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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 06.05.2004
Aktenzeichen: I-10 U 177/03
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 233
ZPO § 234 Abs. 1
ZPO § 517
BGB § 422
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten zu 2) wird das am 8. Mai 2003 verkündete Urteil des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klägerin 34.611,93 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 6. Oktober 2001 zu zahlen.

Die Klage gegen die Beklagte zu 2) wird abgewiesen.

Die Gerichtskosten erster Instanz fallen je zur Hälfte der Klägerin und dem Beklagten zu 1) zur Last, die Gerichtskosten der Berufungsinstanz in vollem Umfang der Klägerin.

Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin erster Instanz hat der Beklagte zu 1) zu 50 % zu tragen.

Der Klägerin werden die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) auferlegt.

Im übrigen trägt jede Partei ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten zu 2) durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zu 2) zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Die Klägerin nimmt die Beklagten als Gesamtschuldner auf Schadensersatz in Höhe von 34.611,93 EUR (67.695,06 DM) nebst Zinsen in Anspruch. Zur Begründung macht sie geltend, die Beklagten hätten es schuldhaft versäumt, in einem von ihnen namens der Klägerin geführten Rechtsstreit gegen den Mieter Dr. A.-B. dem Eintritt der Verjährung rechtzeitig entgegen zu wirken, so dass die Klage rechtskräftig abgewiesen worden sei. Infolge dessen sei ihr ein Schaden in Höhe der Klageforderung entstanden.

Durch das angefochtene Urteil (Bl. 134 ff. GA) hat das Landgericht die Beklagten antragsgemäß verurteilt.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten zu 2), mit der sie die Abweisung der gegen sie gerichteten Klage anstrebt. Sie stellt eine Schadensersatzverpflichtung gegenüber der Klägerin und damit eine gesamtschuldnerische Haftung neben dem Beklagten zu 1) in Abrede, weil sie mit der Mietangelegenheit Dr. A.-B. nicht befasst gewesen, diese vielmehr ausschließlich von dem Beklagten bearbeitet worden sei.

Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Berufung der Beklagten zu 2), die sie für unzulässig hält. Darüber hinaus habe das Landgericht die Beklagte zu 2) zu Recht als Gesamtschuldnerin neben dem Beklagten zu 1) verurteilt. Sie müsse sich insbesondere an dem von ihr dadurch begründeten Rechtsschein festhalten lassen, dass im Vorprozess Briefbögen verwendet worden seien, die unter der Bezeichnung "Anwaltskanzlei R." neben dem Namen des Beklagten zu 1) auch den ihrigen aufgewiesen hätten, ohne dass eine Haftungsbeschränkung erkennbar gewesen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze der Parteien, die bei den Akten befindlichen schriftlichen Unterlagen und den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Die Akten 1 O 121/00 LG Detmold = 30 U 169/00 OLG Hamm und 1 OH 2/99 LG Detmold lagen vor und waren zu Informationszwecken Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

I.

1. Die Berufung der Beklagten zu 2) ist zulässig.

Das am 08.05.2003 verkündete landgerichtliche Urteil ist ihr nicht zugestellt worden, sondern lediglich dem Beklagten zu 1), und zwar am 30.05.2003 (Bl. 151 GA). Die Berufungsfrist begann daher nach § 517 ZPO mit dem Ablauf von 5 Monaten nach der Urteilsverkündung, also am 08.10.2003, endete folglich am 08.11.2003 und war somit zum Zeitpunkt des Eingangs der Berufungsschrift der Beklagten zu 2) am 03.12.2003 (Bl. 160 GA) bereits verstrichen.

Der Beklagten zu 2) war jedoch gemäß § 233 ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil sie ohne ihr Verschulden verhindert war, rechtzeitig Berufung einzulegen. Sie hat durch Vorlage eidesstattlicher Versicherungen hinreichend glaubhaft gemacht, erstmals aufgrund des bei ihr am 19.11.2003 eingegangenen Schreibens der Klägervertreter vom 14.11.2003 (Bl. 173 GA) von dem gegen sie gerichteten Rechtsstreit und dem gegen sie ergangenen Urteil Kenntnis erlangt zu haben. Dadurch wird insbesondere die vom Postzusteller beurkundete Behauptung widerlegt, die Klageschrift vom 15.11.2001 sei ihr am 14.12.2001 persönlich übergeben worden (Bl. 23 GA). Die Zustellung der Klageschrift ist vielmehr unzweifelhaft ausschließlich an den Beklagten zu 1) erfolgt, wie sich insbesondere daraus ergibt, dass er an Eides statt versichert hat, er habe die Beklagte zu 2) in keiner Weise über die Zustellung der Klage informiert (Bl. 175 GA). Die Faxschreiben der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 19.09.2001 (Bl. 294 ff. GA) und vom 04.10.2001 (Bl. 300 GA) nebst zugehörigen Sendeberichten rechtfertigen keine andere Beurteilung. Sie lassen nicht erkennen, dass ihr Inhalt der Beklagten zu 2) in irgendeiner Form zugänglich gemacht worden wäre. § 6 Ziff. 2 des von den Beklagten geschlossenen Sozietätsvertrages vom 19.09.2002 (Bl. 179 GA), ausweislich dessen die Gesellschafter jeweils allein zur Vertretung der Sozietät befugt waren, lässt sich die Berechtigung des Beklagten zu 1), die Beklagte zu 2) zu vertreten, ebenfalls nicht entnehmen, weil diese Regelung ersichtlich nicht einschlägig war, soweit einer der beiden Sozien persönlich in Anspruch genommen wurde. Schließlich ist die 2-Wochen-Frist des § 234 Abs. 1 ZPO, wie sich aus den vorstehenden Zeitangaben ergibt, gewahrt.

2. Auch in der Sache hat das Rechtsmittel der Beklagten zu 2) Erfolg. Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin wegen Schlechterfüllung eines Anwaltsvertrages unter dem Gesichtspunkt der positiven Forderungsverletzung ist ihr gegenüber nicht gegeben. Ein Vertrag, der als Haftungsgrundlage in Betracht kommen könnte, ist zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 2) nicht zustande gekommen.

Dass sie die Beklagte zu 2) persönlich mit ihrer anwaltlichen Vertretung beauftragt hätte, macht die Klägerin selbst nicht geltend. Für eine derartige Annahme ist auch sonst nichts ersichtlich.

Allerdings ist nach ständiger Rechtsprechung ein Mandat, das ein Mitglied einer Rechtsanwaltssozietät annimmt, in der Regel dahin auszulegen, dass der Anwaltsvertrag auch mit den übrigen verbundenen Rechtsanwälte geschlossen wird, so dass alle Sozietätsmitglieder für die ordnungsgemäße Erfüllung der Anwaltspflichten als Gesamtschuldner haften. Nur in Ausnahmefällen, deren Besonderheiten von dem Sozietätsmitglied, das nicht ausdrücklich mandatiert worden ist, zu beweisen sind, können die wechselseitigen Vertragserklärungen dahin verstanden werden, dass einem anderen Sozietätsanwalt ein Einzelmandat erteilt worden ist (so z.B. BGH NJW 2000, 1560, 1561 mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Ein derartiger Fall ist vorliegend gegeben.

Im Zeitpunkt der Mandatserteilung seitens der Klägerin im Juli 1997 war der Beklagte zu 1) unstreitig (Bl. 2 GA) mit der Rechtsanwältin B. soziiert. Es ist daher in der Tat offensichtlich falsch, wenn es im angefochtenen Urteil (Bl. 135 GA) heißt, die Klägerin habe im Juli 1997 "die Beklagten" mit der Wahrnehmung ihrer rechtlichen Interessen beauftragt.

Auch an der Klageerhebung vom 15.05.1998 gegen Dr. A.-B. (Bl. 3 GA) war die Beklagte zu 2) unzweifelhaft ebenso wenig beteiligt wie am Abschluss des Vergleichs vom 28.08.1998 (Bl. 3 GA). Das Schreiben vom 17.10.1998 (Bl. 49/50-256/257 GA) wurde von dem Beklagten zu 1) ebenso als Einzelanwalt verfasst wie das Schreiben vom 01.02.1999 (Bl. 247 GA). Dieser stellte in gleicher Weise auch unter dem 04.01.1999 Antrag auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens. Dies alles findet seine Erklärung darin, dass die Rechtsanwältin B. offenbar zwischenzeitlich aus der Bürogemeinschaft mit ihm ausgeschieden war und die Beklagte zu 2) erst am 13.01.1999 in die Anwaltsliste eingetragen worden ist, wobei auffällt, dass das vorgenannte Schreiben vom 01.02.1999 keinen Hinweis auf eine anwaltliche Kooperation mit der Beklagten zu 2) enthält, obwohl diese nunmehr als Anwältin zugelassen war.

Auch in der Folgezeit ist ausschließlich der Beklagte zu 1) in der Mietangelegenheit gegen Dr. A.-B. anwaltlich tätig geworden. Er hat insbesondere - wie bereits am 17.10.1998 (Bl. 258/259 GA) - auch weiterhin die Kostenrechnungen vom 08.02. und 26.06.2000 (Bl. 302/303 GA) ausschließlich unter seinem Namen erstellt. Betreibt indes ein einziges Sozietätsmitglied die Erledigung eines Auftrags, so spricht dies entscheidend gegen die Erteilung eines Gesamtmandats (so ausdrücklich BGH a.a.O.).

Durch den Abschluss des Sozietätsvertrages vom 19.09.2002 (Bl. 176 ff. GA) hat sich keine Änderung der Rechtslage ergeben. In dessen Einleitung heißt es expressis verbis, der Beklagte zu 1) betreibe eine Einzelpraxis unter der Bezeichnung "Anwaltskanzlei R. und P.", in der die Beklagte zu 2) als Angestellte tätig sei. Bei der Gründung einer Anwaltssozietät erstrecken sich indes die vorher bereits erteilten Einzelmandate nicht automatisch auf die übrigen Mitglieder der Sozietät. Dafür bedarf es vielmehr einer zumindest stillschweigenden Einbeziehung der Sozien in das bisherige Einzelmandat (vgl. BGH NJW 1988, 1973). Dafür ist jedoch aus den bereits dargelegten Gründen vorliegend nichts ersichtlich. Lediglich am Rand sei vermerkt, dass die Beklagte zu 2) an der mit Wirkung ab 01.10.2002 gegründeten Sozietät mit dem Beklagten zu 1) zunächst lediglich mit einem Anteil von 1 % beteiligt sein sollte (Bl. 177 GA), wobei in diese Beteiligung erkennbar die bereits bestehenden Einzelmandate nicht einbezogen werden sollten.

Insgesamt kommt demnach eine gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten zu 2) neben dem Beklagten zu 1) nicht in Betracht. Darauf, dass die Klageforderung in dem Umfange der im Schreiben der V. V. AG vom 22.01.2004 (Bl. 309 GA) ausgewiesenen Zahlungen ohnehin infolge Erfüllung erloschen ist, was gemäß § 422 BGB in jedem Falle auch zugunsten der Beklagten zu 2) zu berücksichtigen wäre, kommt es daher nicht mehr an.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz beträgt 34.611,93 EUR

Ende der Entscheidung

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