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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 29.03.2004
Aktenzeichen: I-1 U 185/03
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, PflVG, VVG


Vorschriften:

ZPO § 529 Abs. 1
BGB § 254
PflVG § 3 Abs. 7 Satz 2
VVG § 158 d Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

I-1 U 185/03

Verkündet am 29. März 2004

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. E. und die Richter am Oberlandesgericht K. und E.

auf die mündliche Verhandlung vom 8. März 2004

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 2. Oktober 2003 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Beklagten als Gesamtschuldner zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Nach einem Verkehrsunfall vom 05.05.2002 macht der Kläger Ersatz seines restlichen Fahrzeugschadens geltend. Die Parteien streiten darüber, welchen Restwertbetrag der Kläger sich anrechnen lassen muss. Dem Streit liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Nach dem Unfall vom 05.05.2002, für dessen Folgen die Beklagten unstreitig in vollem Umfang einstandspflichtig sind, wandte sich der zweitbeklagte Haftpflichtversicherer mit Schreiben vom 08.05.2002 unmittelbar an den Kläger. Er wurde gebeten, die ihm übermittelten Fragebögen auszufüllen und nähere Angaben zum Unfallhergang und zu den Schadensfolgen zu machen. Wörtlich heißt es in dem Schreiben:

"Wenn am Fahrzeug ein Totalschaden vorliegt oder es unrepariert verkauft werden soll, informieren Sie uns bitte vor dem Verkauf. Möglicherweise sind wir in der Lage, ein besseres Angebot vorzulegen."

Wie die Beklagten in zweiter Instanz nicht mehr bestreiten, gab der Kläger seinen unfallbeschädigten VW Passat am 13.05.2002 beim Kauf eines Neufahrzeugs in Zahlung. Nach der Behauptung des Klägers belief sich der Betrag, der auf den Neupreis angerechnet wurde, auf 3.200 €. Unstreitig ist das der Betrag, der in dem Schadensgutachten, das das Sachverständigenbüro F. im Auftrag des Klägers erstattet hat, als Restwert ausgewiesen ist. Wie der Anwalt der Beklagten in der Senatssitzung vorgetragen hat, war dem Kläger der Restwert laut Gutachten im Zeitpunkt der Inzahlunggabe nicht bekannt. Demgegenüber heißt es auf Seite 3 Absatz 1 der Berufungsbegründung, der Inhalt des Gutachtens sei dem Kläger am 13.05.2002, dem Tag der Inzahlunggabe, bekannt gewesen.

Mit Anwaltsschreiben vom 16.05.2002, bei der Zweitbeklagten am 24.05.2002 eingegangen, übersandte der Kläger das Originalgutachten aus dem Sachverständigenbüro F. Danach betragen die Reparaturkosten 16.422,62 €. Als merkantiler Minderwert ist ein Betrag von 1.200 € ausgewiesen. Zzgl. Sachverständigenkosten und Kostenpauschale verlangte der Kläger Erstattung von insgesamt 18.608,62 €.

Mit Schreiben vom 27.05.2002 übermittelte die Zweitbeklagte den Anwälten des Klägers mehrere Restwertangebote, von denen das höchste mit 8.2000 € beziffert war. Kostenlose Abholung des Fahrzeugs wurde zugesagt.

Mit weiterem Schreiben vom 29.05.2002 rechnete die Zweitbeklagte den Fahrzeugschaden auf Totalschadensbasis ab. Dabei brachte sie einen Restwert von 8.200 € in Ansatz. Mit Antwortschreiben vom 07.06.2002, bei der Beklagten zu 2. eingegangen am 12.06.2002, teilte der Anwalt des Klägers mit, er könne die Abrechnung vom 29.05.2002 nicht nachvollziehen; zu fragen sei, warum nicht auf Reparaturkostenbasis abgerechnet werde.

Im ersten Rechtszug hat der Kläger die Differenz zwischen dem Restwert laut Gutachten (3.200 €) und dem höchsten Restwertangebot von Seiten der Zweitbeklagten (8.200 €) eingeklagt und ferner weitere 264,63 € für Fahrtkosten, Arznei- und Reinigungskosten geltend gemacht. Das von ihm angerufene Amtsgericht Kempen hat sich für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Krefeld verwiesen. Nach Anhörung von Zeugen hat der Einzelrichter der 3. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld der Klage bis auf einen geringfügigen Teilbetrag stattgegeben. Bei der Bemessung des Fahrzeugschadens hat das Landgericht den Restwert laut Gutachten und nicht den Betrag des höchsten Angebotes der Firma Automobile G. (8.200 €) zugrunde gelegt. Einen Verstoß des Klägers gegen seine Schadensminderungspflicht hat es verneint.

Gegen dieses Urteil haben die Beklagten Berufung eingelegt. Sie verfolgen ihr erstinstanzliches Ziel der Klageabweisung weiter. Dazu wiederholen und vertiefen sie ihr Vorbringen zur Restwertproblematik. Insoweit habe das Landgericht zu geringe Anforderungen an die Schadensminderungspflicht gestellt.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.

I.

1.

Zum Fahrzeugschaden

Das Landgericht hat den Fahrzeugschaden zutreffend ermittelt. Zu Recht hat es den Restwert mit 3.200 € und nicht mit 8.200 € veranschlagt.

In tatsächlicher Hinsicht hat der Senat davon auszugehen, dass der Kläger seinen unfallbeschädigten PKW am 13.05.2002 für einen Betrag von 3.200 € in Zahlung gegeben hat. Dieser Betrag entspricht dem Restwert, den der Sachverständige ermittelt hat, den der Kläger mit der Schadensschätzung beauftragt hat.

Der in erster Instanz strittige Zeitpunkt der Inzahlunggabe steht im Berufungsverfahren nicht mehr im Streit. Weiterhin bestreiten die Beklagten allerdings die Höhe des Betrages, für den der Kläger sein Fahrzeug in Zahlung gegeben hat. In diesem Punkt habe das Landgericht den Angaben des von ihm vernommenen Zeugen B. nicht folgen dürfen. Die von dem Zeugen überreichten Unterlagen seien kein beweiskräftiger Beleg dafür, dass der Kläger tatsächlich nur 3.200 € für den Unfallwagen erlöst habe.

Der Senat hat gemäß § 529 Abs. 1 ZPO davon auszugehen, dass der Kläger bei der Inzahlunggabe seines Unfallfahrzeugs nur 3.200 € erlöst hat. Konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellung begründen, liegen entgegen der Ansicht der Beklagten nicht vor.

Zweifel im Sinne dieser Vorschrift bestehen schon dann, wenn aus Sicht des Berufungsgerichts eine gewisse - nicht notwendig überwiegende - Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass im Fall der Beweiserhebung die erstinstanzliche Feststellung keinen Bestand haben wird, sich also deren Unrichtigkeit herausstellt (vgl. die Begründung des Rechtsausschusses, BT-Drs. 14/6036 S. 159; BGH NJW 2003, 3480). Eine derartige, den Beklagten günstige Beweisprognose vermag der Senat nicht zu stellen.

Das Landgericht hat seine Feststellung nicht nur auf die Aussage des Zeugen B., einen Angestellten des Autohauses S., gestützt. Einbezogen in seine Beweiswürdigung hat es auch die von dem Zeugen vorgelegten Belege. Von besonderer Beweiskraft ist insoweit das nicht nur vom Kläger, sondern auch von einem Vertreter des Autohauses S. unterzeichnete Verkaufsangebot für ein gebrauchtes Kraftfahrzeug (Einkauf) mit Datum 13.05.2002. In diesem handschriftlich ausgefüllten Angebot ist der Gesamtkaufpreis mit 3.200 € vermerkt. Die abweichende Eintragung in dem maschinenschriftlich ausgefüllten Verkaufsangebot - Gesamtkaufpreis 15.400 € - ist offenkundig falsch. Hierbei dürfte es sich um eine Verwechslung mit dem Wiederbeschaffungswert handeln.

Der Senat verkennt nicht, dass der Kläger mit dem Autohaus S. einen höheren Betrag, als er im schriftlichen Ankaufvertrag niedergelegt ist, vereinbart haben kann. Konkrete Anhaltspunkte für diese Annahme sieht der Senat jedoch nicht. Sie werden von den Beklagten auch nicht aufgezeigt. Die abstrakte Möglichkeit einer Feststellung, die von der landgerichtlichen Würdigung abweicht, genügt nicht, um konkrete Zweifel an der Richtigkeit der getroffenen Feststellung zu begründen (Rixecker, NJW 2004, 705, 709).

Der zwischen dem Kläger und dem Autohaus S. vereinbarte Anrechnungsbetrag von 3.200 € entspricht dem Betrag, der im Schadensgutachten als Restwert für den Unfallwagen ausgewiesen ist. Das Schadensgutachten aus dem Büro des Sachverständigen F. konnte dem Senat zwar nicht vorgelegt werden. Die Beklagten stellen jedoch nicht in Abrede, dass in dem ihnen übersandten Originalgutachten ein Restwertbetrag von 3.200 € notiert ist.

Ohne Erfolg macht die Berufung geltend, der Kläger müsse sich in Wahrnehmung seiner Schadensminderungspflicht gefallen lassen, dass ein Restwert von 8.200 € in die Totalschadensabrechnung eingestellt wird.

Wie auch die Beklagten im Ausgangspunkt nicht in Zweifel ziehen, darf sich ein Geschädigter in der Regel darauf verlassen, dass der Restwerterlös in einem von ihm eingeholten Gutachten zutreffend ermittelt ist. Das entspricht in der Tat der ständigen Rechtsprechung des BGH (zuletzt NJW 2000, 800). Wenn der Geschädigte im Totalschadensfall sein Unfallfahrzeug zu dem im Gutachten eines anerkannten Sachverständigen ausgewiesenen Restwert verkauft oder in Zahlung gibt, beachtet er im allgemeinen das Gebot der Wirtschaftlichkeit und damit auch seine Obliegenheit, den Schaden gering zu halten.

Diese anerkannten Grundsätze, denen der Senat in ständiger Spruchpraxis folgt, schließen es jedoch nicht aus, dass besondere Umstände dem Geschädigten Veranlassung geben können, günstigere Verwertungsmöglichkeiten wahrzunehmen. Die Schadensminderungspflicht gemäß § 254 BGB kann ihm gebieten, unter besonderen Umständen von einer zulässigen Verwertung Abstand zu nehmen und andere sich ihm darbietende Möglichkeiten der Verwertung im Interesse der Geringhaltung des Schadens im Rahmen des Zumutbaren zu ergreifen (BGH a.a.O.).

Ein derartiger Ausnahmefall, dessen Voraussetzungen die Beklagten zu beweisen haben, liegt hier nicht vor.

Die Berufung meint, von einem derartigen Ausnahmefall schon deshalb ausgehen zu können, weil der beklagte Versicherer den Kläger mit dem Schreiben vom 08.05.2002 aufgefordert habe, ihn im Falle eines geplanten Verkaufs des Unfallfahrzeugs zu informieren, weil er möglicherweise ein besseres Restwertangebot vorlegen könne. Dieser Hinweis habe für jeden, auch für einen Laien, nur bedeuten können, dass ein günstigeres Restwertangebot der Schadensregulierung zugrunde gelegt werden würde. Daran ändere nichts der Umstand, dass in dem Schreiben davon die Rede sei, es werde "möglicherweise" ein höheres Angebot vorgelegt. Die zweitbeklagte Versicherung habe mit dem Wort "möglicherweise" nicht die Einholung von Angeboten für möglich erklärt, sondern allein das Ergebnis dieser Bemühungen. Entgegen der Einschätzung des Landgerichts sei es also nicht so, dass der Kläger dem Schreiben vom 08.05.2002 nicht habe entnehmen können, dass die Versicherung im Fall einer Verkaufsabsicht des beschädigten Fahrzeugs Restwertangebote einholen werde.

Dieser Argumentation kann der Senat in dem entscheidenden Punkt nicht zustimmen.

Die Berufung misst dem Schreiben vom 08.05.2002 eine Bedeutung bei, die ihm bei verständiger Würdigung im Lichte der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht zukommt. Die Bitte der Zweitbeklagten, im Fall eines Totalschadens oder bei einem Verkauf des Fahrzeugs im unreparierten Zustand vor dem Verkauf informiert zu werden, löste auf Klägerseite keinerlei Rechtspflicht aus. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 3 Abs. 7 Satz 2 Pflichtversicherungsgesetz i.V.m. § 158 d Abs. 3 VVG. Es stand dem Kläger frei, ob er sein Fahrzeug reparieren lässt oder ob er es unrepariert verkauft oder in Zahlung gibt. Der Kläger hätte auch, wie ursprünglich von ihm beabsichtigt (vgl. Schreiben vom 16.05.2002), auf Reparaturkostenbasis abrechnen können. Die gutachterlich geschätzten Reparaturkosten einschließlich des merkantilen Minderwerts lagen zwar über dem Wiederbeschaffungswert, jedoch war die 130 % Grenze nicht überschritten. Eine solche Abrechnung auf Reparaturkostenbasis hätte jedoch vorausgesetzt, dass der Kläger sein Fahrzeug behält und es reparieren lässt. Davon hat er abgesehen, ohne dass ihm daraus in der Restwertfrage schadensrechtliche Nachteile erwachsen. Mit der Inzahlunggabe des unreparierten Fahrzeugs hat er den Weg für eine Schadensabrechnung eröffnet, welche die Beklagten erheblich geringer belastete. Schon deswegen geht es nicht an, aus der Inzahlunggabe vom 13.05.2002 und der späteren Abrechnung des Fahrzeugschadens nach Maßgabe der geschätzten Reparaturkosten zzgl. Minderwert (vgl. Anwaltsschreiben vom 16.05.2002) einen Widerspruch herzuleiten und diesen im Rahmen der Schadensminderungspflicht zum Nachteil des Klägers zur Geltung zu bringen.

Aus Rechtsgründen war der Kläger am 13.05.2002 nicht gehindert, sein Unfallfahrzeug zu dem Preis zu veräußern, der in dem Gutachten als Restwert ausgewiesen ist. Indem er der Bitte der beklagten Versicherung um Information vor dem Verkauf nicht nachgekommen ist, hat er nicht gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen. Sein bloßes Schweigen konnte die Beklagte auch nicht dahin deuten, dass er ohne vorherige Information der Versicherung sein Fahrzeug nicht veräußern werde. Das Schreiben vom 08.05.2002 war an den Kläger persönlich gerichtet. Ob er seinerzeit bereits einen Anwalt eingeschaltet hatte und ob dies insbesondere im Zeitpunkt der Inzahlunggabe schon der Fall gewesen ist, kann der Senat nicht feststellen. Die der beklagten Versicherung mit Anmeldungsschreiben vom 16.05.2002 vorgelegte Vollmacht des Klägers ist dem Senat nicht bekannt. Aber selbst wenn der Kläger am 13.05.2002 bereits anwaltlich beraten gewesen sein sollte, änderte sich im Ergebnis nichts. Der Anwalt des Klägers hätte unter den damals gegebenen Umständen den Rat erteilen dürfen, das Unfallfahrzeug zu einem Betrag in Höhe des Restwertes laut Gutachten in Zahlung zu geben.

Mit der Inzahlunggabe zu warten, bestand für den Kläger keine rechtliche Verpflichtung. Ebenso wenig war er gehalten, die beklagte Versicherung von seiner Verwertungsabsicht in Kenntnis zu setzen. So weit gehen die Obliegenheiten eines Geschädigten im allgemeinen nicht.

Grundsätzlich ist er nicht darüber auskunftspflichtig, ob und in welcher Weise er von seiner Dispositionsfreiheit Gebrauch macht. Er ist der Herr des Restitutionsgeschehens. In dieser Eigenschaft braucht er sich auf Abwicklungs- und Verwertungsmodalitäten, wie sie von der Versicherung gewünscht werden, grundsätzlich nicht einzulassen. Anders können die Dinge im Zusammenhang mit dem Restwert liegen, wenn der Geschädigte der Versicherung ausdrücklich anheim stellt, ein höheres Restwertangebot einzuholen und ihm zu vermitteln (vgl. zu dieser Konstellation Senatsurteil vom 01.03.2004, 1 U 120/03). In der vorliegenden Sache hat der Kläger vor der Inzahlunggabe am 13.05.2002 in keiner Weise zu verstehen gegeben, dass er bis zur Vorlage eines evtl. höheren Restwertangebots mit der Veräußerung warten wolle. Wenn sein Anwalt später - im Anschluss an die Inzahlunggabe - eine Abrechnung des Fahrzeugschadens vornimmt, die ein Behalten des Fahrzeugs und einer Reparatur zum Inhalt hat, so gereicht dies, wie bereits ausgeführt, dem Kläger nicht zum Nachteil. Treu und Glauben gebieten es nicht, ihn wegen dieses widersprüchlichen Verhaltens, das möglicherweise auf eine fehlende Abstimmung zwischen ihm und seinem Anwalt zurückgeht, so zu behandeln, als habe er sein Fahrzeug zum 5.000,00 € höheren Restwert in Zahlung gegeben.

Diese Bewertung wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass der zweitbeklagte Versicherer das Schadensgutachten erst aufgrund des Schreibens vom 16.05.2002 am 24.05.2002 in den Händen hatte. Dass ein Geschädigter mit der eigenen Verwertung seines Unfallfahrzeugs nicht zu warten braucht, bis der Versicherer im Besitz des vom Geschädigten eingeholten Schadensgutachtens ist, entspricht ständiger Rechtsprechung des Senats. Er muss der Versicherung auch von sich aus keine Gelegenheit geben, das beschädigte Fahrzeug vor der Veräußerung/Inzahlunggabe zu besichtigen. Die abweichende Entscheidung des OLG Hamm vom 16.03.1992 (NJW 1992, 3244) ist, wie das Landgericht richtig sieht, durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs überholt. Es wäre aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden gewesen, wenn der Kläger seinen Unfallwagen schon am Tag des Unfalls am Unfallort (hier: Niederlande) veräußert hätte. In einem solchen Fall hätte er allerdings das Preiserzielungsrisiko getragen. Denn grundsätzlich muss er sich eine Anrechnung desjenigen Betrages gefallen lassen, den ein anerkannter Sachverständiger als Restwert ermittelt hat. Im Entscheidungsfall hat der Kläger mit der Inzahlunggabe bis zur Restwertschätzung durch den Sachverständigen gewartet. Der Inhalt des Gutachtens sei dem Kläger am 13.05.2002, dem Tag der Inzahlunggabe, bekannt gewesen, heißt es auf Seite 3 der Berufungsbegründung. Alles spricht dafür, dass der Kläger an jenem Tag tatsächlich darüber informiert war, dass sich der Restwert seines Fahrzeugs auf 3.200,00 € beläuft. Unstreitig ist dieser Betrag im Gutachten aus dem Büro des Sachverständigen F. vermerkt. Andererseits steht fest, dass der Kläger mit dem Autohaus S. exakt den Betrag von 3.200,00 € vereinbart hat. Der Senat sieht darin keinen Zufall, zumal auch die Berufungsbegründung - anders als der Anwalt der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat - davon ausgeht, dass dem Kläger der Inhalt des Gutachtens am 13.05.2002 bekannt war.

Die Berufung nimmt zu Recht an, dass das Schreiben der Versicherung vom 08.05.2002 kein Veräußerungsverbot für den Kläger begründen konnte. Gleichwohl meint sie, dass seine Inzahlunggabe vom 13.05.2002 "voreilig" gewesen sei. Dieser Einschätzung vermag der Senat aus den genannten Gründen nicht zu folgen. Entgegen der Ansicht der Berufung konnte das Schreiben vom 08.05.2002 auch keine Verlagerung des Restwertrisikos herbeiführen. Was den Restwerterlös betrifft, hat der Kläger im Hinblick auf die zu erwartende Entschädigung nicht auf eigenes Risiko gehandelt. Das ihm vor der Inzahlunggabe zugegangene Schreiben der beklagten Versicherung vom 08.05.2002 konnte die Risikoverteilung nicht zu Gunsten der Beklagten beeinflussen. In diesem Zusammenhang ist es entgegen der Ansicht der Berufung schon von Bedeutung, wenn es in dem fraglichen Schreiben heißt, "möglicherweise" sei man in der Lage, ein besseres Angebot vorzulegen. Darauf, wie der Kläger die Formulierung "möglicherweise" verstanden hat oder verstehen durfte, kommt es letztlich nicht einmal an. Entscheidend ist, dass der beklagte Versicherer bis zum Zeitpunkt der Inzahlunggabe am 13.05.2002 kein annahmefähiges höheres Restwertangebot übermittelt hat. Der bloße Hinweis auf eine günstigere Möglichkeit der Verwertung genügte unter den gegebenen Umständen nicht, um eine Obliegenheit des Klägers zur Schadensminderung auszulösen oder das Restwertrisiko zu verlangen. Vielmehr blieb der Kläger trotz des an ihn gerichteten Schreibens vom 08.05.2002 in der Annahme schutzwürdig, dass der von ihm eingeschaltete Sachverständige den Restwert zutreffend ermittelt hat und ihm dadurch eine tragfähige Grundlage für eine Inzahlunggabe geschaffen wird.

Dass die Restwertschätzung des Sachverständigen aus dem Büro F. mit 3.200,00 € fehlerhaft gewesen ist, hat die Berufung nicht ausdrücklich geltend gemacht. Soweit sie auf die Entscheidung des Landgerichts Koblenz vom 04.04.2003, Versicherungsrecht 2003, 1050 mit Anmerkung Trost, verweist, kann dahingestellt bleiben, ob der dort vertretenen Rechtsauffassung - Ermittlung des Restwerts unter Einschluss von Internetrecherchen - zu folgen ist. Zugunsten der Beklagten unterstellt der Senat, dass der vom Kläger eingeschaltete Sachverständige den Restwert nach der herkömmlichen Methode, also unter Ausschluss von Internetangeboten, ermittelt hat. Im Ergebnis ändert sich dadurch nichts. Denn die in den Augen der Beklagten vorhandene Unzulänglichkeit der Restwertermittlung war für den Kläger nicht erkennbar. Er konnte und durfte sich darauf verlassen, dass der von ihm eingeschaltete Sachverständige den Restwert nach den geltenden Regel zutreffend ermittelt hat. Das scheint die Berufung nicht anders zu sehen. Jedenfalls trägt sie keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, die geeignet sein könnten, beim Kläger Misstrauen gegen die Restwertschätzung zu wecken.

2. Fahrtkosten

An Fahrtkosten hat das Landgericht dem Kläger einen Betrag von 70,00 € zugesprochen. Den weitergehenden Anspruch hat es zurückgewiesen. Die Berufung hält die Fahrkosten nicht einmal in Höhe von 70,00 € für erstattungsfähig. Es fehle an der Unfallbedingtheit. Der Senat folgt auch in diesem Punkt dem Landgericht und verweist insoweit auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil.

3. Arznei- und Reinigungskosten

Insoweit hat das Landgericht dem Kläger 23,13 € zugesprochen. Die Berufung greift dies nicht an, so dass das Rechtsmittel in diesem Punkt streng genommen schon nicht zulässig ist.

II.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Einen Anlass, die Revision zuzulassen besteht nicht (§ 543 Abs. 2 ZPO). In der Restwertproblematik folgt der Senat der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Zwar hat der BGH einen Fall wie den vorliegenden noch nicht entschieden. Die Lösung des Streitfalles ergibt sich jedoch nach Maßgabe der Grundsätze, die der BGH in der Entscheidung vom 30.11.1999, NJW2000, 800, aufgestellt hat. Grundsätzliche Bedeutung hat die Rechtssache nicht. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist nicht veranlasst.

Streitwert für das Berufungsverfahren und Beschwer für die Beklagten: 5.093,13 €.

Ende der Entscheidung

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