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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 19.02.2009
Aktenzeichen: I-10 U 142/08
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 313
BGB § 535
Zur Frage, ob der Mieter einer Bäckereifiliale in einem aus dieser, einem Lebensmitteldiscounter als Hauptmieter und einer Metzgerei bestehenden Einkaufszentrum das Mietverhältnis kündigen kann, wenn der Hauptmieter seinen Geschäftsbetrieb faktisch einstellt.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 19. Juni 2008 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Mönchengladbach abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Streithelferin trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die zulässige Berufung der Streithelferin und der Beklagten, bei der es sich unabhängig davon, dass der Rechtsmittelschriftsatz der Streithelferin zeitlich vor dem der Hauptpartei bei Gericht eingegangen ist, um ein einheitliches Rechtsmittel der Beklagten handelt (BGH, NJW 1982, 2069), hat in der Sache Erfolg. Denn die Klage ist unbegründet. Entgegen der Auffassung des Landgerichts endete das Mietverhältnis zwischen dem Vollstreckungsschuldner und dem Kläger nicht bereits am 18.04.2007, sondern bestand mangels feststellbarer Kündigung der Hauptmieterin L. jedenfalls für den streitgegenständlichen Zeitraum fort. Der Kläger war gemäß §§ 535 Abs. 2 BGB, 152 ZVG gegenüber der Beklagten zur Zahlung der vereinbarten Miete für die Monate Mai bis September 2007 in Höhe von insgesamt 8.592,42 € verpflichtet. Dies schließt einen hier geltend gemachten Schadensersatzanspruch gemäß § 280 Abs. 1 BGB, der nach Beendigung der Zwangsverwaltung bei einer - wie hier - bestimmungsgemäßen Verwendung der Gelder allein eine Haftung der Beklagten begründen könnte (vgl. Stöber, ZVG, 18. Aufl., § 161, Anm. 5.6), aus.

Nach § 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Ausgehend vom Wortlaut der Erklärung ist der wirkliche Wille der Parteien zu erforschen. Zu den anerkannten Auslegungsregeln gehört hierbei der Grundsatz einer nach beiden Seiten hin interessengerechten Auslegung, durch die eine Abrede auf einen vertretbaren Sinngehalt zurückzuführen ist (BGH, Beschl. v. 9.1.2007, VIII ZR 205/06; Urt. v. 18.10.2007, III ZR 279/06). Die einseitige Auslegung des Mietvertrags zugunsten des Klägers wird diesem Erfordernis nicht gerecht. Der Senat teilt bereits nicht die auf § 5 MV gründende Annahme der Kammer, der Mietvertrag sei gemäß § 158 Abs. 2 BGB unter der auflösenden Bedingung geschlossen, dass das Mietverhältnis ende, wenn der "Hauptmieter" seinen Geschäftsbetrieb als Lebensmitteldiscounter faktisch einstelle. Die Berufung (GA 118 f.) weist insoweit zutreffend darauf hin, dass das Landgericht nicht ausreichend beachtet hat, dass es sich bei dem vorliegenden Mietvertrag ersichtlich um eine sogenannte "Reißbrettvermietung" gehandelt hat. Dementsprechend betreffen die Vereinbarungen in § 5.1, 5.2. und 5.4 MV in erster Linie Regelungen zum Beginn des Mietverhältnisses mit der Fa. L. (§ 5.1 Satz 1) und zu den Rechtsfolgen eines verspäteten Mietbeginns (§ 5.2) bzw. des Nichtzustandekommens einer Übergabe des Mietobjekts an die weitere Mieterin L. (§ 5.4). Während das Mietverhältnis gemäß § 5.1 Satz 5 MV auf jeden Fall enden soll, wenn das Mietverhältnis mit der Fa. L. endet und der Mieter für diesen Fall gegenüber dem Mieter keine Ansprüche geltend machen kann, gibt § 5.3 dem Vermieter darüber hinaus ein außerordentliches Kündigungsrecht, wenn der Betrieb des L. Ladens "eingestellt werden soll". Die unterschiedliche Sprachregelung belegt, dass die Vertragsparteien erkennbar zwischen der Beendigung des Mietverhältnisses mit der Fa. L. und dem Fall der Betriebseinstellung unterschieden haben. Auch wenn der Mietvertrag mit dem Kläger - wie das Landgericht meint - vom Bestehen des "Hauptmietvertrages" abhängig sein sollte, sieht der Mietvertrag bei einer von der rechtlichen Beendigung des Mietverhältnisses zu unterscheidenden Betriebseinstellung ausdrücklich ein Vertragslösungsrecht nur zugunsten des Vermieters vor. Ein solches Lösungsrecht wäre überflüssig gewesen, wenn das Mietverhältnis mit dem Kläger in jedem Fall bereits mit der faktischen Einstellung des Geschäftsbetriebs durch den Hauptmieter hätte enden sollen. Hätte hingegen auch dem Kläger für diesen Fall ein Recht zur außerordentlichen Kündigung zustehen sollen, wäre es andererseits naheliegend gewesen, die in § 5.3 MV getroffene Regelung sprachlich auch auf den Kläger zu erstrecken. Da die Parteien hiervon keinen Gebrauch gemacht haben, ist bei der gebotenen Gesamtwürdigung und einer beiderseits interessengerechten Auslegung davon auszugehen, dass das Vertragsrisiko für den Fall einer bloßen Betriebseinstellung ohne gleichzeitige rechtliche Beendigung des "Hauptmietvertrages" allein den Kläger treffen sollte. Dies entspricht auch der Gesetzeslage. Danach endet ein Mietverhältnis entweder durch Kündigung oder mit dem Ablauf der Zeit, für die es eingegangen ist (vgl. § 542 BGB). Abgesehen vom Fall der Insolvenz wird der Mieter gemäß § 537 BGB von der Entrichtung der Miete auch nicht dadurch befreit, dass er seinen Betrieb einstellt. Im Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter trägt grundsätzlich der Mieter das Verwendungsrisiko bezüglich der Mietsache. Dazu gehört bei der gewerblichen Miete vor allem das Risiko, mit dem Mietobjekt Gewinne erzielen zu können. Erfüllt sich diese Erwartung nicht, so verwirklicht sich dann ein typisches Risiko des gewerblichen Mieters, das dieser nicht auf den Vermieter verlagern kann. Diese im Gewerberaummietrecht angelegte Risikoverteilung ändert sich nicht dadurch, dass das vermietete Geschäft in einem aus einem Lebensmitteldiscounter, einer Metzgerei- und der streitgegenständlichen Bäckereifiliale des Klägers bestehenden Einkaufszentrum liegt und nicht nur der Mieter, sondern auch der Vermieter erwartet, die notwendige geschäftsbelebende Funktion des Einkaufszentrums werde verwirklicht werden können. Wie auch in anderen Geschäftslagen fällt es in den Verantwortungsbereich des Mieters, als Unternehmer die Erfolgsaussichten eines Geschäftes in der gewählten Lage abzuschätzen. Das umfasst bei einem - wie hier - erst geplanten Einkaufszentrum neben der Chance, in einem später florierenden Zentrum erhöhte Gewinne zu erzielen, auch das Risiko eines Scheiterns des Gesamtobjekts mit entsprechenden negativen Folgen für das gemietete Einzelgeschäft. Allein der Umstand, dass auch der Vermieter von einem wirtschaftlichen Erfolg des Projekts ausgeht, verlagert das Verwendungs- und Gewinnerzielungsrisiko für das einzelne gemietete Geschäft in dem Einkaufszentrum nicht von dem Mieter auf den Vermieter (vgl. BGH, Urt. v. 19.7.2000, NJW-RR 2000, 1535 = NZM 2000, 1005 = ZMR 2000, 814; Urt. v. 16.2.2000, DWW 2001, 238 = = GE 2000, 671 = LM Nr. 51 zu § 537 BGB = MDR 2000, 821 = NJW 2000, 1713 = NZM 2000, 492 = WPM 2000, 1012 = WuM 2000, 593 = ZfIR 2000, 351 = ZIP 2000, 887). Zwar können die Parteien die Risikoverteilung vertraglich ändern und vereinbaren, dass der Vermieter das Geschäftsrisiko des Mieters ganz oder zum Teil übernimmt. Eine derartige Risikoübernahme ist den vertraglichen Vereinbarungen indes nicht zu entnehmen und ergibt sich auch nicht aus den §§ 8, 9 MV, bei denen es sich um vertragliche Verpflichtungen des Mieters handelt, wie sie im Zusammenwirken und in Konkurrenz mehrerer Mieter in einem auf sog. Food-Artikel ausgerichteten Einkaufszentrum vertragstypisch sind.

Selbst wenn im Ergebnis mit dem Landgericht davon auszugehen wäre, dass jedenfalls Geschäftsgrundlage des Mietvertrages in dem geplanten Einkaufszentrum der Betrieb des klägerischen Backwarenunternehmens im Zusammenhang mit dem Betrieb eines Lebensmitteldiscounters war, wäre diese Geschäftsgrundlage jedoch - bei fortbestehendem Mietvertrag mit der "Hauptmieterin" - frühestens in dem Zeitpunkt entfallen, in dem diese in den gemieteten Räumlichkeiten statt eines Lebensmitteldiscounters einen Restpostenanbieter etablierte. Selbst für diesen Fall wäre der Kläger gemäß § 313 Abs. 3 Satz 2 BGB aber nur berechtigt gewesen, das Mietverhältnis zu kündigen. Die Voraussetzungen einer dergestalt begründeten Kündigung hat der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte für den streitgegenständlichen Zeitraum aber nicht substantiiert.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 101, 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Streitwert: 8.592,42 €

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