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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 10.07.2000
Aktenzeichen: 4 W 10/00
Rechtsgebiete: ARB 75, ARB 94


Vorschriften:

ARB 75 § 14 (1)
ARB 94 § 4 (1) a
Leitsatz:

1.

Nach § 4 (1) a ARB 94 hat der Versicherungsnehmer keinen Anspruch auf Rechtsschutz für eine beabsichtigte Schadensersatzklage gegen einen Zigarettenhersteller wegen eines Bronchialkarzinoms, wenn der Versicherungsnehmer sich bei Abschluß der Rechtsschutzversicherung bereits nicht mehr aus eigener Kraft von seiner Nikotinabhängigkeit befreien konnte, weil dann das erste Ereignis, durch das der Schaden verursacht wurde, vor Abschluß des Vertrages lag.

2.

Nach § 14 (1) ARB 75 besteht kein Anspruch auf Rechtsschutz für die beabsichtigte. Klage wegen vorvertraglichen Eintritts des Schadensereignisses, wenn die Nikotinabhängigkeit vor Abschluß des Versicherungsvertrages begann, weil damit bereits ein realer Verletzungszustand und somit das Schadensereignis vorlag, das unmittelbar zu dem Bronchialkarzinom geführt hat.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

4 W 10/00 11 O 431/99 LG Düsseldorf

In dem Prozeßkostenhilfebewilligungsverfahren

pp.

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. S, des Richters am Oberlandesgericht Dr. und des Richters am Landgericht O am 10. Juli 2000

beschlossen:

Tenor:

1.

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß der 11. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 15. Februar 2000 wird zurückgewiesen.

2.

Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

Gründe:

Die Beschwerde ist nicht begründet, weil das Landgericht den Prozeßkostenhilfeantrag des Antragstellers zu Recht und mit zutreffender Begründung zurückgewiesen hat.

Unabhängig davon, ob dem Rechtsschutzversicherungsvertrag zwischen dem Antragsteller und der Antragsgegnerin die ARB 75 oder die ARB 94 zugrunde liegen, kann er für die Rechtsverfolgung gegen die beklagten Zigarettenhersteller aller Voraussicht nach keinen Deckungsschutz beanspruchen, weil die von ihm wegen der Schädigung seiner Gesundheit geltend gemachten Schadensersatzansprüche vorvertraglich sind.

1.

Sofern im Zuge der Neuordnung des Versicherungsvertrages die Geltung der ARB 94 wirksam vereinbart worden ist, scheitert der Deckungsanspruch an § 4 (1) a ARB 94, da danach kein Versicherungsschutz besteht, wenn das erste Ereignis, durch das der Schaden verursacht wurde, vor Abschluß des Versicherungsvertrages liegt. Das erste Glied in der zu dem Bronchialkarzinom des Antragstellers führenden Kausalkette war nach seinem eigenen Vorbringen die Aufnahme des Zigarettenkonsums durch ihn im Jahre 1953. Selbst wenn zu seinen Gunsten davon auszugehen wäre, daß die mittlerweile eingetretene Erkrankung zu dem Zeitpunkt für ihn noch völlig unvorhersehbar war und dieses Kausalereignis aus dem Grund außer Betracht bleiben muß (vgl. dazu Harbauer, Rechtsschutzversicherung, 6. Aufl., § 4 ARB 94, Rn. 3; ähnlich Prölss in: Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., § 4 ARB 94 Rn. 2), wurde die erste relevante Schadenursache jedoch spätestens dadurch gesetzt, daß er seinen Tabakkonsum fühlbar gesteigert hat. Das war aber schon vor 1980 der Fall, da er sich nach seinen Angaben seither aus eigener Kraft trotz entsprechender Versuche nicht mehr von seiner Nikotinabhängigkeit befreien konnte. Zu dem Zeitpunkt bestand indes noch kein Deckungsschutz, da der (erste) Rechtsschutzversicherungsvertrag zwischen den Parteien erst mit Wirkung zum 2. Oktober 1991 zustande gekommen ist.

2.

Nicht anders verhält es sich, wenn - wie der Antragsteller meint - der Rechtsschutzversicherungsvertrag auf der Grundlage der ARB 75 fortbesteht, weil nach § 14 (1) ARB 75 bei Schadensersatzansprüchen aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen der Eintritt des dem Anspruch zugrundeliegenden Schadensereignisses als Versicherungsfall gilt. Zwar geht die herrschende Meinung (OLG Saarbrücken, VersR 1993, 876; OLG Celle, VersR 1983, 1024; Harbauer, a.a.O., § 14 ARB 75 Rn. 11; Prölss, a.a.O., § 14 ARB 75 Rn. 1), der auch der Senat folgt (VersR 1983, 975; r + s 1990, 88), bei § 14 (1) ARB 75 - anders als bei § 4 (1) a) ARB 94 - davon aus, daß als Schadensereignis nicht die Schadensursache, sondern das Folgeereignis anzusehen ist, das den Schaden unmittelbar ausgelöst hat (Senat, a.a.O.). Das Folgeereignis in diesem Sinne ist aber bereits mit dem Beginn der Nikotinabhängigkeit des Antragstellers Anfang der 80ziger Jahre eingetreten. Denn schon dadurch ist es zu einem äußerlich wahrnehmbaren realen Verletzungszustand gekommen, der nach seiner Darstellung unmittelbar zu seiner Lungenkrebserkrankung geführt hat. Daß diese erst in versicherter Zeit eingetreten ist, rechtfertigt keine abweichende Bewertung, da das Schadenereignis i.S. von § 14 (1) ARB 75 nicht mit dem (Gesundheits-)Schaden gleichzusetzen ist, der sich häufig nicht sofort in voller Höhe einstellt, sondern sich erst allmählich entwickelt. Insoweit besteht hier kein relevanter Unterschied zu den Fällen, in denen ein vorvertraglicher ärztlicher Kunstfehler (OLG Celle, VersR 1983, 1024) oder eine HIV-Infektion (OLG Saarbrücken, VersR 1993, 876) erst nach Versicherungsbeginn zu dem eigentlichen Körperschaden geführt hat. Dabei verkennt der Senat nicht, daß dem Antragsteller durch die gebotene Versagung des Versicherungsschutzes ein schwerer Nachteil entsteht. Das rechtfertigt jedoch selbst aus dem Blickwinkel eines effektiven Verbraucherschutzes kein abweichendes Verständnis des Schadensereignisses, da Stichtags- und Fristenregelungen stets zu Härten führen. Diese wären auch dann nicht zu vermeiden, wenn statt auf die Schadensursache oder den realen Verletzungszustand auf den eigentlichen Körperschaden abzustellen wäre, weil in dem Fall die Versicherungsnehmer genauso hart getroffen würden, bei denen zwar die Schadensursache oder der Verletzungszustand während der Vertragslaufzeit eingetreten, der Schaden jedoch erst nach Vertragsbeendigung entstanden ist.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.

Es besteht keine Veranlassung, die Beschwerdegebühr zu ermäßigen oder nicht zu erheben.

Ende der Entscheidung

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