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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 27.04.2006
Aktenzeichen: I-10 U 169/05
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, NMV 1970


Vorschriften:

BGB § 259
BGB § 535 Abs. 2
BGB § 535 Satz 2 a.F.
BGB § 556 Abs. 3 Satz 3
BGB § 578
ZPO § 531 Abs. 2
ZPO § 531 Abs. 2 Nr. 3
NMV 1970 § 20 Abs. 3 Satz 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 11. November 2005 verkündete Urteil des Einzelrichters der 15. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Die Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht den Beklagten zur Zahlung von 7.605,31 € nebst Zinsen verurteilt.

1.

Die Klägerin hat im vorstehenden Umfang nach § 535 Abs. 2 BGB bzw. § 535 Satz 2 BGB a.F. i.V.m. § 4 Ziffer 3 und 5 des Mietvertrages vom 06.05.1999 (Anl. K 1, Bl. 14 f GA) Anspruch auf Zahlung der sich aus den vom 02.02.2004 datierenden Nebenkostenabrechnungen für die Jahre 2000 bis 2002 (Anl. K 2 bis K 4, Bl. 36 f GA) ergebenden Nebenkostensalden einschließlich des im Wege zulässiger Klageerweiterung (§ 264 Nr. 2 ZPO) mit Schriftsatz vom 07.01.2005 (Bl. 82 GA) hilfsweise geltend gemachten Erhöhungsbetrages von 1.768,68 € betreffend die Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2002.

a.

Ohne Erfolg wendet sich die Berufung gegen die in den Nebenkostenabrechnungen in Ansatz gebrachten Kosten der Müllabfuhr für den Gewerbebetrieb des Beklagten in dem durch das Landgericht für die Zeit ab Oktober 2001 zuerkannten Umfang.

aa.

Nach den nicht zu beanstandenden Feststellungen des Landgerichts haben sich die Parteien - die Klägerin vertreten durch den Zeugen B. - spätestens im September 2001 darauf geeinigt, dass der Beklagte jedenfalls ab Oktober 2001 für seinen Gewerbebetrieb einen Müllcontainer bei zweifacher Leerung wöchentlich allein nutzen darf. Inwieweit eine Verständigung auch den Zeitraum bis September 2001 betreffend erfolgt ist, bedarf keiner Entscheidung, da die hiermit einhergehende Klageabweisung von der Klägerin nicht angegriffen wird.

Die gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts gerichteten Angriffe der Berufung gehen fehl. Sie zeigen insbesondere keine konkreten Anhaltspunkte auf, welche Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Feststellungen des Landgerichts begründen (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Die Berufung möchte lediglich ihr eigenes Verständnis an die Stelle der Würdigung des Landgerichts setzen, zeigt aber keine Rechtsfehler auf, die dem Berufungsgericht unterlaufen wären. Das Landgericht hat nichts übergangen, sondern die Umstände nur anders bewertet, als es der Beklagte für richtig erachtet. Im Einzelnen:

(1)

Entgegen der Auffassung des Beklagten hat das Landgericht überzeugend ausgeführt, weshalb es der Aussage des Zeugen B. Glauben schenkt und den vom Beklagten zu führenden Gegenbeweis durch die Aussage des Zeugen C. als nicht erbracht erachtet. Ungeachtet dessen, dass der Zeuge C. bestätigt hat, dass dem Beklagten ab Ende 2002 ein eigener Müllcontainer zur Verfügung gestellt worden ist, dessen Kosten ihm nach Angaben des Zeugen B. auferlegt werden sollten, hat das Landgericht nachvollziehbar darauf verwiesen, dass der - mit dem Beklagten verwandte - Zeuge C. nicht nur keine plausible Erklärung für die Umstellung der Müllentsorgung gegeben habe, sondern auch seine Angaben hinsichtlich des Zeitpunktes der Umstellung nicht näher zu untersetzen vermochte, wohingegen die Ausführungen des Zeugen B. in Einklang mit dem Inhalt der vorgelegten Abgabenbescheide stünden. Überdies hat der Zeuge B. - obgleich Streitverkündeter - nicht allein einseitig zu Gunsten der Klägerin ausgesagt, sondern teilweise eingeräumt, lediglich eigene Schlussfolgerungen gezogen zu haben, so insbesondere betreffend die Absprachen für den vor Oktober 2001 liegenden Zeitraum.

(2)

Soweit der Beklagte zweitinstanzlich nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist erstmals auf das Schreiben der Hausverwaltung vom 24.06.2002 verweist, ergibt sich hieraus keine abweichende Beurteilung.

(a)

Der Beklagte ist mit seinem dahin gehenden Sachvortrag nach § 531 Abs. 2 ZPO präkludiert. Die Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO sind entgegen der Auffassung des Beklagten nicht erfüllt. Denn der Beklagte stellt selbst nicht in Abrede, dass ihm das Schreiben vom 24.06.2002 bereits zum Zeitpunkt der Durchführung des erstinstanzlichen Verfahrens vorlag. Die Tatsache, dass er dieses erst gelegentlich einer Nachsicht im Rahmen eines anderen Rechtsstreites aufgefunden hat, entlastet ihn nicht. Vielmehr hätte dem Beklagten die Sichtung und etwaige Vorlage seiner Unterlagen anlässlich des hiesigen Verfahrens oblegen.

(b)

Unabhängig davon ist das Schreiben vom 24.06.2002 nicht geeignet, die Glaubwürdigkeit des Zeugen B. in Frage zu stellen. Dem Beklagten kann nicht darin gefolgt werden, dass es sich um ein Bestätigungsschreiben handelt. Vielmehr gründet das die streitgegenständliche Abrede in Bezug nehmende Schriftstück auf Hinweisen der Mieter auf eine - trotz Bereitstellung eines eigenen Müllcontainers - fortwährende Nutzung der verbleibenden Müllgefäße durch den Beklagten zur Entsorgung von gewerblichen Abfällen. Ein zeitlicher Bezug zu der Abrede der Parteien derart, dass diese unmittelbar vorausging, ist dem Schreiben weder der Form noch dem Inhalt nach zu entnehmen. Überdies bestätigt das Schreiben die Angaben des Zeugen B. insofern, als die streitgegenständliche Abrede hiernach jedenfalls vor dem 24.06.2002 getroffen worden ist und keineswegs - wie der Zeuge C. versichert hat - erst Ende des Jahres 2002. Soweit der Beklagte schließlich darauf verweist, ihm sei ausweislich des Schreibens lediglich ein Container zur Verfügung gestellt worden, folgt hieraus nichts Gegenteiliges, nachdem die Beweisaufnahme vor dem Landgericht genau dies ergeben hat mit der Besonderheit, dass der Container - wie abgerechnet und klägerseits dargestellt - zwei mal wöchentlich geleert wird.

bb.

Hiervon ausgehend folgt bereits aus § 4 Ziffer 5 f) Satz 1 des Mietvertrages (Bl. 19 GA), dass der Beklagte für die im Streit stehenden Müllabfuhrgebühren einzustehen hat. Eines Rückgriffs auf die mündliche Vereinbarung zur Kostenübernahme und damit eines Eingehens auf die in § 21 des Vertrages enthaltene qualifizierte Schriftformklausel bedarf es mithin nicht.

b.

Die Nebenkostenabrechnungen für die Jahre 2000 bis 2002 sind - auch nicht anteilig - um die in Ansatz gebrachten Kosten des Hauswarts zu kürzen.

aa.

Die Kosten des Hauswarts sind nach § 4 Ziffer 3 a) des Mietvertrages in Verbindung mit Ziffer 14 der Anlage 3 zu § 27 Abs. 1 der Zweiten Berechnungsverordnung (BV) umlagefähig. Der Berufung kann keine Folge darin geleistet werden, die Klägerin habe - obgleich entgegen der Auffassung des Landgerichts für die Höhe ihrer Forderung beweispflichtig - keinen Beweis dafür angetreten, dass die angesetzten Kosten keine Kosten für Hausverwaltung oder Kleinreparaturen beinhalten. Ungeachtet der Beweislast hätte es allein vor dem Hintergrund, dass die Klägerin unstreitig eine gesonderte Hausverwaltung mit den Verwaltungsaufgaben betraut hat, dem Beklagten oblegen, konkrete Anhaltspunkte dafür zu unterbreiten, dass die Klägerin derartige Kosten in Ansatz gebracht hat. Ein pauschales Bestreiten einzelner Positionen ohne Einsicht in die Kostenbelege ist unzulässig (vgl. OLG Düsseldorf, ZMR 2003, 570).

bb.

Soweit der Beklagte nunmehr vorbringt, der Hausmeister habe, wie sich dem Schreiben vom 24.06.2002 entnehmen lasse, zumindest der Besprechung bezüglich der Müllcontainer beigewohnt, folgt hieraus schon deshalb nichts anderes, weil der Beklagte mit seinem dementsprechenden Sachvortrag aus den bereits dargelegten Gründen nach § 531 Abs. 2 ZPO präkludiert ist.

c.

Nachdem der Beklagte keine weitergehenden inhaltlichen Beanstandungen erhebt, errechnet sich die Nachforderung der Klägerin für die Jahre 2000 bis 2002 unter Berücksichtigung des hilfsweise geltend gemachten Erhöhungsbetrages für das Jahr 2002 von 1.768,68 € in der vom Landgericht zuerkannten Höhe von insgesamt 7.605,31 €.

d.

Die Klägerin ist mit ihren Nachforderungen, auch soweit sie erstmals im Prozess erhoben worden sind, nicht ausgeschlossen.

aa.

Entgegen der Rechtsansicht des Beklagten ist der unter § 4 Ziffer 6 des Mietvertrages enthaltenen Regelung zur Abrechnungsfrist keine Ausschlussfrist für die Geltendmachung von Nachforderungen zu entnehmen (vgl. auch LG Limburg, WuM 1997, 120; Schmidt, Handbuch der Mietnebenkosten, 7. Aufl., Rz. 3170; Langenberg, Handbuch des Betriebskostenrechts der Wohn- und Gewerberaummiete, 4. Aufl., Kap. J Rz. 16). Dafür, dass der Bestimmung neben den mit dem Eintritt der Abrechnungsreife verbundenen Rechtswirkungen weitergehende Rechtsfolgen zukommen sollen, findet sich kein Anhalt.

bb.

Ebenso wenig ist vorliegend Raum für eine analoge Anwendung der allein für preisgebundenen Wohnraum konzipierten Bestimmung des § 20 Abs. 3 Satz 4 NMV 1970 in der ab dem 29.08.1990 geltenden Fassung. Eine Regelungslücke ist insoweit nicht erkennbar. Für eine Anwendung der vor dem Hintergrund der besonderen Schutzwürdigkeit des sozialen Wohnraummieters erlassenen Norm (vgl. OLG Düsseldorf, ZMR 1998, 219) besteht im Bereich der Gewerberaummiete kein Bedarf. Entsprechendes gilt für eine analoge Anwendung des § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB (Blank, in: Blank/Börstinghaus, Miete, 2. Aufl., § 556 Rz. 170; Schmid, a.a.O., Rz. 3169). Der Gesetzgeber hat die allein für das Wohnraummietrecht konzipierte Regelung des § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB in den Verweisungskanon des § 578 BGB bewusst nicht aufgenommen. Dies schließt eine entsprechende Anwendung auf gewerbliche Mietverhältnisse aus.

cc.

Die Klägerin hat ihre Ansprüche auch nicht verwirkt (§ 242 BGB). Ein Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht und der Verpflichtete sich darauf eingerichtet hat und sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten auch darauf einrichten durfte, dass dieser das Recht in Zukunft nicht geltend machen werde (BGHZ 84, 280 [281]; 105, 290 [298]; BGH NJW 2003, 824; BGH, Beschluss vom 16.02.2005, Az. XII ZR 24/02). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Ungeachtet des Zeitmomentes hat der Beklagte weder vorgetragen, sich darauf eingerichtet zu haben, keinen Nebenkostennachforderungen ausgesetzt zu sein, noch lassen sich seinem Vorbringen über den bloßen Zeitablauf hinausgehende Umstände entnehmen, aus denen er hätte ableiten dürfen, die Klägerin werde keine Nachforderungen mehr geltend machen. Dahin stehen kann daher, ob der Beklagte die den korrigierten Nebenkostenabrechnungen vorangegangenen Abrechnungen vom 01.10.2001 (Anl. K 6, Bl. 63 GA), 14.10.2002 (Anl. K 8, Bl. 65 GA), 05.12.2002 (Anl. K 7, Bl. 64) und 12.12.2003 erhalten hat.

dd.

Bestand mithin keine Ausschlussfrist zu Lasten der Klägerin und hat diese ihre Rechte auch nicht verwirkt, war die Klägerin - ungeachtet des Zeitpunktes des Zugangs der vorgenannten Abrechnungen - schließlich nicht gehindert, weitere Nachforderungen im Prozess zu erheben.

ee.

Die Klageforderungen sind nach ordnungsgemäßer Rechnungslegung auch insgesamt fällig.

(1)

Soweit der Beklagte inhaltliche Mängel der Abrechnungen rügt, sind diese aus den vorstehenden Gründen nicht gegeben. Im Übrigen berühren diese die mit Erstellung einer den Anforderungen von § 259 BGB genügenden Abrechnung eintretende Fälligkeit nicht (vgl. zuletzt BGH, Urteil vom 08.03.2006, Az. VIII ZR 78/05).

(2)

Keine andere Beurteilung ergibt sich hinsichtlich des mittels Hilfsantrages geltend gemachten Nachforderungsbetrages. Einer erneuten förmlichen Rechnungslegung bedurfte es insofern zur Herbeiführung der Fälligkeit nicht. Unabhängig davon, dass sich die Nachforderung auf eine inhaltliche Unrichtigkeit der Abrechnung stützt, ist eine erneute Abrechnung jedenfalls angesichts der Darlegungen im klageerweiternden Schriftsatz vom 07.01.2005 (Bl. 82 GA) entbehrlich.

2.

Einwendungen gegen den Zinsanspruch hat der Beklagte nicht erhoben, so dass es hierbei sein Bewenden hat.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Streitwert: 7.605,31 €

Ende der Entscheidung

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