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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 02.10.2000
Aktenzeichen: 9 U 39/00
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 263
ZPO § 267
ZPO § 92 Abs. 2
ZPO § 269 Abs. 3
ZPO § 344
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 108
BGB § 138 Abs. 2
BGB § 138
BGB § 166 Abs. 1
BGB § 141
BGB § 284
BGB § 288
BGB §§ 320 ff.
BGB § 323 Abs. 3
BGB § 323 Abs. 1 Satz 1
BGB § 325 Abs. 1 Satz 3
BGB § 440 Abs. 1
BGB § 816 Abs. 1 Satz 1
BGB § 818
BGB § 818 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

9 U 39/00

Verkündet am 2. Oktober 2000

pp.

In dem Rechtsstreit

hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 12. September 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht P..., den Richter am Oberlandesgericht G... und die Richterin am Oberlandesgericht S...

für Recht erkannt:

Tenor:

1.

Auf die Berufung des Klägers wird das am 7. Januar 2000 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Kleve teilweise abgeändert:

Das Versäumnisurteil gegen den Kläger zu 2) vom 16.07.1999 wird bis auf die Abweisung der Zinsforderung für den Zeitraum vom 16.01.1997 bis 15.01.1998 aufgehoben.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 69.000 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 16.01.1998 zu zahlen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

2.

Von den Kosten erster Instanz trägt die Klägerin zu 1) 1/6 der Gerichtskosten, 1/4 der außergerichtlichen Kosten der Beklagten sowie ihre eigenen außergerichtlichen Kosten.

Im übrigen fallen die Kosten den Beklagten zur Last, jedoch mit Ausnahme der Kosten der Säumnis des Klägers, die dieser zu tragen hat.

Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen den Beklagten zur Last.

3.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten können die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 85.000 DM abwenden, sofern nicht der Kläger vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Kläger kann die gegen ihn gerichtete Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 500 DM abwenden, wenn nicht die Beklagten vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Sicherheitsleistungen können jeweils durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer westdeutschen Großbank oder öffentlich-rechtlichen Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand:

Der Kläger zu 2) (nachfolgend Kläger) war seit 1978 Eigentümer des früheren Elternhauses H.......-Straße... in E.... Für die Modernisierung des Hauses hatte er ein Darlehen über 86.000 DM aufgenommen, für das er seit 1986 monatlich 444,33 DM zur Zinstilgung an die H... Hypothekenbank bezahlte. Zum 30.06.1991 löste er diesen Kredit mittels eines Darlehens bei der R... in E... ab, für das er fortan monatlich ca. 700 DM leisten Sollte. Trotzdem veräußerte er nach kurzfristigen Verhandlungen mit dem Beklagten zu 1.), der als Versicherungsvertreter für die 'A...' tätig war, mit notariellem Kaufvertrag vom 09.07.1991 des Notars B... aus R... (UR.-Nr. ...) das Hausgrundstück, das einen Wert von ca. 230.000 DM hatte, an dessen Ehefrau, die Beklagte zu 2), zu einem Kaufpreis von 86.000 DM. Mit diesem Betrag löste der Kläger den Nettokredit bei der R... am 12.07.1991 wieder ab. Ferner unterzeichneten der Kläger und seine Ehefrau, die frühere Klägerin zu 1), einen auf den 18.07.1991 datierten "Mietvertrag" mit der Beklagten zu 2) über das Einfamilienhaus. Bis September 1994 zahlte der Kläger dann monatlich 750 DM, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob dies Mietzahlungen waren oder die Kosten zur Darlehenstilgung auf Beklagtenseite deckten. Die Beklagte zu 2) wurde im Grundbuch eingetragen.

Wiederum nach Verhandlungen mit dem Beklagten zu 1) veräußerte schließlich die Beklagte zu 2) das Grundstück durch notariellen Vertrag vom 20.09.1994 (Notar B... aus R..., UR.-Nr. ...) an den Kläger und seine Ehefrau zu einem Preis von nunmehr 155.000 DM.

Mit Schreiben vom 04.12.1997 forderte der Kläger erfolglos von der Beklagten zu 2) die Rückzahlung der Differenz zwischen dem Kaufpreis aus dem Vertrag von 1994 und dem Kaufpreis aus dem Jahre 1991. Die Beklagten beriefen sich auf Verjährung.

In erster Instanz hat der Kläger vorgetragen, der Beklagte zu 1) habe ihm 1991 eine günstigere Finanzierung mit monatlichen Raten von 300 DM versprochen. Das Finanzierungsmodell sei von einer Übertragung des Grundstücks H.......-Straße abhängig gemacht worden. Der Beklagte zu 1) habe ihm aber mehrfach versprochen, das Grundstück könne nach drei Jahren zum gleichen Kaufpreis zurückerworben werden. Bis zum Beurkundungstermin seien sie davon ausgegangen, der Beklagte zu 1) werde ihr Vertragspartner. Anläßlich der Beurkundung sei mit der ihnen bis dahin - unstreitig - unbekannten Beklagten zu 2) über die Rückübertragungsverpflichtung nicht mehr gesprochen worden. Nach der Übertragung hätten sie monatlich 750 DM zum Zwecke der Refinanzierung gezahlt. Der Kaufpreis sei mit 86.000 DM erheblich unter dem Wert des Grundstücks angesetzt gewesen, um Kosten zu sparen. Nach Ablauf der drei Jahre sei die Beklagte zu 2), die ursprünglich Preisvorstellungen von 300.000 DM gehabt hätte, nur gegen Zahlung von 155.000 DM bereit gewesen, das Hausgrundstück zurückzuübertragen. In Höhe des Differenzbetrages von 69.000 DM seien die Beklagten wegen Nichteinhaltung ihrer Zusage zur Rückübertragung schadensersatzpflichtig, zumindest aber ungerechtfertigt bereichert.

Nachdem die Ehefrau des Klägers die Klage zurückgenommen und der Kläger im Termin vom 30.06.1999 keinen Antrag gestellt hatte, wies das Landgericht durch Versäumnisurteil vom 16.07.1999 die Klage ab.

Nach Einspruch hat der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Versäumnisurteils die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an ihn 69.000 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 16.01.1997 zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt,

das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten.

Der Beklagte zu 1) habe keinerlei Finanzierung zu den genannten Konditionen zugesagt und die Beklagte zu 2) keine Rückübertragungsverpflichtung übernommen. Vielmehr hätten sich der Kläger und dessen Ehefrau im Juli 1991 verpflichtet, einen Kaltmietzins von 750 DM zu zahlen. Der Kläger habe sich entsprechend seinen schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen nur vergewissert, ob ein Rückerwerb möglich sei; dies sei von ihrer Seite nicht ausgeschlossen worden. Bei den dem notariellen Vertrag vom 20.09.1994 vorausgegangen Verhandlungen sei nie über eine Rückübertragungsverpflichtung aufgrund eines früheren Vertrages gesprochen worden.

Durch Urteil vom 07.01.2000 hat das Landgericht das Versäumnisurteil vom 16.07.1999 aufrechterhalten, weil es der Auffassung war, durch den Vertrag vom 20.09.1994 sei eine vergleichsweise Regelung zwischen den Parteien über den Preis getroffen worden.

Mit der dagegen gerichteten Berufung behauptet der Kläger, der Beklagte zu 1) habe sich damals mit einer günstigen Finanzierung quasi aufgedrängt. Das Konzept habe vorgesehen, für eine Zeit von drei Jahren Finanzierungskosten von monatlich 750 DM zu zahlen; danach würde sich der Betrag auf etwa 350 DM reduzieren. Bedingung sei die Veräußerung des Hausgrundstücks an die Beklagte zu 2) zu einem Kaufpreis in Höhe der Grundschulden gewesen. Nach Ablauf der drei Jahre habe das Grundstück zum ursprünglichen Kaufpreis von 86.000 DM an ihn zurückveräußert werden sollen. Die Ablösung des Kredites bei der R... und Umfinanzierung habe unmittelbar über den Beklagten zu 1) erfolgen sollen. Die monatlichen Zahlungen von 750 DM hätten daher ausschließlich dem Zweck gedient, die Rückfinanzierung des Beklagten bei der A... zu decken. Den von der Beklagten zu 2) vorgelegten Mietvertrag hätten er und seine Ehefrau zwar unterzeichnet, ihm wäre aber nicht bewußt gewesen, dass es sich dabei um einen Mietvertrag handele. Er habe immer geglaubt, es ginge um die Finanzierungskosten.

Der Kläger beantragt,

in Abänderung des angefochtenen Urteils und unter Aufhebung des Versäumnisurteils die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an ihn 69.000 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 16.01.1997 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie vertiefen ihren erstinstanzlichen Vortrag und meinen, gegen die Annahme einer vom Kläger behaupteten Rückübertragungsverpflichtung sprächen gewichtige Gründe. Schließlich sei der Mietvertrag geschlossen worden und 1994 vorbehaltlos ein Kaufpreis von 155.000 DM vereinbart worden. Bis 1997 habe der Kläger auch nichts unternommen, um den überzahlten Kaufpreis zurückzuerlangen. Den Vortrag des Klägers unterstellt, hätte die Beklagte zu 2) sicherlich die Kosten der Eigentumsübertragung 1991 nicht übernommen, ohne vorher eine Erstattungspflicht zu vereinbaren.

Im Senatstermin vom 11.09.2000 sind die Parteien darauf hingewiesen worden, dass auf der Grundlage des Vorbringens der Beklagten zu erwägen sei, ob der Vertrag vom 09.07.1991 wegen Sittenwidrigkeit/Wuchers nichtig sei und sich hiervon ausgehend Ansprüche des Klägers ergeben könnten. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat dem zugestimmt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und die zu der Akte gereichten Urkunden sowie insbesondere auf das Protokoll vom 11.09.2000 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat bis auf einen geringen Teil der Zinsforderung Erfolg.

Das mit der angegriffenen Entscheidung des Landgerichts aufrechterhaltene Versäumnisurteil war entsprechend aufzuheben und die Beklagten gesamtschuldnerisch zur Zahlung zu verurteilen.

Ob die Berufung des Klägers auf der Grundlage seines ursprünglichen Vorbringens (nicht beurkundetes Rückkaufrecht zum Kaufpreis von 86.000 DM) Erfolg gehabt hätte, kann dahinstehen. Insoweit hat der Senat aufgrund der eigenen Angaben des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung bereits erhebliche Zweifel, ob er tatsächlich vortragen lassen wollte, ihm sei eine Rückkaufgarantie zum Preise von 86.000 DM gegeben worden. Denn der Kläger konnte im Senatstermin - insoweit nicht protokolliert - lediglich angegeben, der Beklagte zu 1) habe ihm gesagt, "das Hause komme nach drei Jahren zurück". Der Beklagte hat seinerseits in diesem Zusammenhang eingeräumt, 1991 in Aussicht gestellt zu haben, das Haus könne zurückerworben werden - allerdings ohne Nennung eines Preises. Möglicherweise hat der Kläger hierauf eine besondere Redlichkeit des ihm scheinbar helfenden Beklagten zu 1) unterstellt und erwartet, bei einem Rückerwerb könne der Kaufpreis gar nicht höher liegen als 1991.

Dies kann aber deshalb dahinstehen, weil sich der Kläger aufgrund der Erörterungen zur Sittenwidrigkeit des Vertrages von 1991 das Vorbringen des Beklagten zu eigen gemacht hat. Im Rahmen dieser Erörterungen wurde seitens des Senats ausdrücklich darauf hingewiesen, dass von einem die Sittenwidrigkeit begründenden Mißverhältnis nicht gesprochen werden könne, wenn sich die Beklagte zu 2) zu einem Rückkauf zu gleichen Bedingungen verpflichtet hätte, was der Beklagte zu 1) bei seiner Anhörung nochmals in Abrede gestellt hat. Mit dem zustimmenden Aufgreifen dieses Hinweises durch den Prozeßbevollmächtigten des Klägers hat sich dieser das Vorbringen der Beklagten zu eigen gemacht. Gegen die Zulässigkeit der darin liegenden Klageänderung, die im übrigen sachdienlich ist, bestehen keine Bedenken (§§ 263, 267 ZPO).

1. Auf der Grundlage dieses Vorbringens kann der Kläger von der Beklagten zu 2) die Zahlung eines Betrages in Höhe von 69.000 DM gemäß den §§ 323 Abs. 3, 325 Abs. 1 Satz 3, 440 Abs. 1, 818 BGB bzw. § 816 Abs. 1 Satz 1 BGB verlangen.

a) Die Beklagte zu 2) hat sich im Kaufvertrag vom 20.09.1994 zur Übertragung des Grundstückes H...-...-Straße... verpflichtet. Hinsichtlich dieser vereinbarten Leistung lag in ihrer Person ein objektives anfängliches Unvermögen vor. Denn trotz ihrer Eintragung im Grundbuch war materiell-rechtlich nicht sie Eigentümerin des Grundstückes, sondern der Kläger. Er hatte sein Eigentum 1991 infolge der Sittenwidrigkeit der Vereinbarungen der Parteien nicht verloren, so dass er von der 1994 für den nicht möglichen "Rückerwerb" des Grundstückes vereinbarten Gegenleistung frei geworden ist. Die darauf bereits erbrachten Zahlungen sind dem Kläger gemäß den §§ 323 Abs. 3, 325 Abs. 1 Satz 3 BGB zurückzugewähren.

aa) Der Kaufvertrag der Parteien von 1991 ist einschließlich des Übertragungsgeschäftes wegen Wuchers nichtig, § 138 Abs. 2 BGB.

Ein wucherisches Rechtsgeschäft liegt vor, wenn ein auffälliges Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht und vom Begünstigten die bestehende Schwächesituation bei dem anderen Teil ausgenutzt wird. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

Von einem besonders groben Mißverhältnis von Leistung und Gegenleistung kann bereits dann gesprochen werden, wenn der Verkehrswert eines Grundstückes annähernd doppelt so hoch ist wie der Kaufpreis (st. Rspr. des BGH, vgl. etwa BGH VIZ 1997, 105, 106). Der Kläger hat 1991 sein Haus zu 86.000 DM veräußert, das tatsächlich zum damaligen Zeitpunkt einen Wert von ca. 230.000 DM hatte. Diesen Wert hat der Beklagte zu 1), der die Vertragsverhandlungen seinerzeit alleine auf selten der Beklagten führte, im Senatstermin selbst eingeräumt. Er hat diesbezüglich 1991 ein entsprechendes Gutachten für die Finanzierung eingeholt. Der tatsächliche Wert im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses überstieg damit den Kaufpreis um rund das 2 1/2 - fache. Die sich angesichts dieses außergewöhnlichen Missverhältnisses zwischen Kaufpreis und Wert des Grundstücks aufdrängende Vermutung, es habe eine Schwarzgeldabrede gegeben, haben beide Parteien im Senatstermin als unrichtig zurückgewiesen.

Die Beklagte zu 2) kann gegen dieses objektiv vorliegende auffällige Mißverhältnis nicht einwenden, dem Kläger sei es möglich gewesen, einen Teil des Hauses unterzuvermieten. Diese Verdienstmöglichkeit - monatlich 400 DM - hätte dem Kläger als Eigentümer bei Fortführung des Kreditvertrages mit der R... auch offengestanden.

Die Beklagte zu 2) hat bei Abschluß des Vertrages das beim Kläger bestehende mangelnde Urteilsvermögen ausgenutzt. Ein Mangel an Urteilsvermögen im Sinne von § 138 Abs. 2 BGB besteht, wenn bei dem konkreten Geschäft dem Bewucherten in erheblichem Maße die Fähigkeit fehlt, die beiderseitigen Leistungen und die wirtschaftlichen Folgen des Geschäfts richtig zu beurteilen. Eine grundsätzliche Verstandesschwäche ist nicht erforderlich (vgl. Palandt/Heinrichs, § 138 BGB Rdnr. 72; Erman/Palm, § 138 BGB, Rdnr. 23).

Der Kläger war erkennbar nicht in der Lage, das Kaufgeschäft von 1991 richtig zu bewerten. Denn bei nur annähernd vernünftiger Einschätzung der Lage hätte er erkennen müssen, dass die vom Beklagten zu 1) angebotene "Umschuldung" für ihn keine finanzielle Entlastung bringen, sondern lediglich zusätzliche Kosten gegenüber der R... für die Ablösung des dort gerade zum 1. Juli 1991 aufgenommenen Kredites und eine um ca. 50 DM höhere monatliche Belastung zugunsten der Beklagten verursachen würde. Gleichzeitig verlor er sein Eigentum im Werte von 230.000 DM, dem nur eine Schuldentilgung in Höhe von 86.000 DM gegenüberstand. Die im Termin vom Beklagten im Rahmen der Erörterung erwähnte weitere Schuldenlast des Klägers von ca. 35.000 DM wurde von Beklagtenseite gerade nicht übernommen und hat deshalb außer Betracht zu bleiben.

Diese Einzelfakten in eine Gesamtbetrachtung einfließen zu lassen, die nur die Ablehnung des Angebotes des Beklagten zu 1) hätte bedeuten können, war dem Kläger nicht möglich. Dies haben die unbeholfenen Angaben des Klägers bei seiner Anhörung vor dem Senat deutlich gemacht. Der Kläger hat statt zu beurteilen, schlicht auf den Vorschlag des Beklagten in dessen Sinne reagiert, um die vermeintliche "Verbesserung der Situation" - wie der Beklagte das damalige Vorgehen im Senatstermin umschrieb - zu bewirken. Eine solche Verbesserung der finanziellen Verhältnisse des Klägers konnte durch die Übertragung des Objektes nicht erreicht werden. Lediglich die Situation des Beklagten bzw. seiner Ehefrau sollte sich verbessern, weil sie zu günstigen Konditionen ein Haus erwerben konnten. Dies war dem Beklagten zu 1), der im Senatstermin vom 11.09.2000 darauf hinwies, kein Wohlfahrtsinstitut zu sein, auch klar. Ihm waren sowohl der Wert der Immobilie wie auch die aktuellen finanziellen Belastungen des Klägers bekannt. Der Kaufpreis reichte gerade, um den Kredit der R... abzulösen. Für die zukünftige Nutzung des Hauses mußte der Kläger Miete zahlen; das angebliche Ziel, das der Beklagte persönlich dem Senat zur Rechtfertigung genannt hat, nämlich der Familie B... einen Verbleib in dem Haus zu ermöglichen, wurde dinglich (Wohnungsrecht) gerade nicht abgesichert.

Zwar hat die Beklagte zu 2) an den Vertragsverhandlungen persönlich nicht teilgenommen. Das grobe Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung kann ihr aber nicht verborgen geblieben sein. Im übrigen muß sie sich aber die Kenntnis des sie vertretenden Ehemannes gemäß § 166 Abs. 1 BGB zurechnen lassen. Nach dessen Angaben im Senatstermin erfolgte der Erwerb durch die Beklagte zu 2) ohnehin allein aus "steuerlichen Gründen".

bb) Die Voraussetzungen des Wuchergeschäftes von 1991 sind nicht deshalb entfallen, weil die Beklagte zu 2) 1994 bereit war, das Grundstück zu dem den vollen Wert des Grundstücks nicht ausschöpfenden Preis von 155.000 DM zurückzugewähren. Ein nachträglicher Verzicht des Wucherers auf einen Teil des gewährten Vorteils kann die Nichtigkeit nicht ausräumen (vgl. RG-Soergel Rspr. 1914, § 138 Nr. 8). Denn durch ein späteres "günstiges" Angebot wird das ursprüngliche Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung nebst den subjektiven Voraussetzungen des Wuchergeschäftes nicht beseitigt, sondern lediglich als bestehend vorausgesetzt. Dies ist aber nicht die Bestätigung eines nichtigen Rechtsgeschäftes, die § 141 BGB meint (vgl. BGH NJW 1973, 465, 466); RGZ 64, 146, 149).

cc) Bei Verstößen gegen das Wucherverbot des § 138 Abs. 2 BGB trifft die Nichtigkeit nicht nur das Verpflichtungsgeschäft, sondern auch die Erfüllungsgeschäfte (vgl. BGH NJW 1994, 1275). Deshalb ist auch das der Vereinbarung vom 9. Juli 1991 zugrunde liegende Übertragungsgeschäft der Parteien nichtig.

Die Beklagte zu 2) hatte trotz der erklärten Auflassung und der nachfolgenden Eintragung lediglich eine Buchposition erlangt; der Kläger ist Eigentümer geblieben.

b) Kann der Verkäufer seine Pflichten aus einem Kaufvertrag von Anfang an nicht erfüllen, so stehen dem Käufer die Rechte aus den §§ 320 ff. BGB zu.

Der Kläger verlangt hier Teile seiner Gegenleistung, die er bereits erbracht hat, zurück. Aufgrund des Unvermögens zur Eigentumsübertragung ist der Anspruch der Beklagten zu 2) auf die Gegenleistung gemäß den §§ 325 Abs. 1 Satz 3, 323 Abs. 1 Satz 1 BGB erloschen. Da der Kläger bereits die Gegenleistung bewirkt, also den Kaufpreis bezahlt hat, kann er diesen gemäß §§ 323 Abs. 3, 818 BGB zurückverlangen.

Soweit die Ehefrau des Klägers auch Vertragspartei des Kaufvertrages vom 1994 war und von der Beklagten zu 2) gutgläubig Eigentumsanteil (§ 892 BGB) erworben hat, ergibt sich der Anspruch des Klägers aus § 816 Abs. 1 Satz 1 BGB.

Der Kläger hat von seinem Rückforderungsanspruch bereits den Bereicherungsanspruch der Beklagten zu 2) bezüglich der im Jahre 1991 an ihn gezahlten 86.000 DM gemindert, so dass zu seinen Gunsten ein rückforderbarer Restbetrag von 69.000 DM verbleibt.

c) Die Beklagte kann sich gegenüber dem Rückforderungsanspruch des Klägers nicht auf Entreicherung i.S. des § 818 Abs. 3 BGB wegen erfolgter Aufwendungen auf den Grundbesitz im Sinne des vorprozessualen Schreibens vom 19.01.1998 berufen.

Bei einem sittenwidrigen Rechtsgeschäft kann der sittenwidrig Handelnde seine Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Erwerb nicht anspruchsmindernd geltend machen, weil er insoweit das Entreicherungsrisiko trägt. Auch die Berücksichtigung der Kosten der vorgezogenen Ablösung des Kredites der Beklagten zu 2) zur Finanzierung des Kaufpreises von 86.000 DM widerspricht der gemäß § 818 BGB vorzunehmenden Risikoabwägung (vgl. BGH NJW 1992, 1037, 1038). Es oblag allein der Beklagten zu 2), für die vorzeitige Rückabwicklung ihrer Finanzierung zu sorgen, die sie zur Abwicklung eines sittenwidrigen Geschäftes eingegangen ist. Soweit sie schließlich Darlehenszinsen erbracht hat, können auch diese dem Kläger nicht entgegengesetzt werden, da der Kläger insoweit seinerseits monatlich Zahlungen in Höhe von 750 DM erbracht hat, die geeignet gewesen wären, eine eigene Finanzierung - anstelle des Ausgleichs von Mietzahlungen - durchzuführen.

d) Der Anspruch auf Rückzahlung von 69.000 DM ist seit dem 16.01.1998 gemäß den §§ 284, 288 BGB in Höhe von 4 % zu verzinsen. Für den weitergehend geltend gemachten Zinsanspruch seit dem 16.01.1997 ist nichts vorgetragen; dieser Anspruch beruht offensichtlich auf einem Schreibfehler im Anwaltsschreiben vom 04.12.1997 mit Fristsetzung zur Zahlung bis zum 15.01.1997. Hinsichtlich dieser Zinszuvielforderung ist die Klage mit Versäumnisurteil vom 16.01.1999 zu Recht abgewiesen worden. Insoweit kann die Berufung auch keinen Erfolg haben.

2. Der Beklagte zu 1) haftet den Klägern aus dem Gesichtspunkt der culpa in contrahendo auf Rückzahlung von 69.000 DM als Gesamtschuldner neben der Beklagten zu 2).

Er hat den Kläger unter Ausnutzung von dessen Urteilsvermögen dazu verleitet, den ausschließlich die Beklagte zu 2) begünstigenden Kaufvertrag unter sittenwidriger Mißachtung seiner eigenen Interessen abzuschließen.

Zwar trifft grundsätzlich allein den Partner des in Aussicht genommenen Vertrages die Haftung für ein Verschulden während der Vertragsverhandlungen. Der Vertreter ist aber persönlich haftbar, wenn er am Vertragsabschluß ein unmittelbares eigenes wirtschaftliches Interesse hat oder wenn er besonderes persönliches Vertrauen in Anspruch genommen und hierdurch die Vertragsverhandlungen beeinflußt hat (vgl. BGH NJW 1990, 1907, 1908; BGH NJW-RR 1992, 605 f.).

Vorliegend sind beide Voraussetzungen in der Person des Beklagten zu 1) erfüllt.

Er ist bei den Verhandlungen zum Kaufvertrag von 1991 als alleiniger Verhandlungsgegner des Klägers aufgetreten, ohne dass die Beklagte zu 2) als zukünftige Vertragspartnerin erkennbar gewesen wäre. Erst im Notartermin ist die Beklagte zu 2) zur Unterschriftsleistung erschienen. Der Beklagte zu 1) hat im Termin vom 11.09.2000 selbst eingeräumt, die Übertragung auf seine Ehefrau sei nur aus steuerlichen Gründen erfolgt. Er hat für sämtliche Transaktionen gesorgt; der Kläger hat insoweit vorgetragen, vom Beklagten den Betrag von 86.000 DM erhalten zu haben. Unmittelbar wirtschaftlich Begünstigter war mithin der Beklagte zu 1). Er hat deshalb auch für die Folgen des sittenwidrigen Geschäfts aus dem Jahre 1991 einzustehen.

Im übrigen hat der Beklagte zu 1) bei dem Kläger, mit dem er "per Du" war, auch besonderes Vertrauen in Anspruch genommen, das ebenfalls zur Haftung verpflichtet. Der Beklagte zu 1) war über den engen finanziellen Rahmen des von einer Rente als Bahnarbeiter lebenden Klägers informiert. Der Beklagte hat mit dem Kläger dessen Schuldenlast zusammengestellt. Er hat den Kläger davon überzeugt, er werde "zur Verbesserung der Situation" beitragen, wenn er das Hauses übernehme. Angebliches Ziel der Transaktion war es nach den Ausführungen des durchaus wortgewandten Beklagten, dass Familie B... in dem Haus habe wohnen bleiben dürfen. Darauf hat der Kläger vertraut; er wollte sein früheres Elternhaus nicht verlassen müssen, sondern sich finanziell erholen. Dass mit der gewählten Vertragskonstruktion die Eigentumsposition ohne wirtschaftlich gleichwertige Gegenleistung verloren gehen würde, hat der Kläger im Vertrauen auf den Beklagten zu 1), dem er aufgrund der Tätigkeit für eine Versicherung günstige Finanzierungsmöglichkeit zutraute, nicht realisiert. Dies war - wenn nicht gar gewollt - dem Beklagten jedenfalls bewußt. Der Beklagte hat den Kläger mit diesem Angebot zur Übernahme des Hauses - bei vager Aussicht auf Rückerwerb - veranlaßt, die ihm günstigere Finanzierung mit der R... aufzugeben und den wucherischen Vertrag mit der Beklagten zu 2) abzuschließen. Angesichts des erkennbaren besonderen Vertrauens des Klägers hätte der Beklagte aber offenbaren müssen, dass ein Rückerwerb zu den gleichen Konditionen ausgeschlossen sein würde und auch eine dingliche Absicherung der Wohnmöglichkeit nicht vorgesehen war.

Der Beklagte zu 1) hat deshalb dem Kläger den Vertrauensschaden zu ersetzen. Zwar ist der Kläger im Ergebnis Eigentümer des Hauses geblieben, er hatte aber 1991 seine Buchposition eingebüßt. Diese konnte er zunächst nur dadurch zurückerhalten, dass er bereit war, 155.000 DM statt 86.000 DM an die Beklagtenseite zu zahlen. Die Differenz, nämlich 69.000 DM, ist vom Beklagten zu 1) zu erstatten und seit dem 16.01.1998 ebenfalls in Höhe von 4 % zu verzinsen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 2, 269 Abs. 3, 344 ZPO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.

Streitwert: 69.000,-- DM

Beschwer der Beklagten: über 60.000,-- DM; Beschwer des Klägers: unter 60.000,-- DM.

Ende der Entscheidung

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