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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 09.05.2000
Aktenzeichen: 4 U 148/99
Rechtsgebiete: VVG, ARB 75, BGB


Vorschriften:

VVG § 158 n Satz 3
ARB 75 § 1 Abs. 1
ARB 75 § 14 Abs. 1
ARB 75 § 14 Abs. 3
ARB 75 § 17 Abs. 1 Satz 2
ARB 75 § 29
BGB § 537
BGB § 538
Leitsätze

§ 158 n Satz 3 VVG, §§ 1 Abs. 1, 14 Abs. 1 und 3, 17 Abs. 1 Satz 2, 29 ARB 75, §§ 537, 538 BGB

1.

Hat der Rechtsschutzversicherer die Gewährung von Rechtsschutz nur wegen sog. Vorvertraglichkeit abgelehnt, so kann er sich später nicht mehr auf fehlende Erfolgsaussicht berufen.

2.

Die Vorvertraglichkeit von Schadensersatzforderungen des Mieters aus § 538 BGB und pVV beurteilt sich nach § 14 Abs. 1 ARB 75; die Vorvertraglichkeit des Mietzinsanspruchs lind der Verteidigung mit Mietminderung (§ 537 BGB) richtet sich nach § 14 Abs. 3 ARB 75.

3.

Hinsichtlich eines Schadensersatzanspruchs des Mieters wegen Durchfeuchtungen ist als Schadensereignis nach § 14 Abs. 1 ARB 75 nicht die Übergabe der mangelhaft abgedichteteten Mieträume durch den Vermieter unter Verschweigen des Mangels anzusehen, sondern das erstmalige Auftreten von Durchfeuchtungen nach neun Jahren.

4.

Bezüglich der Mietminderung ist der Versicherungsfall nach § 14 Abs. 3 ARB 75 ebenfalls noch nicht mit der Übergabe der Mieträume mit einem verborgenen Mangel eingetreten, sondern erst mit dem Zutragetreten des beanstandeten Mangels in Gestalt von Durchfeuchtungen und deren nicht erfolgter Beseitigung.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

4 U 148/99 11 O 345/98 LG Düsseldorf

Verkündet am 9. Mai 2000

T., Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 11. April 2000 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. S, des Richters am Oberlandesgericht Dr. R und des Richters am Landgericht O

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten gegen das am 9. Juni 1999 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird dieses teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:

Es wird festgestellt, daß die Beklagte dem Kläger Deckungsschutz wegen der in dem Verfahren 7 O 435/97 LG Düsseldorf entstehenden Kosten zu gewähren hat, soweit der Kläger sich gegen Mietzinsansprüche in Höhe von 16.450,00 DM verteidigt und soweit seine Widerklage auf Zahlung von 127.801,92 DM gerichtet ist.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger verlangt von der Beklagten aus einem seit dem 11. Februar 1994 bestehenden Vertrag über Mietrechtsschutz nach § 29 ARB Deckungsschutz für die Verteidigung gegen eine Klage seines früheren Vermieters auf Zahlung rückständigen Mietzinses in Höhe von 16.450 DM sowie für eine gegen diesen gerichtete Widerklage auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 132.265 DM. Zu den Schadenspositionen im einzelnen wird auf Blatt 22 ff. GA Bezug genommen. Gegenüber dem Mietzinsanspruch beruft sich der Kläger auf Mietminderung.

Mit Schreiben vom 4. März 1998 (GA 34) forderte der Kläger die Beklagte auf, eine Deckungszusage für diesen Rechtsstreit (7 O 435/97 LG Düsseldorf) zu erteilen.

Zur Begründung des Deckungsschutzbegehrens hat der Kläger der Beklagten folgenden Sachverhalt unterbreitet:

Im Jahre 1987 habe er eine Zahnarztpraxis gemietet. Seit Mitte 1995 hätten sich Undichtigkeiten der Dachterrasse über dem Behandlungsraum gezeigt. Es sei danach zu Feuchtigkeitserscheinungen sowie einer Ameisenplage in den Behandlungsräumen gekommen, die sich auch 1996 wiederholt habe. Ursächlich für diese Erscheinungen seien Baumängel, die bereits 1987 bestanden hätten und von dem Vermieter bei Abschluß des Mietvertrages verschwiegen worden seien.

Nachdem der Vermieter trotz Aufforderung zur Mängelbeseitigung nicht angemessen reagierte habe, habe er ab Juli 1997 die Miete gemindert und die fristlose Kündigung des Mietvertrages zum 31. Januar 1998 erklärt.

Die Beklagte lehnte die Deckung mit Schreiben vom 16. April 1998 (GA 35) ab und begründete dies damit, die Mängel bestünden seit 1987. Daher sei der Versicherungsfall nach § 14 Abs. 3 ARB 75 in unversicherter Zeit eingetreten.

Der Kläger hat gemeint, sowohl für die Verteidigung gegen die Klage wie auch für die Widerklage sei nach § 14 Abs. 1 ARB 75 abzustellen auf den Eintritt der Schäden ab 1995 und nicht auf die Schadensursache, die in den spätestens 1987 vorliegenden baulichen Mängeln zu sehen sei.

Die Widerklage sei schlüssig. Da die Beklagte sich zur Ablehnung der Deckungszusage nur auf die Vorvertraglichkeit berufen habe, komme es darauf allerdings ohnehin nicht mehr an. Fehlende Schlüssigkeit dürfe die Beklagte nicht mehr einwenden.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, eine Verpflichtungserklärung für die Übernahme der Kosten des Rechtsstreits des Klägers gegen Herrn E G beim Landgericht Düsseldorf.(Az.: 7 O 435/97) abzugeben;

hilfsweise,

festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, die Kosten des Rechtsstreits des Klägers gegen Herrn G beim Landgericht Düsseldorf (Az.: 7 O 435/97) zu tragen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, die Klage sei unzulässig, da mit der Widerklage zum Grund der gegen den Vermieter geltend gemachten Schadensersatzansprüche nicht schriftlich vorgetragen sei.

Teilweise unschlüssig sei die Widerklage in bezug auf den angeblich entgangenen Gewinn von 15.802,62 DM. Ausgehend von der eigenen Berechnung des Klägers ergebe sich ein Anspruch lediglich in Höhe von 11.339,14 DM (GA 57). Da weitere Belege fehlten, müßten die Ansprüche mit Nichtwissen bestritten werden.

Im übrigen hat sie vorgetragen, der Versicherungsfall sei bezüglich der mit der Widerklage verfolgten Ansprüche wie auch hinsichtlich der Verteidigung gegenüber dem Mietzinsanspruch vorvertraglich, d. h. vor der am 11. Mai 1994 ablaufenden Wartezeit, eingetreten. Für die Bestimmung des Zeitpunktes des Versicherungsfalls sei § 14 Abs. 3 ARB 75 einschlägig, da es um vertragliche Ansprüche gehe. Nach § 14 Abs. 3 ARB 75 sei der Beginn des Rechtsverstoßes der Versicherungsfall, der mithin spätestens 1987 eingetreten sei. Darauf, ob der Kläger dies erkannt habe, komme es nicht an. Da es sich um einen Dauerverstoß handele, helfe auch § 14 Abs. 3 Satz 2 ARB 75 nicht weiter.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger gegenüber eine Verpflichtungserklärung für die Übernahme der in dem Verfahren 7 O 435/97 LG Düsseldorf entstehenden Kosten abzugeben, soweit der Kläger sich gegen Mietzinsansprüche in Höhe von 16.450 DM verteidigt und soweit seine Widerklage auf Zahlung von 132.265,40 DM gerichtet ist. Zur Begründung hat es ausgeführt, mit der Widerklage werde ein Anspruch aus einer gesetzlichen Haftpflichtbestimmung verfolgt. Der Eintritt des Versicherungsfalles bestimme sich nach § 14 Abs. 1 ARB 75. Danach sei eine Vorvertraglichkeit nicht gegeben. Auch hinsichtlich der Verteidigung gegenüber dem Mietzinsanspruch müsse die Beklagte Deckungsschutz gewähren. Eine Vorvertraglichkeit im Sinne des § 14 Abs. 3 Satz 3 ARB 75 sei nicht feststellbar. Die Mängel seien ab 1995 eingetreten. Die Abwehr des Zahlungsanspruches stehe in engem Zusammenhang mit der Widerklage, so daß sich keine andere Beurteilung rechtfertige.

Dagegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung und trägt vor, es sei nicht zutreffend, auf den realen Verletzungszustand abzustellen. Dann sei nämlich ein betrügerisches Handeln zu Lasten der Versicherung möglich.

Zudem sei davon auszugehen, daß auch in vorvertraglicher Zeit der Kläger Beschwerden gegenüber dem Vermieter G erhoben habe. Im übrigen wiederholt und vertieft die Beklagte ihr Vorbringen erster Instanz.

Sie beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage kostenpflichtig abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er trägt vor, das Vorbringen der Beklagten zu früherer Kenntnis von den Mängeln vor Abschluß des Versicherungsvertrages sei unsubstantiiert. Im übrigen wiederholt und vertieft auch er sein Vorbringen erster Instanz.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung hat nur teilweise Erfolg.

I.

Zulässigkeitsbedenken hinsichtlich der Klage bestehen nicht. Das Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 ZPO ist gewahrt. Das Rechtsschutzbegehren ist deutlich bezeichnet. Der Kläger begehrt Deckung für die Verteidigung gegen den Mietzinsanspruch in Höhe von 16.450 DM (BA 21) sowie für seine Widerklage. Die Tatsache, daß er in der Klageschrift die Positionen der Widerklage nicht im einzelnen erläutert, macht die Klage auf Deckungsschutz nicht unbestimmt.

II.

Ein Anspruch auf Deckungsschutz für die Widerklage besteht nur, soweit der Kläger mit ihr Ansprüche in Höhe von 127.801,92 DM verfolgt.

1.

Der Anspruch auf Deckungsschutz aus einer Rechtsschutzversicherung, die § 29 ARB 75 unterfällt, setzt voraus, daß der Kläger rechtliche Interessen aus Miet- und Pachtverhältnissen wahrnimmt und zwar in seiner Eigenschaft als Mieter eines im Versicherungsschein bezeichneten Grundstückes. Diese Voraussetzungen sind eingehalten, weil hier der Kläger als früherer Mieter mit der Widerklage Ansprüche aus § 538 BGB auf Schadensersatz wegen Verletzung mietvertraglicher Pflichten durch seinen früheren Vermieter geltend macht (GA 30 ff.). Diese Ansprüche unterfallen § 29 ARB 75 (so ausdrücklich für PVV: Harbauer, Rechtsschutzversicherung, 6. Aufl., § 29 ARB 75 Rdnr. 11). Auch bei dem Anspruch aus § 538 BGB handelt es sich um einen Schadensersatzanspruch beruhend auf der Verletzung vertraglicher Pflichten.

In der Police ist schließlich das vermietete Gebäude genannt (GA.9).

2.

Nach § 1 Abs. 1 ARB 75 hat der Rechtsschutzversicherer seinem Versicherungsnehmer Rechtsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen nur dann zu gewähren, wenn diese notwendig ist, d.h., wenn sie hinreichende Erfolgsaussichten bietet und nicht als mutwillig erscheint, § 1 Abs. 1 Satz 2 ARB 75. Die hinreichende Erfolgsaussicht beurteilt sich nach den zu § 114.

ZPO entwickelten Grundsätzen (Prölss/Martin, WG, 26. Aufl., § 1 ARB 75 Rdnr. 3).

Einer Prüfung der Erfolgsaussicht bedarf es hier indes nicht, da der Kläger zu Recht darauf abhebt, die Beklagte könne sich auf fehlende Erfolgsaussicht nicht mehr berufen. Sie hat nämlich den Deckungsschutz deshalb abgelehnt, weil der Versicherungsfall vor Beginn des Versicherungsschutzes eingetreten, nicht aber, weil das geplante gerichtliche Vorgehen aussichtslos oder nicht hinreichend begründet sei. Nach der herrschenden und vorzugswürdigen Ansicht kann sich der Versicherer nicht mehr auf fehlende Erfolgsaussicht berufen, wenn er Deckungsschutz nicht unter Berufung darauf, sondern unter Hinweis auf andere Gründe abgelehnt hat (vgl. Senat, VersR 1994, 1337, 1338; OLG Hamm NVersZ 1999, 291, 292; Römer in Römer/Langheld, WG, § 158 n Rdnr. 3). Nach § 17 Abs. 1 Satz 2 ARB 75 hat der Versicherer, der die fehlende Erfolgsaussicht verneinen will, dem Versicherungsnehmer dies unverzüglich schriftlich unter Angabe der Gründe mitzuteilen. Ferner muß er ihn auf die Möglichkeit des Stichentscheids gemäß § 17 Abs. 4 II ARB 75 hinweisen. Geschieht dies nicht, gilt gemäß §§ 158 n Satz 3 WG das Rechtsschutzbedürfnis bezüglich der Erfolgsaussichten als anerkannt. Begründet der Versicherer seine Ablehnung nur mit der sogenannten Vorvertraglichkeit des Versicherungsfalls, hat der Versicherungsnehmer grundsätzlich keinen Anlaß, die Erfolgsaussicht seines Vorgehens in Frage zu stellen. Er wird davon ausgehen können, daß er - ohne den Ausschlußgrund - Rechtsschutz erhalten hätte (Senat a.a.O.; OLG Hamm a.a.O.; a.A. OLG Karlsruhe NversZ 1999, 232, 233).

Soweit der Bundesgerichtshof in seiner in VersR 1986, 132 abgedruckten Entscheidung vertreten hat, in der angesprochenen Fallkonstellation habe das Gericht das Verfahren auszusetzen und dem Kläger die Möglichkeit zu geben, einen Stichentscheid nach § 17 ARB 75 herbeizuführen, ist anzumerken, daß diese Entscheidung vor der Einfügung des § 158 n VVG in das Gesetz im Jahre 1990 ergangen ist. Gilt nach § 158 n VVG das Rechtsschutzbedürfnis nach der nicht auf fehlende Erfolgsaussicht gestützten Ablehnung als anerkannt, bedarf es eines Stichentscheides aber nicht mehr. Im übrigen hatte sich in dem der Entscheidung des Bundesgerichtshofs zugrundeliegenden Fall der Versicherer eine spätere Prüfung der Erfolgsaussicht ausdrücklich vorbehalten, so daß schon aus diesem Grund der Versicherungsnehmer auf eine materielle Prüfung eingestellt sein mußte.

Allerdings ist die Beklagte nach Treu und Glauben nicht gehindert, sich darauf zu berufen, dem Kläger sei bei der Abfassung der Widerklage ein Rechenfehler unterlaufen. Tatsächlich legt der Kläger mit seiner Widerklage (vgl. BA 41 f.) keinen Anspruch auf entgangenen Gewinn in Höhe von 15.802,62 DM dar. Aufgrund der vorliegenden Zahlen (BA 42 o = GA 24) errechnet sich ein Schadensersatzanspruch in Höhe von lediglich 11.339,14 DM, so daß das Deckungsschutzbegehren in Höhe der Differenz von 4.463,48 DM ohne Erfolgsaussicht ist, was in diesem Umfang zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und teilweiser Klageabweisung führt (301.001,63 : 674.363,98 X 25.404,20 = 11.339,14).

Soweit sich die Beklagte darauf beruft, sie habe von dem Kläger nicht genügend Unterlagen erhalten, um die Erfolgsaussicht prüfen zu können, führt dies nicht dazu, von dem Grundsatz, daß die Überprüfung der Schlüssigkeit durch die auf Vorvertraglichkeit gestützte Ablehnung gesperrt ist, abzuweichen. Immerhin hat der Kläger der Beklagten die Widerklageschrift übersandt. Reichte der Beklagten dies nicht aus, hätte sie weitere Unterlagen bei dem Kläger anfordern müssen, zu deren Übersendung dieser im Rahmen des § 15 (1) a) ARB 75 auch verpflichtet gewesen wäre.

Letztlich ist aus den vom Landgericht angestellten zutreffenden Erwägungen im übrigen auch von Schlüssigkeit auszugehen (vgl. Urteil GA 182 R bis 183).

3.

Der Anspruch scheitert nicht an der sog. Vorvertraglichkeit des Versicherungsfalles. Der Versicherungsfall ist nach Abschluß der Rechtsschutzversicherung im Jahre 1994 eingetreten.

a) Einschlägig ist nicht § 14 Abs. 3 ARB 75, wovon die Beklagte ausgeht, vielmehr § 14 Abs. 1 ARB 75, da der Kläger Schadensersatzansprüche aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen, die nicht auf das Erfüllungsinteresse gerichtet sind (§ 14 Abs. 1 Satz 2 ARB), geltend macht.

Gesetzliche Haftpflichtbestimmungen sind Rechtsnormen, die unabhängig vom Willen der Beteiligten an die Verwirklichung eines Schadenereignisses im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 1 ARB 75 Rechtsfolgen knüpfen (BGH VersR 1971, 144). Unter diesen Begriff fallen nicht nur außervertragliche Haftungsregelungen, sondern auch die gesetzlichen Bestimmungen, die innerhalb eines bestehenden Vertragsverhältnisses kraft Gesetzes zum Zuge kommen, wenn einer der Vertragspartner eine Leistungsstörung zu vertreten hat. Zu diesen Ansprüchen zählt neben § 538 BGB (Harbauer, a.a.O. vor § 21 ARB 75 Rdnr. 46; Prölss, a.a.O., § 14 ARB 75 vor Rn. 1, § 1 AHB, Rn. 4) auch der auf positive Vertragsverletzung gestützte Anspruch (Köln RuS 88, 358; vgl. Harbauer, a.a.O.; Prölss, a.a.O. § 14 ARB 75 vor Rn. 1).

Etwas anderes folgt entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht daraus, daß § 29 ARB 75 anders als die §§ 21 bis 28 auf § 14 Abs. l ARB 75 nicht ausdrücklich Bezug nimmt. Daraus ergibt sich nicht, daß die Frage der Vorvertraglichkeit sich nach § 14 Abs. 3 ARB 75 richten müßte. Die Inbezugnahme des § 14 Abs. 1 ARB 75 in den §§ 21 bis 28 ARB 75 dient schon nach dem Wortlaut dazu, näher einzugrenzen, für welche Risiken im Rahmen dieser besonderen Bestimmungen Rechtsschutz gewährt wird. In § 29 ARB wird der Umfang des Rechtsschutzes lediglich anders bestimmt, daß Versicherungsschutz umfassend "für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus Miet- und Pachtverhältnissen... gewährt" wird. Dient die Inbezugnahme des § 14 Abs. 1 ARB 75 etwa § 25 (2) a) aber nur der Leistungsbeschreibung, dann ist damit nichts darüber gesagt, ob die Frage der Vorvertraglichkeit im Rahmen des § 29 ARB 75 sich nach § 14 Abs. 1 oder § 14 Abs. 3 ARB 75 richtet. Insoweit ist selbständig zu prüfen, ob es sich bei dem verfolgten Anspruch um einen Anspruch aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen handelt oder aber ein Fall des Absatzes 3 des § 14 ARB 75 vorliegt. Wie schon erwähnt, kann sich ein solcher Anspruch auch aus vertraglichen Beziehungen ergeben.

Dementsprechend geht auch Harbauer (a.a.O. vor § 21 Rdnr. 31) davon aus, daß der Versicherungsschutz in allen Vertragsarten der §§ 21 bis 29 auch den aktiven Schadensersatzrechtsschutz umfaßt, mag § 14 Abs. 1 ARB 75 ausdrücklich auch nur in den Leistungskatalogen der §§ 21 bis 28 ARB 75 erwähnt sein.

Die Anwendung des § 14 ARB 75 (1) scheitert nicht an Satz 2 der Regelung. Offensichtlich macht der Kläger mit der Widerklage nämlich keine Ansprüche geltend, die an die Stelle der Erfüllungsleistung treten, hier an die Stelle des Anspruchs auf vertragsgemäße Überlassung des Mietobjektes. Der Schadensersatz wird vielmehr auf Folgeschäden gegründet, hier entgangener Gewinn (GA 22), und erforderlich gewordene Aufwendungen (vgl. GA 25 ff.).

b) Nach § 14 Abs. 1 ARB 75 gilt bei Schadensersatzansprüchen aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen als Versicherungsfall der Eintritt des dem Anspruch zugrundeliegenden Schadenereignisses. Es entspricht der ganz herrschenden und auch vom Senat vertretenen Auffassung, daß unter Schadenereignis im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 1 ARB 75 nicht die zum Schadensersatz verpflichtende Handlung zu verstehen ist, sondern das Folgeereignis, das dem Eintritt des Verletzungszustandes entspricht (sog. Folgeereignistheorie, BGHZ 79, 76, 81; Senat VersR 1983, 975, 976; OLG Karlsruhe NJW-RR 1998, 1107; BGH VersR 1990, 301). Entscheidend ist das äußere Ereignis, das den Schaden unmittelbar ausgelöst hat (OLG Düsseldorf r + s 90, 88).

Schadenereignis im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 1 ARB ist danach nicht das Übergeben mangelhafter Praxisräume schon im Jahre 1986, denn dabei handelt es sich lediglich um die Schadensursache. Das Folgeereignis, das dem Eintritt des Verletzungszustandes entspricht, trat frühestens im Sommer 1995 mit dem Erkennbarwerden von Durchfeuchtungen und anschließender Schimmelpilzbildung sowie der zu diesem Zeitpunkt erstmals auftretenden Ameisenplage ein. Abzustellen ist auf den realen Verletzungszustand, der nicht gleichzusetzen ist mit den danach eingetretenen Schäden (OLG Düsseldorf, VersR 1983, 975; OLG Karlsruhe NJW-RR 1998, 1107 f.).

c) Die Beklagte dringt nicht mit ihrer Behauptung durch, der Versicherungsfall sei vorvertraglich, weil bereits vor 1994 Mängelrügen gegenüber dem Vermieter erfolgt seien. Sie trägt nämlich keine greifbaren Anhaltspunkte dafür vor, daß bereits vor Vertragsschluß gegenüber dem Vermieter Mängel der Räumlichkeiten gerügt wurden. Ihre Behauptung bleibt völlig substanzlos und erfolgt ins Blaue hinein, da erst drei Jahre nach Abschluß der Rechtsschutzversicherung die rechtliche Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und seinem Vermieter begann. Eine Manipulation, wie sie die Beklagte befürchtet, liegt deshalb fern. Bei ihrem Beweisantritt für die unsubstantiierte Behauptung handelt es sich um einen unzulässigen Ausforschungsbeweis (vgl. dazu Zöller-Greger, ZPO, 21. Aufl., vor § 284 Rn. 1, 5).

III.

Der Kläger hat ferner Anspruch auf Deckung für die Verteidigung gegen die Mietzinsklage.

1.

Die Verteidigung gegen einen klageweise geltend gemachten Anspruch ist im Mietrechtsschutz nach § 29 ARB 75 gedeckt (Harbauer, a.a.O., § 21, 97, 2). Die Verteidigung, gestützt auf § 537 BGB, unterfällt § 29 ARB 75. Zudem ist auch insoweit die Berufung der Beklagten auf fehlende Erfolgsaussicht nicht mehr möglich (s. o.).

2.

Bezogen auf die Verteidigung gegen die Mietzinsklage wendet die Beklagte ebenfalls zu Unrecht Vorvertraglichkeit ein.

Diese beurteilt sich für die Verteidigung gegen die Mietzinsklage nach § 14 Abs. 3 ARB 75, da es nicht um Schadensersatzansprüche aufgrund gesetzlicher Haftbestimmungen geht. Weder der Mietzinsanspruch noch die auf § 537 BGB gestützte Verteidigung unterfallen § 14 Abs. 1 ARB 75 (Harbauer, a.a.O., § 14, Rdnr. 19). § 537 BGB gewährt nicht Schadensersatz, sondern führt in seinem Anwendungsbereich zu einem gesetzlich bestimmten Erlöschen des Erfüllungsanspruches, ohne daß es einer Aufrechnung bedürfte.

Für die Beurteilung der Frage, ob Vorvertraglichkeit gegeben ist, kommt es auf die Behauptungen der Parteien des Ausgangsverfahrens an. Insoweit ist nicht darauf abzustellen, daß der erste Verstoß gegen vertragliche Pflichten im Jahre 1987 erfolgte, als der Vermieter/Kläger seine vertraglichen Verpflichtungen dadurch verletzt hat, daß er keine mangelfreie Mietsache übergab.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. etwa VersR 1984, 531, 532) bleiben nämlich Verstöße aus der Zeit vor Versicherungsbeginn außer Betracht, wenn sie nicht Grundlage des Rechtsstreits sind und nicht zur Stützung ihrer Position von einer Partei herangezogen werden. So liegt der Fall hier. Hinsichtlich des Streits um den rückständigen Mietzins ist zu berücksichtigen, daß der Kläger im Ausgangsrechtsstreit trotz Beginn des Mietverhältnisses schon im Jahre 1987 erst ab Mitte 1995 Mängel geltend macht, die der Vermieter nicht ordnungsgemäß beseitigt haben soll. Mietminderung begehrt der Kläger erst ab Juli 1997. Erst die unzureichende Mängelbeseitigung löste nach dem Vortrag des Klägers im Ausgangsverfahren den Streit um Mietminderungsansprüche aus: Deshalb ist die ursprünglich erfolgte Übergabe eines schon mängelbehafteten Objekts bei richtigem Verständnis nicht Grundlage des Rechtsstreits hinsichtlich des Mietzinses.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2, 1. Halbs. ZPO.

Das Deckungsbegehren hatte lediglich in geringfügigem Umfang keinen Erfolg, nämlich bezogen auf den Teil des Schadensersatzanspruches in Höhe von 4.463,48 DM, der auf einem Rechenfehler beruhte. Da im übrigen, d. h. für eine restliche Widerklage in Höhe von 127.801,92 DM sowie die Verteidigung gegen den Mietzinsanspruch von 16.450,00 DM Deckungsschutz zu gewähren war, ist das Unterliegen geringfügig (4.463,48 [132.265,40 + 16.450 = 3 %]). Besondere Kosten wurden durch diese geringfügige Zuvielforderung nichtverursacht, da ein Gebührensprung nicht ausgelöst wurde. Der Streitwert des Deckungsschutzprozesses richtet sich nach den Gebühren, die im Ausgangsverfahren entstehen. Im Ausgangsverfahren betrug der Streitwert DM 173.315,40 (132.265,40 DM Widerklage, 16.450,00 DM Mietzins, 24.600,00 DM Räumung). Durch die 4.463,48 DM trat im Ausgangsverfahren kein Gebührensprung ein, da zwischen 160.000,00 DM und 190.000,00 DM kein Gebührensprung liegt. Dementsprechend ist auch der Streitwert für das Deckungsverfahren von dem geringfügigen Unterliegen unbeeinflußt.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Zur Zulassung der Revision besteht gemäß § 546 Abs. 1 ZPO kein begründeter Anlaß.

Streitwert für die Berufungsinstanz und Beschwer des Klägers: 15.710,74 DM.

In der Rechtsschutzversicherung entspricht (s. o.) der Streitwert der Deckungsschutzklage den voraussichtlichen Kosten des beabsichtigten Rechtsstreits. Im Hauptsacheverfahren betrug der Streitwert 173.315,40 DM (s.o.). Da der Kläger hinsichtlich des Räumungsanspruches keinen Rechtsschutz begehrte, entfällt lediglich ein Anteil von 85,80 % des Hauptsachenstreitwertes auf die Ansprüche, für die Deckung begehrt wird (148.715, 40 : 173.315, 40 ~ 85,80 %).

Bei einem Streitwert von insgesamt 173.315,40 DM waren Gebühren in Höhe von 22.888,60 DM zu erwarten. Auf den Deckungsschutzprozeß entfallen lediglich 85,80 % der Gebühren, entsprechend 19.638,42 DM (22.888,60 x 85,80 %). Abzüglich eines 20 %igen Abschlages ergeben sich 15.710,74 DM als Streitwert des Deckungsschutzprozesses. Bei der Deckungs-Feststellungsklage ist nach herrschender Meinung grundsätzlich der übliche Abschlag von 20 % zu machen (vgl. OLG Hamm, VersR 1984, 257). Der Kläger hat den Klageantrag zwar nicht als Feststellungsantrag formuliert, sondern die Verurteilung zur Abgabe einer Verpflichtungserklärung für die Übernahme der Kosten beantragt. Das versteht der Senat als Feststellungsantrag.

Ende der Entscheidung

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