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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 14.11.2000
Aktenzeichen: 4 U 219/99
Rechtsgebiete: VVG, AKB


Vorschriften:

VVG § 61
AKB § 12 Nr. 1 I a
Zum Ausschluss der Täterschaft eines Dritten und zum Beweis der vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalls durch den Versicherungsnehmer, dessen infolge von Umbaumaßnahmen ganz ungewöhnlich wertvoller Liebhabersportwagen in einer Novembernacht innerhalb von 1 1/4 Stunde nach dem Abstellen auf einem abgelegenen Parkplatz einer Diskothek an der niederländischen Nordseeküste mutwillig in Brand gesetzt wurde (Beweis der Eigenbrandstiftung wegen Auffälligkeiten im Verhalten des Versicherungsnehmers als geführt angesehen).
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Verkündet am 14. November 2000

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 24. Oktober 2000 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. S. sowie der Richter am Oberlandesgericht Dr. W. Und Dr. R.

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 27. Oktober 1999 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird gestattet, die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 30.000 DM abzuwenden, sofern nicht die Beklagte ihrerseits Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Sicherheiten können auch durch Bankbürgschaft erbracht werden.

Tatbestand:

Der Kläger beansprucht aus der Kraftfahrzeugversicherung (Vollkasko, für Teilkasko 300 DM Selbstbeteiligung, GA 58; Versicherungsantrag GA 40) Entschädigungsleistungen nach einem brandbedingten Totalschaden.

Bei dem versicherten Fahrzeug handelt es sich ursprünglich um ein BMW M 3 Coupé, das den Wünschen des Klägers entsprechend 1995/1996 von der Firma M zu einem Unikat getunt und u. a. mit einem 12-Zylinder-Motor ausgerüstet wurde (Rechnungen GA 109-112, Auskunft der Fa. S GA 41). Der Wagen wurde am 19.10.1995 erst zugelassen. Der Kläger hatte das Fahrzeug von der L Leasinggesellschaft der Sparkasse geleast, die auch Eigentümerin des Fahrzeugs war (vgl. loser Hefter I Bl. 1 u. 2, ferner GA 48). Nach Zerstörung des Fahrzeugs löste der Kläger die Leasingforderung mittels eines bei der S. D. Aufgenommenen Kredits ab (vgl. GA 134 in Zusammenhang mit GA 161, 162, 164).

Auf Antrag des Klägers vom 25.10.1996 (GA 40) versicherte die Beklagte das Fahrzeug mit Wirkung ab 1.1.1997. Unter dem 26.8.1997 erfolgte im Auftrag des Klägers durch das Sachverständigenbüro L - Dr. N eine Schätzung des Fahrzeugs, die einen Wert von 230.000 bis 260.000 DM ergab (GA 9ff.).

Am 8.11.1997 suchte der Kläger gemeinsam mit der Zeugin W gegen 21.30 Uhr die Diskothek "K" nahe D/Niederlande auf. Gegen 22.40 Uhr stürzte ein Mitarbeiter des Lokals herein und meldete, daß ein Fahrzeug brenne. Dabei handelte es sich um den versicherten Wagen (zu den Örtlichkeiten vgl. Fotos Hefter I Bl. 32ff.).

Der Kläger hat die Behauptung der Beklagten, er selbst habe den Wagen anzünden lassen, bestritten. Den zu ersetzenden Wiederbeschaffungswert hat er auf 325.600 DM (inkl. MWSt, vgl. GA 131) beziffert und diesen Betrag zzgl. Gutachter-, Taxi-, Abschlepp- und Standkosten (vgl. Auflistung GA 134) mit der Klage verfolgt.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 337.727,88 DM zu zahlen, in Höhe von 227.600 DM jedoch auf das Konto, BLZ, S D.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat Leistungsfreiheit geltend gemacht, weil der Wagen auf Veranlassung des Klägers in Brand gesetzt worden sei (§ 61 VVG). Darüber hinaus hat sie die Klageforderung auch der Höhe nach bestritten.

Das Landgericht hat der Klage (nach Beweisaufnahme: Sachverständigengutachten R., GA 102f., Anhörung des Gutachters R. Sowie des Sachverständigen C, der das außergerichtlich eingeholte D-Gutachten - loser Hefter I Bl. 3ff. - gefertigt hatte, GA 165ff.) stattgegeben. Es hat ausgeführt, die vorliegenden Indizien rechtfertigten den Schluß auf eine Eigenbrandstiftung nicht. Die Klageforderung sei der Höhe nach schon allein aufgrund des erforderlichen Wiederbeschaffungsaufwands begründet.

Mit ihrer Berufung wendet sich die Beklagte gegen die ihres Erachtens unzutreffende Würdigung von auf eine Eigenbrandstiftung hindeutenden Umständen durch das Landgericht, ferner auch gegen die Ausführungen zum Wiederbeschaffungswert.

Die Beklagte beantragt,

die Klage in Abänderung des angefochtenen Urteils abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er tritt dem angefochtenen Urteil bei und erläutert, insbesondere davon, daß er in wirtschaftlich schlechten Verhältnissen gelebt habe, könne keine Rede sein.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung führt zur Abweisung der Klage.

Die Beklagte ist gemäß § 61 VVG leistungsfrei, weil bewiesen ist, daß der Kläger (Versicherungsnehmer) den Versicherungsfall (Brand, § 12 Nr. 1 I a) AKB) selbst vorsätzlich herbeigeführt hat:

1.) Das Feuer ist nicht infolge eines technischen Defekts ausgebrochen, sondern vorsätzlich gelegt worden. Davon geht, wie sein Prozeßbevollmächtigter in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zum Ausdruck gebracht hat, auch der Kläger selbst aus (vgl. im übrigen auch GA 37). Es sind zwar keine Spuren von Brandbeschleunigern in den Wagenresten festgestellt worden (D-Gutachten Hefer I Bl. 15), wohl aber war auch nach der eigenen Darstellung des Klägers (GA 37 u. GA 250) die Scheibe der Fahrertür eingeschlagen worden. Dies erweist eine mutwillige Brandlegung. Denn Brandausbruch und Einbruch stehen nach aller Lebenserfahrung in einem ursächlichen Zusammenhang, eine technische Ursache des Feuers würde nicht zum Zerschlagen der Scheibe geführt haben.

2.) Daß unbeteiligte Dritte aus Mißgunst oder Lust am Feuer den Brand gelegt haben könnten, ist nahezu ausgeschlossen.

Der Kläger kann nicht Opfer eines längst geplanten Racheaktes geworden sein, weil der Wagen am fraglichen Abend an einem für Dritte nicht vorhersehbaren Ort stand. Für eine Verfolgung des Klägers bis zur holländischen Nordseeküste gibt es nicht den geringsten Anhalt. Gegen eine Brandlegung durch einen Zufallstäter spricht, daß der Wagen vor Ausbruch des Feuers allenfalls 1 1/4 Stunde abgestellt war, der Wagen für einen zufällig vorbeikommenden Passanten nicht auffällig geparkt war, dem Täter sogleich ein Brandmittel zur Verfügung gestanden haben müßte und der Täter auch ein gesteigertes Risiko auf sich genommen haben müßte, durch Auslösen einer Alarmanlage, mit der hochwertige Fahrzeuge in aller Regel ausgerüstet sind und der Wagen auch ausgerüstet war, entdeckt zu werden.

Auch die Möglichkeit, daß ein Täter aus Enttäuschung über einen mißglückten Entwendungsversuch das Feuer gelegt haben könnte, ist rein theoretisch, zumal sich für Bemühungen, das Fahrzeug in Gang zu setzen, keinerlei Spuren haben finden lassen (vgl. D-Gutachten, loser Hefter I, Bl. 16).

Die Täterschaft eines Dritten ist somit wenn nicht auszuschließen, so doch ganz fernliegend.

3.) Demgegenüber sind im Verhalten des Klägers Auffälligkeiten zu verzeichnen, die zunächst nur den Verdacht einer Eigenbrandstiftung erwecken, im Rahmen der gebotenen Gesamtschau aber maßgeblich zu der Überzeugung des Senats beitragen, daß letztlich alles auf eine vorsätzliche Herbeiführung durch den Kläger selbst hinausläuft.

a) Es ist schlechterdings unverständlich, daß der Kläger das ganz ungewöhnlich wertvolle Liebhaberfahrzeug nicht auf dem neben der Diskothek gelegenen Hauptparkplatz abgestellt hat. Als der Kläger die Diskothek, die erst ab 21 Uhr geöffnet war (vgl. Foto loser Hefter Bl. 35), bereits gegen 21.30 Uhr aufsuchte, war der sehr geräumige Parkplatz so gut wie leer. Dann hätte es sich nicht nur aus Sicherheitsgründen, sondern auch aus Gründen der Bequemlichkeit angeboten, den Wagen nahe dem der Straße abgewandten Eingangsbereich der Diskothek (Foto loser Hefter Bl. 39) abzustellen. Hinzu kommt, daß man ein solch außergewöhnliches Fahrzeug nicht als bloßes Fortbewegungsmittel erwirbt, sondern - zumindest im Fall des Klägers - um sich damit zu zeigen, nicht, um das Fahrzeug zu verstecken. Der Kläger hat den Wagen eigenen Angaben im Senatstermin zufolge (insoweit nicht protokolliert) allenfalls etwa 2.000 km benutzt, die restlichen 3.000 km seien im Rahmen von Einstellungsarbeiten der Firma M zurückgelegt worden. So wie der Kläger auf den Senat gewirkt hat, ist ihm auch durchaus daran gelegen, sich darzustellen. Seine Selbstdarstellung läßt sich auch daraus ersehen, daß er Briefbögen (GA 60) verwendet hat, auf denen er sich als Juwelier bezeichnet, der feine Juwelen herstellt und entwirft. Tatsächlich (s. das Protok. des Senatstermins v. 24.10.2000) betrieb er eingeräumtermaßen im wesentlichen einen Großhandel mit Juwelen - mit einem für diese Branche ungewöhnlich niedrigen Jahresumsatz von nur ca. 400.000 DM --, wobei er mit dem kaufmännischen Teil befaßt gewesen sei; ein eigentliches Ladengeschäft, wie es durch den Briefbogen suggeriert wird, existierte nicht und die angegebene Anschrift war nicht die seines Handelsgeschäfts. Diesem Geltungsbestreben inadäquat war das Fahrzeug vom Kläger in der äußersten Ecke des jenseits der Straße befindlichen weiteren Abstellplatzes geparkt worden (Fotos loser Hefter Bl. 41ff.). Aus den von der Beklagten vorgelegten Fotos geht hervor, daß der auf dem Abstellplatz angebrachte Strahler die Ecke nicht ausleuchten konnte (loser Hefter Bl. 41), auch im Bereich der Straße befinden sich in der näheren Umgebung des Abstellplatzes keine Laternen (Foto loser Hefter Bl. 45), allenfalls vom Hauptparkplatz jenseits der Straße könnte etwas Licht in den Bereich der "Ecke" der Straße gefallen sein. In diesem Bereich konnte man recht ungestört durch sonstige Besucher der Diskothek zu Werke gehen.

Der Senat nimmt es dem Kläger nicht ab, er habe sein wertvolles Fahrzeug, indem er es abseits des Hauptparkplatzes abstellte, davor bewahren wollen, durch Rangiermanöver Dritter beschädigt zu werden. Auch wenn man davon ausgeht, daß noch im November in dieser Urlaubsgegend wegen der Beliebtheit der Diskothek bei der einheimischen Bevölkerung am Schadenstag, einem Samstag, mit großem Andrang zu rechnen war, erscheint dem Senat die Vorsicht, die der Kläger an den Tag gelegt haben will, doch überzogen und dieses Motiv als gesucht. Wäre es darum gegangen, das Fahrzeug vor Karambolagen zu schützen, hätte es gereicht, den Wagen auf dem Nebenparkplatz nahe der Einfahrt abzustellen. Denn die Einfahrt haben der Kläger und seine Begleiterin benutzt, um zu Fuß zur Diskothek zu gelangen, wie der Kläger dem Senat geschildert hat.

b) Darüber hinaus läßt die Tatsache, daß das Fahrzeug erst etwa zweieinhalb Monate vor dem Brandschaden mit Urkunde vom 26. August 1997 (GA 9) geschätzt worden war, an einen von langer Hand vorbereiteten Plan denken. Diese Schätzung kann nichts mehr mit einem diesbezüglichen Wunsch des Versicherers zu tun gehabt haben, wie der Kläger erstinstanzlich hat schildern lassen (vgl. GA 38). Der Versicherer, mit dem bereits 1995 die Einholung eines Wertgutachtens abgesprochen gewesen sein soll, war nämlich nicht die Beklagte, sondern die G (vgl. GA 40), die der Kläger in seinem erst am 25. Oktober 1996 bei der Beklagten gestellten Antrag als Vorversicherer angegeben hat. Im bei der Beklagten schon ein knappes Jahr vor Existenz der Wert-Schätzung gestellten Antrag ist der Fahrzeugwert bereits mit 295.000 DM beziffert (GA 40 R). Ein eigenes Interesse des Klägers an einer Sachverständigenschätzung des Fahrzeugwerts ist durchaus plausibel. Auffällig ist aber der zeitliche Zusammenhang zwischen dann - erst - am 26. August 1997 (GA 9) erfolgter Schätzung und dem Brand schon am 8. November 1997. Verzögerungen beim Aufbau des Fahrzeugs durch die Firma M können nicht Grund für die erst so späte Durchführung der Schätzung gewesen sein. Ausweislich der Rechnung der vorerwähnten Firma vom 6. Juli 1996 (GA 110ff.) war der Umbau inkl. des Einbaues des 12-Zylinder-Motors Mitte 1996 beendet, von da ab stand einer Schätzung nichts mehr im Wege. Daß der Gutachter den Schätzauftrag mehr als ein Jahr lang (vgl. Klägervorbringen GA 244) vor sich hergeschoben haben sollte, um dann doch noch von sich aus, ohne gedrängt worden zu sein, tätig zu werden, ist allein schon wegen des mit einer solchen Verzögerung verknüpften Haftungsrisikos gänzlich fernliegend. Der Gutachter mußte, wenn das Fahrzeug etwa zwischenzeitlich gestohlen worden wäre, mit Konsequenzen rechnen. Zumindest bleibt der Verdacht, daß der Kläger sich die nun vorhandene Schätzung zunutze gemacht hat, weil er den Wert nunmehr belegen konnte.

4.) Darüber hinaus fällt auf, daß der Kläger ausweislich der von ihm für die Jahre 1995 bis 1997 vorgelegten Steuerbescheide (GA 254ff.) erstmals im Jahre 1997 (auch) bezüglich einer Tätigkeit als "Einzelunternehmer" (GA 261) veranlagt worden ist und in diesem Rahmen ein negatives Betriebsergebnis von 20.941 DM erzielt hat. Auf gezieltes Befragen im Senatstermin - insoweit unprotokolliert - hat sich der Kläger nicht in der Lage gesehen, diesen Punkt zu erläutern. Der Senat sieht darin einen Anhalt, daß dem Kläger 1997 deutlich geworden ist, in dem von ihm selbst so bezeichneten "jugendlichen Leichtsinn" zuviel Geld in den Wagen gesteckt zu haben.

Überdies befremdet, daß der Kläger, der im "Zusatzfragebogen" (loser Hefter Bl. 52/53) zwar im Zusammenhang mit der Brandentstehung schon von leichten elektronischen Störungen beim Alarmanlagesystem berichtet hatte, im Senatstermin erstmals - angesprochen darauf, daß niemand einen Alarm wahrgenommen hat - angegeben hat, am fraglichen Abend habe die zugleich zur Scharf Stellung der Alarmanlage dienende Fernbedienung nicht funktioniert; er habe das Fahrzeug deshalb mittels des Schlüssels verriegelt, gehe aber davon aus - auch insoweit nicht protokolliert -, daß auch dadurch die Alarmanlage scharf gestellt worden sei. Es hätte erwartet werden können, daß diese Besonderheit schon früher zur Sprache gekommen wäre, zumal sich die Berufungserwiderung ausgiebig mit diesem Thema beschäftigt (vgl. GA 249/250).

Das Mosaik der angeführten Umstände - insbesondere der Grad der Unwahrscheinlichkeit, daß ein Zufallstäter in Betracht kommt - verschafft dem Senat die Überzeugung, daß der Brand nicht ohne Zutun des Klägers selbst entstanden ist.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Berufungsstreitwert und Beschwer des Klägers: 337.727,88 DM.

Ende der Entscheidung

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