Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 29.02.2000
Aktenzeichen: 4 U 62/99
Rechtsgebiete: VVG, BGB, ZPO


Vorschriften:

VVG § 12 Abs. 1
BGB § 211 Abs. 2
BGB § 212 a
BGB § 213
ZPO § 415
ZPO § 418
Leitsatz:

§ 12 Abs. 1 VVG, § 211 Abs. 2, 212 a, 213 BGB, §§ 415, 418 ZPO

Die durch die Zustellung eines vom Versicherungsnehmer erwirkten Mahnbescheids an den Versicherer eingetretene Unterbrechung der zweijährigen Verjährungsfrist des § 12 Abs. 1 VVG endet nach §§ 211 Abs. 2, 213, 212 a BGB durch den Stillstand des Verfahrens, wenn durch den Erledigungsvermerk der Geschäftsstelle des Amtsgerichts gemäß §§ 415 Abs. 1, 418 Abs. 1 ZPO bewiesen wird, daß dem Versicherungsnehmer mit der Nachricht über die Einlegung des Widerspruchs zugleich die Kostenanforderung übersandt worden ist und er daraufhin weder den Kostenvorschuß einzahlt noch sonst reagiert.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF

IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

4 U 62/99 7 O 319/98 LG Wuppertal

Verkündet am 29. Februar 2000 T., Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 25. Januar 2000 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. S, des Richters am Oberlandesgericht Dr. R und des Richters am Landgericht O

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 11. Februar 1999 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagte aus einer bei ihr unterhaltene Vollkaskoversicherung auf Ersatz für einen angeblich entwendeten PKW Chrysler in Anspruch. Das Fahrzeug war bei der L m G GmbH (im folgenden: m L) geleast (GA 100).

Die Beklagte lehnte es mit Schreiben vom 23.10.1995 unter Fristsetzung gemäß § 12 Abs. 3 VVG ab, Versicherungsleistungen zu erbringen.

Sie hat die Einrede der Verjährung erhoben.

Der Kläger hat vorgetragen, die Verjährung sei durch die Zustellung des Mahnbescheides des Amtsgerichts D vom 22.4.1996 unterbrochen worden. Er sei nach den Bedingungen der m L berechtigt gewesen, selbst die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag geltend zu machen. Die Unterbrechung der Verjährung habe auch nicht gemäß § 211 Abs. 2 BGB geendet, nachdem er über den Widerspruch der Beklagten gegen den Mahnbescheid informiert worden sei. Die Verjährung beginne erst dann erneut zu laufen, wenn mit der Widerspruchsnachricht auch die Aufforderung zur Zahlung der zweiten Gerichtskostenhälfte erfolge. Der Vordruck zur Kostenanforderung auf der Rückseite der ihm zugegangenen Widerspruchsnachricht sei aber nicht ausgefüllt gewesen (vgl. Bl. 149 R GA).

Ihm stehe bedingungsgemäß ein Anspruch in Höhe von 28.000 DM zu.

Er hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 28.000 DM nebst 8 % Zinsen seit dem 24.10.1995 an ihn zu zahlen,

hilfsweise,

die Beklagte zu verurteilen, 28.000 DM nebst 8 % Zinsen seit dem 24.10.1995 an die m L G GmbH zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, die Ansprüche des Klägers seien verjährt. Die Zustellung des Mahnbescheides habe nicht zu einer Unterbrechung der Verjährung und auch nicht zur Unterbrechung der Sechsmonatsfrist des § 12 Abs. 3 VVG geführt, da der Kläger nicht aktivlegitimiert gewesen sei, die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag geltend zu machen. Zudem habe die Verjährung erneut begonnen, weil das Verfahren nach Übermittlung der Widerspruchsnachricht seit Mitte Mai 1996 in Stillstand geraten sei. Die erneut laufende zweijährige Frist habe sodann nicht mehr rechtzeitig durch den anspruchsbegründenden Schriftsatz vom 26.6.1998 unterbrochen werden können.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen mit der Begründung, ein eventueller Anspruch gegen die Beklagte sei verjährt.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Berufung und der Begründung, zu Unrecht sei das Landgericht von einer Verjährung des Anspruchs ausgegangen. Von einem Nichtbetreiben des Verfahrens im Sinne des § 211 Abs. 2 BGB könne nur ausgegangen werden, wenn ihm auch die Anforderung der zweiten Gerichtskostenhälfte zugegangen sei. Daran fehlt es. Im übrigen wiederholt und vertieft er sein Vorbringen erster Instanz.

Er beantragt;

das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, 25.800 DM nebst 8 % Zinsen seit dem 24.10.1995 an ihn zu zahlen,

hilfsweise,

an die m L m G GmbH, N str., B zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und bestreitet weiterhin die Aktivlegitimation des Klägers.

Sie behauptet, er habe auch die Kostenanforderung im Sinne des § 65 Abs. 1 Satz 2 GKG erhalten. Die Kostenanforderung habe sich nicht auf der Rückseite des rosafarbenen Formulars befunden. Zur fraglichen Zeit seien Kostenanforderungen durch das Amtsgericht Dresden nicht mehr handschriftlich auf der Rückseite des Formulars erstellt worden, sondern ausschließlich mit computermäßig gestalteten Schreiben, die zusammen mit der Widerspruchsnachricht übersandt würden, erfolgt.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Der Kläger kann den geltend gemachten Anspruch auf Ersatz des Wiederbeschaffungswertes für den angeblich in Polen entwendeten PKW aus §§ 1, 4 9 VVG i.V. m. §§ 12 Abs. 1 Nr. 1 b, 13 AKB nicht mehr durchsetzen, weil die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung, § 222 BGB, durchgreift.

1.

Die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag verjähren gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 VVG in zwei Jahren. Die Verjährung nach § 12 Abs. 1 VVG und die Klagefrist nach § 12 Abs. 3 VVG laufen selbständig nebeneinander (Römer in Römer/Langheide, VVG, § 12 Rn. 34).

2.

Die zweijährige Verjährungsfrist begann mit dem 1.1.1996. Nach § 12 Abs. 1 Satz 2 VVG beginnt die Verjährung mit dem Schluß des Jahres, in welchem die Leistung verlangt werden kann, d.h. mit der in § 11 VVG geregelten Fälligkeit des Anspruches (vgl. Römer/Langheid, § 12, Rdnr. 8), die jedenfalls mit dem Zugang des Schreibens über die endgültige Deckungsablehnung eintritt (vgl. BGH VersR 90, 153; OLG Düsseldorf VersR 94, 1460). Diese hat die Beklagte mit Schreiben vom 23.10.1995 (GA 15) endgültig erklärt.

3.

Ob die Frist durch die Zustellung des Mahnbescheides am 25.4.1996 (GA 3) gemäß § 209 Abs. 2 Nr. 1 BGB unterbrochen wurde, kann dahinstehen.

Eine von der Zustellung des Mahnbescheides ausgehende Unterbrechungswirkung gemäß den §§ 211 Abs. 2, 213, 212 a, BGB entfiel nämlich durch Stillstand des Verfahrens. Dieser Stillstand ist dadurch eingetreten, daß der Kläger nach der Nachricht des Amtsgerichts D vom 6. Mai 1996 über die Einlegung des Widerspruches und der gleichzeitigen Anforderung der weiteren Gerichtskosten, § 65 Abs. 1 Satz 2 GKG, mehr als zwei Jahre nicht reagierte. Mit dem Wegfall der Unterbrechungswirkung dadurch, daß der Prozeß nicht betrieben wurde, hat die Verjährung im Mai 1996 erneut zu laufen begonnen, § 217 BGB. Sie ist in der Folge nicht durch die nächstfolgende Prozeßhandlung, die Anspruchsbegründung des Klägers vom 26.8.1998, gemäß § 211 Abs. 2 Satz 2 BGB unterbrochen worden, da zu dieser Zeit die zweijährige Frist des § 12 Abs. 1 VVG bereits abgelaufen und damit Verjährung eingetreten war.

Die Annahme eines Stillstandes des Verfahrens nach § 211 Abs. 2 Satz 1 BGB dadurch, daß es nicht betrieben wird, setzt voraus, daß die letzte Prozeßhandlung, mit der die Unterbrechungswirkung endigt, wirksam ist (vgl. BGH NJW-RR 1998, 954; BGHZ 134, 387, 390). In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob das Amtsgericht ihn mit der Widerspruchsnachricht zur Einzahlung der weiteren Gerichtskosten auffordern mußte und der Kläger erst danach Veranlassung hatte, das Verfahren weiter zu betreiben (so wohl OLG München NJW-RR 1988, 896; Staudinger-Peters § 211 Rn. 13).

Denn von einem Zugang auch der Kostenanforderung ist auszugehen. Dies ergibt sich aus einer Gesamtschau der im Folgenden erörterten Gesichtspunkte.

(a) Unstreitig ging dem Kläger die Nachricht über die Einlegung des Widerspruchs durch die Beklagte zu.

(b) Unstreitig ist auch, daß die Gerichtskostenanforderung durch das Amtsgericht D grundsätzlich nicht durch die Ausfüllung der Rückseite des Formulars, mit der die Einlegung des Widerspruches mitgeteilt wird, erfolgt, sondern durch ein gesondertes computergefertigtes Schreiben, das zusammen mit der Widerspruchsnachricht in einem Brief übersandt wird.

Diesen Vortrag der Beklagten hat der Kläger jedenfalls nicht hinreichend bestritten im Sinne des § 138 Abs. 2 ZPO, so daß der diesbezügliche Sachvortrag der Beklagten als zugestanden anzusehen ist, § 138 Abs. 3 ZPO. Denn auf den Vortrag der Beklagten, die Kostenanforderung erfolge nicht durch Ausfüllung der Rückseite der Widerspruchsbenachrichtigung, sondern mit einem computermäßig erstellten Schreiben, das zusammen mit der Widerspruchsnachricht übersandt werde, hat der Kläger lediglich gemeint, daß mit der Widerspruchsnachricht "üblicherweise" eine Kostenanforderung verbunden sei, reiche für einen Beweis (wohl des Zugangs der Kostenanforderung) nicht aus. Damit ist weder ausdrücklich noch konkludent bestritten, daß die von der Beklagten behauptete Praxis der Kostenanforderung bei dem Amtsgericht D besteht.

(c) Die Absendung der Kostenanforderung durch das Amtsgericht D ist gemäß §§ 415 Abs. 1, 418 Abs. 1 ZPO bewiesen durch den Erledigungsvermerk der Geschäftsstelle des Amtsgerichts D vom 6.5.1996, der die Ausführung der Verfügung des Rechtspflegers vom 2.5.1996 bestätigt, dem Beklagten eine Abschrift des Widerspruches mit Kostennachricht Kost 11 zu übersenden. Bei diesem Erledigungsvermerk handelt es sich um eine öffentliche Urkunde im Sinne der genannten Vorschriften, nämlich um eine öffentliche Urkunde über eine Handlung einer Behörde.

Der Erledigungsvermerk stellt die niedergeschriebene Erklärung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle dar, daß die Verfügung des Rechtspflegers ausgeführt wurde und ist damit öffentliche Urkunde im Sinne der §§ 415, 418 ZPO, da eine Handlung der Behörde beurkundet wird. Der Erledigungsvermerk des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle begründet den vollen Beweis, daß die Verfügung des Rechtspflegers erledigt wurde (vgl. OLG Zweibrücken NStZ 1981, 355; BayObLG bei Rüth, DAR 1974, 186; Hess. Finanzgericht, BB 1987, 2362, 2363; ArbG Frankfurt am Main, Urteil vom 16.12.1983, Az. 13 Sa 538/83, bei Juris).

Diese Bedeutung des Erledigungsvermerks ergibt sich insbesondere bei der Betrachtung der förmlichen Zustellung. Der Erledigungsvermerk des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle ergänzt sich inhaltlich mit der Zustellungsurkunde. Der Postbedienstete beurkundet nämlich nicht die Übereinstimmung zwischen der Bezeichnung des zuzustellenden Schriftstückes auf der Postzustellungsurkunde mit dem in dem von ihm zuzustellenden Umschlag befindlichen Schriftstück. Dieses ist ihm nämlich nicht bekannt. Der Nachweis der Übereinstimmung ist allein durch den Erledigungsvermerk zu führen, dessen Fertigung für Nordrhein-Westfalen - von der Geschäftsordnung für die Gerichte und die Staatsanwaltschaften des Landes NRW (GO), dort § 8 Nr. 5, gefordert wird.

Zum Beweis der Unrichtigkeit der durch die Urkunde bezeugten Tatsachen, § 418 Abs. 2 ZPO, hat der Kläger weder vorgetragen noch Beweis angetreten.

Ist somit von einer Absendung der Kostenanforderung entsprechend den Gepflogenheiten des Amtsgerichts D zusammen mit der Widerspruchsnachricht in einem Brief auszugehen, ist damit auch der Nachweis erbracht, daß der Kläger mit der Widerspruchsnachricht zugleich auch die Kostenanforderung erhalten haben muß. Deshalb ist von einem Stillstand des Verfahrens noch im Mai 1996 auszugehen. Die Klagebegründung im Juni 1998 erfolgte sodann nicht mehr innerhalb der seit 1996 erneut laufenden zweijährigen Verjährungsfrist des § 12 Abs. 1 VVG.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Zur Zulassung der Revision besteht gemäß § 546 Abs. 1 ZPO kein begründeter Anlaß.

Streitwert für die Berufungsinstanz und Beschwer des Klägers: 25.800 DM.

Ende der Entscheidung

Zurück