billigenden Zweitbeschluss mangels Einstimmigkeit für ungültig erklären zu lassen, nicht gegen Treu und Glauben § 242 BGB, weil er seinerseits Außenrolläden angebracht habe, die bloß aufgrund eines bestandskräftigen Mehrheitsbeschlusses geduldet würden. Denn zum einen handelt es sich insoweit um eine Erdgeschosswohnung, bei der Außenrolläden mit Blick auf das Gesamtbild der Fassade nur von einem minder gewichtigen optisch-ästhetischen Einfluss sind, zum anderen liegt die Durchsetzung des Anspruchs auf ordnungsgemäße Verwaltung gemäß § 21 Abs. 4 WEG nicht nur im Interesse des Antragstellers, sondern berührt auch dasselbe der übrigen, insbesondere der durch den Zweitbeschluss überstimmten, Wohnungseigentümer.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 Satz 1 WEG. Eine Erstattungsanordnung in Bezug auf die außergerichtlichen Kosten aus Billigkeitsgründen ist im dritten Rechtszug nicht veranlasst, § 47 Satz 2 WEG.

Ende der Entscheidung

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