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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 03.01.2001
Aktenzeichen: 3 Wx 376/00
Rechtsgebiete: WEG, BGB


Vorschriften:

WEG § 23 Abs. 4
BGB § 242
Das Beschlußanfechtungsrecht kann verwirkt sein, wenn der Antragsteller zwar den Kostenvorschuss einzahlt, aber trotz gerichtlicher Aufforderung weder eine aktuelle Eigentümerliste noch die ladungsfähige Anschrift des Verwalters mitteilt und das Verfahren erst vier Jahre später weiter betreibt.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

3 Wx 376/00 25 T 707/00 291 II 314/95 WEG AG Düsseldorf

In dem Wohnungseigentumsverfahren

betreffend die Eigentumsanlage Düsseldorf,

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss der 25. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 15.09.2000 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. Gottschalg, des Richters am Oberlandesgericht von Wnuck-Lipinski und der Richterin am Oberlandesgericht Dr. Krautter am 03.01.2001

beschlossen:

Tenor:

Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

Die Beteiligte zu 1) hat die Gerichtskosten der weiteren Beschwerde und die in dieser Instanz den übrigen Beteiligten notwendig entstandenen außergerichtlichen Kosten zu tragen.

Wert: 15.000,-- DM.

Gründe:

I.

Die Beteiligten zu 2) bis 7) sind Mitglieder der eingangs näher bezeichneten Wohnungseigentümergemeinschaft, deren Verwalter der Beteiligte zu 7) ist.

In der Eigentümerversammlung vom 27.09.1995 (Protokoll Bl. 9 bis 11 d.A.) wurden unter Tagesordnungspunkt 2 die Gesamt- und Einzelabrechnungen für das Abrechnungsjahr 1994/95 mehrheitlich genehmigt, unter Tagesordnungspunkt 3 der Wirtschaftsplan für das Abrechnungsjahr 1995/96. Es wurden mehrheitlich der Verwalter und der Verwaltungsbeirat gewählt. Unter Tagesordnungspunkt 6 haben die Wohnungseigentümer beschlossen, die Beteiligte zu 1) zu verpflichten, ihr Wohnungseigentum zu verkaufen.

Die Beteiligte zu 1) war am 27.09.1995 Miteigentümerin und Sondereigentümerin einer Teileigentumseinheit.

Mit Antragsschrift vom 23.10.1995 hat die Beteiligte zu 1) den Antrag eingebracht, die Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 27.09.1995 aufzuheben.

Auf die Kostenanforderung vom 27.10.1995 hat die Beteiligte zu 1) am 18.12.1995 die angeforderten Kosten in Höhe von 61 DM eingezahlt.

Mit Verfügung vom 02.01.1996 hat der Amtsrichter der Beteiligten zu 1) aufgegeben,

- eine gültige Eigentümerliste

- die ladungsfähige Anschrift des Verwalters

- Kopie des Versammlungsprotokolls vom 27.09.1995 zu den Gerichtsakten zu reichen.

Mit Schriftsatz vom 03.01.2000 hat die Beteiligte zu 1), welche im Jahr 1996 ihr Teileigentum veräußert hat, die übrigen Miteigentümer und den Verwalter bezeichnet sowie klargestellt, dass der Anfechtungsantrag bezüglich der Beschlüsse zu den Tagesordnungspunkten 2, 3 und 6 aufrecht erhalten werde. Hinsichtlich der übrigen Beschlüsse hat sie die Hauptsache für erledigt erklärt.

Auf die Verfügung des Amtsrichters vom 13.01.2000 ist die Zustellung der Antragsschrift an den Beteiligten zu 7) als Verwalter am 19.01.2000 erfolgt.

Die Beteiligte zu 1) hat beantragt,

die Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 27.09.1995 zu dem Tagesordnungspunkt 2 (Beschluss über Gesamt- und Einzelabrechnungen), Tagesordnungspunkt 3 (Wirtschaftsplan 1995/96) und Tagesordnungspunkt 6 (Beschluss zum Entzug des Wohnungseigentums) für ungültig zu erklären.

Die Beteiligten zu 2) bis 7) haben beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Das Amtsgericht hat den Antrag der Beteiligten zu 1) abgewiesen, weil das Beschlussanfechtungsrecht verwirkt sei. Die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 1) ist vom Landgericht zurückgewiesen worden. Die Beteiligte zu 1) hat sofortige weitere Beschwerde eingelegt.

Im einzelnen wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Das zulässige Rechtsmittel ist in der Sache nicht begründet. Die angefochtene Entscheidung beruht nicht auf einer Verletzung des Gesetzes (§ 27 FGG).

Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Die Beteiligte zu 1) habe nicht das zur Förderung des Verfahrens Notwendige getan. Weil sie der Aufforderung des Amtsrichters vom 02.01.1996, den Verwalter und die übrigen Wohnungseigentümer namentlich zu benennen, nicht Folge geleistet habe, habe eine Zustellung der Antragsschrift nicht erfolgen können. Die Kammer hat sich im übrigen der Beschlussbegründung des Amtsrichters angeschlossen, wonach die Antragsgegner unter den gegebenen Umständen darauf vertrauen durften, dass nach Ablauf der Monatsfrist des § 23 Abs. 4 WEG alle Beschlüsse bestandskräftig geworden waren; nach vier Jahren müsse kein Verfahrensbeteiligter mehr mit der Zustellung einer Antragsschrift rechnen.

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand. Auch das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit und insbesondere das Wohnungseigentumsverfahren wird von den aus § 242 BGB abgeleiteten Grundsätzen beherrscht (Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 14. Aufl., § 21 Rdnr. 22). Demzufolge ist anerkannt und vom Senat auch schon wiederholt entschieden worden (DWE 98, 88; NZM 98, 162), dass trotz Wahrung der Anfechtungsfrist des § 23 Abs. 4 Satz 2 WEG - diese Monatsfrist wird bereits durch Einreichung des Beschlussanfechtungsantrages beim Wohnungseigentumsgericht gewahrt - die Beschlussanfechtung rechtsmissbräuchlich sein kann, wenn beispielsweise das Verfahren längere Zeit insoweit nicht vom Antragsteller gefördert wurde, als er den angeforderten Kostenvorschuss nicht gezahlt und damit die Zustellung verhindert hat (vgl. auch KG ZMR 97, 484; OLG Köln, ZMR 98, 110; Niedenführ/Schulze, WEG, 9. Aufl., vor §§ 93 ff. Rdnr. 75). Nichts anderes gilt, wenn der Antragsteller zwar den Kostenvorschuss einzahlt, aber trotz gerichtlicher Aufforderung weder eine aktuelle Eigentümerliste noch die ladungsfähige Anschrift des Verwalters mitteilt. Diese Angaben werden, worauf das Landgericht in dem angefochtenen Beschluss hingewiesen hat, für das Verfahren benötigt und der Antragsteller ist zur Bekanntgabe verpflichtet. Wenn infolge dessen die Zustellung zunächst unterbleibt und der Antragsteller das Verfahren erst vier Jahre später weiter betreibt, indem er der Aufforderung des Gerichts nachkommt, so kann die Abwägung der wechselseitigen Interessen ergeben, dass das Beschlussanfechtungsrecht verwirkt ist (vgl. hierzu Gottschalg in NZM 2000, 273).

Im vorliegenden Fall steht dem Interesse der Beteiligten zu 1), eine gerichtliche Überprüfung der in 1995 gefassten Wohnungseigentümerbeschlüsse zu den Tagesordnungspunkten 2, 3 und 6 herbeizuführen, das Interesse der übrigen Wohnungseigentümer gegenüber, alsbald geklärt zu wissen, ob die angefochtenen Beschlüsse Bestand haben. Dabei wirkt sich zum Nachteil der Beteiligten zu 1) aus, dass sie zum einen vier Jahre ungenutzt hat verstreichen lassen und zum anderen seit 1996 nicht mehr Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft ist. Dass sie binnen eines Jahres dem Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung, sie zur Veräußerung ihres Wohnungseigentums zu verpflichten, Folge geleistet hat, hat einen Vertrauenstatbestand bei den übrigen Wohnungseigentümern geschaffen und dazu geführt, dass diese mit einer Beschlussanfechtung nicht mehr zu rechnen brauchten. Hinzu kommt, dass alle drei angefochtenen Beschlüsse - Jahresabrechnung, Wirtschaftsplan und Entziehung des Wohnungseigentums - von verhältnismäßig großer Bedeutung für die Wohnungseigentümergemeinschaft sind und eine längere Phase der Ungewissheit in solchen Fällen besonders unzuträglich ist. Zeit- und Umstandsmoment zusammen führen zu dem Ergebnis, dass das Beschlussanfechtungsrecht verwirkt ist.

Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin kommt es nicht darauf an, dass das Amtsgericht das Verfahren weder ausgesetzt noch für ruhend erklärt hat. Tatsächlich hat das Verfahren vier Jahre geruht. Das rechtlich geschützte Vertrauen der übrigen Wohnungseigentümer in den Bestand der am 27.09.1995 gefassten Beschlüsse entfällt auch nicht dadurch, dass die Wohnungseigentümer von der Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht haben, sich beim Amtsgericht wegen der Anhängigkeit eines Anfechtungsantrags zu erkundigen. Hierzu sind die Wohnungseigentümer nicht verpflichtet. Vielmehr ist der Antragsteller eines Beschlussanfechtungsverfahrens gehalten, dieses Verfahren zu fördern. Schließlich greift auch der Einwand der Beschwerdeführerin nicht durch, dem Amtsrichter seien die geforderten Angaben aus anderen Verfahren bekannt gewesen. Das Gericht ist nicht gehalten, sich die benötigten Angaben aus anderen Akten selbst zu beschaffen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 Satz 1 und 2 WEG. Die Anordnung der Kostenerstattung entspricht der Billigkeit, weil die Beschwerdeführerin nach den überzeugend begründeten Entscheidungen der Vorinstanzen die Aussichtslosigkeit ihres Rechtsmittels hätte erkennen können.

Ende der Entscheidung

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