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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 18.12.2000
Aktenzeichen: 8 UF 180/00
Rechtsgebiete: BGB, RPflG, ZPO, Kinderunterhaltsgesetzes


Vorschriften:

BGB § 1612 Abs. 2
BGB § 1612 Abs. 2 Satz 2
BGB § 1612 Abs. 2 Satz 1
RPflG § 3 Nr. 2 a
RPflG § 14
RPflG § 3 Nr. 2
RPflG § 3 Nr. 3 a
RPflG § 20
RPflG § 7
RPflG § 8 Abs. 4
ZPO § 621 a Abs. 1
ZPO § 606
ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 4
ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 5
ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 8
ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 1 - 3
ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 6
ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 7
ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 9
ZPO § 621 a
ZPO § 655 Abs. 1 bis 4
ZPO § 655 Abs. 6
ZPO § 621 e Abs. 2
ZPO § 546 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1
Kinderunterhaltsgesetzes § 2
Kinderunterhaltsgesetzes § 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

8 UF 180/00 21 F 6/00 AG Mülheim an der Ruhr

In der Familiensache

pp.

hat der 8. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Düsseldorf durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. B und die Richter am Oberlandesgericht Dr. S und S am 18. Dezember 2000

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluß des Amtsgerichts Mülheim an der Ruhr vom 31. August 2000 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Sachbehandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Die weitere Beschwerde wird zugelassen.

Gegenstandswert für die Beschwerdeinstanz: 3.000 DM.

Gründe:

I.

Der am 14.10.1981 geborene Antragsteller lebte bis zum 09.01.1999 im Haushalt der Mutter (= Antragsgegnerin), die bis zum Eintritt der Volljährigkeit des Antragstellers die alleinige elterliche Sorge innehatte. Seit dem Auszug bei der Mutter lebt der Antragsteller im Haushalt des Vaters. Mit Stufenklage vom 25.03.1999 machte der Antragsteller gegenüber seiner Mutter Kindesunterhalt geltend (21 F 22/99 AG Mülheim an der Ruhr). Mit Antragsschrift vom 19.01.2000 begehrte der Antragsteller Feststellung gemäß § 1612 Abs. 2 BGB, daß seine Mutter ihm gegenüber barunterhaltspflichtig ist. Durch den angefochtenen Beschluß, den der Rechtspfleger erlassen hat, wurde der Antrag zurückgewiesen.

II.

Auf die zulässige Beschwerde des Antragstellers (§ 621 e ZPO) ist der angefochtene Beschluß aufzuheben; denn die Entscheidung des Amtsgerichts leidet an einem unheilbaren Verfahrensmangel.

Für die Entscheidung gemäß § 1612 Abs. 2 Satz 2 BGB ist im vorliegenden Verfahren nicht der Rechtspfleger funktionell zuständig, sondern der Richter.

Die überwiegende Meinung geht, auch seitdem für die Abänderung der Unterhaltsbestimmung das Familiengericht anstelle des Vormundschaftsgerichts gemäß § 1612 Abs. 2 Satz 2 BGB zuständig ist, von der funktionellen Zuständigkeit des Rechtspflegers aus (OLG Hamm in FamRZ 2000, 256; OLG Hamburg in FamRZ 2000, 246; OLG Frankfurt/Main in FamRZ 2000, 1424; Arnold/Meyer-Stolte, Rechtspflegergesetz, 5. Aufl., § 14, Rdnr. 35; Häußermann in: Familienrechtsreformkommentar, § 1612 BGB, Rdnr. 7). Dies wird mit §§ 3 Nr. 2 a, 14 RPflG begründet. Danach ist der Rechtspfleger für Familiensachen im Sinne des zweiten Abschnitts des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und Angelegenheiten, die im bürgerlichen Gesetzbuch dem Familienrichter übertragen sind, zuständig, wenn nicht der Richtervorbehalt gemäß § 14 RPflG greift. Voraussetzung wäre also, daß es sich bei dieser Familiensache um eine Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit handelt. Dies wiederum beurteilt sich nach § 621 a Abs. 1 ZPO. Mit dieser Vorschrift unterscheidet das Gesetz einerseits die zivilprozessualen Familiensachen, nämlich Ehesachen, Unterhaltsrechts- und Güterrechtssachen gemäß §§ 606, 621 Abs. 1 Nr. 4, 5 und 8 und andererseits Familiensachen aus dem Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit gemäß § 621 Abs. 1 Nr. 1 - 3, 6, 7 und 9 ZPO. Unterhaltssachen sind rein zivilprozessuale Familiensachen, da sie in dem Katalog des § 621 a ZPO nicht erwähnt sind. Keiner weiteren Begründung bedarf es, daß die Abänderung des Bestimmungsrechts die Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind betrifft und deswegen § 621 Abs. 1 Nr. 4 ZPO zuzuordnen ist. Ob bei Minderjährigen zugleich eine Sorgerechtsregelung vorliegt (ablehnend OLG Frankfurt, FamRZ 2000, 1424) und deshalb hier die Entscheidung über die Abänderung des Bestimmungsrechts auch dem § 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zuzuordnen ist, kann vorliegend dahinstehen. Jedenfalls bei Volljährigen, insbesondere wenn wie vorliegend bei Verfahrenseinleitung bereits Volljährigkeit eingetreten war, handelt es sich ausschließlich um eine Angelegenheit, die im streitigen Zivilprozeß zu klären ist und nicht um eine Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit, so daß nicht § 3 Nr. 2 RPflG, sondern vielmehr § 3 Nr. 3 a RPflG anwendbar ist. Danach ist der Rechtspfleger nur für die ihm ausdrücklich gemäß § 20 RPflG übertragenen Geschäfte zuständig. In Unterhaltssachen ist gemäß dessen Nr. 10 der Rechtspfleger ausschließlich für die Festsetzung von Unterhalt im vereinfachten Verfahren und die Abänderung entsprechender Unterhaltstitel nach § 655 Abs. 1 bis 4 und 6 ZPO sowie die Festsetzung von Unterhalt und Abänderung von Unterhaltstiteln nach Artikel 5 §§ 2 und 3 des Kinderunterhaltsgesetzes zuständig. Das Abänderungsverfahren gemäß § 1612 Abs. 2 Satz 2 BGB ist in dem Katalog nicht erwähnt. Dies bedeutet, daß der Richter funktionell zuständig ist und durch Urteil zu entscheiden hat (Göppinger/Wax, Unterhaltsrecht, 7. Aufl., Rdnr. 184).

Ob diese Konsequenz der gesetzgeberischen Intention entsprach, kann dahinstehen. Angesichts der eindeutigen Zuständigkeitsregelung kann die verfahrensrechtliche Zuordnung zum streitigen Zivilprozeß nicht beseitigt werden.

Da die angefochtene Entscheidung durch den funktionell unzuständigen Rechtspfleger getroffen wurde und ein Beschluß gemäß § 7 RPflG nicht vorliegt, leidet das erstinstanzliche Verfahren gemäß § 8 Abs. 4 RPflG an einem unheilbaren Mangel, der zur Aufhebung der Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht führt (Arnold/Meyer-Stolte, a.a.O., § 8, Rdnr. 12; OLG Frankfurt in FamRZ 1996, 819).

Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, daß über das Abänderungsbegehren nunmehr im streitigen Zivilprozeß zu verhandeln und durch Urteil zu entscheiden ist. Dabei kann das durch Gestaltungsklage geltend zu machende Abänderungsbegehren mit der Klage auf Unterhalt verbunden werden (vgl. Göppinger/Wax, a.a.O., Rdnr. 184). Das erscheint angesichts des Umstandes zweckmäßig, daß der Richter im Unterhaltsverfahren ohnehin inzident darüber zu befinden hat, ob überhaupt eine wirksame Unterhaltsbestimmung gemäß § 1612 Abs. 2 Satz 1 BGB vorliegt (vgl. Wendl/Staudigl, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 5. Aufl., § 2 Rdnr. 36) und Nichtigkeits- und Abänderungsgründe in engem sachlichem Zusammenhang stehen.

Gemäß §§ 621 e Abs. 2, 546 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO läßt der Senat die weitere Beschwerde zu, weil die Frage, ob der Richter oder der Rechtspfleger für das Abänderungsverfahren zuständig sind, von grundsätzlicher Bedeutung ist.

Ende der Entscheidung

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