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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 14.05.2002
Aktenzeichen: 4 U 185/01
Rechtsgebiete: AKB


Vorschriften:

AKB § 3 Nr. 4
AKB § 12 (1) I. b)
Der Versicherungsnehmer, durch dessen glaubwürdige Angaben bei seiner Anhörung das äußere Bild des Diebstahls seines im August 1997 kreditfinanziert erworbenen neuen BMW 323 i Touring am 2.11.1999 bewiesen ist, hat den Diebstahl nicht mit erheblicher Wahrscheinlichkeit nur vorgetäuscht, wenn der Wagens mit einer modernen Wegfahrsperre ausgerüstet war und ein Abschleppwagen des Nachts in der ruhigen Wohngegend des Klägers aufgefallen wäre, der Versicherungsnehmer kein Geheimnis daraus gemacht hat, sich zum Diebstahlszeitpunkt bereits seit einem Jahr vergeblich um einen Verkauf des Wagens bemüht zu haben, dass er eine Rückkaufgarantie des BMW-Händlers zu einem Rückkaufpreis deutlich unter dem Wiederbeschaffungswert hatte, dass er als Abstellzeitpunkt in der Schadensanzeige 20.30 Uhr angegeben hatte, obwohl der Wagen bereits um 18.30 abgestellt und um 20.30 Uhr zum letzten Mal von ihm gesehen worden war, und dass es zu entsprechenden Ungereimtheiten bereits 1995 bei einem anderen von ihm geltend gemachten KFZ-Diebstahl gekommen war.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

4 U 185/01

Verkündet am 14. Mai 2002

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 16. April 2002 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. S... und der Richter am Oberlandesgericht Dr. W... und Dr. R...

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 14. August 2001 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 35.000 € abwenden, sofern der Kläger nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger, der bis Ende 2000 freiberuflich als Versicherungsagent für die Beklagte tätig war, unterhielt bei ihr eine Kraftfahrtversicherung für einen im August 1997 zum Preis von 71.483 DM gekauften BMW 323i Touring, die auch das vom Kläger gleichfalls neu angeschaffte Navigationssystem einschloss. Aufgrund einer Teilzahlungsvereinbarung hatte der Kläger an den BMW-Händler bzw. an die BMW-Bank eine Anzahlung in Höhe von 19.530 DM sowie ab September 1997 23 Monatsraten á 744,84 DM zu entrichten. Darüber hinaus wurde am 5. August 1999 eine Abschlussrate in Höhe von 38.278,80 DM fällig, die aber aufgrund einer von dem BMW-Händler übernommenen Rückkaufgarantie mit dem Rückkaufpreis in gleicher Höhe verrechnet werden konnte.

Nachdem der Kläger am 5. August 1999 bei dem Vertragshändler einen neuen BMW 328i Touring bestellt und mit ihm die Weiterbenutzung des Gebrauchtfahrzeugs bis zur Auslieferung Mitte November 1999 vereinbart hatte, meldete er am 2. November 1999 den BWM 323i bei der Polizei in G als gestohlen. Bei seiner Befragung als Zeuge erklärte er am 4. November 1999, den Wagen am 1. November 1999 gegen 18.30 Uhr vor seiner Wohnung auf der Umstraße in G abgestellt und gegen 21.00 Uhr bei einem Spaziergang mit seinem Hund letztmals gesehen zu haben. Am 2. November 1999 habe er dann gegen 8.00 Uhr das Fehlen des Kfz festgestellt. Dessen Laufleistung gab er - ebenso wie in der Schadensanzeige gegenüber der Beklagten - mit ca. 51.000 km an.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 52.304 DM nebst 7 % Zinsen aus 52.199,70 DM seit dem 1. Januar 2000 Zug um Zug gegen Übergabe des Original-Kfz-Briefes für das Fahrzeug BMW 323i Touring mit der Fahrgestell-Nr. zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat geltend gemacht, der Kläger sei nicht aktivlegitimiert. Davon abgesehen sei der Kfz-Diebstahl nur vorgetäuscht. Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit ergäben sich schon daraus, dass er variierende Angaben zur Tatzeit gemacht habe. So habe er ihr - der Beklagten - gegenüber in der Schadensanzeige - unstreitig - erklärt, er habe den PKW am 1. November 1999 gegen 20.30 Uhr vor seiner Wohnung abgestellt. Da der BMW mit einer Wegfahrsperre neuester Bauart ausgestattet gewesen sei, hätte er aber nur entwendet werden können, wenn die Täter einen Abschleppwagen zur Verfügung gehabt hätten. In der Wohngegend des Klägers wäre ein solches Fahrzeug aber des Nachts aufgefallen. Darüber hinaus habe er sie - die Beklagte - schon 1995 wegen des Diebstahls eines Kfz auf eine Entschädigung in Anspruch genommen, die sie inzwischen im Parallelprozess LG Krefeld 3 O 353/00 zurückverlangt habe. Außerdem habe er einen Auffahrunfall, der sich im Oktober 1999 ereignet habe, sowie mehrere Kratzer und Schrammen aufgrund von Steinschlagschäden verschwiegen. Schließlich müsse die wahre Laufleistung des BMW zwischen 60.000 und 75.000 km betragen haben.

Nach Beweisaufnahme hat das Landgericht der Klage - bis auf einen Teil des Zinsanspruchs - stattgegeben. Dabei hat es das äußere Bild eines Kfz-Diebstahls aufgrund der Angaben als erwiesen angesehen, die der Kläger bei seiner Vernehmung als Partei gemacht hat. Soweit sich die Beklagte auf die erhebliche Wahrscheinlichkeit der Vortäuschung berufen habe, seien die von ihr angeführten Indizien, so die Kammer, teils unbewiesen, teils nicht stichhaltig.

Dagegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung bleibt ohne Erfolg.

Mit Recht hat das Landgericht aufgrund der eigenen Angaben des Klägers, der auch bei seiner Befragung durch den Senat einen glaubwürdigen Eindruck hinterlassen hat, das äußere Bild einer bedingungsgemäßen Entwendung als geführt angesehen. Ebenso wenig steht auch seine Aktivlegitimation in Frage.

1.

Die mit dem Beweis des äußeren Bildes verbundenen Beweiserleichterungen sind dem Kläger nicht zu versagen, weil der Verdacht besteht, dass der Diebstahl seines BMW 320 i Touring nur vorgetäuscht ist. Prämisse dafür wäre, dass Tatsachen feststehen, aus denen sich nach der Lebenserfahrung ableiten lässt, dass der Versicherungsnehmer den behaupteten Diebstahl mit erheblicher Wahrscheinlichkeit vorgetäuscht hat (vgl. Römer, NJW 19996, 2329, 2332 m.w.N.). Der Nachweis von Indizien, die diesen Schluss zulassen, ist der Beklagten jedoch nicht in hinreichendem Maße gelungen, weil eine ganze Reihe von Umständen, die sie in dem Zusammenhang anführt, entweder unbewiesen oder von nur geringem Beweiswert sind.

2.

Das gilt insbesondere für die Behauptung der Beklagten, der wahre Tachostand des angeblich entwendeten BMW müsse deutlich über den vom Kläger angegebenen 51.000 km gelegen haben. Auffällig ist zwar, dass bei der Fahrzeugbewertung durch die B GmbH & Co. KG am 22. Juni 1999 ein Tachostand von 44.000 km festgehalten worden ist, obwohl bereits auf der Rechnung der M J GmbH & Co. KG vom 9. Februar 1999 ein Kilometerstand von über 45.000 km vermerkt worden, war. Der Beweis, dass der Kläger falsche Angaben gemacht hat, wird dadurch aber nicht erbracht, weil er unwiderlegt behauptet hat, die Fahrzeugbewertung sei nur theoretisch anhand einer Beispielsrechnung erfolgt; der BMW sei dabei nicht besichtigt worden. Wenngleich nicht zu verkennen ist, dass der Sachverhalt in diesem Punkt ins Auge springende Parallelen zum Vorprozess aufweist, in dem die Parteien über den Diebstahl eines Suzuki Vitara gestritten haben (Senat, Urteil vom 25.09.2001, 4 U 28/01, Umdruck Seite 11 unter b), fehlt es aber jedenfalls an einem Beweisantritt der Beklagten dafür, dass der Fahrzeugbewertung vom 22. Juni 1999 eine Besichtigung des BMW vorausgegangen ist. Soweit sie statt dessen die Behauptung des Klägers, er habe den Gebrauch des BMW ab November 1998 eingeschränkt und vermehrt auf den Pkw seiner früheren Verlobten, der Zeugin Z zurückgegriffen, durch den Antrag auf deren Vernehmung widerlegen will, handelt es sich dabei um einen unzulässigen Ausforschungsbeweis. Denn die Behauptung, die Zeugin habe sich zu dem angegebenen Zeitpunkt bereits vom Kläger abgewandt gehabt, steht in einem offenkundigen Widerspruch zu dem erstinstanzlichen Vorbringen der Beklagten. Mit Schriftsatz vom 15. Juni 2000 hatte sie nämlich noch in das Wissen der Zeugin gestellt, dass der BMW Anfang November 1999 bereits eine Laufleistung von 65.000 bis 70.000 km aufgewiesen hat (GA 187). Daraus folgt, dass die Beklagte ins Blaue hinein darüber spekuliert, wie lange die Verbindung des Klägers zu der Zeugin bestanden hat.

Ebenso unergiebig ist die von der Beklagten aufrechterhaltene Behauptung, der Kläger habe ihr den bei einem Auffahrunfall am 16. Oktober 1999 an dem BMW entstandenen Schaden verschwiegen. Dass ein Offenbarungspflichtiger Schaden entstanden war, hat sie nämlich erstinstanzlich nicht zu beweisen vermocht. Vielmehr hat die Zeugin V, die Unfallgegnerin des Klägers, bei ihrer Vernehmung vor dem Landgericht bekundet, sie habe keine Beschädigungen an dem BMW des Klägers feststellen können. Da auch an ihrem Kfz nur leichte Kratzer entstanden sind, deren Behebung gerade einmal 800 DM gekostet hat, erweist sich das auch als durchaus plausibel. In dem Kontext verbleibt daher lediglich der Vorwurf, der Kläger habe der Beklagten außerdem Steinschlagschäden an seinem BMW verheimlicht. Das gibt für den Verdacht der Vortäuschung aber wenig her, da ein Versicherungsnehmer auch bei einem "echten" Kfz-Diebstahl in Versuchung geraten kann, Umstände, die für die Ermittlung der Entschädigung eine Rolle spielen, zu beschönigen. Davon abgesehen sieht der Senat aber auch die Glaubwürdigkeit des Klägers nicht durch die Verletzung der Aufklärungsobliegenheit als erschüttert an, weil jeder verständige Versicherer bei einem Pkw mit einem Tachostand um die 50.000 km auch ohne besondere Mitteilung mit derartigen Gebrauchs- oder Abnutzungsspuren rechnet und auch rechnen muss.

Schließlich fällt, zu Lasten des Klägers nicht weiter ins Gewicht, dass er der Beklagten schon 1995 den oben bereits angesprochenen Diebstahl eines Suzuki Vitara gemeldet hat. Denn überzeugende Beweise dafür, dass dieser Versicherungsfall inszeniert gewesen ist, hat die Beklagte nicht vorgebracht. Dementsprechend ist sie auch in dem Vorprozess, in dem sie den Kläger auf Rückzahlung der damals geleisteten Entschädigung in Anspruch genommen hat, unterlegen (Senat, a.a.O.). Dabei verkennt der Senat nicht, dass die Häufung angeblicher Diebstahlsfälle als Vortäuschungsindiz gewertet werden kann (Senat, VersR 1998, 1107; Römer, NVersZ 1998, 63, 65). Dafür reicht ein einzelner früherer Diebstahl, der sich viereinhalb Jahre vor dem aktuellen Schadensereignis zugetragen haben soll, jedoch nicht aus.

3.

Die danach noch verbleibenden Verdachtsmomente rechtfertigen die Feststellung einer erheblichen Wahrscheinlichkeit der Vortäuschung nicht. Gegen die vom Kläger behauptete Entwendung spricht zwar, dass sein BMW mit einer modernen Wegfahrsperre ausgestattet war und ein Abschleppwagen, mit dessen Hilfe die Entwendung des Kfz gleichwohl möglich war, des Nachts in der ruhigen Wohngegend des Klägers aufgefallen wäre. Nicht zu verkennen ist weiterhin, dass der Kläger sich zum Diebstahlszeitpunkt bereits seit einem Jahre vergeblich um die Veräußerung des BMW bemüht hatte. Zwar konnte er auch auf die Rückkaufgarantie seines BMW-Händlers zurückgreifen, wie er es wohl auch getan hat. Das war für ihn jedoch mit einem fühlbaren Verlust verbunden. Denn der garantierte Rückkaufpreis in Höhe von 38.278,80 DM lag deutlich unter dem Wiederbeschaffungswert. Hinzu kommt, dass der Kläger zum Abstellzeitpunkt widersprüchliche Angaben gemacht hat. So heißt es in der Schadensanzeige vom 2. November 1999, der Pkw sei vor dem Diebstahl um 20.30 Uhr abgestellt worden, obwohl er bereits seit 18.30 Uhr vor der Wohnung des Klägers gestanden hat und von ihm lediglich um 20.30 Uhr letztmals gesehen worden ist. Diese Ungenauigkeit mag sich zwar noch dadurch erklären lassen, dass der Kläger angenommen hat, es gehe der Beklagten weniger um die Feststellung des Abstellzeitpunktes als um die Ermittlung des dem Täter zur Verfügung stehenden Tatzeitraums. Als merkwürdig erweist sich jedoch in jedem Fall, dass es auch bei dem Diebstahl des Suzuki Vitara zu ähnlichen Ungereimtheiten gekommen ist (Senat, Urteil vom 25.09.2001, a.a.O., Umdruck Seite 8 unter b). Auch bei einer Gesamtschau reichen diese Umstände jedoch nicht aus, um mit erheblicher Wahrscheinlichkeit von einer Vortäuschung des Kfz-Diebstahls ausgehen zu können.

4.

Die Beklagte ist auch nicht leistungsfrei, weil der Kläger seine Aufklärungsobliegenheit verletzt hätte. Denn dafür war die Nichtanzeige der Steinschlagschäden - wie dargetan - nicht hinreichend relevant.

5.

Letztlich scheitert die Klage auch nicht an der fehlenden Aktivlegitimation des Klägers, denn einer wirksamen Abtretung des Entschädigungsanspruchs steht ohnehin das Abtretungsverbot gemäß § 3 Nr. 4 AKB entgegen.

6.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 700 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision findet ihre Grundlage in § 543 ZPO n.F.

Berufungsstreitwert und Beschwer der Beklagten: 26.742,61 € (= 52.304,-- DM).

Ende der Entscheidung

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