Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 13.02.2003
Aktenzeichen: 8 U 69/01
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 242
BGB §§ 249 ff.
BGB § 276
BGB § 278
BGB § 611
BGB § 831 Abs. 1
BGB § 847
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT Düsseldorf IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

8 U 69/01

Verkündet am 13. Februar 2003

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 28. November 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht B. sowie die Richter am Oberlandesgericht S. und T.

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 17.01.2001 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Mönchengladbach wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung der Beklagten wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Tatbestand:

Die am 29.12.1955 geborene Mutter des Klägers war im Jahre 1989 erstmals schwanger; am 31.12.1989 wurde der Kläger durch Kaiserschnitt in der geburtshilflichen Klinik der Beklagten zu 1) entbunden. Sein Zustand war zunächst unauffällig: der pH-Wert aus der Nabelschnurarterie lag bei 7,28; die Apgar-Noten sind in den Behandlungsunterlagen mit 8/9/9 angegeben. Da bei dem Kläger wenig später eine gewisse Unregelmäßigkeit der Atmung auffiel, wurde er unter der Diagnose einer postnatalen Anpassungsstörung in die Kinderklinik der Beklagten zu 1) verlegt. Dort unterstützte man die Atemtätigkeit über einen nasalen Tubus mit 30 %-igem Sauerstoff; infolge dieser Therapie normalisierte sich der Zustand alsbald, so dass man das Kind am 01.01.1990 zu seiner Mutter in die Frauenklinik zurück verlegen konnte.

In den folgenden Tagen sind in den Behandlungsunterlagen keine Besonderheiten vermerkt. Am 04.01.1990 hat der Kläger mittags überraschend aus dem Schlaf heraus erbrochen; am Nachmittag - nach Darstellung des Klägers bereits gegen 15.30 Uhr - kam es zu einem rechtsseitigen tonisch-klonischen Krampfanfall; der hinzugezogene Kinderarzt Dr. H. veranlasste unverzüglich eine erneute Aufnahme des Kindes in die Pädiatrische Klinik. Dort verordnete der diensthabende Oberarzt, der Beklagte zu 3), der anfangs gutartige "5-Tages-Krämpfe" vermutete, zunächst Calcium und nach einem weiteren Krampfereignis um 17.55 Uhr ("macht sich steif") das Medikament Luminal. Im weiteren Verlauf fiel der Kläger durch eine inkonstante Augendeviation nach links auf. Eine um 18.45 Uhr durchgeführten Sonografie des Kopfes ergab einen unklaren Befund, von dem der Beklagte zu 3) annahm, es handele sich um eine angeborene Fehlbildung. Gegen 20.10 Uhr kam es ausweislich des Schwesternprotokolls zu einem weiteren - ca. 8 Sekunden andauernden - klonischen Krampf des rechten Arms. Nach einer telefonischen Konsultierung des Beklagten zu 2) als Chefarzt der Klinik hielt der Beklagte zu 3) weitergehende Maßnahmen an diesem Abend nicht für erforderlich.

Am nächsten Morgen führte der Beklagte zu 3) erneut eine Sonografie des kindlichen Schädels durch und veranlasste sodann eine Computertomografie im Krankenhaus M. in M. . Die dort zwischen 9.31 Uhr und 9.37 Uhr durchgeführte Untersuchung ergab folgenden Befund (Bl. 329 GA):

"Ausgeprägte Subarachnoidalblutung, besonders interhemisphäral sowie zum Teil auch in den hochparietalen Sulci und basal im Tentoriumansatzbereich links. Kleinste Parenchymeinblutungen auch links hochfrontal. Verdacht auf Einbruch der Blutung in die Vorderhörner. Mäßige Hirnschwellung mit Engstellung der basalen Zisternen und Kompression der Ventrikel, insbesondere des linken Seitenventrikels."

Angesichts dieses Befundes überwies der Beklagte zu 3) den Kläger in die Kinderklinik der U. in D., wo er gegen 12.15 Uhr eintraf. Man stellte im Anschluss an eine Blutuntersuchung fest, dass das Kind unter einer Hämophilie A litt und normalisierte den Gerinnungsstatus durch Substitution von Faktor VIII. Anschließend verlegte man den Kläger in die neurochirurgische Klinik, in der unverzüglich ein fest koaguliertes frisches Hämatom entfernt wurde (vgl. Operationsbericht vom 5. Januar 1990, Bl. 321 f. GA). Im weiteren Verlauf stellte sich heraus, dass der Kläger geistig und körperlich erheblich behindert ist; die Schädigung beruht auf der postnatalen cerebralen Blutung.

Der Kläger macht Ersatzansprüche geltend. Er hat geltend gemacht, der Beklagte zu 2) sei als Chefarzt der Kinderklinik aufgrund des von seiner Mutter abgeschlossenen Wahlleistungsvertrages für die Behandlung verantwortlich gewesen; tatsächlich habe er nach der telefonischen Beschreibung des Sonografiebefundes durch den Beklagten zu 3) die - falsche und verhängnisvolle - Entscheidung getroffen, zunächst die weitere Entwicklung abzuwarten. Bereits bei dem ersten Aufenthalt in der Kinderklinik unmittelbar nach der Entbindung hätte man aufgrund der festgestellten Anpassungsstörungen eine Schädelsonografie anfertigen und einen Gerinnungsstatus erheben müssen. In den folgenden Tagen sei sein Zustand nicht unauffällig gewesen; seine Mutter habe vielmehr eine gelbe Hautfarbe und eine gewisse Zittrigkeit bemerkt. In der Nacht vom 04. auf den 05.01.1990 habe man ihn - den Kläger - unbeaufsichtigt der Obhut seines Vaters überlassen; tatsächlich sei es während dieser Zeit mehrfach zu erneuten Krampfanfällen gekommen. Bei einem einwandfreien Vorgehen hätte man ihn bereits am Nachmittag des 04.01. in das U. D. verlegt; dort wäre die Ausbreitung der cerebralen Blutung rechtzeitig verhindert worden. Durch die ärztlichen Versäumnisse sei seine linke Hirnhälfte auf Dauer zerstört; er leide unter einer kompletten halbseitigen Lähmung, epileptischen Anfällen, Wahrnehmungs- und Sprachstörungen sowie nächtlicher Inkontinenz. Angesichts des Ausmaßes seiner Behinderung werde er Zeit seines Lebens auf die Hilfe Dritter angewiesen sein. Dies rechtfertige ein Schmerzensgeld von mindestens DM 300.000.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet seien, ihm den bereits entstandenen und jeglichen künftigen Schaden aus dem Schadensereignis vom 31. Dezember 1989/1. Januar 1990 und vom 4. zum 5. Januar 1990 zu ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht auf die Träger der gesetzlichen Sozialversicherungen übergegangen seien oder übergingen;

2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt werde, nebst 2,5 % Zinsen über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank, mindestens jedoch 4 % seit dem 01.09.1992 zu zahlen.

Die Beklagten haben den Antrag gestellt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte zu 2) hat geltend gemacht, er sei seinerzeit aufgrund urlaubsbedingter Abwesenheit und infolge einer Erkrankung nicht an der Behandlung des Klägers beteiligt gewesen. Darüber hinaus haben die Beklagten ärztliche Versäumnisse bestritten. Die notwendigen diagnostischen Maßnahmen seien einwandfrei durchgeführt worden; der Befund der um 18.45 Uhr durchgeführten Sonografie habe kein sofortiges Eingreifen erforderlich gemacht. Abgesehen davon sei ein ihnen eventuell anzulastendes diagnostisches Versäumnis nicht für die schwerwiegende Behinderung des Klägers ursächlich geworden. Die aufgrund der Hämophilie nicht vermeidbare Blutung habe alsbald zu der Schädigung geführt; eine zeitlich vorgezogene Verlegung in die U. hätte an dem letztlich eingetretenen Ergebnis nichts geändert.

Die 3. Zivilkammer des Landgerichts Mönchengladbach hat durch Vernehmung eines Zeugen sowie durch Einholung schriftlicher und mündlicher Sachverständigengutachten Beweis erhoben und sodann die Klage durch Urteil vom 17.012001 abgewiesen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers. Er beanstandet das prozessuale Vorgehen des Landgerichts und meint, der neurochirurgische Sachverständige Prof. Dr. S. hätte aufgrund seines - des Klägers - rechtzeitig gestellten Antrags zur mündlichen Erläuterung seines schriftlichen Gutachtens geladen werden müssen. Das diagnostische Vorgehen der verantwortlichen Ärzte am 04.01.1990 sei leichtfertig gewesen; angesichts der Krampfanfälle hätte man ihn unverzüglich in die U. D. verlegen müssen. Der den Beklagten anzulastende Zeitverlust von fast 24 Stunden habe sich verhängnisvoll ausgewirkt; die Blutung habe sich nämlich - wie für eine Hämophilie typisch - langsam in das Hirngewebe ausgebreitet. Bei einem rechtzeitigen Eingreifen hätte man die Blutung entweder durch eine medikamentöse Regulierung der Gerinnungsstörung oder durch eine unverzügliche neurochirurgische Operation zum Stillstand gebracht; auf diese Weise wäre ihm ein wesentlicher Teil der eingetretenen Schädigung erspart geblieben. Hinsichtlich der Kausalität seien die Beklagten beweisbelastet, da zum einen ihre Versäumnisse als grobe Fehler einzustufen seien und zum anderen die Unzulänglichkeit ihrer Dokumentation die weitere Aufklärung des Sachverhaltes erschwere.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 17.01.2001 abzuändern und

1. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet seien, ihm den bereits entstandenen und jeglichen künftigen Schaden aus dem Schadensereignis vom 31. Dezember 1989/1. Januar 1990 und vom 4. zum 5. Januar 1990 zu ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht auf die Träger der gesetzlichen Sozialversicherungen übergegangen seien oder übergingen;

2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt werde, nebst 2,5 % Zinsen über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank, mindestens jedoch 4 % seit dem 01.09.1992 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat ergänzend Beweis erhoben durch schriftlich und mündlich erstattete Gutachten des emeritierten Direktors der Kinderklinik des U.s-Krankenhauses H. , Prof. Dr. S., durch mündlich erstattete Gutachten des Direktors der Neurochirurgischen U. B., Prof. Dr. S., und des Direktors der Klinik und Poliklinik für Kinderheilkunde der U. M., Prof. Dr. H., sowie durch Vernehmung von Zeugen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten vom 28.03.2002 (Bl. 681 ff. GA) sowie die Berichterstattervermerke vom 03.07.2002 (Bl. 779 ff. GA) und 04.12.2002 (Bl. 904 ff. GA) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

A.

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Die Beklagten haften dem Kläger trotz eines vorliegenden Behandlungsfehlers (I.) weder vertraglich (Beklagte zu 1) und 2): §§ 611, 242, 249 ff., 276, 278 BGB) noch aus unerlaubter Handlung (Beklagte zu 1): §§ 831 Abs. 1, 847 BGB; Beklagte zu 2) und 3): §§ 823 Abs. 1, 847 BGB) auf Ersatz seiner materiellen und immateriellen Schäden, weil sich nicht feststellen lässt, dass die nach der Geburt erlittene Hirnschädigung ohne den Behandlungsfehler vermieden worden oder zumindest wesentlich geringer ausgefallen wäre (II.).

I.

Nach dem Ergebnis der vom Landgericht begonnenen und vom Senat fortgesetzten Beweisaufnahme steht fest, dass der Kläger in der Kinderklinik der Beklagten zu 1) fehlerhaft behandelt worden ist, weil der Beklagte zu 3) am 04.01.1990 nach dem unklaren sonografischen Befund um 18.45 Uhr eine weitere differentialdiagnostische Abklärung bis zum nächsten Morgen unterlassen hat.

Die pädiatrischen Sachverständigen Prof. Dr. S. und Prof. Dr. H. sind übereinstimmend davon ausgegangen, dass nach dem Ergebnis der durchgeführten Sonografie weitere differentialdiagnostische Maßnahmen erforderlich waren. Bei der Sonografie hatte sich nämlich eine unklare Raumforderung im Interhemisphärenbereich gezeigt, wie sich aus dem vom Beklagten zu 2) (mit-)unterzeichneten Arztbericht vom 17.08.1990 (Bl. 108 f. GA) - weder die Aufnahme noch ein schriftlicher Befund ist in den Behandlungsunterlagen vorhanden - ergibt. Der Zeuge Dr. H. hat bei seiner Vernehmung bekundet, dass der Befund nicht eindeutig war; es handelte sich um eine sehr auffällige, nicht klar zu differenzierende "blumenkohlartige" Veränderung, die keine eindeutige Diagnose erlaubte. Etwas derartiges hatte der Beklagte zu 3), wie er auch anlässlich der mündlichen Gutachtenerstattung durch Prof. Dr. S. bekräftigt hat, noch nie gesehen. Angesichts dieses unklaren Befundes und in Kenntnis der zuvor stattgefundenen fokalen Krampfanfälle des Klägers waren möglichst schnell weitere differentialdiagnostische Untersuchungen zu veranlassen; zumindest musste ein Gerinnungsstatus erhoben werden. Wie Prof. Dr. H. ausgeführt hat, gehörte jedenfalls die globale Gerinnungsuntersuchung zum Standard auch einer kleineren Kinderklinik. Dabei wäre voraussichtlich innerhalb einer Stunde eine verlängerte PTT festgestellt worden, was dann zu einer Verlegung des Klägers in die U. D. geführt hätte. Dort wäre die Hämophilie A des Klägers erkannt und die Blutgerinnung durch die Gabe von Faktor VIII normalisiert worden.

Mit ihrer Behauptung, es sei ein Gerinnungsstatus erhoben worden, der - in Bezug auf das Vorliegen einer Hämophilie - unauffällig gewesen sei, können die Beklagten nicht durchdringen. Abgesehen davon, dass der in den Krankenunterlagen vorhandene Gerinnungsstatus nicht dem Kläger zugeordnet werden kann, weil die dokumentierten Werte angesichts der wenig später diagnostizierten Hämophilie A nicht zutreffen können (so Prof. Dr. S. in seinem Gutachten v. 18.06.1997, Bl. 245 GA), lässt sich auch nicht feststellen, dass dieser Gerinnungsstatus überhaupt am Abend des 04.01.1990 erhoben worden ist. Der vom Kläger eingeschaltete Privatgutachter Prof. Dr. V. hat zutreffend darauf hingewiesen, dass sich in den Unterlagen der U. D. eine Kopie des entsprechenden Laborbogens der Kinderklinik der Beklagten zu 1) befindet, auf dem der fragliche Gerinnungsstatus noch nicht eingetragen ist (Bl. 88 GA), weshalb einiges dafür spricht, dass die Werte erst nach der Verlegung des Klägers in die U. D. eingetragen worden sind. Hinzu kommt, dass der Zeuge Dr. He. auf Frage des Sachverständigen Prof. Dr. H. erklärt hat, damals sei der Gerinnungsstatus bei Aufnahme in die Kinderklinik nicht routinemäßig erhoben worden.

Unabhängig davon durfte sich der Beklagte zu 3) aber auch auf eine handschriftliche Eintragung in dem Laborbogen nicht verlassen. Wie der Sachverständige Prof. Dr. S. ausgeführt hat, ist es sehr problematisch, wichtige Blutbefunde nur handschriftlich weiter zu geben; eine Gerinnungsstörung konnte bei den so übermittelten Werten nicht sicher ausgeschlossen werden.

Die Beklagten können auch nicht mit Erfolg geltend machen, der Sonografiebefund habe ein sofortiges Handeln nicht erfordert. Zwar hat der Sachverständige Prof. Dr. H. ausgeführt, ein Abwarten bis zum nächsten Tag sei vertretbar gewesen, wenn man davon ausging, dass es sich bei der Raumforderung um einen Tumor handelte; er hat dem Beklagten zu 3) in diesem Zusammenhang aber mangelndes Problembewusstsein bescheinigt. Dass der Beklagte zu 3) die Veränderungen als mögliches Meningeom gedeutet hat, hat Prof. Dr. S. angesichts des extrem seltenen Auftretens im ersten Lebensjahr als nicht nachvollziehbar bezeichnet (Bl. 696 f. GA); da die Raumforderung echodicht war, was sowohl der Beklagte zu 3) im Termin vom 24.06.2002 als auch der Zeuge Dr. He. im Termin vom 28.11.2002 bekundet hat, musste auf jeden Fall eine Blutung in Betracht gezogen werden. Auch Prof. Dr. H. hat keinen Zweifel daran gelassen, dass der Gerinnungsstatus bei sachgerechtem Vorgehen noch am Abend erhoben worden wäre. Insoweit trifft auch den Beklagten zu 2) eine Verantwortung an dem Versäumnis, denn er hat, als er von dem Beklagten zu 3) telefonisch konsultiert wurde, nicht nach dem Gerinnungsstatus gefragt und auch keine weiteren diagnostischen Maßnahmen veranlasst.

II.

Gleichwohl scheidet eine Haftung der Beklagten aus, weil die Ursächlichkeit der Unterlassung für den eingetretenen Schaden nicht feststeht (1.) und dem Kläger insoweit auch keine Beweiserleichterung zugute kommt (2.).

1. Der Kläger kann den Beweis, dass eine frühzeitigere Diagnostik den bei ihm eingetretenen Hirnschaden vermieden oder zumindest teilweise abgemildert hätte, nicht führen.

a) Als frühester Zeitpunkt für ein behandlungsfehlerhaftes Unterlassen lässt sich aufgrund der vom Senat ergänzend durchgeführten Beweisaufnahme der unklare Befund der um 18.45 Uhr durchgeführten Sonografie feststellen.

aa) Die bei dem Kläger unmittelbar nach der Geburt vorliegende Anpassungsstörung erforderte nicht die Durchführung einer Schädelsonografie (Gutachten Prof. Dr. S. v. 18.07.1997, Bl. 233 f. GA); diese hätte auch im Hinblick auf die hier in Rede stehende Blutung mit Sicherheit keine Erkenntnisse erbracht, denn eine von Prof. Dr. Sc. im Zusammenhang mit der Erstellung seines Gutachtens veranlasste Nachuntersuchung des bei der Operation vom 05.01.1990 entnommenen Gewebes durch das Institut für Neuropathologie der U. D. hat ergeben, dass die Blutung mit Sicherheit jünger als 3 Tage war (Bericht vom 09.03.2000; Anlage-Hefter "Diverse Schreiben"). Auch die von der Mutter des Klägers am 04.01.1990 beobachteten Symptome - Hängen eines Mundwinkels und Erbrechen - waren nach Einschätzung von Prof. Dr. S. noch nicht so alarmierend, dass seitens der behandelnden Ärzte unbedingt und sofort hätte gehandelt werden müssen.

bb) Dies änderte sich mit Auftreten des seitenbetonten tonisch-klonischen Krampfanfalls am Nachmittag des 04.01.1990. Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. S., denen sich Prof. Dr. H. insoweit angeschlossen hat, sind die Ursachen eines bei einem Neugeborenen eingetretenen Krampfanfalls unverzüglich diagnostisch abzuklären, weil er Anzeichen für eine behandelbare Krankheit - wozu auch einige Hirnblutungen gehören - sein kann, die einer schnellen Behandlung bedarf und deren Prognose von dieser schnellen Behandlung zumindest teilweise mit abhängt (Bl. 238, 694 f. GA). Dies entspricht auch der Einschätzung des Privatgutachters Prof. Dr. V. (Bl. 95 GA). Verstärkt wurde das Gebot einer sofortigen Abklärung durch den um 17.55 Uhr dokumentierten Streckkrampf ("macht sich steif"). Dass es sich um beachtenswerte und auch fokale Krampfanfälle handelte und dies den behandelnden Ärzten auch klar war, ergibt sich nach Prof. Dr. S. aus der Verabreichung von 40 mg Luminal (und der Verabreichung vom 1 mg Valium nach einem weiteren klonischen Krampfanfall um 20.10 Uhr). Diese Krampfanfälle waren begleitet von typischen Hirndrucksymptomen (plötzliches Erbrechen am Mittag, gespannte Fontanelle, deutliche Bradykardie von 90 Herzschlägen pro Minute, Augendeviation inkonstant nach links) (Gutachten Prof. Dr. S. v. 28.03.2002, Bl. 689 ff. GA); zudem ergab das um 18.00 Uhr erstellte Blutbild (Bl. 319 GA) einen Hämglobinwert von 15,1 g% gegenüber einem Wert von 18,1 g% am 01.01.1990, was nach den Ausführungen des Privatgutachters Prof. Dr. V. einen indirekten Hinweis auf ein stattgefundenes Blutungsgeschehen darstellt (Bl. 95/96 GA). Diesen Anzeichen musste man nachgehen und durfte sich nicht abwartend verhalten.

Eine Verzögerung in der Diagnostik bis zur Durchführung der Sonografie um 18.45 Uhr lässt sich indessen nicht feststellen. Zwar hat der Kläger - in erster Instanz unwidersprochen - vorgetragen, dass der erste fokale Krampfanfall bereits gegen 15.30 Uhr stattgefunden hat. Nach dem Inhalt der Behandlungsunterlagen und den Aussagen der vom Senat vernommenen Zeugen steht dies aber nicht fest; jedenfalls ist nicht bewiesen, dass das Klinikpersonal hierüber vor 16.30 Uhr/17.00 Uhr unterrichtet worden ist.

Ausweislich des perinatologischen Verlegungsbogens vom 04.01.1990 erfolgte die Verlegung des Klägers in die Kinderklinik um 17.30 Uhr. Dies hat auch die damals zuständige Krankenschwester, die Zeugin T., anhand ihrer Eintragungen in den Behandlungsunterlagen der gynäkologischen Station bestätigt. Zwar hat der ebenfalls als Zeuge vernommene Vater des Klägers bekundet, seiner Meinung nach sei der Kläger bereits gegen 16.00 Uhr in die Kinderklinik gekommen. Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass der Zeuge sich insoweit geirrt hat. Zwischen den Parteien besteht Einigkeit, dass der Zeuge Dr. He. unmittelbar, nachdem die Eltern des Klägers dem Klinikpersonal den Krampfanfall mitgeteilt haben, gekommen ist, den Kläger untersucht und dann sogleich seine Verlegung in die Kinderklinik veranlasst hat; diesen unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang hat auch der Zeuge Keysers bestätigt. Der Zeuge Dr. He. war sich aber sicher, dass die Mitteilung während seines um 16.30 Uhr beginnenden Notdienstes gegen 17.00 Uhr erfolgt ist, und nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt. Angesichts der widersprechenden Angaben der Zeugen ist zumindest ein früherer Verlegungszeitpunkt als 17.30 Uhr nicht bewiesen; dafür spricht auch, dass sämtliche Aufzeichnungen der Kinderklinik zu diesem Zeitpunkt erst beginnen. Es ist kaum vorstellbar, dass der Kläger sich über einen Zeitraum von immerhin anderthalb Stunden bereits in der Kinderklinik aufgehalten hat, ohne dass irgend etwas dokumentiert ist; auch das von der Mutter des Klägers angefertigte Gedächtnisprotokoll (Anlage-Hefter "Krankenunterlagen Prof. Dr. S.") enthält keine Hinweise auf eine solche zeitliche Lücke. Da somit eine frühere Benachrichtigung des Klinikpersonals und Verlegung des Klägers in die Kinderklinik nicht feststellbar ist, lässt sich auch nicht feststellen, dass der erste Krampfanfall bereits um 15.30 Uhr stattgefunden hat, denn der Kläger hat immer vorgetragen, seine Eltern hätten das Klinikpersonal unmittelbar nach dem Auftreten des Krampfanfalls benachrichtigt.

Ausgehend von einer Aufnahme des Klägers in der Kinderklinik um 17.30 Uhr war der Zeitraum bis zur Durchführung der Sonografie um 18.45 Uhr nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. H. in Anbetracht der erforderlichen Vorbereitungen nicht zu lang.

b) Es ist jedenfalls nicht auszuschließen, dass um 18.45 Uhr der Hirnschaden bereits in vollem Umfang eingetreten war und eine wesentliche Verschlechterung danach nicht mehr stattgefunden hat.

Die Sachverständigen sind sich darüber einig, dass zumindest der Beginn des Blutungsereignisses zeitlich vor dem ersten Krampfanfall gelegen hat. Wie Prof. Dr. Sc. bei seiner Anhörung vor dem Senat ausgeführt hat, ist das Auftreten des Krampfanfalls Anzeichen für eine Schädigung der Hirnrinde gewesen, die im Zusammenhang mit dem Blutungsereignis stand; er hält es für durchaus möglich, dass die entscheidende Blutung bereits vor dem ersten Krampfanfall stattgefunden hat, noch bevor sich wesentliche Auffälligkeiten gezeigt haben (BE-Vermerk v. 03.07.2002, S. 11 ff. = Bl. 789 ff. GA). Zu dieser Auffassung neigt auch der Sachverständige Prof. Dr. H. (BE-Vermerk vom 04.12.2002, S. 7 = Bl. 910 GA). Es lässt sich zwar nicht feststellen, dass es sich hierbei um eine einzeitige Blutung mit einer früh einsetzenden Durchblutungsstörung gehandelt hat, die nach wenigen Minuten zu einem irreparablen Hirnschaden führte (so Prof. Dr. St. in seinem Gutachten vom 21.08.1998; Bl. 365 f. GA), andererseits lässt es sich auch nicht ausschließen. Auch Prof. Dr. S. hält es jedenfalls für wahrscheinlich, dass bereits zum Zeitpunkt des ersten Krampfanfalls eine ernsthafte und irreversible Schädigung eingetreten war, wobei die Möglichkeit offen bleibt, dass hier bereits ausgedehnte Areale des Gehirns dauerhaft geschädigt worden sind (Bl. 715 GA). Angesichts dessen kann eine (Mit-)Ursächlichkeit des Behandlungsfehlers für den eingetretenen Schaden nicht festgestellt werden.

2. Dem Kläger kommt hinsichtlich der Kausalitätsfrage auch keine Beweiserleichterung zugute.

a) Allerdings wäre nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. S. davon auszugehen, dass das weitere Abwarten nach Feststellung der unklaren Raumforderung im Interhemisphärenbereich einen groben Behandlungsfehler darstellt. Danach war der Kläger mit der bei ihm festgestellten neurologischen und klinischen Symptomatik - vor allem herdförmige Krämpfe, Augendeviation, Abfall der Hämoglobinwerte - und dem Nachweis abnormer, nicht deutbarer Strukturen im Gehirn bei der sonografischen Untersuchung um 18.45 Uhr ein möglicher neurochirurgischer Notfall (Bl. 243, 260, 704 GA). Prof. Dr. S. hat keinen Zweifel daran gelassen, dass die sofortige Weiterführung der Diagnostik zu diesem Zeitpunkt seiner Ansicht nach unaufschiebbar geworden war, wobei es nicht vorwerfbar gewesen wäre, dass diese weitergehende Diagnostik nicht in der Klinik der Beklagten zu 1) erfolgen konnte. Dann hätte der Kläger aber sofort in eine entsprechend ausgerüstete Klinik verlegt werden müssen; das Unterlassen dieser Maßnahme hat Prof. Dr. S. als völlig unverständlich bezeichnet (Bl. 698 GA). Wie er auf Nachfrage des Senats bekundet hat, war seiner Meinung nach zu diesem Zeitpunkt ein weiteres Abwarten schlichtweg unvertretbar (BE-Vermerk vom 03.07.2002, S. 2 = Bl. 780 GA), weshalb die Untätigkeit des Beklagten zu 3) von da an grob fehlerhaft gewesen wäre.

b) Ob diesen Ausführungen angesichts der Beurteilung des Behandlungsgeschehens durch Prof. Dr. H., der die unterlassene weitere diagnostische Abklärung am Abend des 04.01.1990 mangels Problembewusstsein zwar als fehlerhaft, aber nicht als völlig indiskutable Fehlleistung bezeichnet hat, gefolgt werden kann, kann im Ergebnis dahinstehen. Denn auch die Annahme eines groben Behandlungsfehlers rechtfertigt hier keine Beweiserleichterung.

aa) Dem steht zwar nicht entgegen, dass nach der übereinstimmenden Einschätzung der Sachverständigen eine mehr oder weniger große Schädigung bereits durch das Blutungsereignis vor dem ersten Krampfanfall eingetreten ist. Allgemein können grobe Behandlungsfehler zu Beweiserleichterungen bis zur Umkehr der Beweislast auch dann führen, wenn sie die eingetretene Schädigung nur zusammen mit einer (eventuell sogar bereits vorhandenen) anderen, der Behandlungsseite nicht anzulastenden Ursache herbeizuführen geeignet sind. Beweiserleichterungen bis zu einer Beweispflicht der Behandlungsseite infolge eines groben Behandlungsfehlers sind der Ausgleich dafür, dass diese durch ihr fehlerhaftes Vorgehen das Spektrum der möglichen Schadensursachen erweitert und so eine Sachlage herbeigeführt hat, die nicht mehr erkennen lässt, ob das ärztliche Versagen oder eine andere Ursache (hier: eine einmalige, spontane Gehirnblutung) den schädigenden Erfolg herbeigeführt hat (vgl. BGH, VersR 1997, 362). Das gilt in gleicher Weise, wenn die Handlung des Schädigers den Schaden nicht abgrenzbar allein, sondern nur zusammen mit einer anderen Ursache (etwa einer Sickerblutung) herbeigeführt hat (BGH, a.a.O.).

Insoweit genügt es, dass das fehlerhafte Vorgehen der Beklagten den Umständen nach geeignet war, zu dem Gesundheitsschaden des Klägers beizutragen. Das ist hier der Fall; da nicht feststeht, dass der gesamte Schaden bereits um 18.45 Uhr bei Durchführung der Sonografie eingetreten war, besteht die Möglichkeit, dass ein Eingreifen zu diesem Zeitpunkt den Hirnschaden des Klägers vermindert hätte, wie der Sachverständige Prof. Dr. S. in seinem zweiten Gutachten und in der mündlichen Verhandlung vom 24.06.2002 dargelegt hat (Bl. 717 GA; BE-Vermerk vom 03.07.2002, S. 17 f. = Bl. 795 f. GA) und auch die Sachverständigen Prof. Dr. Sc. und Prof. Dr. H. jedenfalls nicht vollkommen ausschließen konnten.

bb) Beweiserleichterungen sind hier jedoch ausgeschlossen, weil ein haftungsbegründender Ursachenzusammenhang zwischen dem Unterlassen und der Schädigung des Klägers - auch im Sinne einer Mitursächlichkeit - in hohem Maße unwahrscheinlich ist.

(1.) Die Beweiserleichterung für den Ursachenzusammenhang zwischen Behandlungsfehler und eingetretenem Gesundheitsschaden wird gerade deshalb gewährt (und gegebenenfalls in ihrem Umfang entsprechend abgestuft), weil das Spektrum der für den Misserfolg in Betracht kommenden Ursachen wegen der besonderen Schadensneigung des Fehlers verbreitert bzw. verschoben worden ist. Je unwahrscheinlicher ein solcher ursächlicher Zusammenhang ist, desto geringer wirken sich im Ergebnis auch die durch den Behandlungsfehler verursachten Aufklärungserschwernisse aus; ihr Gewicht verringert sich also gleichsam mit der wachsenden Unwahrscheinlichkeit eines Kausalzusammenhangs. Der möglichen Neutralisierung der Aufklärungserschwernisse durch Umstände, die einen ursächlichen Zusammenhang mit dem Schaden in hohem Maße unwahrscheinlich machen, muss auch bei der Frage, ob und in welchem Umfang im Einzelfall die gerechte Rollenverteilung im Arzt-Patienten-Verhältnis eine Beweiserleichterung für den Patienten erfordert, Rechnung getragen werden (vgl. BGH, VersR 1989, 80).

(2.) Nach dem Ergebnis der ergänzend durchgeführten Beweisaufnahme geht der Senat davon aus, dass eine wesentliche Veränderung des bereits um 18.45 Uhr eingetretenen Gehirnschadens des Klägers so unwahrscheinlich ist, dass eine Beweislastumkehr nicht gerechtfertigt erscheint. Er stützt sich hierbei im Wesentlichen auf die Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. Sc. und Prof. Dr. H., die übereinstimmend davon ausgehen, dass aller Wahrscheinlichkeit nach der verheerende Hirnschaden bereits im Zeitpunkt der Anfertigung der Sonografie eingetreten war und es sehr unwahrscheinlich ist, dass ein etwaiges Fortschreiten der Blutung bis zum nächsten Morgen den Schaden noch wesentlich vertieft hat. Dafür sprechen nach Ansicht des Senats folgende, von den Sachverständigen dargelegten Umstände:

(a) Die Blutung hatte bereits um 18.45 Uhr eine Ausdehnung erreicht, die in etwa dem Umfang des am nächsten Morgen auf dem CT zu erkennenden subduralen Hämatoms entsprach. Wie Prof. Dr. Sc. ausgeführt hat, ist die Größe des Sonografiebefundes Anhaltspunkt für die primäre Größe der Blutung (BE-Vermerk vom 03.07.2002, S. 5 u. 7 = Bl. 783 u. 785 GA). Zwar ist die Dokumentation der Kinderklinik diesbezüglich unzureichend, weil sich in den Behandlungsunterlagen kein schriftlicher Befund des Ultraschallbildes befindet. Eine Vorstellung von der Größe der Raumforderung ergibt sich jedoch aus ihrer Bezeichnung als "blumenkohlartig" durch die beteiligten Ärzte und vor allem aus den Angaben des Zeugen Dr. He. im Termin vom 28.11.2002, der das Bild von der Sonografie nach eigenen Angaben noch vor Augen hatte und den Befund als im Vergleich zu dem am nächsten Morgen angefertigten CT "eher größer, aber wesentlich weniger dicht" bezeichnet hat. Es muss also davon ausgegangen werden, dass die Blutung im Zeitpunkt der Ultraschalluntersuchung das Gehirn des Klägers bereits in einem Umfang betroffen hat, der in etwa den Ausmaßen entspricht, die am nächsten Morgen auf dem CT zu erkennen waren.

Entgegen der Auffassung des Klägers ergibt sich aus der Aussage des Zeugen Dr. He. nicht, dass am Abend des 04.01.1990 um 18.45 Uhr lediglich eine kleine Blutung vorhanden war. Die am nächsten Morgen erkennbare Verschiebung der Falx und die auffällige Veränderung der Seitenventrikel im Vergleich zu dem Sonografiebefund, wie ihn der Zeuge in Erinnerung hatte, spricht - wenn überhaupt - allenfalls dafür, dass es in der Zwischenzeit noch weiter geblutet hat. Diese Möglichkeit haben sowohl Prof. Dr. H. (BE-Vermerk vom 04.12.2002, S. 8 = Bl. 911 GA) als auch Prof. Dr. Sc. (BE-Vermerk vom 03.07.2002, S. 7 = Bl. 783 GA) auch ausdrücklich eingeräumt. Daraus lässt sich aber nicht ableiten, ob der Hirnschaden durch ein Fortschreiten der Blutung noch vertieft werden konnte oder ob der wesentliche Schaden am Abend bereits eingetreten war.

(b) Die Hirnblutung des Klägers hatte bei Durchführung der Sonografie bereits vor mehreren Stunden stattgefunden oder zumindest begonnen. Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass die dabei erkennbar gewordene Raumforderung zu diesem Zeitpunkt bereits echodicht war. Wie der Sachverständige Prof. Dr. H. überzeugend ausgeführt hat, muss es bei diesem Befund bereits längere Zeit - mehrere Stunden - geblutet haben, denn eine frische Blutung ist echoleer und bei einem Bluter dauert es geraume Zeit, bis sich die Gerinnsel (Koagel) einstellen, die als echodichte Struktur im Ultraschallbild erscheinen (BE-Vermerk vom 04.12.2002, S. 4 f. u. 7 f. = Bl. 907 f. u. 910 f. GA). Ob es sich dabei um eine Sickerblutung oder um eine einmalige spontane Massenblutung gehandelt hat, konnte zwar keiner der Sachverständigen angeben; für die Frage des Ausmaßes der Schädigung am Abend ist dies wegen der bereits zu diesem Zeitpunkt bestehenden Größe der Blutung jedoch nicht von ausschlaggebender Bedeutung.

(c) Wie Prof. Dr. Sc. bereits in seinem für das Landgericht erstatteten schriftlichen Gutachten vom 17.02.2000 ausgeführt hat, muss bei einem sehr großen Hämatom von einer rasch einsetzenden globalen Druckschädigung großer Hemisphärenanteile ausgegangen werden, die nach wenigen Minuten irreversibel ist (Bl. 488 GA). Angesichts der später festgestellten globalen Schädigung muss davon ausgegangen werden, dass der Druck bereits früh die zuführenden Schlagadern abgeklemmt hat, was nach wenigen Minuten zur Zerstörung von Nervengewebe geführt hat (BE-Vermerk v. 03.07.2002, S. 10 = Bl. 788 GA).

Für eine frühzeitige Druckschädigung des Gehirns bestehen nach dem klinischen Bild des Klägers auch Anhaltspunkte: am bedeutsamsten sind hier sicher die fokalen Krampfanfälle des Klägers, von denen der erste bereits vor der Einlieferung in die Kinderklinik erfolgte, ein weiterer um 17.55 Uhr in der Kinderklinik. Prof. Dr. H. hat dargelegt, dass es bei Neugeborenen erst dann zu Symptomen wie Krampfanfällen kommt, wenn bereits eine extensive Schädigung des Gehirns eingetreten ist. Nach Prof. Dr. Sc. werden Krämpfe nur erzeugt, wenn die Hirnrinde selber bereits geschädigt ist; diese Schädigung kann durchaus schon einige Zeit vor dem Krampfanfall eingetreten sein, denn nicht jede Schädigung der Hirnrinde löst bereits Krampfanfälle aus. Insbesondere Neugeborene, bei denen die Großhirnfunktion als solche noch nicht differenziert ist, zeigen nach Prof. Dr. H. selbst bei schweren Funktionsstörungen des Gehirns relativ geringe Symptome, weshalb das Auftreten von Krämpfen bereits für eine massive Beeinträchtigung der Hirnfunktion spricht (BE-Vermerk vom 04.12.2002, S. 10 = Bl. 913 GA). Hinzu kommt, dass rückblickend bereits das Erbrechen des Klägers am Mittag des 04.01.1990 als Hirndrucksymptom gedeutet werden kann, ebenso wie die bei der Aufnahme in die Kinderklinik festgestellte gespannte Fontanelle und die Augendeviation sowie die später beobachteten Bradycardien (Gutachten Prof. Dr. S. v. 28.03.2002, Bl. 689, 690 f. GA). Die Krampfanfälle, die Augendeviation und das von der Mutter des Klägers am Nachmittag beobachtete Herabfallen des Mundwinkels stellten nach der sachverständigen Beurteilung von Prof. Dr. H. bereits so massive Symptome für eine Hirnschädigung dar, dass ein anderer Schadensverlauf bei einer Verlegung des Klägers in die U. D. noch am selben Abend - gegebenenfalls nach Erstellung des Gerinnungsstatus - sehr unwahrscheinlich ist (BE-Vermerk vom 04.12.2002, S. 8 f. u. 11 f. = Bl. 911 f. u. 914 f. GA).

(d) Es bestehen - wie Prof. Dr. H. ausgeführt hat - auch keine konkreten Anhaltspunkte für eine weitere Schädigung zwischen der Sonografie am Abend und der Computertomografie am nächsten Morgen. Prof. Dr. S. hält es zwar für gut möglich, dass die - auch seiner Ansicht nach - bereits um 18.45 Uhr bestehende Hirnschädigung durch eine zweite Blutung oder eine Sickerblutung bis zum Morgen noch einmal etwas vergrößert worden ist. Das ist jedoch nach den überzeugenden Ausführungen von Prof. Dr. Sc. und Prof. Dr. H., die beide auf ihrem jeweiligen Fachgebiet über überragende praktische Erfahrung verfügen, nur eine theoretische Möglichkeit, die eine Beweislastumkehr zugunsten des Klägers nicht rechtfertigt.

Die Argumentation von Prof. Dr. S. basiert im Wesentlichen darauf, dass aufgrund der Hämophilie des Klägers eine zweizeitige Blutung oder eine fortschreitende Sicherblutung wesentlich wahrscheinlicher sei, als eine einmalige spontane Massenblutung vor Durchführung der Sonografie am Abend des 04.01.1990, und deshalb die Möglichkeit bestehe, dass zunächst nur ein geringerer Schaden eingetreten ist, der durch ein Fortschreiten der Blutung noch vergrößert werden konnte (Bl. 715 GA).

Dass eine zweizeitige Blutung unwahrscheinlich ist, hat Prof. Dr. Sc. jedoch überzeugend damit begründet, dass bei einer Hämophilie die Blutung nicht von selbst aufhört, sondern erst dann, wenn der Druck im Kopf so groß ist, dass keine weitere Flüssigkeit hinein passt. Erst wenn der Druck - nach Tagen oder Wochen - nachlässt, wäre Gelegenheit für eine zweite Blutung. Eher möglich erscheint dagegen eine Sickerblutung, die im Zeitpunkt der Sonografie noch nicht vollständig zum Stillstand gekommen war; dies haben auch Prof. Dr. H. und Prof. Dr. Sc. nicht ausgeschlossen. Nach ihren in jeder Hinsicht überzeugenden Ausführungen ist jedoch nicht die Art der Blutung ausschlaggebend für das Ausmaß des Schadens am Abend des 04.01., sondern vor allem deren Größe und die festgestellten massiven Symptome. Beides steht der Annahme einer zunächst kleinen Schädigung von Prof. Dr. S. entgegen. Auch sein Argument, der Umstand, dass der Kläger in der Nacht weitgehend unauffällig gewesen sei, lasse auch die Deutung zu, dass ein entscheidender Teil der Hirnblutung erst am Morgen des 05.01.1990 entstanden sei, vermag nicht zu überzeugen. Der neurochirurgische Sachverständige Prof. Dr. Sc. hat dargelegt, dass keine lineare Beziehung zwischen der Größe einer Läsion und der Intensität und Frequenz der Anfälle besteht. Weder der um 20.10 Uhr aufgetretene weitere Krampfanfall noch die anschließende relative Unauffälligkeit besagt etwas über den Zeitpunkt der entscheidenden Hirnschädigung. Die relative Unauffälligkeit kann zudem auch darauf beruhen, dass dem Kläger antikonvulsive Medikamente (Luminal, Diazepam) verabreicht wurden. Entscheidend gegen eine Schädigung erst am Morgen des 05.01.1990 spricht jedoch nach Prof. Dr. Sc., dass angesichts des Befundes des gegen 9.30 Uhr angefertigten Computertomogramms bereits seit mindestens 6 bis 8 Stunden - dabei handelt es sich nach seiner Erfahrung um das absolute Minimum - keine Blutversorgung des Gehirns mehr stattgefunden hat (BE-Vermerk vom 03.07.2002, S. 13 = Bl. 791). Dieser Schätzung hat sich Prof. Dr. S. sogar angeschlossen, aber gleichwohl erklärt, er könne nicht ausschließen, dass die Schädigung teilweise erst in der Nacht und am frühen Morgen des 05.01.1990 entstanden sei. Dies zeigt jedoch, dass er bei der Beantwortung der Beweisfrage einen zu strengen Maßstab anlegt. Die Frage, ob eine Beweislastumkehr zugunsten des Klägers eingreift oder nicht, hängt nicht davon ab, ob eine Vergrößerung des Schadens nach 18.45 Uhr auszuschließen ist, sondern davon, wie wahrscheinlich ein solcher Verlauf ist. Eine Wahrscheinlichkeit konnte Prof. Dr. S. jedoch auch auf Nachfrage des Senats nicht angeben; er hielt es lediglich für gut möglich.

Auch die Stellungnahme des vom Kläger eingeschalteten Privatgutachters Prof. Dr. V. vom 25.08.1995 rechtfertigt keine andere Entscheidung. Prof. Dr. V. stützt seine Überzeugung, dass man dem Kläger noch hätte helfen können und dass ihm zumindest eine Teil der heute bestehenden schweren Schädigung erspart geblieben wäre (Bl. 107 GA), im Wesentlichen auf den Abfall des Hämoglobins von 15 g/% am 04.01. auf 11 g/% am Mittag des 05.01.1990; er meint, man müsse deshalb davon ausgehen, dass sich die Blutung vom 04. auf den 05.01. langsam weiter in das Gehirn eingewühlt habe (Bl. 96 GA). Bereits Prof. Dr. S. hat in seinem schriftlichen Gutachten vom 28.03.2002 jedoch ausgeführt, dass dieser Abfall des Hämoglobins nicht zwangsläufig mit einer entsprechend umfangreichen Blutung einhergeht, weil bei einem Neugeborenen die Verdünnung des Blutes durch Einströmen von Gewebswasser relativ langsam erfolgen kann (Bl. 714 GA). Dies entspricht der Auffassung von Prof. Dr. H., der auch in dem Abfall der Thrombozytenzahl keinen Hinweis auf eine größere Blutung in der Nacht sieht (BE-Vermerk vom 04.12.2002, S. 7 = Bl. 910 GA). Entscheidend ist aber ohnehin nicht, ob es in der Nacht noch geblutet hat, denn dies bedeutet nicht automatisch, dass dadurch der Schaden noch vertieft werden konnte. Insoweit vermag die Schlussfolgerung von Prof. Dr. V. nicht zu überzeugen, weil er weder den Umfang und das relative Alter der Blutung am Abend des 04.01.1990 noch die massiven Symptome für eine schwere Gehirnschädigung bereits zu diesem Zeitpunkt berücksichtigt. Gerade diese Umstände sind es jedoch, die - wie sowohl Prof. Dr. Sc. als auch Prof. Dr. H. überzeugend ausgeführt haben - eine Vergrößerung des Schadens nach 18.45 Uhr so unwahrscheinlich machen, dass es nach Auffassung des Senats bei der Beweislast des Klägers dafür verbleiben muss, dass eine Vergrößerung des Schadens durch eine fehlerfreie Behandlung verhindert worden wäre. Diesen Beweis kann er - wie unter Ziff. 1. dargelegt - nicht führen, weshalb die Klage abzuweisen war.

B.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revisionszulassung ist nicht veranlasst.

Die Beschwer des Klägers liegt über ? 20.000.

Ende der Entscheidung

Zurück