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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 10.08.2000
Aktenzeichen: 9 W 65/00
Rechtsgebiete: ZPO, AVBEltV


Vorschriften:

ZPO § 793 Abs. 1
ZPO § 81
ZPO § 890 Abs. 1
ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
ZPO § 322 Abs. 1
ZPO § 890
ZPO § 890 Abs. 3
ZPO § 572 Abs. 3
ZPO § 97 Abs. 1
AVBEltV § 8 Abs. 1
AVBEltV § 8 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

Düsseldorf, den 10. August 2000

In der Zwangsvollstreckungssache

pp.

...

wird die sofortige Beschwerde des Schuldners vom 18. Juli 2000 gegen den Beschluß der 6. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 3. Juli 2000 - 6 O 363/97 - kostenpflichtig zurückgewiesen.

Gründe:

Der Schuldner ist durch Urteil des Landgerichts Duisburg vom 16. Juni 1998 - 6 O 363/97 - u.a. verurteilt worden, zu dulden, dass die Gläubigerin an der auf seinem Grundstück befindlichen Trafostation nebst dorthin führenden Kabeln die erforderlichen Reparatur- und Erneuerungsarbeiten in betriebsbedingtem Umfang durchführt und dass die Gläubigerin bzw. ihre Bediensteten das Grundstück des Schuldners zu diesem Zweck betreten und befahren dürfen. Dieses Urteil ist mit Zurückweisung der Berufung des Schuldners durch den Senat mit Urteil vom 19. April 1999 - 9 U 161/98 - rechtskräftig geworden.

Die Gläubigerin hat sodann seit Schreiben vom 5. Januar 2000 unter Bezugnahme auf den bisherigen Schriftverkehr, in dem sie bereits vorprozessual mit Schreiben vom 7. März 1997 eine Auflistung der durchzuführenden Arbeiten überreicht hatte, dem Schuldner mitgeteilt, der Umbau der Trafostation sei für ca. Mitte Februar 2000 und der notwendige Austausch der Kabel für ca. Ende März 2000 eingeplant. Mit Anwaltsschreiben vom 19. Januar 2000 bat der Schuldner daraufhin die Gläubigerin, mitzuteilen, welche Reparatur- und Erneuerungsarbeiten an der Trafostation im einzelnen vorgenommen würden; weiter bat er um Mitteilung der Größe sowie der Verlegungsart und Richtung der auszutauschenden Kabel nebst deren Verlegungsweise; des weiteren bat er um Mitteilung, an welchen Tagen genau bis zum Abschluß mit der Maßnahme welche Arbeiten durchgeführt würden; außerdem bat er um eine vollständige Liste der Personen, die im Zuge der Arbeiten das Grundstück betreten würden. Die Gläubigerin erläuterte mit Schreiben vom 17. Februar 2000 den von ihr geplanten Ablauf der Arbeiten und gab an, die Bauarbeiten an der Trafostation würden von, ihrer Vertragsfirma T die Tiefbau- und Kabelverlegungsarbeiten durch eines ihrer ortsansässigen Vertragsunternehmen und die Muffen- und Umschlußarbeiten an den Kabeln durch ihre eigenen Monteure durchgeführt. Der Baubeginn sei wegen Lieferschwierigkeiten auf die 18. Kalenderwoche 2000 verschoben. Mit Schreiben vom 19. April 2000 kündigte die Gläubigerin den Beginn des Umbaus für den 3. Mai 2000 an. Der Schuldner ließ mit Anwaltsschreiben vom 28. April 2000, der Gläubigerin per Fax am 2. Mai 2000 übersandt, den angekündigten Firmen Hausverbot erteilen; weiter ließ er eine Namensliste erbitten und die Gläubigerin auffordern, zunächst den Nachweis zu führen, dass die Arbeiten erforderlich seien und in betriebsbedingtem. Umfang durchgeführt werden müßten. Ferner ließ er die Gläubigerin auffordern darzulegen, welche Einrichtungen in die Trafostation eingebaut werden sollten und weshalb die Belüftungs- und Türöffnung versetzt werden müsse. Den daraufhin gestellten Bestrafungsantrag der Gläubigerin vom 9. Mai 2000 hat das Landgericht der erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten des Schuldners aus dem Erkenntnisverfahren zur Stellungnahme binnen zwei Wochen übersandt. Den jetzt tätigen Prozeßbevollmächtigten des Schuldners wurde auf deren Schriftsatz vom 29. Mai 2000, mit dem sie anzeigten, dass der Bestrafungsantrag nach ihrer Auffassung nicht ordnungsgemäß zugestellt worden sei, ebenfalls Ablichtungen dieses Antrages übersandt gegen Empfangsbekenntnis, das nicht zurückgegeben wurde. Mit Beschluß vom 3. Juli 2000 hat das Landgericht sodann ein Ordnungsgeld in Höhe von 10.000 DM und Sicherheitsleistung in Höhe von weiteren 10.000 DM verhängt. Nach Absenden des angefochtenen Beschlusses ist beim Landgericht der Schriftsatz der Prozeßbevollmächtigten des Schuldners vom 27. Juni 2000 eingegangen, in dem sie mitgeteilt haben, ihnen sei der Bestrafungsantrag am 8. Juni 2000 zugegangen, eine Stellungnahme erfolge bis zum 30. Juli 2000 wegen Urlaubs des Schuldners bis zum 14. Juli 2000.

Mit der sofortigen Beschwerde wendet der Schuldner sich gegen die Verhängung des Ordnungsgeldes und der Sicherheitsleistung. Er begehrt weiter, vorab den Vollzug des angefochtenen Beschlusses auszusetzen.

Er meint, er habe der ausgeurteilten Duldungspflicht nicht zuwider gehandelt. Das Hausverbot sei lediglich den Fremdfirmen gegenüber erteilt worden, denen er keinen Zutritt zu seinem Grundstück zu gewähren habe, zumal ihm eine Namensliste nicht überreicht worden sei. Die bloße schriftliche Äußerung einer Rechtsansicht verletze im übrigen nicht das Duldungsgebot.

Die Gläubigerin habe nicht dargelegt, dass die beabsichtigten Arbeiten erforderlich seien und in betrieblichem Umfang durchgeführt würden. Eine erhebliche Vergrößerung der Leistungskapazität der Trafostation sei nicht erforderlich.

Jedenfalls treffe ihn kein Verschulden. Die Gläubigerin habe wegen des unklaren Antrages die Auseinandersetzung darüber im Vollstreckungsverfahren selbst zu vertreten. Auf dieser Grundlage habe sein Prozeßbevollmächtigter ihm geraten, die Arbeiten unbekannter Dritter nicht zu dulden. Dieser Rechtsrat in Verbindung mit der Unbestimmtheit des Titels begründe kein Verschulden. Aus dem Titel sei jedenfalls nicht zu ersehen, welche Arbeiten die Gläubigerin vornehmen dürfe.

Schließlich sei der Grundsatz des rechtlichen Gehörs verletzt, weil der Antrag an seine erstinstanzliche Prozeßbevollmächtigte nicht wirksam zugestellt und weil über ihn nach Zustellung an seine jetzigen Prozeßbevollmächtigten entschieden worden sei, obwohl diese eine Stellungnahme bis zum 30. Juli 2000 angekündigt hätten.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig, § 793 Abs. 1 ZPO; sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Der angefochtene Beschluß ist ohne Verfahrensfehler ergangen und inhaltlich nicht zu beanstanden.

Das rechtliche Gehör des Schuldners ist nicht verletzt. Er hatte ausreichend Gelegenheit, sich zum Sachverhalt und zur Rechtslage zu äußern, nachdem der Bestrafungsantrag seinen Prozeßbevollmächtigten aus dem erstinstanzlichen Erkenntnisverfahren zur eventuellen Stellungnahme mit Verfügung vom 11. Mai 2000 übersandt worden war. Gegen die Wirksamkeit dieser Übersendung bestehen keine Bedenken. Die Prozeßvollmacht für das Erkenntnisverfahren erstreckt sich gemäß § 81 ZPO auch auf das Zwangsvollstreckungsverfahren. Zudem ist der Bestrafungsantrag auch den jetzt tätigen Prozeßbevollmächtigten des Schuldners bereits am 8. Juni 2000 zugegangen, so dass der Schuldner sich anschließend in angemessener Frist noch vor Erlaß des angefochtenen Beschlusses hätte äußern können. Hätte er hierfür eine längere Frist benötigt, so war es ihm zuzumuten, nicht erst mit Schriftsatz vom 27. Juni 2000 zu reagieren, sondern dies rechtzeitig mit dem Gericht abzusprechen (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 21. Aufl., Anm. 6 vor § 128).

Die Voraussetzungen für die Verhängung des Ordnungsgeldes gemäß § 890 Abs. 1 ZPO liegen vor.

Die allgemeinen Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung sind erfüllt, insbesondere ist der zugrunde liegende Titel hinreichend bestimmt. Sinn des Bestimmtheitsgebotes, das gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO bereits für den Klageantrag gilt, ist es insbesondere, die erforderliche Klarheit über den Umfang und die Reichweite der begehrten gerichtlichen Entscheidung zu verschaffen, § 322 Abs. 1 ZPO. Im Rahmen des § 890 ZPO muß der zugrunde liegende Titel die zu unterlassende oder zu duldende Handlung nach Inhalt und Umfang inhaltliche bestimmt ausweisen (Zöller/Stöber, a.a.O., § 890, 8). Dabei muß die Frage, was unter den Titel fällt, für die Parteien und für das Vollstreckungsgericht so klar beantwortet werden, dass bei Zuwiderhandlung kein neues Erkenntnisverfahren im Gewande des Vollstreckungsverfahrens stattfinden muß (BGH NJW 1980, 700, 701). Bei der Prüfung der Bestimmtheit des Titels kommt es nicht alleine auf den Wort laut der Urteilsformel an. Maßgebend sind bei der Auslegung auch der Tatbestand, die Entscheidungsgründe und das dort in Bezug genommene Parteivorbringen (BGHZ 124, 173, 175 f). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der hier vorliegende Titel hinreichend bestimmt.

Aus den Gründen des Senatsurteils vom 19. April 1999 ergibt sich - ebenso wie bereits aus den Gründen des damals angefochtenen Urteils des Landgerichts Duisburg vom 16. Juni 1998 -, dass der Gläubigerin der von ihr geltend gemachte Anspruch auf Duldung aus § 8 Abs. 1 AVBEltV (Verordnung über allgemeine Bedingungen für die Elektrizitätsversorgung von Tarifkunden vom 21. Juni 1979) zusteht. Danach sind - wie in den Entscheidungsgründen ausdrücklich aufgeführt - zuzulassen das Anbringen und Verlegen von Leitungen, das Anbringen von Leitungsträgern und sonstigen Einrichtungen sowie die erforderlichen Schutzmaßnahmen. Dass die Gläubigerin nun gestützt auf den zugrunde liegenden Duldungstitel Arbeiten vornehmen will, die über die genannten Arbeiten hinausgehen, macht weder der Schuldner geltend, noch sind dafür Anhaltspunkte ersichtlich. Vielmehr folgt gerade aus dem Schreiben der Gläubigerin vom 17. Februar 2000, dass die beabsichtigten Arbeiten sich im Rahmen der Regelung des § 8 Abs. 1 AVBEltV halten. Soweit es im Duldungstitel heißt, der Schuldner werde verurteilt, zu dulden, dass die Gläubigerin die "erforderlichen" Reparatur- und Erneuerungsarbeiten in "betriebsbedingtem Umfang" durchführt, wird mit diesem Zusatz die Duldungspflicht des Schuldners nicht eingeschränkt. Vielmehr wird lediglich klargestellt, dass es grundsätzlich Sache der Gläubigerin ist zu beurteilen, ob und welche Arbeiten zur Sicherung der Energieversorgung im Rahmen der AVBEltV geboten sind, und dass sie grundsätzlich nicht verpflichtet ist, hierüber Rechenschaft abzulegen. Gemäß § 8 Abs. 2 AVBEltV ist sie allerdings verpflichtet, rechtzeitig über Art und Umfang der beabsichtigten Inanspruchnahme des Grundstückes zu benachrichtigen, was hier unstreitig geschehen ist.

Der Schuldner hat dem Duldungsgebot aus dem Urteil des Landgerichts Duisburg vom 16. Juni 1998 mit dem Schreiben seiner Prozeßbevollmächtigten vom 28. April 2000, der Gläubigerin per Fax übersandt am 2. Mai 2000, zuwider gehandelt. Dieses Schreiben enthält nicht lediglich - wie der Schuldner in der sofortigen Beschwerde geltend macht - eine bloße schriftliche Meinungsäußerung, die der Durchführung der Arbeiten praktisch nicht entgegengestanden hätte. Diese Auffassung wertet der Senat als rabulistisch, weil der Schuldner mit jenem Schreiben zum einen ausdrücklich den von der Gläubigerin hinzugezogenen Firmen Hausverbot erteilt hat und im übrigen zunächst (!), d.h. vor Beginn der Arbeiten durch die Gläubigerin, den Nachweis der Erforderlichkeit der Arbeiten in betriebsbedingtem Umfang gefordert hat.

Der Schuldner ist auch verpflichtet, den Zugang und die Arbeiten der von der Gläubigerin hinzugezogenen sogenannten Fremdfirmen im Rahmen der nach § 8 Abs. 1 AVBEltV durchgeführten Arbeiten zu dulden. Es versteht sich von selbst, dass die vom Schuldner zu duldenden Reparatur- und Erneuerungsarbeiten nicht ausschließlich von der Gläubigerin oder ihren Bediensteten "persönlich" ausgeführt werden können, sondern unter Zuhilfenahme etwa von Tiefbau- oder sonstigen Fachfirmen durchgeführt werden müssen. Jede andere Betrachtung ist - auch für den Schuldner erkennbar - lebensfremd. Die namentliche Benennung der tätigen Arbeitskräfte ist nicht Voraussetzung der titulierten Duldungspflicht; ebensowenig die vorherige Darlegung der Erforderlichkeit der Arbeiten in betriebsbedingtem Umfang - wie bereits ausgeführt wurde -.

Der Schuldner hat schließlich schuldhaft gehandelt. Dabei kann dahinstehen, ob ihn die angebliche Unklarheit des Titels und/oder der - unzutreffende - Rat seines Anwaltes zu entlasten vermag (vgl. Zöller/Stöber, a.a.O., § 890, 5 m.N.). Denn dem Schuldner hätte zumindest einleuchten müssen, dass er nach dem Schreiben der Gläubigerin vom 17. Februar 2000, das nähere Angaben zu Art und Umfang der beabsichtigten Arbeiten enthielt, nicht tatenlos bleiben durfte, wenn er wegen angeblicher Unklarheit des Titels glaubte, weitere Auskünfte beanspruchen zu dürfen. Die Tatsache, dass er diese Auskünfte nicht rechtzeitig, sondern einen Tag vor dem geplanten Arbeitsbeginn und als Voraussetzung für dessen Gestattung (zunächst) verbunden mit einem Hausverbot für die Fremdfirmen verlangt hat, spricht dafür, dass es dem Schuldner in Wahrheit nicht darum ging, die Zulässigkeit der Arbeiten zu prüfen (was ihm wie dargelegt ohnehin nicht zustand), sondern dass es sein ausschließliches Ziel war, die Arbeiten der Gläubigerin zu verzögern oder schließlich vollständig zu verhindern. Zumindest aber begründet sein zögerliches Vorgehen den Vorwurf schuldhaften Verhaltens.

Die Voraussetzungen für die Verurteilung des Schuldners zur Bestellung einer Sicherheit gemäß § 890 Abs. 3 ZPO liegen ebenfalls vor. Eine solche Verurteilung setzt lediglich eine einmalige Zuwiderhandlung und eine frühere Androhung eines Ordnungsmittels voraus.

Da die sofortige Beschwerde in der Sache keinen Erfolg hat, hat der Senat davon abgesehen, gemäß § 572 Abs. 3 ZPO vor der Entscheidung über die sofortige Beschwerde die Vollziehung der angefochtenen Entscheidung durch einstweilige Anordnung auszusetzen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren: 9.700,-- DM.

Ende der Entscheidung

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