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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 30.01.2001
Aktenzeichen: 4 U 138/00
Rechtsgebiete: AVB Vermögen, VVG, BGB, ZPO


Vorschriften:

AVB Vermögen § 4
AVB Vermögen § 1 Nr. 1
AVB Vermögen § 3 II Nr. 1
AVB Vermögen § 6
AVB Vermögen § 5 Nr. 3 a)
AVB Vermögen § 4 Nr. 5
VVG § 1
VVG § 49
BGB § 278
ZPO § 91
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
1.

Der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherer, der einem Kapitalanlagenvermittler Versicherungsschutz gegen Ansprüche aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts versprochen hat und ihm Rechtsschutz gegen Schadensersatzklagen seiner Kunden verweigert, ist verpflichtet, den Versicherungsnehmer von den Verpflichtungen aus den von ihm geschlossenen gerichtlichen Vergleichen freizustellen, wenn die Ansprüche u. a. auf positive Vertragsverletzung eines Auskunftsvertrages gestützt waren und der Versicherungsnehmer die Kunden bei der Provisionspflichtigen Vermittlung von Anteilen an einem Immobilienfonds betreffend einen Flughafenparkplatz in den USA nicht über die fehlende Baugenehmigung aufgeklärt hat.

2.

Es steht der Einstandspflichl des Haftpflichtversicherers nicht entgegen, dass weitere von den Kunden geltend gemachte Pflichtverletzungen, etwa unzutreffende Voraussagen über die künftige Entwicklung des Objekts (Gewinnerwartungen oder Renditen) und unzureichende Bonitätsprüfung, vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

4 U 138/00

Verkündet am 30. Januar 2001

In Sachen

pp.

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 12. Dezember 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. S, den Richter am Oberlandesgericht Dr. W und den Richter am Landgericht S

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 20. Juni 2000 verkündete Urteil des Landgerichts Düsseldorf - Einzelrichter - wie folgt abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger aufgrund der für diesen bestehenden Vermögensschadenhaftpflichtversicherung (Versicherungsnummer HV) unter Berücksichtigung des vereinbarten Selbstbehalts und der vereinbarten Deckungshöchstsumme von den Verpflichtungen aus den mit den Anlegern vor dem Oberlandesgericht K abgeschlossenen Vergleichen vom freizustellen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die gegen sie gerichtete Zwangsvollstreckung des Klägers gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 15.000,00 DM abzuwenden, falls nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheiten können auch durch Bankbürgschaft erbracht werden.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten Deckungsschutz aus einer Vermögenschadenhaftpflichtversicherung.

Der Kläger ist selbständig und beschäftigt sich mit Vermittlung von Versicherungen und Kapitalanlagen. Außerdem ist er Partner der Treuhand GmbH (im Folgenden: Treuhand). Diese Gesellschaft hat zum Ziel, Kapitalanlagen auf Attraktivität und Seriosität zu überprüfen und nach positiver Überprüfung den Partnern der Gesellschaft zur Weitervermittlung an deren Kunden zu empfehlen. Die Treuhand unterhält bei der Beklagten für sämtliche Partner eine Vermögenschadenhaftpflichtversicherung als "Pool-Anschlußversicherung" (GA 10) in Ergänzung zu den bestehenden Einzelversicherungen der Partner, darunter des Klägers (GA 12). Grundlage der Versicherungsverträge sind unstreitig die Allgemeinen Versicherungsbedingungen zur Haftpflichtversicherung für Vermögensschäden (AVB Vermögen) sowie die Besonderen Vereinbarungen in der Anlage A 94 zu den Versicherungsscheinen (GA 13). Nach diesen Besonderen Vereinbarungen erstreckt sich der Versicherungsschutz u.a. auf die Vermittlung von Beteiligungen an Immobilienfonds; ausgeschlossen sind in Ergänzung von § 4 AVB Vermögen Haftpflichtansprüche, die dadurch entstanden sind, dass "Voraussagen über die künftige Entwicklung (z.B. Gewinnerwartungen oder Renditen) nicht eintreffen" (Klausel 2.1) oder "Kenntnis über mangelnde Bonität eines Beteiligten nicht weitergeleitet oder Verpflichtungen zu deren Überprüfung nicht erfüllt worden sind" (Klausel 2.2).

Der Kläger vermittelte gegen eine Provision von 5 % des Anlagebetrages seinen Kunden G, N und K im Frühjahr 1996 die Beteiligung an der Park Limited Partnership in D /USA (im folgenden: Park). Ziel dieser Gesellschaft war es, auf einem Teil eines Grundstücks in der Nähe des Flughafens D einen Parkplatz zu erbauen sowie zu bewirtschaften und den weitaus überwiegenden Teil des Grundstückes nach Erschließung und Parzellierung weiterzuverkaufen. Das Projekt wurde in Deutschland von der G GmbH (G GmbH) vertrieben, deren Geschäftsführer E war. Ausweislich der Kurzdarstellung des Prospektes zu dem Projekt (GA 15-17) machten die strategische Lage sowie die bereits bestehenden, genehmigten Bebauungspläne das Grundstück zum Brennpunkt für Hotels, Bürohäuser u.ä.; es handele sich um ein absolut einmaliges Beteiligungsangebot an einem bereits planmäßig festgelegten und genehmigten Projekt mit immenser Gewinnerwartung. Komplementärin der Park war die P Inc., eine Aktiengesellschaft nach dem Recht des Staates C /USA. Die Finanzierung des Projektes sollte durch Zeichnung von Kommanditistenanteilen durch Kapitalanleger erfolgen. Ein Teil des so aufgebrachten Gesamtkapitals von ca. 12.000.000 $ stammte auf Vermittlung des Klägers von Frau G (ca. 130.000,00 DM), Frau K (ca. 80.000,00 DM) und Herrn N (ca. 30.000,00 DM).

Die Kapitalanlage war nicht erfolgreich, das Projekt wurde bisher nicht verwirklicht. Die Gründe des Scheiterns sind zwischen den Parteien streitig. Unstreitig ist allerdings, dass hinsichtlich des Flughafengrundstückes lediglich ein Generalbebauungsplan existierte, der die Bebauung des Grundstücks mit einem Parkplatz für zulässig erklärte. Eine Einzelbaugenehmigung war nicht vorhanden und der Generalbebauungsplan nach Zeichnung der Anlage ab Mitte 1996 (vgl. GA 4) nicht mehr Planungsgrundlage. Infolgedessen musste der Standort des Parkplatzes verlegt werden; der Parkplatz wurde bis heute nicht gebaut. Über die Vermögen der P Inc. und der Park wurden inzwischen Insolvenzverfahren nach amerikanischem Recht eröffnet; die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der G GmbH wurde mangels Masse abgelehnt, gegen den Geschäftsführer Entenmann wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Untreue eingeleitet.

Die Anleger G, N und K nahmen daraufhin den Kläger auf Schadensersatz wegen Verletzung von Beratungs- und Aufklärungspflichten in Anspruch. Vor dem Landgericht Konstanz erstritten sie in der Begründung gleiche Urteile, mit denen festgestellt wurde, dass der Kläger ihnen zum Schadensersatz verpflichtet sei (GA 18-30). In den Berufungsverfahren verglichen sich die Parteien vor dem Oberlandesgericht K dahingehend, dass der Kläger an Frau K 43.700,00 DM, an Herrn N 16.700,00 DM und an Frau G 64.700,00 DM zu zahlen hat und dafür deren Ansprüche gegen die Park abgetreten bekommt (vgl. GA 192). Für die jeweils erste Instanz hatte die Beklagte dem Kläger Rechtsschutz gewährt; für die jeweils zweite Instanz verweigerte sie Rechtsschutz mit Schreiben vom 14. und 17. Juni 1999.

Der Kläger hat behauptet:

Zwei Partner der Treuhand, nämlich Herr W und Herr L, hätten im Jahre 1995 die Beteiligung an der Park eingehend geprüft. Sie hatten die wirtschaftliche Sinnhaftigkeit des Projektes, die rechtlichen Rahmenbedingungen und die Seriosität der Beteiligten vor Ort in D ausführlich recherchiert. Das Projekt habe sich baurechtlich realisieren lassen, die Erteilung der Einzelbaugenehmigung sei eine reine Formsache gewesen; es sei an den strafbaren Machenschaften des Herrn E gescheitert. Er, der Kläger, habe den Anlegern bei der Vermittlung keine Angaben über die Gewinnerwartung oder die Rendite gemacht und auch keine bestimmte Entwicklung versprochen oder zugesichert.

Er ist der Ansicht, die Beklagte müsse ihm für die Schadensersatzansprüche der Anleger Versicherungsschutz gewahren. Ausschlusstatbestände griffen nicht ein und er habe keine wissentliche Pflichtverletzung begangen.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm aufgrund der für ihn bestehenden Vermögenshaftpflichtversicherung (Versicherungsscheinnummer:) unter Berücksichtigung des vereinbarten Selbstbehalts und der vereinbarten Deckungshöchstsumme den Schaden zu ersetzen, der ihm dadurch entsteht, dass er durch die Anleger G, N und K auf Schadensersatz in Zusammenhang mit einer durch ihn vermittelten Kapitalanlage in Anteile der Park Ltd. Partnership, D /USA, in Anspruch genommen wird.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet:

Die planungsrechtliche Lage hinsichtlich des Parkplatzes sei nicht hinreichend überprüft worden; sie sei offensichtlich ungeklärt gewesen. Hierauf habe der Kläger nicht hingewiesen und damit seine Pflicht zur umfassenden Beratung der Anleger nicht erfüllt. Stattdessen habe er die hinter der Anlage stehenden Personen übertrieben angepriesen und die Anlage als sicher und hoch rentierlich dargestellt.

Die Pflichtverletzungen des Klägers seien von den vertraglichen Ausschlusstatbeständen erfaßt. Klausel 2.1 der Anlage A 94 sei weit auszulegen, die Beklagte wolle nicht für die Entwicklung einer Kapitalanlage verantwortlich gemacht werden können und deren wirtschaftliches Risiko tragen, sondern für Fehler und Pannen bei der Vermittlung einstehen. Der Begriff der Bonität in Klausel 2.2 umfasse auch die Zuverlässigkeit und Seriosität der Personen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, da sich nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck der Besonderen Vereinbarungen zum Versicherungsschein ergebe, dass die Beklagte nicht für - verbindliche oder unverbindliche - Prognosen über zu erwartende Erträge haften wolle; solche Angaben habe der Kläger aber gemacht mit seiner Äußerung über "möglicherweise bei gutem Verkauf zu erwartende Erträge". Darüber hinaus habe er die Bonität der Beteiligten nicht ausreichend überprüft.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Er ist der Ansicht, der Ausschlusstatbestand in Klausel 2.1 erfasse nicht jede prognostische Angabe, sondern nur verbindliche Aussagen über die Gewinnerwartung. Klausel 2.2 greife nicht ein, da an der Bonität des Herrn E zwar aus jetziger Sicht Zweifel bestehen mögen, diese Zweifel habe es aber im Frühjahr 1996 nicht gegeben.

Er habe die Anlage nicht als todsicher bezeichnet und keine Angaben über Renditen oder Gewinnaussichten gemacht, sondern die Anleger sogar darauf hingewiesen, es gehöre zu jedem unternehmerischen Risiko, dass Verlust eintreten könne.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihn aufgrund der für ihn bestehenden Vermögenshaftpflichtversicherung (Versicherungsscheinnummer:) unter Berücksichtigung des vereinbarten Selbstbehalts und der vereinbarten Deckungshöchstsumme von den Verpflichtungen abgeschlossenen Vergleichen vom 31. August 2000 freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie behauptet:

Der Kläger habe die Anlage als todsicher und gänzlich risikolos dargestellt und den auf Sicherheit bedachten Anlegern auch den Prospekt vorgelegt, der Renditen ausweise. Derartige Voraussagen fielen nicht unter den Versicherungsschutz. Die Bonitätsprüfung des Klägers sei unzureichend gewesen, sie habe sich nicht auf den Geschäftsführer E erstreckt; er habe die Bonitatsprüfung darüber hinaus nicht eigenverantwortlich durchgeführt. Schließlich habe der Kläger eine wissentliche Pflichtverletzung begangen. Ihm sei vorzuwerfen, den Treuhandvertrag überhaupt nicht gelesen zu haben; ansonsten wäre ihm das damit verbundene Risiko sofort aufgefallen.

Wegen des Vorbringens der Parteien im übrigen wird auf den Inhalt der Akte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig und begründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf die begehrte Versicherungsleistung gemäß §§ 1 und 49 VVG i. V. m. §§ 1 Nr. 1 und 3 II Nr. 1 AVB Vermögen zu.

Der Versicherungsfall im Sinne von § 1 Nr. 1 AVB Vermögen ist eingetreten und die Beklagte hat für diesen Versicherungsfall Versicherungsschutz zu gewähren. Die Versicherungsleistung besteht vorliegend nicht mehr in der Rechtsschutzgewährung gegenüber den Forderungen der Anleger G, N und K, sondern darin, den Kläger von den Verpflichtungen freizustellen, die er in den Vergleichen mit den Anlegern eingegangen ist.

Der Kläger ist berechtigt, die Ansprüche geltend zu machen, da er ausweislich des Klageantrages Leistungen aus der von ihm als Versicherungsnehmer abgeschlossenen Versicherung mit der Versicherungsscheinnummer begehrt.

1.

Der Versicherungsfall ist im Verhältnis der Parteien bindend festgestellt worden durch die Vergleiche des Klägers mit den geführten Verfahren. In der Haftpflichtversicherung gilt grundsätzlich das Trennungsprinzip: Im Haftpflichtprozess des Versicherungsnehmers (Klägers) mit dem geschädigten Dritten (Anleger) ist zu klären, ob der Versicherungsnehmer zu haften hat; im Deckungsprozess ist zu klären, ob der Versicherer dem Versicherungsnehmer Versicherungsschutz zu gewähren hat. Wenn der Haftpflichtprozess dem Deckungsprozess vorangeht, dann ist die dort rechtskräftig ausgeurteilte Haftung für den Deckungsprozess bindend. Sie tritt auch dann ein, wenn der Versicherer im Haftpflichtprozess nicht mitgewirkt hat. Ist allerdings im Haftpflichtprozess eine für den Deckungsanspruchwesentliche Tat- oder Rechtsfrage offengeblieben, so ist sie im Deckungsprozess zu klären (vgl. zum ganzen: Prölss/Martin, a.a.O., § 149 Rdnr. 24, 29 u. 31).

Vorliegend sind die Haftpflichtprozesse durch Vergleich beendet worden. Die nur betragsmäßig unterschiedlichen Vergleiche enthalten keinerlei Ausführungen zum Grund der Haftung. Dennoch kommt ihnen - ähnlich einem rechtskräftigen Urteil - Bindungswirkung zu: Wenn ein Haftpflichturteil vorliegt, ist die Bindungswirkung nicht Folge der Rechtskraft dieses Urteils, sondern des materiellen Leistungsversprechens des Versicherers; es soll vermieden werden, dass die im Haftpflichtverfahren getroffenen Feststellungen, soweit sie für die Deckungsfrage von Bedeutung sind, im Deckungsprozess erneut überprüft werden können (vgl. Römer/Langheid, VVG, § 149 Rdnr. 5). Um dem Versicherer Einfluß auf den Haftpflichtprozess und damit auf den Inhalt der Bindungswirkung zu sichern, ist in § 5 Nr. 3 a) AVB Vermögen - ähnlich wie in den meisten anderen Haftpflichtversicherungsbedingungen - vorgesehen, dass der Versicherungsnehmer den Prozess nach den Weisungen des Versicherers zu führen hat und ohne dessen Zustimmung ein Anerkenntnis nicht abgeben oder einen Vergleich schließen darf. Ein Verstoß des Versicherungsnehmers gegen diese Obliegenheit beseitigt zwar nicht die Bindungswirkung des Haftpflichtprozesses, nach § 6 AVB Vermögen kann der Versicherer aber wegen dieser Obliegenheitsverletzung leistungsfrei werden (vgl. Prölss/Martin, a.a.O., § 154 Rdnr. 22; Berliner Kommentar zum VVG, § 154 Rdnr. 57).

Der Kläger war trotz des Verbotes in § 5 Nr. 3 a) AVB Vermögen berechtigt, einen Vergleich mit den klagenden Anlegern zu schließen, da die Beklagte durch die Verweigerung von Rechtsschutz für die jeweiligen Berufungsverfahren deutlich gemacht hat, sie verzichte auf Einhaltung der Obliegenheiten nach § 5 Nr. 3 a) AVB Vermögen. Wenn ein Versicherer unberechtigt Deckungsschutz verweigert, ist der Versicherungsnehmer bei der Verteidigung der gegen ihn gerichteten Ansprüche frei (vgl. Berliner Kommentar zum VVG, § 154 Rdnr. 55; Prölss/Martin, a.a.O., § 154 Rdnr. 22; BGH VersR 1992, 1505), ihm ist insbesondere nicht verwehrt, einen für ihn wirtschaftlich günstigen Vergleich zu schließen (vgl. Prölss/Martin, a.a.O., § 154 Rdnr. 22). Das Risiko der unberechtigten Deckungsablehnung kann die Beklagte nicht auf den Kläger als Versicherungsnehmer abwälzen: Sie kann sich nicht einerseits ihrer vertraglichen Hauptpflicht entledigen, die darin besteht, den Kläger bei der Führung des Haftpflichtprozesses zu unterstützen und ggf. von dessen Folgen zu befreien, andererseits aber dennoch in Anspruch nehmen, an das Ergebnis des notgedrungen vom Kläger allein geführten Haftpflichtprozesses nicht gebunden zu sein (vgl. BGH, a.a.O.).

Zwar muss die Beklagte die Vergleiche danach gegen sich gelten lassen (vgl. Prölss/Martin, a.a.O., § 154 Rdnr. 22 und OLG Hamm, VersR 1994, 925); es fehlt den Vergleichen aber eine Begründung, der sich bei einem Urteil entnehmen lässt, ob der Anspruch auf einer Grundlage beruht, die unter den Versicherungsschutz fällt. Das ist indessen nicht nur bei einem Vergleich so, sondern auch bei einem Anerkenntnis- oder Versäumnisurteil. Wie in den letztgenannten Fällen muss daher auch bei einem Vergleich für die Entscheidung über den Deckungsanspruch auf das Parteivorbringen in dem Haftpflichtprozess zurück gegriffen werden (vgl. Voit, VersR 1988, 901).

Unter Berücksichtigung des Parteivorbringens in den Haftpflichtprozessen des Klägers mit den Anlegern, das insbesondere aus dem Urteil des Landgerichts K ersichtlich ist (GA 18), kommen zu Gunsten der Anleger nur Ansprüche aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts (positive Vertragsverletzung eines Auskunftsvertrages) in Betracht, was nach § 1 Nr. 1 AVB Vermögen gerade Gegenstand der Versicherung des Klägers ist (vgl. Prölss/Martin, a.a.O., § 1 AHB Rdnr. 3 und 5). Der Kläger hat den Anlegern im Rahmen seiner selbständigen Tätigkeit gegen Zahlung einer Provision von 5 % eine Kapitalanlage vermittelt; auf Grund des hierbei konkludent zu Stande gekommenen Auskunftsvertrages war er verpflichtet, den Anlegern richtige und vollständige Informationen über die für die Anlageentscheidung erheblichen Umstände zu erteilen (vgl. BGH, BB 2000, 430). Der Kläger hat die Pflichtverletzung bei einer versicherten Tätigkeit begangen, nämlich bei der Vermittlung von Beteiligungen an Immobilienfonds (Klausel 1.4 der Anlage A 94 zum Versicherungsschein). Ein Immobilienfonds ermöglicht die Beteiligung an Haus- und Grundbesitz. In der Regel geschieht dies dadurch, dass die Anleger sich an einer Gesellschaft beteiligen, die wiederum Grundbesitz erwirbt. Eine solche Gesellschaft kann - wie vorliegend - eine Kommanditgesellschaft sein, die Anleger sind dann die Kommanditisten. Im übrigen wird ein Versicherungsfall von der Beklagten nicht in Abrede gestellt, im Gegenteil, sie wirft dem Kläger mannigfaltige Pflichtverletzungen vor, meint allerdings, diese seien vom Versicherungsschutz ausgeschlossen.

2.

Die Bindungswirkung des Haftpflichtprozesses ist vorliegend nicht durch versicherungsrechtliche Einwendungen eingeschränkt. Zwar bleiben solche Einwendungen grundsätzlich unberührt und sind ggf. im Deckungsprozess zu klären (vgl. Prölss/Martin, a.a.O., § 149 Rdnr. 32; Späte, a.a.O., § 3 Rdnr. 46). Die Beklagte kann hier gegenüber den Haftpflichtansprüchen der Anleger aber nicht erfolgreich einwenden, sie seien wegen vereinbarter Ausschlusstatbestände nicht vom Versicherungsschutz umfasst. Der Versicherungsschutz entfällt nämlich nur dann gänzlich, wenn Ausschlusstatbestände für sämtliche in Betracht kommenden Pflichtverletzungen des Klägers eingreifen; er bleibt hingegen bestehen, wenn nur eine Pflichtverletzung übrig bleibt, die nicht von einem Ausschlusstatbestand erfasst wird, selbst wenn andere Pflichtverletzungen ausgeschlossen sein sollten (vgl. OLG Koblenz, VersR 1979, 830; BGH, VersR 1962, 557; Prölss/Martin, a.a.O., § 149 Rdnr. 31): Mehrere Pflichtverletzungen sind in einem solchen Fall nebeneinander ursächlich für die Haftung des Versicherungsnehmers und jede dieser Pflichtverletzungen kann hinweggedacht werden, ohne dass der Versicherungsschutz entfällt, solange nur eine haftungsbegründende Pflichtverletzung übrig bleibt, die versichert ist.

So liegt es hier: Der Kläger hat die Anleger nicht in hinreichendem Maße über den Genehmigungsstand des auf dem Flughafengrundstück geplanten Parkplatzes unterrichtet. Ob er noch wegen anderer Verfehlungen haften würde, kann offen bleiben, da zumindest diese Pflichtverletzung nicht unter einen Ausschlusstatbestand fällt.

a.

Ausweislich der mit der Klage vorgelegten Kurzdarstellung im Anlageprospekt war wesentlicher Bestandteil des Konzeptes die Errichtung des Parkplatzes auf einem kleinen Teil (etwa 15 %) des Flughafengrundstückes. Dieser Flughafenparkplatz sollte "den Kapitaldienst optimal, kurzfristig und rentierlich ermöglichen" (GA 16), d.h., er diente bis zum längerfristigen Verkauf der parzellierten Grundstücke dazu, den Kapitalanlegern eine Rendite zu verschaffen. Zumindest die kurzfristige Rendite der Anlage hing also von der Realisierung des Parkplatzes ab, für die Realisierung wiederum war u.a. entscheidend, ob eine Baugenehmigung vorlag. Unstreitig ist, dass es eine Einzelbaugenehmigung nicht gab, sondern nur einen Generalbebauungsplan. Unabhängig von der Frage, welche rechtliche Sicherheit ein solcher Generalbebauungsplan dem Bauherrn gewährt, ob der Bauherr insbesondere hieraus einen Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung hat, steht einem Baubeginn das formelle Hindernis der fehlenden Einzelbaugenehmigung entgegen. Selbst wenn die Generalbaugenehmigung dem Bauherrn einen Anspruch auf Einzelbaugenehmigung verschafft, so ist es nicht ausgeschlossen und nach der Erfahrung nicht einmal selten, dass die Einzelbaugenehmigung dennoch verweigert wird oder sich erheblich verzögert. Diese Gefahr hat sich vorliegend verwirklicht, der Generalbebauungsplan ist zumindest faktisch zurückgezogen worden und die Firma Park war genötigt, eine Umplanung für einen anderen Standort vorzunehmen. Selbst wenn daran das Projekt nicht endgültig gescheitert sein sollte, so hat es doch zumindest zu Verzögerungen geführt und die Rendite aus der Parkplatzbewirtschaftung verringert, die nach dem Anlageprospekt für das dritte Quartal 1996 vorgesehen war (GA 17).

Angesichts dessen hätte der Kläger die Anleger über den Genehmigungsstand des Flughafenparkplatzes detailliert aufklären müssen, zumal in der Kurzdarstellung von einem "planmäßig festgelegten und genehmigten Projekt" die Rede ist. Hierdurch wird dem unbefangenen Leser ein Genehmigungsstand suggeriert, der nicht der Wirklichkeit entspricht. Dem aufmerksamen Leser der Kurzdarstellung mag zwar auffallen, dass dort auch von genehmigten Bebauungsplänen die Rede ist; dies stellt jedoch keine ohne weiteres erkennbare Einschränkung der eben wiedergegebenen Aussage dar. Zunächst einmal ist einem juristischen Laien nicht ohne weiteres der Unterschied zwischen einem Bebauungsplan und einer Baugenehmigung geläufig; zum anderen ist zu berücksichtigen, dass in der Kurzdarstellung US-amerikanische Genehmigungsverfahren beschrieben werden, die einem deutschen Kapitalanleger unbekannt sein dürften.

Als Kapitalanlagenvermittler oblag dem Kläger im Rahmen des zumindest stillschweigend zwischen ihm und den Anlegern zustande gekommenen Auskunftsvertrages die Pflicht, die Anleger richtig und vollständig über diejenigen tatsächlichen Umstände zu informieren, die für den Anlageentschluss von besonderer Bedeutung waren. Dazu bedarf es grundsätzlich der eigenen Information des Vermittlers hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit der Kapitalanlage und der Bonität des Kapitalsuchenden, da ohne zutreffende Angaben über die hierfür maßgeblichen Umstände ein Engagement nicht zuverlässig beurteilt und eine sachgerechte Anlageentscheidung nicht getroffen werden kann (vgl. BGH, BB 2000, 430; BGH, NJW-RR 1993, 1115). Hiergegen hat der Kläger verstoßen. Ohne Erkundigungen zu dem Genehmigungsstand bzw. der Genehmigungsfähigkeit des Flughafenparkplatzes konnte er die Rentabilität der Kapitalanlage nicht überprüfen, da - wie ausgeführt - die Zahlung der kurzfristigen Rendite vom Betrieb des Parkplatzes und damit von dessen Bau und Genehmigung abhing.

Der Kläger hat sich unstreitig um den Stand des Genehmigungsverfahrens bezüglich des Flughafenparkplatzes nicht selbst gekümmert, er behauptet allerdings, das hätten seine Partner in der Treuhand, die Herren W und, vor Ort in D getan. Wenn dem so war, dann hätte er sich dieser Herren als Erfüllungsgehilfen bedient und müsste sich deren Fehleinschätzung gemäß § 278 BGB zurechnen lassen. Wenn es diese Erkundigungen in Denver - so die Beklagte - überhaupt nicht gegeben haben sollte, so ist ein Verschulden des Klägers erst recht offenbar.

Es ist bedeutungslos, ob gerade der Umstand, auf den sich der Beratungsfehler bezogen hat, für das Scheitern der Kapitalanlage ausschlaggebend war; entscheidend ist allein, dass durch den Beratungsfehler auf die Anlageentscheidung eingewirkt wurde (vgl. BGH, NNJW 1982, 1096; BGH, NJW 1992, 556; OLG Köln, BB 2000, 376). Das war der Fall, die in einem wesentlichen Punkt unvollständige Auskunft des Klägers war ursächlich für die Entscheidung der Anleger, sich an dem Projekt zu beteiligen. Hierfür spricht die Lebenserfahrung (vgl. BGH, BB 2000, 430), da die Anleger auf eine sichere Anlage bedacht waren (GA 21, 175), die ihnen der Sache nach auch versprochen wurde. Gerade ein deutscher Kapitalanleger dürfte der öffentlich-rechtlichen Genehmigung in der Regel eine erhebliche Bedeutung für seine Anlageentscheidung zumessen. Denn auch dem juristischen Laien ist bekannt, wie schwerfällig die öffentliche Hand teilweise bei der Genehmigung von Bauvorhaben oder ähnlichen Projekten ist und wie oft es darüber zu langwierigen Prozessen kommt. Dementsprechend haben die Anleger ihre Ansprüche gegen den Kläger auch auf das Fehlen der Baugenehmigung gestützt (GA 22). Im übrigen hätte es der Beklagten oblegen vorzutragen, die Anleger hätten sich auch bei Kenntnis des Genehmigungsrisikos beteiligt (BGH, BB 2000, 431). Solcher Vortrag fehlt.

b)

Die Pflichtverletzung des Klägers fällt nicht unter einen Ausschlusstatbestand. Nach Klausel 2.1 der Anlage A 94 zum Versicherungsschein sind Haftpflichtansprüche ausgeschlossen, die dadurch entstanden sind, dass Voraussagen über die künftige Entwicklung (z.B. Gewinnerwartungen oder Renditen) nicht eintreffen. Mit dieser Klausel sollen schadensersatzbegründende Angaben zur Rentierlichkeit der Anlage, die Vermittler in gutem oder in bösem Glauben gegenüber den Anlegern machen, vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sein, um das wirtschaftliche Risiko, das mit einer jeden Anlage verbunden ist, nicht letztendlich auf den Versicherer abzuwälzen. Unverbindliche Prognosen können von der Klausel schon allein deshalb nicht erfasst sein, weil sie keine Schadensersatzansprüche des Vermittlers auslösen. Ebenso wenig reicht es aus, dass falsche Angaben zu Umständen gemacht werden, die das Schicksal der Anlage irgendwie beeinflussen können. Denn damit liefe der Versicherungsschutz weitgehend leer, da alle Tatsachen, die mit der Kapitalanlage zusammenhängen, ursächlichen Einfluss auf deren Entwicklung haben. Unter dem Begriff der künftigen Entwicklung ist vielmehr die wirtschaftliche Entwicklung der Kapitalanlage zu verstehen, nämlich der Gewinn bzw. die Rendite, die sie abwirft, und wann das der Fall ist. Diese Auslegung kommt in dem Klammerzusatz der Klausel 2.1 zum Ausdruck, wo erläuternd von Gewinnerwartungen und Renditen die Rede ist.

In diesem Sinne hätte der Kläger eine Voraussage über die künftige Entwicklung der Anlage selbst dann nicht gemacht, wenn er die Baugenehmigung gegenüber den Anlegern als problemlos hingestellt hätte. Mangels entsprechenden Vertrages ist sogar davon auszugehen, dass er hierzu überhaupt keine Angaben, also auch keine Voraussagen gemacht hat, dass er seine Pflicht zur Aufklärung über den Genehmigungsstand und damit über die Fehlerhaftigkeit des Anlageprospektes vielmehr durch Unterlassen verletzt hat. Ein solches Unterlassen ist von der Klausel 2.1 nicht erfasst.

c.

Auch Klausel 2.2 der Anlage A 94 zum Versicherungsschein greift nicht ein. Danach ist der Versicherungsschutz ausgeschlossen, wenn der Kläger Kenntnisse über die mangelnde Bonität eines der Beteiligten nicht weitergibt oder seinen Verpflichtungen zu deren Überprüfung nicht nachkommt. Unter Bonität versteht man den Ruf einer Person oder eines Unternehmens im Hinblick auf die Zahlungsfähigkeit oder Zahlungswilligkeit. Die Frage des Genehmigungsstandes des Parkplatzes hängt ersichtlich nicht mit der Zahlungswilligkeit oder Zahlungsfähigkeit der Beteiligten zusammen.

d.

Schließlich greift auch der Ausschlusstatbestand des § 4 Nr. 5 AVB Vermögen nicht ein; der Kläger hat seine Pflichtverletzung nicht wissentlich begangen. Ein wissentlicher Pflichtverstoß liegt vor, wenn der Versicherungsnehmer seine Pflicht positiv gekannt hat und der Verstoß für den Schaden ursächlich wurde (vgl. Prölss/Martin, a.a.O., § 4 AVB Vermögen Rdnr. 5). Es ist nicht ersichtlich oder von der darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten vorgetragen, der Kläger habe die Aufklärung über den Stand des Genehmigungsverfahrens unterlassen, obwohl er genau wusste, dass er dies hätte tun müssen. Es ist nicht einmal vorgetragen, ob der Kläger von dem Stand des Genehmigungsverfahrens überhaupt Kenntnis hatte oder sich nur auf die Informationen seiner Partner in der Treuhand verließ, das Projekt sei im Ergebnis schlüssig und seriös. Selbst wenn er aber schon bei Vermittlung der Anlage gewusst haben sollte, eine Einzelbaugenehmigung sei nicht vorhanden, so ist nicht auszuschließen, er habe die Erteilung derselben für eine bloße Formsache gehalten. Dann hätte ihm das Risikobewusstsein gefehlt, das Voraussetzung einer wissentlichen Aufklärungspflichtverletzung ist.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 80.000,00 DM festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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