Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 27.01.2000
Aktenzeichen: 6 U 168/98
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 326
BGB § 326 Abs. 1
BGB § 119
BGB § 242
BGB § 119 Abs. 1 2. Halbsatz
BGB § 162
BGB § 252 Satz 1
BGB § 291
ZPO § 91
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 U 168/98 15 O 60/98 LG Düsseldorf

Verkündet am 27. Januar 2000

Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 25.11.1999 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 30.10.1998 verkündete Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf abgeändert und wie folgt neu gefaßt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 272.805,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 11.03.1998 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 320.000,00 DM abzuwenden, falls nicht der Kläger vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Sicherheiten können auch durch selbstschuldnerische Bürgschaften einer in Deutschland ansässigen Großbank oder öffentlich rechtlichen Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand:

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung eines Vertrages zur Verschaffung von Optionsscheinen in Anspruch.

Die C in New York, Filiale emittierte im Oktober 1997 Währungs-Optionsscheine auf das Währungsverhältnis britische Pfund/US-Dollar (GBP/US-$). Diese GBP/US-Dollar Währungs-Optionen, die während der Laufzeit jederzeit ausübbar waren, wurden in verschiedenen Ausstattungen, nämlich mit unterschiedlichen Basispreisen von 1,6, 1,65 und 1,7 US-Dollar als Call- und Put-Optionen jeweils mit Laufzeiten vom 07.11.97 bis 14.12.98 angeboten. Der Inhaber eines Optionsscheines erwarb das Recht auf Zahlung eines Differenzbetrages in Höhe des Hundertfachen der in amerikanische Dollar ausgedrückten Differenz, um die der am Ausübungstag festgestellte GBP/US-$ Wechselkurs den jeweiligen Basispreis überschreitet (fall Optionsschein) bzw. unterschreitet (Put-Optionsschein). Dabei sollten die an der Frankfurter Devisenbörse amtlich festgestellten Mittelkurse zugrunde gelegt und der Differenzbetrag sodann zum US-Dollar/DM Kassa-Geldkurs in DM umgerechnet werden. Ab 30.10.97 wurden diese Optionsscheine im außerbörslichen Terminhandel angeboten. Erster Handelstag an der Frankfurter Börse war der 04.11.97.

Am 30.10.97, dem Emmissionstag und ersten außerbörslichen Handelstag, warb die die als "Marketmaker" den Börsenhandel der Optionsscheine organisierte, erstmals im Videotext des Fernsehsenders für die Optionsscheine. Die streitgegenständlichen Call-Optionen mit der Wertpapierkenn-Nr. (WKN) 818917 und einem Basispreis von 1,79 US-Dollar wurden zu Stückpreisen von 0,62 DM, 0,64 DM und 0,80 DM angeboten. Zeitgleich wurden die Call-Optionen mit den WKN 818915 (Basispreis 1,65 US-$) und 818913 (Basispreis 1,60 US-$) zu Preisen von 12,08 DM und 16,42 DM angeboten.

Der Kläger, der seit Februar 1997 bei der Beklagten ein Wertpapierdepot unterhielt und bereits zahlreiche Optionsgeschäfte getätigt hatte, wurde durch die Bildschirmtextannonce auf die angebotenen Währungs-Optionsscheine aufmerksam. Er orderte am 30.10.1997 in drei Telefonaten bei der Beklagten insgesamt 30.000 Optionsscheine der Call-Option Basispreis 1,70 US-$ und zwar um 14.22 Uhr 5.000 Stück zu je 0,62 DM, um 14.24 Uhr weitere 15.000 Stück zu je 0,64 DM und um 14.32 Uhr weitere 10.000 Stück zu je 0,80 DM. Über diese Käufe, die als sog. Festpreisgeschäfte getätigt wurden, erteilte die Beklagte dem Kläger drei auf den 30.10.97 datierte Wertpapierabrechnungen, die einschließlich Gebühren von jeweils 65,00 DM insgesamt 20.895,00 DM ausmachten (Anlagen K 1 bis K 3 = 7 Dis 9 GA).

Bevor diese Wertpapierabrechnungen dem Kläger zugingen, hatte bereits ein Mitarbeiter der Beklagten dem Kläger telefonisch mitgeteilt, die Aufträge würden storniert, da bei der Preisstellung ein Fehler unterlaufen sei. Sodann erteilte die Beklagte dem Kläger drei auf den 31.10.97 datierte Mitteilungen über die Stornierung der Aufträge (Anlagen K 5 bis K 7, 14 bis 16 GA). Mit Schreiben vom 04.11.97 teilte die Beklagte dem Kläger mit, wegen der Differenz zum tatsächlichen Marktpreis, den ihr die Emittentin mit 8,00 DM bis 9,00 DM benannt habe, habe sie die Kaufverträge nicht ausführen können. Kaufvertragliche Ansprüche könnten nicht erhoben werden. Vorsorglich fechte sie ihre auf Abschluß der Kaufverträge über Optionsscheine gerichteten Willenserklärungen wegen Irrtums an (Anlage K 8 = 17 GA).

Mit Anwaltsschreiben vom 05.11.97 widersprach der Kläger der Stornierung und setzte zur Erfüllung der Kaufverträge eine Frist bis zum 13.11.97 (Anlage K 9 = 18 bis 20 GA). Das daraufhin von der Beklagten gemachte Abfindungsangebot über 5.000,00 DM lehnte der Kläger mit Anwaltsschreiben vom 17.11.97 als völlig unzureichend ab und setzte zur Erfüllung der Kaufverträge eine Nachfrist bis zum 20.11.97 mit der Ankündigung, er werde nach fruchtlosem Fristablauf die Erfüllung ablehnen und Schadensersatz nach § 326 BGB verlangen. Nach ablehnender Stellungnahme der Beklagte teilte der Kläger ihr durch Anwaltsschreiben vom 04.12.97 mit, auf der Basis eines Börsenkurses von 9,91 DM belaufe sich sein Schaden auf 276.405,00 DM. Er schlage als Vergleich die Zahlung von 85 % zuzüglich anteiliger Anwaltskosten vor, was die Beklagte jedoch ablehnte.

Auf der Basis des Börsenkurses von 9,79 DM je Stück am 20.11.1997 macht der Kläger eine Schadensersatzforderung in Höhe von 272.805,00 DM geltend. Bei ordnungsgemäßer Erfüllung, der Kaufverträge hätte er die Optionsscheine am 20.11.1997, also noch vor Ablauf der gesetzten Nachfrist, zu dem Börsenkurs von 9,79 DM je Stück verkaufen und einen Verkaufserlös von insgesamt 292.700,00 DM. realisieren können. Nach Abzug der vereinbarten Anschaffungskosten in Höhe von 20.895,00 DM verbleibe ein Schaden in Höhe der Klagesumme. Da die Optionsscheine im Zeitpunkt der Kaufvertragsabschlüsse an der Börse noch nicht gehandelt worden seien, also ein Börsenkurs noch nicht existiert habe, sei ein Irrtum der Beklagten über den "tatsächlichen Marktpreis" der Optionsscheine ausgeschlossen. Zudem habe der jeweils vereinbarte Ausgabepreis nicht nur den Angaben der im Videotext entsprochen, sondern sei bei den telefonischen Kaufabschlüssen auch von der Beklagten zugrunde gelegt worden. Die Telefonverkäufer hätten während der drei Telefonate die Kurse ausdrücklich bestätigt, nachdem sie zuvor bei der rückgefragt hätten. Bei dem dritten Kauf habe er den Verkäufer darauf hingewiesen, daß die beiden anderen auf der Videotextseite angebotenen Optionsscheine zu teuer seien. In diesem Zusammenhang habe er lediglich die Zusicherung erbeten, daß die Basisausstattung, also Basiswert und Laufzeit, der von ihm bereits zuvor gekauften Optionsscheine zutreffend seien. Von einem Vorbehalt der Preisüberprüfung durch die Beklagte könne nicht die Rede sein. Die Beklagte sei sich über den Inhalt ihrer Willenserklärung vollständig im klaren gewesen. Ihr Verhalten nach Abschluß der Kaufverträge sei offensichtlich darauf zurückzuführen, daß sie von der späteren Entwicklung ihres Finanzproduktes an der Börse überrascht worden sei und habe feststellen müssen, daß die von ihr veranschlagten Ausgabepreise zu niedrig kalkuliert gewesen seien. Dies aber liege im wirtschaftlichen Risikobereich der emittierenden Bank, so daß sich die Beklagte weder durch Anfechtung noch unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage ihren vertraglichen Verpflichtungen entziehen könne.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 272.805,00 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet:

Sämtliche Käufe des Klägers seien unter dem Vorbehalt der Preisüberprüfung und damit unter der auflösenden Bedingung erfolgt, daß der genannte Preis nicht zutreffe. Wie sich aus dem Gesprächsmitschnitt betreffend den dritten Kauf zum Preis von 0,80 DM je Stück ergebe, habe der Kläger ihren Mitarbeiter auf die erheblichen Preisunterschiede zu den Call-Optionen mit Basispreisen von 1,65 und 1,60 US-Dollar hingewiesen, für die trotz ansonsten gleicher Ausstattung im Videotext von Stückpreise von 12,08 DM und 16,42 DM genannt worden seien. In Anbetracht dieser erheblichen Preisunterschiede habe der Kläger um Überprüfung auch seiner vorangegangenen beiden Käufe gebeten. Daraufhin habe sich ihr - als Zeuge benannter - Mitarbeiter mit der in Verbindung gesetzt. Diese habe nach Überprüfung festgestellt, daß die dem Kläger genannten Preise unzutreffend gewesen seien, und habe hierüber die Direktbank der Beklagten in Aachen telefonisch informiert. Deren - ebenfalls als Zeuge benannter - Mitarbeiter habe sodann am 30.10.1997 zwischen 15.34 Uhr und 15.44 Uhr telefonisch den Kläger über die falsche Preisstellung und die Stornierung der drei Geschäfte informiert. Die dem Kläger mitgeteilten Stückpreise von DM 0,62, DM 0,64 und DM 0,80 hätten nicht ihrem Wert entsprochen sondern hätten außerhalb jeder Realität gelegen. Wie sich aus der Vorab-Information mit Verkaufsprospekt der vom 29.10.1997 ergebe, sei für die streitgegenständlichen Call-Optionen ein Stückpreis von 8,17 DM errechnet worden. Dieser sei unter Zuhilfenahme mathematischer Formeln festgelegt worden. Bei Aufnahme des außerbörslichen Telefonhandels am 30.10.1997 habe sich ein Geldkurs von 8,38 DM ergeben, der bis zur Aufnahme des Börsenhandels weiter angestiegen sei. Bei Aufnahme des Handels an der Börse am 04.11.1997 habe der Fixingkurs 8,95 DM je Stück betragen. Die dem Kläger genannten Verkaufspreise hätten somit außerhalb jeglicher Realität gelegen. Dies sei dem Kläger auch bewußt gewesen sei, wie sich daraus ergebe, daß er während des dritten Telefongesprächs auf die Preisunterschiede zu den übrigen Optionsscheinen hingewiesen habe.

Ihre Mitarbeiter hätten sich bei den drei Verkäufen im Irrtum über den Wert der vom Kläger gewünschten Optionsscheine befunden. Sie habe unverzüglich nach Kenntnis des richtigen Wertes durch ihren Mitarbeiter A die Kaufverträge wegen Irrtums angefochten und storniert. Die wertgerechten Preise seien verkehrswesentliche Eigenschaften der Optionsscheine. Zudem habe sie sich in den schriftlichen Wertpapierabrechnungen einen Irrtum ausdrücklich vorbehalten. Jedenfalls liege im Hinblick auf die dem Kläger genannten Preise ein beiderseitiger Irrtum vor, der zur Anwendung der Grundsätze über das Fehlen der Geschäftsgrundlage führe. Offenbar liege eine Aquivalenzstörung vor, weil ein auffälliges Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung bestehe. Der Kläger handele rechtsmißbräuchlich, wenn er in Kenntnis der falschen Wertangabe für die Optionsscheine auf Vertragserfüllung bestehe.

Durch Urteil vom 30.10.1998 hat das Landgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt:

Zwar seien zunächst drei Kaufverträge über den Erwerb der 30.000 Optionen zu den dem Kläger genannten Preisen zustande gekommen, jedoch habe die Beklagte ihre auf den Abschluß der Kaufverträge gerichteten Willenserklärungen widerrufen. Während des dritten, mit dem Verkäufer geführten Telefonats hätten die Parteien, wie sich aus dem Gesprächsmitschnitt ergebe, ein beiderseitiges Widerrufsrecht für den Fall vereinbart, daß die vereinbarten Preise auf einem Irrtum beruhten. Nach dem Inhalt des Gesprächsmitschnitts, den das Landgericht im einzelnen ausgewertet hat, habe das für den dritten Vertrag vereinbarte Widerrufsrecht auch für die beiden vorangegangenen Verträge gelten sollen.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens macht der Kläger ergänzend geltend, entgegen der Auffassung des Landgerichts lasse sich aus dem von der Beklagten gefertigten Gesprächsschnitt, der den Gesprächsinhalt zudem nicht korrekt wiedergebe, nicht entnehmen, daß er - der Kläger - seine Bereitschaft erklärt habe, die abgeschlossenen Verträge im Falle eines Irrtums der Beklagten wieder aufzuheben. Ein Anfechtungsrecht oder ein Recht auf Anpassung der Verträge unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage komme nicht in Betracht.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an ihn 272.805 DM nebst 4 % Rechtshängigkeitszinsen zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Unter ergänzender Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens macht die Beklagte ergänzende Rechtsausführungen und verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Akteninhalt nebst den überreichten Urkunden Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig und auch begründet.

Seine Klage ist in vollem Umfange begründet. Der Kläger kann gemäß § 326 Abs. 1 BGB Schadensersatz wegen Nichterfüllung der am 30.10.1997 telefonisch mit der Beklagten abgeschlossenen Verträge über den Erwerb von 30.000 GBP/US-Dollar Währungs-Call-Optionsscheinen mit der WKN 818917 in der eingeklagten Höhe von 272.805,00 DM verlangen.

Das Landgericht hat zwar zutreffend angenommen, daß zwischen den Parteien drei Kaufabschlüsse über den Erwerb der vorgenannten Call-Options-Scheine zustande gekommen ist. Jedoch läßt sich entgegen der Auffassung des Landgerichts aus dem von der Beklagten aufgezeichneten und zu den Akten gereichten Gesprächsmitschnitt betreffend das letztgenannte Telefonat um 14.32 Uhr mit dem Telefonverkäufer der Beklagten (vgl. 86 - 90/101 - 105 GA) nicht herleiten, daß zwischen diesem und dem Kläger ein "beiderseitiges Widerrufsrecht" vereinbart worden ist, das für den Fall einer falschen Preis- oder Produktangabe habe ausgeübt werden sollen, und zwar nicht nur hinsichtlich der dritten telefonischen Kauforder, sondern auch für die zeitlich davor liegenden beiden telefonischen Kauforder von 14.22 Uhr über 5.000 Stück und von 14.24 Uhr über weitere 15.000 Stück Call-Options-Scheine.

Die Beklagte kann die telefonisch abgeschlossenen Kaufverträge auch nicht wegen Irrtums anfechten. Ebensowenig kann sie sich mit Erfolg darauf berufen, der Kläger habe einen Kalkulationsirrtum auf ihrer Seite erkannt und nutze diesen in gegen Treu und Glauben verstoßender Weise unzulässig aus.

1.

Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, daß zwischen den Parteien drei Kaufabschlüsse über den Erwerb von insgesamt 30.000 Calloptions-Scheinen zu Stückpreisen von 0,62 DM, 0,64 DM und 0,80 DM jeweils telefonisch am 13.10.1997 um 14.22 Uhr, 14.24 Uhr und 14. 32 zustande gekommen sind. Aus dem Gesprächsmitschnitt ergibt sich auch für den dritten Kaufauftrag über 10.000 Optionsscheine zu 0,80 DM je Stück nichts anderes. Nach dem Inhalt des bei den Akten befindlichen Gesprächsmitschnitts (86 bis 90 und 101 bis 105 GA) hat der Kläger zunächst den Wunsch geäußert, ihm den Kurs für die Option 818917 zu nennen, weil er gerne 10.000 Stück kaufen wolle. Der Mitarbeiter der Beklagten hat sodann erklärt, er bereite dann die Order vor und nenne dann den handelbaren Kurs. Nach dem Gesamtinhalt des Gesprächsmitschnitts bezog sich bereits diese Äußerung auf den Ankauf der 10.000 Optionsscheine. Nunmehr trägt jedoch der Kläger mit Schriftsatz vom 29.10.1999 auf Seite 3 vor, diese Äußerung habe sich darauf bezogen, daß er zunächst 5.000 andere Optionsscheine mit der WBK Nr. 818872 habe verkaufen müssen und verkauft habe, um die streitgegenständlichen 10.000 Call-Optionen kaufen zu können. Selbst wenn man dies unterstellt, ergibt sich im Ergebnis nichts anderes. Denn der Mitarbeiter der Beklagten hat anschließend erklärt, er kaufe 10.000 Stück von 818917, einen Pfund-US-Dollar-Call mit der Basis 1,170, und müsse den handelbaren Kurs telefonisch holen. Sodann hat er den Kurs mit 80 Pfennigen angegeben und gefragt, ob er dafür kaufen solle. Der Kläger hat die Gegenfrage gestellt, ob der Kurs jetzt 80 Pfennige betrage, was der Mitarbeiter der Beklagten bejaht hat. Sodann hat der Kläger sinngemäß erklärt, der Kurs sei aber gut in die Höhe gegangen, er nehme 10.000 Stück. Der Mitarbeiter der Beklagten hat dann sinngemäß bestätigt, der Kläger habe 10.000 Stück von 818917 zu 80 Pfennigen, also für 8.000 DM gekauft und die Valutierung erfolge am 30.11. Damit war dieser dritte Kaufvertrag ebenfalls telefonisch zustandegekommen, und zwar ohne jeden Vorbehalt im Hinblick auf den vereinbarten Stückpreis. Unerheblich ist insoweit, daß die unter dem 30.10.99 erteilten, EDV-mäßig erstellten Wertpapierabrechnungen den Aufdruck enthalten: "Maschinelle Belegerstellung ohne Unterschrift. Irrtum vorbehalten." Es liegt auf der Hand, daß sich daraus nicht herleiten läßt, der Mitarbeiter der Beklagten habe die Stückpreise nur unter Vorbehalt der Nachprüfung genannt.

Nach dem weiteren Inhalt des Gesprächsmitschnitts sprachen der Kläger und der Mitarbeiter der Beklagten erst nach Abschluß dieses dritten Kaufvertrages über den Preisunterschied zu den anderen beiden Call-Optionen, ohne daß die Gesprächspartner dessen Ursache klären konnten. Der Mitarbeiter der Beklagten äußerte dann, er wolle das abklären und rufe zurück, wenn etwas nicht in Ordnung sei. Sodann erklärt der Kläger wörtlich: "Gut. Also dann ist es ja so, ich habe gekauft 17.12.1998, 1,70er Basis, ein Call, das habe ich gekauft, ne." Damit bestätigte der Kläger also nochmals, die streitgegenständlichen Call-Optionen für 0,80 DM je Stück gekauft zu haben. Sodann wurden die beiden vorangegangenen Käufe angesprochen, wobei der Mitarbeiter der Beklagten auch insoweit erklärte, wenn damit irgend etwas nicht in Ordnung sein solle, werde er zurückrufen. Der Kläger erklärte sich auch insoweit einverstanden und äußerte: "Wenn die Daten stimmen, dann ist alles wunderbar." Daraufhin entgegnete der Mitarbeiter der Beklagten "Okay." Sodann äußerte der Kläger wiederum: "Nur wenn die Daten nicht stimmen sollten, ne.", worauf der Mitarbeiter der Beklagten wiederum erklärte, dann werde er sich melden.

Aus diesem Gesprächsablauf läßt sich nicht herleiten, daß der Kläger sich mit einer Vertragsaufhebung einverstanden erklärt hat, also dem Mitarbeiter der Beklagten das Angebot auf Abschluß eines Aufhebungsvertrages für alle drei Kaufverträge gemacht hat, wenn irgend etwas mit den Daten nicht stimmen solle. Aus der Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers durfte der Mitarbeiter der Beklagten die Äußerungen des Klägers nur dahin verstehen, daß er sicherstellen wollte, daß die von ihm georderten Papiere die angegebene Ausstattung hatten und nicht aus anderen Gründen im Vergleich zu den übrigen Call-Optionen besonders niedrig angeboten wurden. Der Annahme des Landgerichts, der Kläger habe sich mit einem Widerruf der auf den Abschluß der Kaufverträge gerichteten Willenserklärungen der Beklagten einverstanden erklärt, falls die Preise nicht stimmen sollten, vermag der Senat nicht zu folgen. Dies gilt um so mehr, als der Kläger unwidersprochen vorträgt, er habe andere Papiere verkauft, um die streitgegenständlichen Call-Optionen erwerben zu können. Dann hätte es nahe gelegen, auch im Hinblick auf den Verkauf anderweitiger Papiere ein Rücktrittsrecht seitens des Klägers zu vereinbaren.

2.

Es kommt also zunächst darauf an, ob die Beklagte die drei streitgegenständlichen Kaufverträge wirksam im Sinne des § 119 BGB angefochten hat. Dies ist zu verneinen.

Die jeweils tätig gewordenen Telefonverkäufer der Beklagten haben sich weder bei der Preisangabe versprochen oder verschrieben, noch waren sie über den Inhalt ihrer Erklärungen im unklaren, noch haben sie sich über eine verkehrswesentliche Eigenschaft der vom Kläger georderten Optionsscheine geirrt. Der Wert einer Sache ist keine verkehrswesentliche Eigenschaft; hierzu rechnen nur die wertbestimmenden Faktoren. Sollte die Berechnungsgrundlage für den Ausgabepreis, der nach Darstellung der Beklagten nach dem sog. "Black/Scholes-Modell" ermittelt worden sein soll, ein wertbestimmender Faktor der ausgegebenen Optionsscheine sein, so war dieser den beteiligten Telefonverkäufern der Beklagten nicht bekannt. Sie haben lediglich den Kurs bei der als "Marketmaker" fungierenden erfragt und diesen dem Kläger gegenüber bestätigt und angeboten. Wie sich aus dem zu den Akten gereichten Gesprächsmitschnitt betreffend das Telefonat um 14.32 Uhr mit dem Telefonverkäufer entnehmen läßt, hat er lediglich den aktuellen Kurs bei der als "Marketmaker" fungierenden erfragt und diesen dem Kläger angeboten. Über den sog. "inneren Wert" der Optionsscheine hat er sich ersichtlich zunächst keine Gedanken gemacht, sich hierüber also auch nicht geirrt.

3.

Auf seiten der Beklagten könnte allenfalls ein Kalkulationsirrtum vorgelegen haben, der grundsätzlich nicht zur Anfechtung berechtigt. Bei einem Kalkulationsirrtum handelt es sich um einen schon im Stadium der Willensbildung unterlaufenden Irrtum im Beweggrund (Motivirrtum), der grundsätzlich nicht zur Anfechtung berechtigt, weil derjenige, der auf einer unzutreffenden Berechnungsgrundlage einen bestimmten Preis oder eine Vergütungsforderung ermittelt und seinem Angebot zugrundelegt, auch das Risiko dafür trägt, daß seine Kalkulation zutrifft. Der Mitarbeiter der Beklagten hat seinem Angebot lediglich zugrunde gelegt, daß er die Papiere von der zu den ihm von der als "Marketmaker" fungierenden genannten Preisen kaufen und demgemäß zu den mit dem Kläger vereinbarten Stückpreisen an diesen ohne Verlust weiterverkaufen konnte.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, welcher der Senat folgt, berechtigt ein darin liegender Kalkulationsirrtum selbst dann nicht zur Anfechtung, wenn der Erklärungsempfänger - hier also der Kläger - diesen erkannt oder die Kenntnisnahme treuwidrig vereitelt hätte. Allerdings kann der Erklärungsempfänger unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsverhandlungen oder der unzulässigen Rechtsausübung verpflichtet sein, den Erklärenden auf einen Kalkulationsfehler hinzuweisen. Denn es kann eine unzulässige Rechtsausübung im Sinne des § 242 BGB darstellen, wenn der Empfänger ein Vertragsangebot annimmt und auf der Durchführung des Vertrages besteht, obwohl er wußte oder sich treuwidrig der Kenntnisnahme verschlossen hat, daß das Angebot auf einem Kalkulationsirrtum des Erklärenden beruht. Jedoch reicht allein die positive Kenntnis von einem Kalkulationsirrtum des Erklärenden für die Annahme einer unzulässigen Rechtsausübung nicht aus. Vielmehr kommt dem Ausmaß des Kalkulationsirrtums wesentliche Bedeutung zu, wie sich daraus ergibt, daß nach § 119 Abs. 1 zweiter Halbsatz BGB ein Irrtum rechtlich nur dann relevant ist, wenn die Erklärung bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben worden wäre. Dies aber ist nur bei einem Irrtum von einigem Gewicht anzunehmen. Deshalb ist die Annahme eines fehlerhaft berechneten Angebots im allgemeinen nur dann mit den Grundsätzen von Treu und Glauben unvereinbar, wenn die Vertragsdurchführung für den Erklärenden schlechthin unzumutbar ist, etwa weil er dadurch in erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten geriete. Hinzu kommen muß, daß sich die Kenntnis des Erklärungsempfängers im maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsschlusses auch auf diese Umstände beziehen muß (vgl. BGH WM 1998, 2375 - 2379). Soweit diese Entscheidung des BGH in der Literatur teilweise Kritik erfahren hat, teilt der Senat diese Kritik nicht.

Der Kläger hatte, als er die Call-Optionsscheine zu den im Videotext des Fernsehsenders angegebenen Kursen orderte, keine positive Kenntnis davon, daß die Emissionsbank die Kurse irrtümlich zu niedrig kalkuliert hatte. Der Umstand, daß die vergleichbaren - gleichzeitig ausgegebenen - Währungsoptionen mit einem geringeren Basispreis aber ansonsten gleicher Ausstattung um ein Vielfaches über den ihm für die streitgegenständlichen Call-Optionen genannten Preisen lagen, begründete nicht die positive Kenntnis des Klägers, daß die ihm genannten Preise für die georderten Optionen irrtümlich zu niedrig angesetzt waren. Ihm war zwar beim Abschluß des dritten Geschäfts die unverhältnismäßig niedrige Preisgestaltung der von ihm georderten Optionsscheine bzw. die unverhältnismäßig hohe Preisgestaltung der vergleichbaren - gleichzeitig ausgegebenen - Optionsscheine mit einem geringeren Basispreis aber ansonsten gleicher Ausstattung aufgefallen, worauf er den Mitarbeiter der Beklagten auch hingewiesen hat. Daraus läßt sich jedoch nicht mit der erforderlichen Sicherheit folgern, der Kläger habe einen Kalkulationsirrtum der Beklagten erkannt. Vielmehr läßt sich der Hinweis des Klägers auch zwanglos dahin interpretieren, daß er befürchtete, die von ihm georderten Optionsscheine seien gegenüber den vergleichbaren weiteren Optionsscheinen geringer ausgestattet und deshalb den genannten Preis nicht wert.

Allerdings ist der positiven Kenntnis eines Kalkulationsirrtums im Einzelfall gleichzustellen, wenn sich der Erklärungsempfänger - hier also der Kläger - einer solchen Kenntnis treuwidrig verschließt, indem er naheliegende Rückfragen unterläßt. Insoweit greift der Rechtsgedanke des § 162 BGB ein. Jedoch läßt sich aus dieser Vorschrift unmittelbar nur herleiten, daß der Eintritt nachteiliger Umstände nicht treuwidrig von einer Partei vereitelt und umgekehrt vorteilhafte Umstände nicht treuwidrig herbeigeführt werden dürfen. Im Streitfall geht es jedoch - ebenso wie in dem zitierten, vom BGH entschiedenen Fall - um die weiterreichende Frage, ob und inwieweit nach Treu und Glauben eine Obliegenheit einer Partei angenommen werden kann, einen ihr nachteiligen Umstand, nämlich positive Kenntnis, durch entsprechende Erkundigungen herbeizuführen. In Fällen unerlaubter Handlung ist ein Rückgriff auf § 162 BGB nur dann angenommen worden, wenn es der Geschädigte versäumt hat, eine gleichsam auf der Hand liegende, durch einfache Nachfrage zu realisierende Erkenntnismöglichkeit wahrzunehmen und letztlich das sich Berufen auf die Unkenntnis als Förmelei erscheine, weil jeder andere in der Lage des Geschädigten die Kenntnis gehabt hätte. Allerdings hat der BGH in der zitierten Entscheidung offengelassen, ob diese Rechtsprechung auch auf vorvertragliche Schuldverhältnisse zwischen dem Auftraggeber und dem Anbieter anwendbar ist. Jedenfalls könne der Rechtsgedanke aus § 162 BGB in derartigen Fällen nur mit äußerster Zurückhaltung herangezogen werden. Die Grenzlinie zwischen schädlicher positiver Kenntnis und grundsätzlich unschädlicher bloßer Erkennbarkeit des behaupteten Kalkulationsirrtums dürfe nicht rechtsfehlerhaft zu Lasten des Erklärungsempfängers verschoben werden. Denn es sei grundsätzlich allein Sache des Anbieters, den Erklärungsempfänger von einem Kalkulationsfehler und von dessen unzumutbaren wirtschaftlichen Auswirkungen auf seinen Betrieb umfassend und für diesen nachprüfbar in Kenntnis zu setzen. Eine Pflicht zur Aufklärung könne allenfalls dann angenommen werden, wenn sich der Tatbestand des Kalkulationsirrtums mit seinen unzumutbaren Folgen für den Anbietenden aus seinem Angebot oder aus dem Vergleich zu den weiteren Angeboten oder aus den dem Erklärungsempfänger bekannten sonstigen Umständen geradezu aufdränge. Nur in einem solchen Ausnahmefall könne es nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gerechtfertigt sein, den Auftraggeber - im Streitfall den Kläger als Erklärungsempfänger - entgegen eigenen Interessen als verpflichtet anzusehen, an der Aufklärung eines Kalkulationsfehlers des anderen Vertragsteils mitzuwirken (vgl. BGH a.a.O.).

Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Kläger das Vertragsangebot bzw. die Vertragsangebote der Beklagten nicht angenommen in dem Bewußtsein, daß die niedrigen Angebotspreise auf einem Kalkulationsirrtum der Beklagten beruhen mußten. Zum einen mußte sich dem Kläger nicht geradezu aufdrängen, daß die niedrige Preisgestaltung der von ihm georderten Call-Optionen auf einem Kalkulationsirrtum der Beklagten bzw. der Emissionsbank beruhten. Zum anderen war die Vertragsdurchführung, auch wenn ein Kalkulationsirrtum vorlag, für die Beklagte nicht schlechthin unzumutbar, weil sie durch die drohenden Verluste nicht in erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten konnte. Immerhin handelt es sich bei der Beklagten um ein Bankinstitut und es ist nicht ersichtlich, daß sie durch die Verluste der streitgegenständlichen Geschäfte in ernsthafte wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten konnte.

4.

Die Anspruchsvoraussetzungen des § 326 Abs. 1 BGB sind gegeben. Der Kläger hat der Beklagten eine angemessene Frist zur Lieferung der Optionsscheine gesetzt verbunden mit der Androhung, er werde die Erfüllung nach Ablauf der Frist ablehnen und Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen.

Es entspricht dem gewöhnlichen Lauf der Dinge im Sinne des § 252 Satz 1 BGB, daß der Kläger die Optionen noch vor Ablauf der gesetzten Frist, nämlich am 20.11.1997 zu den zu diesem Zeitpunkt notierten Kursen von 9,79 DM ausgeübt hätte. Deshalb ist ihm der rechnerisch zutreffend berechnete Gewinn in Höhe von 272.805,00 DM entgangen.

Die eingeklagten und zuerkannten Zinsen in Höhe von 4 % stehen dem Kläger gemäß § 291 BGB ab Rechtshängigkeit zu.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Sicherheitsleistungen beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Wert der Beschwer der Beklagten beträgt 272.805,00 DM.

Ende der Entscheidung

Zurück