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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 01.08.2002
Aktenzeichen: 8 U 206/01
Rechtsgebiete: AGBG, BGB, ZPO


Vorschriften:

AGBG § 9
BGB § 138
BGB § 242
BGB § 779 Abs. 1
ZPO § 92 Abs. 1
ZPO § 344
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

8 U 206/01

Verkündet am 1. August 2002

In dem Rechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 4. Juli 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht B., den Richter am Oberlandesgericht S. und den Richter am Landgericht T.

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 27. September 2001 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf abgeändert.

Unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 27. Mai 1999 wird die Klage in vollem Umfang abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreites - beider Instanzen - hat die Klägerin zu tragen mit Ausnahme der durch die Säumnis des Beklagten in erster Instanz entstandenen Kosten, die er selbst zu tragen hat.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die 1946 geborene Klägerin unterzog sich am 6. November 1997 bei dem Beklagten - einem niedergelassenen Chirurgen - einer Schönheitsoperation, bei der unter anderem zwei vertikal von den Nasenflügeln zur Oberlippe verlaufende Falten beseitigt werden sollten. Hierfür zahlte die Klägerin einen Betrag von 2.000 DM.

Der von dem Beklagten ambulant durchgeführte Eingriff erfolgte im Wege einer Kombinationsmethode mittels chemischer Hautschälung (Exodermbehandlung) und mechanischem Abschleifen der obersten Hautschicht.

Nach dem Eingriff kam es bei der Klägerin zu einer Herpesinfektion. Im Bereich der behandelten Hautfalten behielt die Klägerin zwei Narben zurück. Im Hinblick darauf schlossen die Parteien am 17. Februar 1998 eine schriftliche Vereinbarung mit folgendem Inhalt:

"Ich B. habe nach einer Behandlung von Dr. S. Vernarbungen im Bereich der Oberlippe bekommen.

Ich habe mit Herrn Dr. S. vereinbart, dass er mich weiter behandelt und notfalls bei anderen Ärzten vorstellt und behandeln lässt. Kosten trägt Dr. S.. Hierfür bekomme ich DM 2.000 zurückerstattet für nicht zufriedenstellendes OP-Ergebnis.

Ich verzichte auf weitere Ansprüche."

Weil eine in der Folgezeit durch die Hautärztin Dr. T. (GA 98) zur Beseitigung der Narben durchgeführte Laserbehandlung nicht den gewünschten Erfolg erbrachte, nimmt die Klägerin den Beklagten auf Zahlung von Schmerzensgeld in Anspruch.

Die Klägerin hat behauptet, die Narben seien entstanden, weil der Beklagte fehlerhaft zu viel Haut abgeschliffen habe. Auch habe er eine erforderliche Herpesprophylaxe unterlassen. Die Klägerin hat dem Beklagten ferner eine nur unzureichende Risikoaufklärung vorgeworfen; so habe er weder auf die Möglichkeit der Narbenbildung noch die Gefahr einer Herpeserkrankung hingewiesen. Wegen der erlittenen Beeinträchtigungen und des nach ihrer Darstellung besonders belastenden Dauerschadens hat die Klägerin die Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes von mindestens 40.000 DM verlangt. Sie hat die Auffassung vertreten, ein solcher Anspruch sei durch die am 27. Februar 1998 getroffene Vereinbarung nicht ausgeschlossen, weil sie diese Vereinbarung wirksam angefochten habe; im übrigen sei die Vereinbarung unter der Voraussetzung einer erfolgreichen Narbenentfernung getroffen worden.

Durch Versäumnisurteil vom 27. Mai 1999 (GA 22) hat die 3. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf den Beklagten antragsgemäß verurteilt, an die Klägerin 40.000 DM nebst 4 % Zinsen ab dem 15. Dezember 1998 zu zahlen. Gegen dieses Versäumnisurteil hat der Beklagte fristgemäß Einspruch eingelegt.

Die Klägerin hat daraufhin beantragt,

das Versäumnisurteil vom 27. Mai 1999 aufrechtzuerhalten.

Der Beklagte hat beantragt,

das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat sich auf den seines Erachtens wirksamen Anspruchsverzicht der Klägerin berufen, Behandlungsfehler in Abrede gestellt und eine Mitschuld der Klägerin an der Entstehung der Narben aufgrund einer nicht ordnungsgemäßen Nachsorge eingewandt. Im übrigen hat er die Auffassung vertreten, die präoperative Risikoaufklärung sei ausreichend gewesen. Das von der Klägerin verlangte Schmerzensgeld hat er als übersetzt angesehen.

Das Landgericht hat nach Einholung eines Gutachtens des Direktors der Klinik für plastische Chirurgie des Krankenhauses M. Prof. Dr. Dr. S. durch das am 27. September 2001 verkündete Urteil das Versäumnisurteil vom 27. Mai 1999 hinsichtlich eines Betrages von 18.000 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 15. Dezember 1999 aufrechterhalten und es im übrigen aufgehoben und die Klage insoweit abgewiesen.

Gegen die Entscheidung wendet sich der Beklagte mit der Berufung. Er macht geltend, das Landgericht habe zu Unrecht auf der Grundlage des Sachverständigengutachtens eine Narbenbildung aufgrund einer fehlerhaften Behandlung entweder durch zu tiefes Hautabschleifen oder durch eine unterlassene Herpesprophylaxe angenommen. Im übrigen hat er sich erneut auf die seines Erachtens wirksame Abfindungsvereinbarung berufen und die Höhe des zuerkannten Schmerzensgeldes beanstandet.

Der Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das Urteil des Landgerichts unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Sachvortrages.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

A.

Die zulässige Berufung ist begründet. Entgegen der Auffassung des Landgerichts stehen der Klägerin Schmerzensgeldansprüche aus der im November 1997 von dem Beklagten durchgeführten Behandlung nicht zu.

Dabei kommt es im Ergebnis nicht darauf an, ob dem Beklagten die von dem Landgericht angenommenen Behandlungsfehler zu Recht vorgeworfen werden oder ob ihm ein Aufklärungsversäumnis zur Last fällt. Daraus resultierende Ansprüche sind jedenfalls aufgrund der von den Parteien am 27. Februar 1998 getroffenen Vereinbarung ausgeschlossen.

Aufgrund dieser Vereinbarung hat der Beklagte den auf die fehlgeschlagene Behandlung entfallenden Honoraranteil von 2.000 DM erstattet und die von der Klägerin bei ihrer Hautärztin durchgeführte Lasertherapie bezahlt. Auf weitergehende Ansprüche - damit auch auf Schmerzensgeldansprüche - hat die Klägerin ausdrücklich verzichtet.

Bedenken gegen die Wirksamkeit der Vereinbarung bestehen nicht:

1.

Dass die tatsächlichen Voraussetzungen für eine von ihr vorprozessual erklärte Anfechtung wegen eines Irrtums (§ 119 BGB) oder wegen arglistiger Täuschung (§ 123 BGB) vorlagen, hat die Klägerin - worauf der Senat im Verhandlungstermin am 4. Juli 2002 hingewiesen hat - nicht dargelegt.

2.

Weil es sich nach Form und Inhalt der Abrede um eine Individualvereinbarung handelt, ist sie hinsichtlich ihrer Wirksamkeitsvoraussetzungen nicht an den Maßstäben des AGB-Gesetzes zu messen; insbesondere kommt ein Verstoß gegen § 9 AGBG nicht in Betracht.

3.

Eine Unwirksamkeit der Vereinbarung kann auch nicht aus dem Gesichtspunkt der §§ 138, 242 BGB wegen Sittenwidrigkeit oder eines Verstoßes gegen die Grundsätze von Treu und Glauben angenommen werden. Weder der Inhalt der Vereinbarung noch die Umstände ihres Zustandekommens geben Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte sich der Klägerin gegenüber treuwidrig verhalten haben könnte. Die Vereinbarung wurde nach der Operation zu einem Zeitpunkt getroffen, als der Umfang der behandlungsbedingt eingetretenen Narbenbildung feststand. Wenn die Klägerin unter diesen Umständen gegen die anteilige Erstattung gezahlter Behandlungskosten und Übernahme von Nachbehandlungskosten durch den Beklagten freiwillig auf weitergehende Ansprüche verzichtete, ist dies nicht zu beanstanden; die Klägerin muss sich deshalb an ihren entsprechenden Erklärungen festhalten lassen. Sie war insbesondere nicht gehindert, sich ohne Beteiligung des Beklagten in anderweitige Behandlung zu begeben und unabhängig davon ihre Rechte aus dem Behandlungsverhältnis ihm gegenüber weiter geltend zu machen.

4.

Entgegen der - nicht näher begründeten - Auffassung des Landgerichts kommt letztlich auch eine Unwirksamkeit der Vereinbarung wegen des Wegfalls ihrer Vergleichsgrundlage entsprechend § 779 Abs. 1 BGB nicht in Betracht. Voraussetzung hierfür wäre, dass der nach dem Inhalt des Vertrages von den Parteien als feststehend zugrunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entsprach. Dies lässt sich mit der erforderlichen Gewissheit nicht feststellen. Es bleibt unklar, von welchen Erwartungen die Parteien im Hinblick auf eine mögliche Behebung der Narben ausgingen. In der Vereinbarung selbst wird hierzu nichts näheres geregelt. Der Beklagte trägt vor, er sei von vorn herein von der Ungeeignetheit der von der Klägerin gewählten Laserbehandlung ausgegangen. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte kann unter diesen Umständen nur angenommen werden, dass die getroffene Vereinbarung alleine auf die Durchführung der Nachbehandlung und nicht auf deren Erfolg abstellt. Hätte sich die Klägerin weitergehende Ansprüche für den Fall des Fehlschlagens dieser Behandlung vorbehalten wollen, hätte sie dies in der Vereinbarung zum Ausdruck bringen müssen.

B.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 344 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Die Beschwer der Klägerin liegt unter 20.000 ?.

Ende der Entscheidung

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