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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 18.02.2002
Aktenzeichen: 3 Wx 406/01
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 13
WEG § 15
WEG § 23 Abs. 4
1. Auch einem negativen Abstimmungsergebnis kommt grundsätzlich die Qualität eines anfechtbaren Beschlusses zu, so dass es der Umdeutung der Beschlussanfechtung in einem Verpflichtungsantrag nicht bedarf.

(Aufgabe der bisherigen Senatsrechtsprechung im Anschluss an BGH NZM 2001, 961 = ZM R 2001, 809)

2. Die Ablehnung des Antrags, Nichtmitgliedern der Eigentümergemeinschaft das Parken auf dem Garagenhof zu untersagen, darf nicht dazu führen, dass die Eigentumsrechte des Sondereigentümers einer Garage durch eine unbeschränkte Parkmöglichkeit auf dem Hof übermäßig beeinträchtigt werden.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

3 Wx 406/01

In dem Wohnungseigentumsverfahren betreffend die Wohnungseigentümergemeinschaft... in Neukirchen-Vluyn,

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Kleve vom 21. November 2001 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. G..., des Richters am Oberlandesgericht von W... und der Richterin am Oberlandesgericht S...

am 18. Februar 2002

beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen, soweit der Antrag, das Befahren und Halten auf dem Hof F... in... Neukirchen-Vluyn Nichtmitgliedern der Wohnungseigentümergemeinschaft nicht zu gestatten und ein entsprechendes Schild aufzustellen, betroffen ist.

Im übrigen wird das Rechtsmittel zurückgewiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Landgericht vorbehalten.

Wert des Beschwerdegegenstandes: bis 3.000,00 Euro.

Gründe:

I.

Die Beteiligten zu 1 bis 7 bilden die im Rubrum genannte Eigentümergemeinschaft. Der Beteiligte zu 1 bewohnt eine Wohnung im ersten Obergeschoss. Zu der Anlage gehört eine Reihe von Garagen. Dem Beteiligten zu 1 steht die Garage Nr. 6 zur Verfügung. Zwischen dem Wohngebäude und den Garagen liegt eine Hoffläche, die von einigen Miteigentümern, deren Besuchern und - solange das im Erdgeschoss von dem Miteigentümer E... inzwischen geschlossene Ladengeschäft betrieben wurde - den Geschäftskunden zum Abstellen von Fahrzeugen benutzt wird.

In der Eigentümerversammlung vom 12.2.2000 hatten die Miteigentümer durch Mehrheitsbeschluss ein früher bestehendes Parkverbot im Hof aufgehoben. Diesen Beschluss hatte der Beteiligte zu 1 ohne Erfolg angefochten.

In der Wohnungseigentümerversammlung vom 12.5.2001 hat der Beteiligte zu 1 unter TOP 7 folgende Anträge zur Abstimmung gestellt:

1. Das Parken im Hof wird verboten;

2. den Mitgliedern der Wohnungseigentümergemeinschaft F... in... Neukirchen-Vluyn wird gestattet, Fahrzeuge auf dem Hof nur für das Be- und Entladen für die Dauer von 5 Minuten abzustellen;

3. das Befahren und Halten auf dem Hof... in... Neukirchen-Vluyn wird Nichtmitgliedern der Wohnungseigentümergemeinschaft nicht gestattet. Insoweit wird ein Schild durch die Wohnungseigentümer aufgestellt, wodurch das Befahren, Parken und Halten auf dem Hof für Nichtmitglieder verboten wird.

Diese Anträge sind von der Wohnungseigentümergemeinschaft abgelehnt worden.

Der Beteiligte zu 1 hat geltend gemacht, er werde durch Abgase und Autolärm gestört. Im übrigen werde ihm die Zufahrt zu seiner Garage durch die auf dem Hof abgestellten Fahrzeuge der Kunden und Lieferanten des im Erdgeschoss befindlichen Geschäfts erschwert.

Er hat beantragt,

den Beschluss der Eigentümergemeinschaft vom 12.5.2001 unter TOP 7 dahin abzuändern, dass seinen Anträgen entsprochen wird.

Die Beteiligten zu 2,3 und 5-7 haben die Zurückweisung der Anträge beantragt.

Das Amtsgericht hat die Anträge durch Beschluss vom 29.8.2001 zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1 ist beim Landgericht ohne Erfolg geblieben. Gegen den Beschluss des Landgerichts hat der Beteiligten zu 1 sofortige weitere Beschwerde eingelegt.

Die Beteiligten zu 2,3 und 5-7 sind dem Rechtsmittel entgegengetreten.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die gemäß § 45 Abs. 1 WEG, §§ 22 Abs. 1, 27,29 FGG zulässige sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 hat in der Sache in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg; insoweit beruht die Entscheidung des Landgerichts auf einer Verletzung gesetzlicher Vorschriften (§ 27 FGG).

1. Das Landgericht hat ausgeführt, der Antrag des Beteiligten zu 1 sei zwar nicht als Beschlussanfechtungsantrag zulässig, jedoch dahin auszulegen, dass er gerichtet sei auf eine Entscheidung über den ordnungsgemäßen Gebrauch des Gemeinschaftseigentums im Sinne des § 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG. Dieser Antrag sei aber unbegründet, da der bestandskräftige Beschluss der Eigentümergemeinschaft vom 12.2.2000 entgegenstehe. Außergewöhnliche Umstände, die ein Festhalten an dem Beschluss als grob unbillig und gegen Treu und Glauben verstoßend erscheinen ließen, seien nicht gegeben. Durch bloße Lärm- und Geruchsbelästigungen werde nicht in unzumutbarer Weise in Eigentumsrechte des Beteiligten zu 1 eingegriffen. Dass ihm durch abgestellte Fahrzeuge die Nutzung seiner Garage verwehrt sei, habe er selbst nicht behauptet; soweit dies im Einzelfall geschehe, stünden ihm die aus seinem Eigentum folgenden Abwehrrechte zu. Der Antrag, Fahrzeuge lediglich zum Be- und Entladen für die Dauer von 5 Minuten im Hof abzustellen, laufe auf eine Aufhebung des Beschlusses vom 12.2.2000 hinaus, sei daher aus den gleichen Erwägungen unbegründet. Schließlich sei auch der dritte von dem Beteiligte zu 1 zur Abstimmung gestellte Antrag unbegründet. Dabei könne offen bleiben, ob durch den Beschluss vom 12.2.2000 auch Nichtmitgliedern der Gemeinschaft das Parken im Hof gestattet sein sollte. Das Aufstellen eines Parkverbotsschildes für Besucher entspreche nicht ordnungsgemäßer Verwaltung und einem dem Interesse der Wohnungseigentümer entsprechenden Gebrauch.

2. Diese Ausführungen halten der dem Senat als Rechtsbeschwerdegericht obliegenden rechtlichen Nachprüfung nur zum Teil stand.

2.1. Bei den unter TOP 7 der Eigentümerversammlung vom 12.5.2001 abgelehnten Anträgen handelt es sich nicht um sogenannte "Negativbeschlüsse", die einer Anfechtung nicht zugänglich sind (so die bisherige Rechtsprechung, vgl. Bay ObLG ZMR 2000, 115, 116; OLG Hamm ZMR 1995, 173; OLG Düsseldorf ZMR 2000, 118, 119; Staudinger-Bub, WEG, 12. Aufl., § 23 Rn. 147 ff.). Nach neuerer höchstrichterlicher Rechtsprechung kommt vielmehr auch einem negativen Abstimmungsergebnis grundsätzlich Beschlussqualität zu, da dieses ebenso wie ein positives Abstimmungsergebnis in Verwirklichung der Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer zustande kommt und das Resultat einer verbindlichen Willensbildung der Gemeinschaft darstellt; mit dem Abstimmungsergebnis wird der Gemeinschaftswille dokumentiert, dass die beantragte Änderung des Gemeinschaftsverhältnisses nicht eintreten soll (vgl. BGH NZM 2001, 961 = ZMR 2001, 809, 813 = WuM 2001, 572, 576 ). Daraus folgt, dass auch solche Beschlüsse anfechtbar sind. Eine Umdeutung des Begehrens in einen reinen Verpflichtungsantrag kommt daher nicht in Betracht.

2.2. Der Beschluss der Wohnungseigentümer, durch den der Antrag des Beteiligten zu 1, auf dem Hof ein Parkverbot anzuordnen, abgelehnt worden ist, ist nicht zu beanstanden. Dem Begehren des Beteiligten zu 1 steht der bestandskräftige Mehrheitsbeschluss vom 12.2.2000 entgegen. Zwar kann ein Wohnungseigentümer einen Anspruch auf einen Zweitbeschluss haben, wenn zwischenzeitlich eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse eingetreten ist, die eine neue Beschlussfassung erfordert. Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Die Schließung des im Erdgeschoss der Anlage befindlichen Geschäfts stellt zwar eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse dar; diese wirkt sich - wie bereits das Landgericht ausgeführt hat - aber für den Beteiligten zu 1 vorteilhaft aus, so dass im Hinblick hierauf keine neue Beschlussfassung erforderlich ist.

Die Eigentumsrechte des Beteiligten zu 1 sind durch den Beschluss vom 12.2.2000 - wie bereits das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - auch nicht in einer gegen Treu und Glauben verstoßenden Weise (§ 242 BGB) verletzt worden.

2.3. Auch dem Antrag, das Parken nur für das Be- und Entladen der Fahrzeuge für die Dauer von 5 Minuten zu gestatten, steht der bestandskräftige Beschluss der Wohnungseigentümer vom 12.2.2000 entgegen. Die vom Beteiligten zu 1 begehrte Beschlussfassung würde dem Inhalt des Beschlusses vom 12.2.2000 widersprechen und seinen Anwendungsbereich praktisch aufheben.

2.4. Demgegenüber erscheint zweifelhaft, ob die Ablehnung des Antrages, Nichtmitgliedern der Eigentümergemeinschaft das Parken auf dem Hof zu untersagen und ein entsprechendes Parkverbotsschild aufzustellen, rechtmäßig ist.

Der Beschluss der Eigentümergemeinschaft vom 12.2.2000 steht einer Entscheidung über Parkeinschränkungen nicht entgegen. Sollten die Eigentümer mit ihrem vorgenannten Beschluss jedermann eine unbeschränkte Parkmöglichkeit im Hof eröffnet haben wollen, könnten die Eigentumsrechte des Beteiligten zu 1 übermäßig beeinträchtigt sein. Dass eine unbeschränkte Parkerlaubnis für Nichtmitglieder der Eigentümergemeinschaft, welche sich lediglich von der Zustimmung einzelner Eigentümer ableitet, zu erheblichen Engpässen und Behinderungen führen kann, ist bereits wegen des Geschäftsverkehrs offensichtlich. Es mag zwar sein, dass derzeit das Geschäft im Erdgeschoss geschlossen ist; daraus folgt jedoch nicht, dass dort auch in Zukunft kein Geschäft mehr betrieben wird. Derartig massive Behinderungen muss ein Miteigentümer nicht dulden; er kann vielmehr gegenüber der Eigentümergemeinschaft den Gebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung verlangen. Hierzu kann auch eine Einschränkung des Gebrauchs gehören; insoweit kommt etwa eine Beschränkung auf eine gewisse Anzahl von Fremdparkern in Betracht oder eine zeitliche Einschränkung der Parkerlaubnis oder auch die Anordnung eines Parkverbots für Nichtmitglieder, verbunden mit der Erlaubnis, zum Zwecke des Be- und Entladens Liefer- und Personenfahrzeuge abzustellen. Welche Einschränkungen vorliegend geboten sind, kann der Senat nicht selbst beurteilen, da ausreichende tatsächliche Feststellungen fehlen. Aus der Lageskizze ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte, welche Fläche als freier Parkraum zur Verfügung steht, wieviel Rangiermöglichkeit vorhanden ist und wie viele Liefer- und Personenfahrzeuge ohne Behinderung der Garagenzufahrten abgestellt werden können. Die fehlenden tatsächlichen Feststellungen kann der Senat als Rechtsbeschwerdegericht nicht nachholen. Die Sache war daher insoweit aufzuheben und an das Landgericht zurückzuverweisen.



Ende der Entscheidung

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