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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 30.01.2003
Aktenzeichen: 8 U 62/02
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 823
BGB § 847
ZPO § 91 a
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 148
ZPO § 348
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

8 U 62/02

Verkündet am 30. Januar 2003

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 19. Dezember 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht B., den Richter am Oberlandesgericht S. und die Richterin am Oberlandesgericht Sb.

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 8. April 2002 verkündete Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg wird - soweit die Parteien nicht den Rechtsstreit hinsichtlich des Auskunftsantrages übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben - zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Wegen eines fortgeschrittenen Blasenkarzinoms wurde bei dem am 14. Oktober 1950 geborenen Kläger in der Urologischen Klinik des unter Trägerschaft der Beklagten stehenden E Klinikums am 8. April 1998 eine radikale Zystoprostatektomie durchgeführt. Postoperativ wurde der Kläger intensivmedizinisch betreut und künstlich über einen Katheter ernährt. Die Flüssigkeitsabfuhr erfolgte mittels aus dem Bauchraum gelegter Drainagen. Wegen des Verdachtes eines Ileus und einer Peritonitis wurde am 14. April 1998 eine Relaparotomie durchgeführt, bei der sich eine Leckage des Magens im Bereich einer ursprünglich gelegten PEG-Sonde zeigte. In dem Operationsbericht vom 14. April 1998 heißt es hierzu:

...vorsichtige Eröffnung des Peritoneums und Absaugen von mäßig viel Exudat und Transudat von der Bauchhöhle. Es wird eine mäßige Überblähung des Jejunums und Teil des Ileums festgestellt. Durch kleine Enderotomie wird der Dünndarminhalt abgesaugt. Die Enderotomiestelle wird sofort zweischichtig vernäht. Danach ist die Revision des Darms vereinfacht. Lokale Peritonitis um den Magen bei Transudat durch partiell dislozierter Gastrostomie. Diese wird vorsichtig mit lauwarmer Kochsalzlösung gründlich gewaschen und die Fibrinbeläge mechanisch gereinigt. Das Gastrostomieloch wird zweischichtig verschlossen. Danach erfolgt die Lavage der Bauchhöhle mit Kochsalz. Kein Hinweis auf mechanischen Ileus. Die Ileuaszendostomie ist intakt. Die Harnableitungen sind ebenfalls intakt. Mäßiggradiger paralytischer Ileus..."

Der Kläger macht mit dem Vorwurf eines behandlungsfehlerhaften Verhaltens des Klinikpersonals Ersatzansprüche geltend. Er hat behauptet, seine Versorgung nach der Erstoperation sei fehlerhaft gewesen. Zu beanstanden sei, dass man ihm in unvertretbar großen Mengen Flüssigkeit zugeführt habe. Zu einem Austritt von Mageninhalt mit der Folge einer Bauchfellentzündung sei es dann gekommen, weil am 11. April 1998 irrtümlich eine Drainage gezogen worden sei. Infolge der Zweitoperation habe sich bei ihm eine Narkosepsychose entwickelt, an deren Folgen er noch heute leide.

Mit seiner Klage hat der Kläger die Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes sowie die Erstattung von ihm vorprozessual entstandenen Anwaltskosten in Höhe von 345,10 DM verlangt.

Nachdem sich im Rahmen der vor dem Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme seine Behauptung, der in dem Krankenhaus der Beklagten tätige Arzt Herr L. sei es gewesen, der am 11. April 1998 die Drainage gezogen habe, nicht bestätigt hat, hat der Kläger seine zunächst nur auf Zahlung gerichtete Klage erweitert und beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihm die ladungsfähigen Personalien des medizinischen und pflegerischen Personals bekannt zu geben, welches an seiner stationären Behandlung im Klinikum der Beklagten in der Zeit vom 8. April bis zum 15. April 1998 beteiligt war;

hilfsweise,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld nicht unter 5.112,92 ? nebst 4 % Zinsen seit dem 2. Januar 1999 zu zahlen und

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn Schadenersatz in Höhe von 176,45 ? nebst 4 % Zinsen seit dem 2. Januar 1999 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Hinsichtlich des Antrages auf Auskunftserteilung hat die Beklagte geltend gemacht, dem Kläger fehle ein entsprechendes Rechtschutzinteresse, weil ihm die Behandlungsdokumentation zur Verfügung stehe. Im übrigen ist die Beklagte dem Vorwurf von Behandlungsfehlern entgegengetreten; insbesondere hat die Beklagte bestritten, dass dem Kläger in unzulässiger Weise eine Drainage gezogen worden sei.

Die Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Arztes Herr L. sowie durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. J., der in der mündlichen Verhandlung vom 29. Oktober 2001 zu seinem Gutachten angehört worden ist.

Durch das am 8. April 2002 verkündete Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Auskunftsanspruch sei unbegründet, weil der Kläger die für ihn erforderlichen Informationen den ihm vorliegenden Krankenunterlagen entnehmen könne. Eine ergänzende Auskunft anhand der Dienstpläne der Beklagten sei nicht sinnvoll, weil sich daraus nicht der Behandler im Einzelfall ergebe. Die Zahlungsansprüche hat das Landgericht mit der Begründung abgewiesen, der Kläger habe auch unter Berücksichtigung des eingeholten Sachverständigengutachtens nicht den Beweis erbracht, dass die Zweitoperation wegen eines behandlungsfehlerhaften Verhaltens erforderlich war.

Gegen die Entscheidung wendet sich der Kläger mit der Berufung. In verfahrensrechtlicher Hinsicht hat er zunächst beanstandet, dass der Rechtsstreit nicht durch die Kammer, sondern den Einzelrichter entschieden worden ist. Er macht weiterhin geltend, die erstinstanzlich von ihm beantragte Aussetzung des Rechtsstreites sei zu Unrecht unterblieben. In der Sache selbst wendet er sich gegen die von dem Landgericht vertretene Auffassung, er habe kein rechtsschutzwürdiges Interesse an der namentlichen Benennung der mit seiner Behandlung befassten Ärzte und Pfleger.

Im Hinblick darauf, dass die Beklagte mit der Berufungserwiderung den die Zeit vom 8. April bis 15. April 1998 betreffenden, mit den Namen der entsprechenden Mitarbeiter versehenen Dienstplan der Klinik vorgelegt hat, erklärt der Kläger den mit der Berufung weiter verfolgten Auskunftsantrag für erledigt und beantragt nunmehr,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld, jedoch nicht unter 10.000 DM, nebst 4 % Zinsen für die Zeit vom 10.1.1999 bis 30.4.2000 und 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1.5.2000 zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn Schadenersatz in Höhe von 345,10 DM nebst 4 % Zinsen für die Zeit vom 2. Januar 1999 bis 30. April 2000 und 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Mai 2000 zu zahlen.

Die Beklagte schließt sich der den Auskunftsantrag betreffenden Erledigungserklärung an und beantragt im übrigen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das Urteil des Landgerichts unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Sachvortrages. Sie hält die Angriffe des Klägers gegen das erstinstanzliche Urteil weder in verfahrensrechtlicher noch in sachlicher Hinsicht für gerechtfertigt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

A.

Die zulässige Berufung, mit der der Kläger nach der den Auskunftsantrag betreffenden Erledigungserklärung den geltend gemachten Zahlungsanspruch weiterverfolgt, ist unbegründet. Das Landgericht hat die auf Schadenersatz gerichtete Klage zu Recht abgewiesen.

I.

Die gegenüber der Prozessführung des Landgerichts erhobenen verfahrensrechtlichen Rügen sind nicht gerechtfertigt:

1.)

Es ist nicht zu beanstanden, dass die angefochtene Entscheidung durch den Einzelrichter, dem der Rechtsstreit in der Sitzung vom 9. September 1999 gemäß § 348 ZPO (a.F.) formell ordnungsgemäß übertragen worden war, ergangen ist. Weil der Prozessbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 19. Dezember 2002 ausdrücklich erklärt, diese Beanstandung werde nicht aufrecht erhalten, bedarf es hierzu keiner weiteren Begründung.

2.)

Die Voraussetzungen für eine Aussetzung des Rechtsstreites gemäß § 148 ZPO lagen nicht vor. Die sich für den Kläger nach der Vernehmung des Zeugen Leuth ergebende Beweisnot stellt keinen gesetzlich vorgesehenen Aussetzungsgrund dar.

II.

Der Kläger ist nicht gemäß den §§ 823, 847 BGB (a.F.) berechtigt, von der Beklagten die Zahlung eines Schmerzensgeldes zu verlangen; auch ein Anspruch auf Ersatz materieller Schäden steht ihm weder nach den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung (§§ 611, 242, 276, 249 ff BGB (a.F.)) noch aus dem Gesichtspunkt einer unerlaubten Handlung zu.

Nach allgemeinen prozessualen Grundsätzen obliegt es der klagenden Partei, im Rahmen des Arzthaftungsprozesses zu beweisen, dass dem Personal des in Anspruch genommenen Krankenhausträgers ein zumindest fahrlässiges Versäumnis vorzuwerfen ist, das eine bestimmte gesundheitliche Beeinträchtigung hervorgerufen hat. Diesen Nachweis hat der Kläger nicht geführt; aufgrund des von dem Landgericht eingeholten Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. J. lässt sich nicht feststellen, dass die Behandlung des Klägers im Anschluss an die bei ihm durchgeführte Erstoperation fehlerhaft war und der Revisionseingriff aufgrund von Versäumnissen der den Kläger behandelnden Ärzte oder des Pflegepersonals erforderlich geworden ist.

1.)

Prof. Dr. J. hat sowohl in seinem schriftlichen Gutachten als auch bei seiner Anhörung vor dem Landgericht deutlich gemacht, dass die Menge der dem Kläger zugeführten Flüssigkeit nicht zu beanstanden und auch für die eingetretenen Komplikationen nicht verantwortlich war. Bedeutung hatte insoweit alleine die den Patienten insgesamt betreffende Flüssigkeitsbilanz (Zufuhr und Ableitung von Flüssigkeit), die nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen unauffällig war.

2.)

Ursache für die Notwendigkeit der Revisionsoperation war der Umstand, dass es zu einer Dislokation einer im Zuge des ersten operativen Eingriffs zur Förderung von Magen- und Darminhalt gelegten Sonde gekommen war. Dadurch hatte sich eine Öffnung in der Magenwand ergeben, durch die Mageninhalt in den Bauchraum austrat, was zu einer Bauchfellentzündung führte. Dass die Dislokation der Sonde durch ein ärztliches oder pflegerisches Fehlverhalten herbeigeführt worden ist, lässt sich nicht feststellen. Aus den Krankenunterlagen ergeben sich keine Anhaltspunkte für ein entsprechendes Versäumnis. Prof. Dr. J. hat deutlich gemacht, dass die Dislokation der Sonde durchaus schicksalhaft eingetreten sein kann. Die von dem Kläger demgegenüber in erster Instanz aufgestellte Behauptung, der von ihm als Zeuge benannte Arzt Herr L. habe die Sonde irrtümlich herausgezogen, hat sich bei dessen Vernehmung nicht bestätigt. Der Kläger selbst geht jetzt davon aus, dass diesem Zeugen kein Fehlverhalten vorzuwerfen ist und dass ein anderer - ihm namentlich nicht bekannter - Mitarbeiter des Krankenhauses die Sonde herausgezogen habe.

Die von dem Kläger hierzu ergänzend gestellten Beweisanträge sind nicht geeignet, den von ihm aufrecht erhaltenen Vorwurf eines Behandlungsfehlers zu bestätigen. Seinem mit Schriftsatz vom 10. Dezember 2002 gestellten Antrag, weitere seinerzeit in der Klinik der Beklagten tätige Mitarbeiter zu vernehmen, war daher nicht nachzugehen. Die Beweisanträge betreffen keine konkrete Tatsachenbehauptung, sondern dienen alleine einer unzulässigen Sachverhaltsausforschung. Der Kläger bietet die benannten Zeugen nämlich nicht zum Beweis der entscheidungserheblichen Behauptung an, dass ein bestimmter Mitarbeiter der Klinik in unzulässiger Weise eine Sonde bei ihm gezogen habe. Vielmehr beabsichtigt er durch die Vernehmung der von ihm benannten Zeugen erst die Ermittlung der seines Erachtens verantwortlichen Person.

B.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91 a, 97 Abs. 1 ZPO. Dabei waren dem Kläger gemäß § 91 a ZPO die Kosten des Rechtsstreites auch hinsichtlich des von beiden Parteien übereinstimmend für erledigt erklärten Auskunftsantrages aufzuerlegen, weil dieser - ebenfalls - unbegründet war.

Es ist anerkannt, dass ein Patient Anspruch auf Einsicht in die ihn betreffenden Behandlungsunterlagen hat. Das weitergehende Verlangen des Klägers, ihm die ladungsfähigen Personalien des medizinischen und pflegerischen Personals der Klinik mitzuteilen, kann zwar im Einzelfall ebenfalls berechtigt sein (vgl. OLG Düsseldorf, NJW 1984, 670). Dies setzt allerdings ein insoweit anerkennenswertes rechtschutzwürdiges Interesse voraus, das im Falle des Klägers zu verneinen ist. Bereits durch die ihm überlassene Behandlungsdokumentation hatte der Kläger umfassend Kenntnis über die Art und Weise seiner Behandlung und die Personen der daran maßgebend beteiligten Ärzte erlangt. Die erstrebte weitergehende Auskunft hatte nicht das Ziel, Namen und Anschrift konkret bezeichneter Personen zu erhalten, die entweder identifizierbar beschrieben sind, oder deren bestimmte dokumentierte Behandlungsmaßnahmen zugeordnet werden können, sondern sollte lediglich als Grundlage für Ermittlungen dienen, die durch Befragung des gesamten dienstuenden Personals der Beklagten ggf. Vorgänge bekannt machen könnten, die weder dokumentiert sind noch vom Kläger einer identifizierbaren Person zugeordnet werden können. Eine Mithilfe bei einer derart weitgehenden Ausforschung ist für das beklagte Krankenhaus unzumutbar und deshalb nach Treu und Glauben auch nicht geschuldet.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die gesetzlichen Voraussetzungen zur Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Die Beschwer des Klägers liegt unter 20.000 ?.

Ende der Entscheidung

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