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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 16.02.2006
Aktenzeichen: I-10 U 116/05
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, MV


Vorschriften:

BGB § 286 Abs. 1
BGB § 286 Abs. 2 Nr. 1
BGB § 288 Abs. 1
BGB § 314 Abs. 3
BGB § 535
BGB § 536
BGB § 537 Abs. 1 Satz 1
BGB § 543
BGB § 543 Abs. 1
BGB § 543 Abs. 1 Satz 2
BGB § 543 Abs. 2 Nr. 1
ZPO § 529 Abs. 1
ZPO § 322
MV § 4 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 13. Juli 2005 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 9. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 32.436,58 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz auf

1.923,13 € für die Zeit vom 05.02.2003 bis 30.6.2004 und auf 1.419,00 € seit dem 01.07.2004,

auf 2.020,99 € für die Zeit vom 05.03.2003 bis 30.6.2004 und auf 1.518,85 € seit dem 01.07.2004,

auf 2.020,99 € für die Zeit vom 04.04.2003 bis 30.6.2004 und auf 1.518,85 € seit dem 01.07.2004,

auf 2.020,99 € für die Zeit vom 06.05.2003 bis 30.6.2004 und auf 1.518,85 € seit dem 01.07.2004,

auf 2.020,99 € für die Zeit vom 05.06.2003 bis 30.6.2004 und auf 1.518,85 € seit dem 01.07.2004,

auf 2.020,99 € für die Zeit vom 04.07.2003 bis 30.6.2005 und auf 1.518,85 € seit dem 01.07.2005,

auf 2.020,99 € für die Zeit vom 05.08.2003 bis 30.6.2005 und auf 1.518,85 € seit dem 01.07.2005,

auf 2.020,99 € für die Zeit vom 04.09.2003 bis 30.6.2005 und auf 1.518,85 € seit dem 01.07.2005,

auf 2.020,99 € für die Zeit vom 06.10.2003 bis 30.6.2005 und auf 1.518,85 € seit dem 01.07.2005,

auf 2.020,99 € für die Zeit vom 06.11.2003 bis 30.6.2005 und auf 1.518,85 € seit dem 01.07.2005,

auf 2.020,99 € für die Zeit vom 04.12.2003 bis 30.6.2005 und auf 1.518,85 € seit dem 01.07.2005,

auf 2.020,99 € für die Zeit vom 06.01.2004 bis 30.6.2005 und auf 1.518,85 € seit dem 01.07.2005,

auf 2.020,99 € für die Zeit vom 04.02.2004 bis 30.6.2005 und auf 1.518,85 € seit dem 01.07.2005,

auf 2.118,84 € für die Zeit vom 04.03.2004 bis 30.6.2005 und auf 1.614,71 € seit dem 01.07.2005,

auf 2.118,84 € für die Zeit vom 05.04.2004 bis 30.6.2005 und auf 1.614,71 € seit dem 01.07.2005,

auf 2.118,84 € für die Zeit vom 06.05.2004 bis 30.6.2005 und auf 1.614,71 € seit dem 01.07.2005,

auf 2.118,84 € für die Zeit vom 04.06.2004 bis 30.6.2005 und auf 1.614,71 € seit dem 01.07.2005,

und auf weitere je 2.118,84 € seit dem 05.07., 05.08. und 04.09.2004.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 21 %, der Beklagte zu 79 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Parteien bleibt jeweils nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten über rückständige Mietzinsansprüche des Klägers für die von dem Beklagten im Objekt G.-A.-Str. 80, 4. D., angemieteten Kanzleiräume in Höhe von 41.006,89 € für die Zeit von Februar 2003 bis September 2004. Wegen der getroffenen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil verwiesen (GA 141 ff.). Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, das Mietverhältnis der Parteien sei durch die Kündigung des Beklagten vom 6.1.2003 wirksam beendet worden. Die Installation der Kameraattrappe begründe einen wichtigen Grund, nach dem dem Beklagten unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zu dessen Beendigung 2009 nicht zugemutet werden könne. Wegen der Begründung im Übrigen wird auf die Entscheidungsgründe (GA 145 ff.) Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seinen erstinstanzlichen Zahlungsantrag weiter verfolgt. Der Kläger wiederholt sein bisheriges Vorbringen und führt ergänzend aus: Das Landgericht habe zu Unrecht einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Beklagten und ggf. seiner Mitarbeiter bejaht. Es habe übersehen, dass der Beklagte - unstreitig - am 16.12.2002 als Mieter wegen seiner zuvor ausgesprochenen (unwirksamen) Kündigungen ausgezogen sei. Es sei daher nicht nachvollziehbar, wie es unter diesen Umständen durch eine Kameraattrappe zu einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts kommen könne. Durch eine nicht funktionsfähige Kamera könnten zudem keine Videoaufnahmen von Mietern bzw. Besuchern gefertigt werden. Es sei auch fraglich, ob der Beklagte sich zur Begründung der Kündigung überhaupt auf einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht seiner (potentiellen) Mandanten stützen könne. Selbst wenn, wäre ein derartiger Eingriff jedenfalls gerechtfertigt gewesen, weil sich der Beklagte mehrfach über Zustände im Hausflur (Straftaten und massive Störungen des Hausfriedens) beschwert habe. Die Interessenabwägung des Landgerichts sei auch unvollständig. Es sei insoweit zu berücksichtigen, dass nur in die Individualsphäre des Persönlichkeitsrechts eingegriffen würde. Diese genieße nicht einen so weitgehenden Schutz wie die Privat- und Intimsphäre. Im Übrigen sei das Kündigungsrecht auch verwirkt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung (GA 171 ff.) und den Schriftsatz vom 5.1.2006 (GA 197 ff.) Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils zu verurteilen, an ihn 41.006,89 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 1.923,13 € seit dem 05.02.2003 sowie auf je 2.020,99 € seit dem 05.03., 04.04., 06.05., 05.06., 04.07., 05.08., 04.09., 06.10., 06.11. und 04.12.2003 und seit dem 06.01. und 04.02.2004 sowie auf je 2.118,84 € seit dem 04.03., 05.04., 06.05., 04.06, 05.07., 05.08. und 04.09.2004 zu zahlen.

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und bittet um Zurückweisung der Berufung. Gerade Mandanten eines Rechtsanwaltes und ganz besonders solche in Strafsachen hätten ein besonderes und berechtigtes Interesse daran, beim Besuch ihres Anwalts nicht einer Videoaufzeichnung oder scheinbaren Videoaufzeichnung ausgesetzt zu sein. Rein vorsorglich verweist er auf die Berechtigung seiner anderen Kündigungen und nimmt hierzu Bezug auf seinen erstinstanzlichen Sachvortrag. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 12.12.2005 (GA 193 ff.) Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache überwiegend Erfolg. Dem Kläger steht gegen den Beklagten ein rückständiger Mietanspruch für die Monate Februar 2003 bis September 2004 in Höhe von € 32.436,58 zu. Das Mietverhältnis der Parteien ist entgegen der Auffassung des Landgerichts weder durch die Kündigung des Beklagten vom 6.1.2003 noch durch die weiteren Kündigungen vom 26.11.2002, 6.12.2002, 13.12.2002 und vom 2.1.2003 beendet worden, so dass der Beklagte gemäß § 535 BGB weiterhin zur Mietzahlung verpflichtet ist. In Höhe weiterer € 8.570,31 hat die Berufung allerdings keinen Erfolg. Monatliche Nebenkostenvorauszahlungen für die Zeit bis einschließlich 30.6.2004 kann der Kläger wegen Eintritts der Abrechnungsreife zum 30.6.2004 (Abrechnungsjahr 7/02 bis 6/03) bzw. 30.6.2005 (Abrechnungsjahr 7/03 bis 6/04) nicht mehr verlangen (BGH, Urt. v. 4.10.2000, NZM 2001, 234; Urt. v. 29.1.2003, XII ZR 157/01), so dass die geltend gemachte Miete um die anteiligen Nebenkostenvorauszahlungen einschließlich 16% Mehrwertsteuer zu kürzen ist. Dies beruht im Einzelnen auf folgenden Erwägungen:

1.

Das Mietverhältnis der Parteien ist nicht durch die außerordentliche fristlose Kündigung des Beklagten aus wichtigem Grund vom 6.1.2003 wegen der Installation einer Videokameraattrappe beendet worden. Der Senat teilt nicht die Auffassung der Kammer, dass die Installation der Videokameraattrappe einen wichtigen Grund i.S. des § 543 BGB darstellt. Nach § 543 Abs. 1 Satz 2 BGB liegt ein wichtiger Grund vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Hiervon ist auszugehen, wenn die Durchführung des Vertrages infolge des Verhaltens des anderen Vertragsteils wegen der Zerstörung der das Schuldverhältnis tragenden Vertrauensgrundlage derart gefährdet ist, dass sie dem Kündigenden auch bei Anlegung eines strengen Maßstabes nicht mehr zuzumuten ist (BGH, WM 1978, 271, 273; ZMR 1996, 309).

Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nach den gemäß § 529 Abs. 1 ZPO zugrunde zu legenden Feststellungen des Landgerichts nicht vor. Insoweit bedarf es keiner Entscheidung, ob bereits das Anbringen der Attrappe einer Videoüberwachungskamera in jedem Fall einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht darstellt, das grundsätzlich auch die Herstellung von Bildnissen einer Person, insbesondere die Filmaufzeichnung mittels Videogerät in der Öffentlichkeit zugänglichen Bereichen und ohne Verbreitungsabsicht verbietet (BGH, NJW 1995, 1955). Das Landgericht hat im Rahmen seiner Abwägung wesentlich darauf abgestellt, die Attrappe erwecke den Eindruck, sie sei funktionsfähig und es könnten damit Aufzeichnungen gemacht werden, so dass potentielle Mandanten des Beklagten ständig mit überwachenden Aufzeichnungen rechnen müssten. Ein potentieller Mandant, der einen Rechtsanwalt aufsuche, habe ein Interesse daran, dass sein Besuch nicht festgehalten werde. Insbesondere im Hinblick auf eine strafrechtliche Angelegenheit könne Besuchern nicht zugemutet werden, sich einer Videoaufzeichnung auszusetzen. Mit dieser Begründung hat das Landgericht im Rahmen seiner Abwägung dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Beklagten den Vorrang vor den Interessen des Klägers, einen Schutz der Hausbewohner, insbesondere des Beklagten, vor unliebsamen Besuchern zu ermöglichen, eingeräumt und hierbei wesentlich auf die tatsächliche Nutzung der Mieträume als Rechtsanwaltskanzlei abgestellt. Dies ist im Grundsatz nicht zu beanstanden, berücksichtigt im Streitfall aber nicht hinreichend, dass der Beklagte bei Ausspruch der Kündigung gar nicht mehr beabsichtigte, in den Mieträumen seine Rechtsanwaltskanzlei zu betreiben bzw. diese überhaupt noch zu nutzen. Unstreitig hat der Beklagte die Mieträume bereits am 16.12.2002 geräumt und jedenfalls ab 1.1.2003 mit der Kollegin M. in den Räumen T. 46 in D. die Sozietät "M. S. B." aufgenommen. Da die Aufgabe einer eigenen Kanzlei und der Eintritt in eine Sozietät im Regelfall nicht von heute auf morgen durchzuführen sind, ist nach der Lebenserfahrung davon auszugehen, dass die Vorbereitungen hierzu bereits abgeschlossen waren, als der Kläger Anfang Dezember 2002 die Kameraattrappe erstmals anbrachte. Wie sich der vorgelegten Korrespondenz entnehmen lässt, befand sich der Beklagte offensichtlich in erheblichen finanziellen Schwierigkeiten. Seine insgesamt fünf in kurzer Folge zwischen dem 26.11.2002 (bereits mit der Ankündigung, das Mietobjekt bis zum 16.12.2002 zu räumen) und dem 6.1.2003 ausgesprochenen fristlosen Kündigungen zeigen, dass er im Hinblick auf den geplanten Kanzleiwechsel alles versucht hat, um die ihn belastende langfristige Bindung an das bestehende Mietverhältnis vorzeitig zu beenden. Vor diesem Hintergrund geht der Senat davon aus, das der Beklagte mit der Kündigung vom 6.1.2003 lediglich einen weiteren Vorwand gesucht hat, sich aus dem Mietverhältnis zu lösen. Wenn im Zeitpunkt der Kündigung keine ernsthafte Nutzungsabsicht mehr bestand, war das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Beklagten nicht berührt. Jedenfalls machte die Anbringung der Attrappe die Fortsetzung des Mietverhältnisses unter diesen Umständen für den Beklagten nicht unzumutbar i.S. des § 543 Abs. 1 BGB. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass der Mieter - wie aus § 537 Abs. 1 Satz 1 BGB folgt - zu einer Nutzung des Mietobjekts grundsätzlich nicht verpflichtet ist und der Nichtgebrauch der Mietsache insoweit weder eine Herabsetzung der Miete noch eine abweichende Beurteilung des Mängelbegriffs i.S. des § 536 BGB rechtfertigt. Den Interessen des weiterhin an den Mietvertrag gebundenen Beklagten hätte unter diesen besonderen Umständen und unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes mit einer Klage auf Entfernung der Videoattrappe ausreichend Rechnung getragen werden können.

2.

Das Mietverhältnis der Parteien ist auch nicht durch die weiteren außerordentlichen fristlosen Kündigungen des Beklagten aus wichtigem Grund vom 26.11., 6.12. und 13.12.2002, sowie vom 2.1.2003 beendet worden. Der Senat ist allerdings nicht gemäß § 322 ZPO wegen der entgegenstehenden Rechtskraft des Teil- und Vorbehaltsurteils des AG Düsseldorf vom 24.11.2003 (58 C 19445/02) gehindert, die Berechtigung dieser Kündigungen eigenständig zu prüfen. Streitgegenstand des Vorprozesses waren die Mieten für Dezember 2002 und Januar 2003. Soweit der Beklagte danach zur Zahlung verurteilt worden ist und seine Kündigungen nicht für wirksam gehalten bzw. wegen Verspätung nicht zugelassen worden sind, ergibt sich hieraus keine Bindungswirkung für das streitgegenständliche Verfahren, das mit den rückständigen Mieten für die Monate Februar 2003 bis September 2004 einen anderen Anspruchszeitraum zum Gegenstand hat (Senat, OLGR 1998, 46 = WM 1998, 483).

a. Fristlose Kündigung vom 26.11.2002 (GA 38)

Die im Kündigungsschreiben vom 26.11.2002 angegebenen Gründe rechtfertigen weder für sich noch bei der gebotenen Gesamtwürdigung die Annahme eines wichtigen Grundes i.S. des § 543 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB.

Soweit die Kündigung auf den Vorfall vom 21.11.2002 gestützt ist, handelt es sich ersichtlich um einen einmaligen Vorfall, der zudem durch den Beklagten mitverursacht worden ist, indem er sich auf eine verbale Auseinandersetzung mit den drei im Erdgeschoss stehenden und mit Möbelteilen hantierenden Männer eingelassen hat.

Das angebliche Offenstehen der Haustür am 25.11.2002 um 7:00 Uhr und 10:30 Uhr lässt bereits nicht erkennen, dass es sich um eine von § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB vorausgesetzte erhebliche Beeinträchtigung des vertragsgemäßen Gebrauchs gehandelt hat (Palandt/Weidenkaff, BGB, 65. Aufl., § 543, RdNr. 19). Gleiches gilt für die Beanstandung, am 26.11.2002 habe die - von außen gesehen - rechte Tür völlig offen gestanden. Dem Mietvertrag ist auch nicht zu entnehmen, dass der Kläger eine ständig verschlossene Haustür schuldete. Der Beklagte hat Kanzleiräume in einem Haus angemietet, in dem ein Konsulat untergebracht war. Mit Publikumsverkehr und hierdurch bedingten Unzuträglichkeiten musste er daher rechnen und kann sich hierauf nicht zur Begründung seiner Kündigung(en) stützen.

Die weitere Behauptung, das Schloss werde regelmäßig manipuliert, damit es nicht zufallen könne, ist substanzlos.

Auf Vorfälle aus November und Dezember 2001 kann eine Kündigung im November 2002 nicht mehr gestützt werden. Allgemein gilt, dass in Dauerschuldverhältnissen ein vertragswidriges Verhalten des anderen innerhalb angemessener Frist zum Anlass einer Kündigung genommen werden muss (vgl. BGH, NJW 1985, 1894; WM 1983, 660). Der Gesetzgeber hat diesen Grundsatz jetzt ausdrücklich in § 314 Abs. 3 BGB normiert. Auch wenn sich danach keine allgemein verbindlichen Fristen bestimmen lassen, durfte der Beklagte mit der Kündigung nicht nahezu ein Jahr warten, zumal der Kläger auf die beanstandeten Vorfälle reagiert und die Haustür ausgewechselt hat. Gleiches gilt, soweit der Beklagte die Kündigung vom 26.11.2002 mit Schriftsatz vom 15.12.2004 (GA 24) auf weitere in dem Kündigungsschreiben nicht aufgeführte Vorfälle aus den Jahren 2000 und 2001 zu stützen versucht hat.

Gleiches gilt auch, soweit der Beklagte sich darauf beruft, der Hausflur sei am 10.5.2002 mit Kot verschmutzt gewesen. Im Übrigen handelt es sich ersichtlich um einen unbedeutenden Einzelfall, auf den der Kläger - wie der Beklagte selbst vorträgt - unverzüglich durch Beauftragung einer Reinigungsfirma reagiert hat.

Die Behauptung, der Kellereingang sei ständig mit Altpapier und Müll anderer Mieter zugestellt, ist auch unter Berücksichtigung des vorgelegten Schriftwechsels ebenso substanzlos wie die Behauptung, im Keller herrsche eine Rattenplage, so dass monatlich der Rattenfänger im Keller der Kanzlei sei. Unerhebliche Einzelfälle in Bezug auf das Verstellen des Kellereingangs rechtfertigen, selbst wenn sie hier über einen längeren Zeitraum gelegentlich vorgekommen sein sollen, auch in ihrer Kumulation keine fristlose Kündigung.

Auch dass eine Mandantin im September 2002 angeblich auf der Treppe zu Fall gekommen sein soll, weil der Teppichboden nicht ordnungsgemäß verlegt worden sei, rechtfertigt weder für sich noch im Zusammenhang mit den übrigen Kündigungsgründen eine fristlose Kündigung des Mietverhältnisses.

b. Fristlose Kündigung vom 6.12.2002

Die fristlose Kündigung ist darauf gestützt, dass der Kläger die Nebenkostenabrechnungen für die Abrechnungszeiträume bis 30.6.2000, 30.6.2001 und bis 30.6.2002 erst auf Nachfrage vom 26.11. mit Schreiben vom 27.11.2002 übersandt und die darin ausgewiesenen Guthaben nicht unmittelbar nach Erstellung ausgezahlt hat. Selbst wenn der Kläger sich damit vertragswidrig verhalten haben sollte, begründet dies - auch mit Blick auf die Mietrückstände für Oktober/November 2002 (GA 45) - keine Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Mietverhältnisses. Der Beklagte hat sich ersichtlich für die Erstellung der Nebenkosten nicht interessiert, denn er hat den Kläger erstmals am 26.11.2002, d.h. in zeitlichem Zusammenhang mit seinem bevorstehenden Auszug zur Abrechnung aufgefordert. Das zeigt, dass der Beklagte in der Zeit davor selbst nicht davon ausgegangen ist, ihm sei eine Fortsetzung des Mietverhältnisses wegen Nichterteilung der Abrechnungen unzumutbar.

c. Fristlose Kündigung vom 13.12.2002

Ein Fall des § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB liegt nicht vor, da eine Erheblichkeit der Gebrauchsbeeinträchtigung nicht dargetan ist. Die Behauptung, Kellerzugang und Vorraum zum Keller seien mit Kartons, Papiermüll und Elektroschrott zugestellt, lässt verwertbare Einzelheiten nicht erkennen.

d. Fristlose Kündigung vom 2.1.2003

Das vom Beklagten abgelehnte Verlangen des Klägers nach einer Bonitätsprüfung und Selbstauskunft der vom Beklagten vorgeschlagenen Nachmieterin Frau De V. mit der Folge, dass ein Nachmietvertrag nicht zustande gekommen ist, rechtfertigt eine fristlose Kündigung des Mietverhältnisses ebenfalls nicht. Der Kläger war nicht verpflichtet, die vorgeschlagene Nachmieterin allein deshalb zu akzeptieren, weil sie ihm vom Beklagten als solvent benannt worden war. Auch wenn der Kläger von dem Beklagten bei Anmietung der Kanzleiräume keinen Bonitätsnachweis verlangt hat, hinderte ihn dies angesichts des bis 28.2.2009 befristeten Mietvertrages nicht, den Abschluss eines Nachmietvertrages von der Bonität der vorgeschlagenen Nachmieterin abhängig zu machen. Einem Vermieter, der sich mit einem Nachmieter einverstanden erklärt, ist es grundsätzlich nicht verwehrt, sich gegen mögliche Schäden als Folge des Mieterwechsels rechtlich abzusichern (vgl. BGH, NJW 1998, 531). Dies gilt vorliegend um so mehr, als die potentielle Nachmieterin Frau De V. bisher nur in F. (P.) ein Übersetzungsbüro betrieben hatte und in Deutschland erst Fuß fassen musste. Wenn der Beklagte das Mietverhältnis beenden will, muss er dem Kläger einen solventen Nachmieter zuführen und darf sich dem Verlangen nach einem Bonitätsnachweis nicht verschließen oder er kann das Objekt ggf. untervermieten. Beides ist bisher ersichtlich aus nicht vom Kläger zu vertretenden Gründen nicht geschehen.

3.

Hinsichtlich der Berechnung der der Höhe nach nicht bestrittenen Mietforderungen legt der Senat die Aufstellung des Klägers aus der Klageschrift zugrunde. Da der Kläger bis einschließlich 6/04 Nebenkostenvorauszahlungen nicht mehr verlangen kann, ist der geltend gemachte Anspruch von 41.006,89 € um 8.570,31 € (= 434,60 x 16% x 17 Monate) zu kürzen, so dass restliche 32.436,58 € verbleiben.

4.

Die Zinsentscheidung folgt aus §§ 286 Abs. 1, 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB i.V.m. § 4 Nr. 1 MV. Zinsen kann der Kläger auch für die Nebenkostenvorauszahlungen bis zum jeweiligen Zeitpunkt der Abrechnungsreife beanspruchen.

5.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Streitwert: 41.006,89 €

Ende der Entscheidung

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