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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 16.11.2000
Aktenzeichen: 8 U 63/00
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 847
BGB § 611
BGB § 276
BGB § 242
BGB § 249 ff.
BGB § 823
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
1) Stürzt ein Patient aus großer Höhe mit dem Unterleib auf einen senkrecht stehenden, mit Sand verschmutzten Schaufelstiel ( sog. Pfählungstrauma ), ist im allgemeinen eine operative Wundrevision angezeigt. Es ist nicht zu beanstanden, wenn sich der verantwortliche Chirurg dabei mit einer Wundreinigung, der Einlage einer Drainage und der abschließenden Naht der gerissenen Scrotalhaut begnügt. Eine weitergehende Revision kann zwar zu einer zuverlässigeren Beseitigung von Schmutzpartikeln führen, ist aber gleichzeitig mit der Gefahr einer iatrogenen Kontamination des tieferen Gewebes verbunden.

2) Ergibt eine postoperative Sonographie eine größere echodichte Struktur im Wundbereich, ist die Annahme eines Hämatoms naheliegend, es muß nicht mit dem Verbleib eines Fremdkörpers gerechnet werden; eine solche Vermutung ist aber dann angebracht, wenn der sonographische Befund nach zwei Wochen unverändert ist.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Verkündet am 16. November 2000

In dem Rechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 19. Oktober 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht B den Richter am Oberlandesgericht G und die Richterin am Oberlandesgericht S

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 15. Februar 2000 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

auf einen senkrecht stehenden Schaufelstiel. Dabei zog er sich eine etwa 6 cm lange Rißwunde in der Scrotalhaut zu. Der hinzugezogene Notarzt spülte die Wunde oberflächlich, legte einen sterilen Verband an und überführte den Patienten in die Unfallchirurgische Abteilung des Krankenhauses in S, dessen Träger die Beklagte zu 1) ist. Bei einer dort durchgeführten Computertomographie fanden sich im Bereich des Beckens und der beiden Leisten keine pathologischen Auffälligkeiten; eine Röntgenuntersuchung ergab keinen Hinweis auf knöcherne Verletzungen; schließlich war auch eine Sonographie weitgehend unauffällig. Der in der Klinik tätige Beklagte zu 3) führte noch am Aufnahmetag eine Operation durch, bei der er den heraushängenden Hoden vorsichtig säuberte und aus der Wunde die vorhandenen Sandreste entfernte. Sodann legte er eine Easyflowdrainage ein und verschloß die Scrotalhaut mit einer Naht. Am 26. August wurde die Drainage entfernt. Da der Kläger anschließend weiter unter Schmerzen litt, führte man am 29. August 1995 eine Abdomensonographie durch, bei der man eine ca. 5,9 cm x 2 cm große echodichte amorphe Struktur im Unterhautfettgewebe feststellte, die als Hämatom gewertet wurde (vgl. Anl. K 5 zur Klageschrift). Am 3. September 1995 fielen eine Verhärtung und eine Verdickung des Nebenhodens sowie des Samenstrangs auf; dieser als Entzündung gewertete Vorgang wurde mit einem Antibiotikum medikamentös behandelt. Am 9. September 1995 entließ man den Patienten in die ambulante Weiterbehandlung seines Hausarztes. Am folgenden Tag traten kolikartige Schmerzen auf, die den Kläger zur Hinzuziehung eines Notarztes veranlaßten; dieser überstellte ihn in die Urologische Klinik des Krankenhauses in B. Die dort erhobenen urologischen Untersuchungsbefunde waren unauffällig; es fiel aber ein starker Druckschmerz im Bereich des linken Unterbauches auf, der die verantwortlichen Ärzte veranlaßte, den Patienten erneut in das Krankenhaus O zu verlegen (vgl. Anl. K 7 zur Klageschrift). Der in der Chirurgischen Klinik tätige Beklagte zu 2) vermutete eine Nierenkolik, konnte aber bei einer Urographie vom 11. September 1995 keine Auffälligkeit feststellen. Angesichts dessen wurde der Kläger aus der stationären Behandlung entlassen. Da die Unterbauchschmerzen anhielten und es zudem zu einer Erhöhung der Körpertemperatur kam, begab sich der Kläger am 13. September 1995 in die Urologische Klinik des Krankenhauses in O.

Dort wurde die Wunde operativ eröffnet, ein infiziertes Hämatom entleert und ein etwa 3 x 4 cm großes Jeansstück entfernt. Anschließend kam es nach Einlage von Drainagen und einer offenen Wundbehandlung zu einem langsamen Heilungsprozeß; der Patient wurde am 27. September 1995 aus der stationären Behandlung entlassen (vgl. Anl. K 11 und K 12 zur Klageschrift).

Der Kläger macht Ersatzansprüche geltend. Er hat behauptet, die medizinische Betreuung im Krankenhaus sei in mehrfacher Hinsicht fehlerhaft gewesen: Bei der Erstversorgung hätte man die Wunde weiter freilegen und großzügiger revidieren müssen; sodann wäre der Fremdkörper frühzeitig entdeckt und entfernt worden. Darüber hinaus sei der primäre Wundverschluß nicht angebracht gewesen; da mit erheblichen Verunreinigungen habe gerechnet werden müssen, hätte eine offene Wundbehandlung vorgezogen werden sollen. Schließlich sei es nicht sachgerecht gewesen, die vorhandene Drainage bereits am 26. August 1995 wieder zu entfernen. Bei der stationären Wiederaufnahme am 10. September 1995 habe man zu Unrecht eine urologische Beschwerdeursache vermutet; bei einem einwandfreien Vorgehen hätte bei dieser Gelegenheit der von dem verbliebenen Fremdkörper ausgehende Abszeß behandelt werden müssen; die Annahme eines entzündlichen Prozesses habe auch deshalb nahegelegen, weil die Leukozytenwerte gegenüber dem Vorbefund erheblich angestiegen seien. Bei einem einwandfreien Vorgehen wäre die Wunde ohne Probleme und folgenlos verheilt. Tatsächlich leide er wegen der ärztlichen Versäumnisse ständig unter betrachtlichen Schmerzen, die seine beruflichen, sportlichen und sexuellen Aktivitäten erheblich beeinträchtigten. Zum Ausgleich der hiermit verbundenen immateriellen Nachteile sei ein Schmerzensgeld von 25.000 DM angemessen; abzüglich eines von der Haftpflichtversicherung der Beklagten vorprozessual gezahlten Betrages von 5.000 DM seien weitere 20.000 DM zu entrichten. Darüber hinaus sei er aufgrund der den Beklagten anzulastenden Beeinträchtigungen nicht mehr imstande, wie früher im ehelichen Haushalt mitzuarbeiten. Der hierauf beruhende Schaden sei für die Zeit vom 1. September 1995 bis zum 30. Juni 1998 auf 19.720 DM zu beziffern (vgl. Berechnung Bl. 18 f. GA). Schließlich sei ihm eine allgemeine Unkostenpauschale von 500 DM zuzubilligen.

Der Kläger hat beantragt,

1.

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld aus der fehlerbehafteten Behandlung vom August/September 1995 zu zahlen, dessen Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt werde, mindestens jedoch über die bereits gezahlten 5.000 DM hinaus weitere 20.000 DM nebst 2,5 % Zinsen über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank, mindestens verzinslich jedoch mit 6 % seit dem 1. April 1996;

2.

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 20.220 DM zu zahlen, nebst 2,5 % Zinsen über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank, mindestens jedoch verzinslich mit 6 % Zinsen seit dem 1. April 1996;

3.

festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet seien, auch allen künftigen immateriellen sowie einen weiteren materiellen Schaden der Vergangenheit und Zukunft zu erstatten, der ihm aufgrund der fehlerhaften Behandlung vom August/September 1995 entstanden sei bzw. noch entstehen werde, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen seien oder noch übergingen.

Die Beklagten haben den Antrag gestellt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben ärztliche Versäumnisse geleugnet und die von dem Kläger behaupteten Beschwerden bestritten; darüber hinaus haben sie geltend gemacht, die gesundheitlichen Beeinträchtigungen seien nicht auf ein ärztliches Fehlverhalten, sondern auf den schwerwiegenden Unfall vom 24. August 1995 zurückzuführen. Schließlich haben sie den Umfang der geltend gemachten Ansprüche beanstandet.

Die 6. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg hat durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens sowie durch Anhörung des Sachverständigen Beweis erhoben und sodann die Klage durch Urteil vom 15. Februar 2000 abgewiesen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers. Er vertieft sein erstinstanzliches vorbringen und macht ergänzend geltend, der in der Wunde vorhandene Fremdkörper hätte bei einer sorgfältigen computertomographischen Untersuchung frühzeitig bemerkt und bei der Operation entfernt werden müssen. Insgesamt sei die medizinische Versorgung in der Chirurgischen Klinik des Krankenhauses völlig unzulänglich gewesen, so dass ihm hinsichtlich des Kausalverlaufs Beweiserleichterungen zuzubilligen seien.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach seinen erstinstanzlichen Anträgen zu erkennen.

Die Beklagten stellen den Antrag,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie vertiefen ihren bisherigen Sachvortrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der von den Parteien eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

A.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Landgericht hat die Klage mit Recht und aus zutreffenden Erwägungen abgewiesen. Der Kläger ist nicht nach § 847 BGB berechtigt, Zahlung eines weiteren Schmerzensgeldes zu verlangen. Auch steht ihm weder nach den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung gemäß den §§ 611, 276, 242, 249 ff. BGB noch aus dem Gesichtspunkt einer unerlaubten Handlung im Sinne des § 823 BGB. ein Anspruch auf Ersatz der bereits entstandenen oder künftig drohenden materiellen Schäden zu. Die vom Landgericht durchgeführte Beweisaufnahme hat ergeben, daß das ärztliche Vorgehen in der unfallchirurgischen Abteilung des Krankenhauses im wesentlichen einwandfrei war; jedenfalls sind die wegen geringfügiger Unzulänglichkeiten berechtigten Ersatzforderungen durch die vorprozessual geleistete Zahlung von 5.000 DM ausgeglichen:

I.

Die nach dem Unfall ergriffenen diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen sind nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. W nicht zu beanstanden:

1.

Unmittelbar nach der Einlieferung des Patienten hat man sich einen Überblick über die bei dem Sturz entstandenen Verletzungen verschafft: Nach einer klinischen Untersuchung veranlaßte man ein Computertomogramm in dem zum Krankenhaus gehörenden Institut für Röntgendiagnostik; dabei ergab sich kein auffälliger Befund; weder im Bereich des Beckens noch in Höhe der beiden Leisten wurden pathologische Veränderungen festgestellt; daß die Schichtaufnahmen oberflächlich und nachlässig ausgewertet wurden, ist nicht ersichtlich. Eine ergänzende Röntgendiagnostik ergab keine Anhaltspunkte für frische knöcherne Verletzungen; schließlich war eine Sonographie des Abdomens weitgehend unauffällig.

2.

Nach der umfassenden Diagnostik hat sich der Beklagte zu 3) richtigerweise zu einer operativen Revision des Wundbereichs entschlossen. Das dabei gewählte methodische Vorgehen ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Der Senat verkennt in diesem Zusammenhang nicht, daß der von dem Kläger hinzugezogene Privatgutachter Dr. K in seiner Stellungnahme vom 17. Januar 1997 die Auffassung vertreten hat, es hätte eine weiträumigere und ausgiebigere Eröffnung des Wundbereichs erfolgen sollen; da der ersichtlich mit Sand verunreinigte Schaufelstiel bereits am Unfallort von dem Notarzt entfernt worden war, mußte damit gerechnet werden, daß sich das Gewebe im tieferen Bereich des Unterleibs bis zur Primarversorgung im Krankenhaus zusammengezogen und dort Verunreinigungen eingeschlossen hatte. Andererseits hat der vom Landgericht beauftragte Sachverständige Dr. W zutreffend darauf hingewiesen, daß die von dem Privatgutachter geforderte ausgiebige Wundrevision ihrerseits mit Risiken verbunden gewesen wäre; durch die erforderlichen Manipulationen hätte es angesichts der bereits vorhandenen Verschmutzungen zu einer iatrogenen Kontamination bis dahin unverletzter Gewebestrukturen kommen können. In dieser Ausgangssituation stand dem Beklagten zu 3) hinsichtlich der Operationsmethode ein therapeutisches Ermessen zu; er konnte und durfte sich unter Abwägung der Vor- und Nachteile für die Reinigung des Hodens, das Einlegen einer Drainage und die abschließende Naht der gerissenen Scrotalhaut entscheiden; ein schuldhaftes Fehlverhalten ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme aus diesem Vorgehen nicht herzuleiten.

3.

Die postoperative Versorgung des Patienten ist ebenfalls nicht zu beanstanden:

a)

Es war sachgerecht, die Drainage bereits am 26. August 1995 zu entfernen. Diese Maßnahme hängt von der Art und der Menge des im Laufe der Zeit geförderten Sekretes ab. Erscheint die abgeleitete Flüssigkeit klar und verringert sich ihre Menge kontinuierlich, ist es durchaus sachgerecht, die Drainage bereits am zweiten postoperativen Tag zu ziehen. Daß die erhobenen Befunde der Entfernung entgegenstanden, hat der Kläger weder im einzelnen dargelegt noch durch das eingeholte Gutachten zu beweisen vermocht.

b)

Am 29. August 1995 wurde bei einer Sonographie eine 5,4 x 2 cm große echodichte amorphe Struktur festgestellt.

Die mit der Auswertung der Untersuchung befaßte Oberärztin hat diese Besonderheit als Hämatom gewertet; tatsächlich dürfte es sich aus der objektiven Sicht ex post um den später entfernten Fremdkörper gehandelt haben. Dieser Irrtum ist den verantwortlichen Ärzten indes nicht als Fehlverhalten vorzuwerfen: Der Sachverständige Dr. W hat deutlich gemacht, daß es bei erheblichen Verletzungen der bei dem Kläger aufgetretenen Art häufig postoperativ zur Ausbildung von Blutergüssen kommt; angesichts dessen lag die Schlußfolgerung, bei der sonographisch auffälligen Struktur handele es sich um ein solches Hämatom, nahe. Es bestand kein Anlaß zu der Vermutung, in der Wunde befinde sich ein Fremdkörper, da lokale Entzündungszeichen, die einen entsprechenden Verdacht hätten begründen können, fehlten.

c)

Am 3. September 1995 fielen eine Verhärtung und eine Verdickung des Nebenhodens sowie des Samenstrangs auf. Diese klinische Besonderheit wurde zutreffend als Entzündungsprozeß gewertet und mit einem Antibiotikum medikamentös behandelt. Da die Symptomatik in der Folge rückläufig war, war es sachgerecht oder zumindest vertretbar, den Patienten am 9. September 1995 aus der stationären Behandlung zu entlassen.

II.

Das ärztliche Verhalten nach der stationären Wiederaufnahme am 10. September 1995 war demgegenüber nicht in jeder Hinsicht einwandfrei. Der Beklagte zu 2) hat bei dieser Gelegenheit eine urologische Ursache der Beschwerden vermutet. Diese Annahme war zumindest deshalb fernliegend, weil die zuvor in der urologischen Klinik des Krankenhauses B erhobenen Befunde unauffällig gewesen waren. Bemerkenswert war darüber hinaus der sonographische Befund vom 10. September 1995: Es wurde erneut eine diffuse Schwellung der Bauchwand im Unterbauch- und Leistenbereich links festgestellt; die Vermutung, es handele sich um ein etwa 5 cm x 3 cm großes Hamatom, war unter Berücksichtigung der Gesamtumstände nicht überzeugend; ein Bluterguß hätte sich nämlich gegenüber dem Vorbefund vom 28. September 1995 normalerweise zurückgebildet. Angesichts der Gleichheit der auffälligen Struktur hätte man nunmehr an einen nach dem Unfall im Gewebe verbliebenen Fremdkörper denken können und müssen. Eine solche Schlußfolgerung lag auch deshalb nahe, weil ausweislich eines Blutbilds die Leukozytenzahl erheblich angestiegen war; es lagen also Symptome vor, die für ein lokales entzündliches Geschehen sprachen. Richtigerweise hätte man die Ursache dieser Besonderheit weiter abklären müssen. Dabei kann es die verantwortlichen Ärzte nicht entlasten, daß das Ergebnis der Blutuntersuchung möglicherweise erst nach der erneuten Entlassung des Patienten vorlag: Entweder hätte man den Kläger nicht vor Eingang des für die Einordnung des Krankheitsbildes wesentlichen Befunds entlassen dürfen oder man hätte ihn erneut zu weiteren Kontrollen einbestellen müssen. Daß der Kläger sich der weiteren Behandlung in unvernünftiger Weise widersetzt haben könnte, ist den Behandlungsunterlagen nicht zu entnehmen; insbesondere befindet sich in der Dokumentation kein Vermerk, daß der Patient gegen ärztlichen Rat auf eigenen Wunsch darauf bestanden habe, das Krankenhaus unverzüglich zu verlassen.

III.

Die den Beklagten vorzuwerfenden Versäumnisse haben nicht zu wesentlichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen geführt; vielmehr sind die den verantwortlichen Ärzten anzulastenden Nachteile durch den vorprozessual geleisteten Betrag von 5.000 DM jedenfalls ausgeglichen:

1.

Die unzulängliche Diagnostik während des stationären Aufenthaltes vom 10./11. September 1995 hat nicht zu einer wesentlichen Verschlechterung der gesundheitlichen Situation geführt. Der Fremdkörper konnte drei Tage später ohne größere Probleme durch einen chirurgischen Eingriff entfernt werden; durch diese Verzögerung sind dem Kläger keine wesentlichen Nachteile entstanden. Auch der von ihm hinzugezogene Privatgutachter Dr. K ist in seiner Stellungnahme zu dem Ergebnis gelangt, daß auf diesen Aspekt keine nennenswerten Ansprüche gestützt werden können.

2.

Selbst wenn man im übrigen zugunsten des Klägers unterstellt, daß der am 13. September 1995 in der urologischen Klinik des Krankenhauses entfernte Fremdkörper bei einem optimalen ärztlichen Vorgehen bereits am 29. August 1995 entdeckt und im Rahmen der Wundrevision beseitigt worden wäre, kommt eine weitergehende Haftung der Beklagten nicht in Betracht. Zwar wären dem Kläger in diesem Fall gewisse Unannehmlichkeiten erspart geblieben; es hätten die zeitweise kolikartigen Schmerzen, mit denen der Körper auf den Verbleib des Stofffetzens im Gewebe reagierte, vermieden werden können; zudem wäre dem Patienten ein weiterer Eingriff und die damit verbundene Verlängerung des Krankenhausaufenthaltes erspart geblieben. Zum Ausgleich dieser immateriellen Beeinträchtigungen reicht indes der vorprozessual gezahlte Betrag von 5.000 DM sicherlich aus. Bei der gebotenen Abwägung der gesamten Umstände ist nämlich zu berücksichtigen, daß ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem ärztlichen Versäumnis und der von dem Kläger geltend gemachten Dauerschädigung nicht mit der für eine Haftung erforderlichen Sicherheit festzustellen ist. Selbst der von dem Kläger hinzugezogene Privatgutachter Dr. K hat eingeräumt, daß die noch heute vorhandenen Beschwerden keinesfalls auf die eventuellen Versäumnisse bei der Primärversorgung des Patienten zurückzuführen sind; vielmehr ist allein die Art des Verletzungsmechanismus mit der traumatischen Eröffnung des Scrotalfachs und einer erheblichen Beeinträchtigung der Weichteile im Bereich der Leistenregion geeignet, dauerhafte Beeinträchtigungen im Sinne einer Irritation des nervus ileoinguinalis herbeizuführen. Im Ergebnis ist unter diesen Umständen festzuhalten, daß die wesentlichen gesundheitlichen Nachteile auf dem traumatischen Ereignis und nicht auf einem ärztlichen Versäumnis beruhen.

B.

Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Die Beschwer des Klägers liegt unter 60.000 DM.

Ende der Entscheidung

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