Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 30.06.2005
Aktenzeichen: I-10 U 28/05
Rechtsgebiete: BGB, InsO, EGBGB


Vorschriften:

BGB § 195 n.F.
BGB § 197 a.F.
BGB § 199 Abs. 1
BGB § 201 Satz 1 a.F.
BGB § 204 Abs. 1 Nr. 1 n. F.
BGB § 204 Abs. 1 Nr. 10 n.F.
BGB § 214 Abs. 1
BGB § 546 a
BGB § 765
BGB § 767
BGB § 768 Abs. 1 Satz 1
InsO § 109 Abs. 1 Satz 3
EGBGB Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 1. Februar 2005 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 2b Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte im Wege der Teilklage aus einer Bürgschaft auf Ausgleich des ihm entstandenen Differenzmietschadens in Anspruch. Der Kläger vermietete mit Vertrag vom 23.12.1994 (Bl. 12 f GA) für die Zeit bis zum 30.9.2009 an die Firma Autohaus am S. GmbH Ö. ein Gewerbeobjekt in Ö. zu einem monatlichen Mietzins von 25.520 DM einschließlich Nebenkosten und Umsatzsteuer. Mit Bürgschaftserklärung vom 6.7.1995 (Bl. 24 GA) übernahm die Beklagte die selbstschuldnerische Bürgschaft zur Sicherung der Ansprüche des Klägers auf Zahlung des Mietzinses aus dem Mietvertrag bis zu einem Höchstbetrag von 500.000 DM. Seit Oktober 2000 blieben Mietzahlungen der Mieterin aus. Mit Beschluss des Amtsgerichts Chemnitz vom 1.3.2001 wurde über ihr Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Kläger vermietete das Objekt mit Vertrag vom 5.7.2001 (Bl. 184 f GA) mit Wirkung zum 1.10.2001 anderweit an die Firma Autohaus V. GmbH zu einem Mietzins von zunächst 9.280 DM brutto. Er vereinbarte mit dem Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma Autohaus am S. GmbH Ö. die Beendigung des mit Vertrag vom 23.12.1994 eingegangenen Mietverhältnisses zum 30.9.2001 (Bl. 230 GA). Spätestens zu diesem Zeitpunkt wurde das Mietobjekt im Einvernehmen des Klägers an den Nachfolgemieter übergeben. Der Kläger nahm die Beklagte aus der Bürgschaft auf Zahlung des rückständigen Mietzinses bis einschließlich September 2001 in Anspruch. Die Beklagte wurde mit Urteil des Landgerichts Berlin vom 25.4.2002 in Verbindung mit dem Erkenntnis des Kammergerichts Berlin vom 10.2.2003 (Bl. 45 f GA) zur Zahlung von 118.478,68 EUR nebst Zinsen - allerdings nur Zug um Zug gegen Rückgabe der Bürgschaftsurkunde - verurteilt. Im vorliegenden Rechtsstreit begehrt der Kläger von der Beklagten als Bürgin den Ausgleich des Differenzmietschadens für die Monate Oktober bis Dezember 2002 nebst Zinsen Zug um Zug gegen Herausgabe der Bürgschaftsurkunde. Er hat im wesentlichen geltend gemacht: Die Bürgschaft sichere auch Mietersatzansprüche. Demzufolge habe die Beklagte auch für sich aus dem Mietverhältnis mit der Firma Autohaus am S. GmbH Ö. ergebende - Nutzungsentschädigungs- und Schadensersatzansprüche einzustehen. Gegen die Hauptschuldnerin bestehe ein Schadensersatzanspruch in Höhe der Differenzmiete zwischen dem mit ihr vereinbarten monatlichen Mietzins von 25.520 DM und der mit der Nachfolgemieterin vereinbarten Miete von monatlich 9.280 DM wegen der vorzeitigen Beendigung des Mietvertrages, für die Monate Oktober bis Dezember 2002 mithin in Höhe von 24.910,14 EUR. Die Beklagte hat demgegenüber eingewandt, dass sich die Bürgschaft nur auf Mietzinsforderungen erstrecke und es wegen der Aufhebung des Mietvertrages zum 30.9.2001 an einer Hauptschuld fehle. Zudem hat sie sich auf die Verjährungseinrede berufen (Bl. 241 GA). Wegen des weiteren Parteivorbringens, der gestellten Anträge und der getroffenen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil (Bl. 246 f GA) verwiesen. Das Landgericht hat die Beklagte nach Beweisaufnahme antragsgemäß verurteilt. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 253 f GA) Bezug genommen. Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Beklagten, die die Klage nach wie vor abgewiesen wissen will. Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen nach Maßgabe der Berufungsbegründung (Bl. 280 f GA). Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil und bittet um Zurückweisung der Berufung. Auch er wiederholt und vertieft mit der Berufungserwiderung (Bl. 314 f GA) sein Vorbringen erster Instanz. II. Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg. Die Klage ist unbegründet. 1. Es kann offen bleiben, ob die von der Beklagten übernommene Bürgschaft vom 6.7.1995 für die Mietzinsen aus dem von dem Kläger mit der Firma Autohaus am S. GmbH Ö. am 23.12.1994 geschlossenen Mietvertrag auch Ansprüche auf Nutzungsentschädigung und Schadensersatz wegen von dem Mieter verschuldeter vorzeitiger Beendigung des Mietverhältnisses umfasst, wovon das Landgericht auf der Grundlage des Beweisergebnisses im Wege der Auslegung der Bürgschaftserklärung ausgegangen ist. Das Auslegungsergebnis stößt wegen der eindeutigen Wortwahl in der Vertragsurkunde allerdings auf die von der Beklagten mit der Berufungsbegründung erneut aufgezeigten Bedenken. Hierauf kommt es aber nicht entscheidend an. 2. Die Bürgenhaftung setzt gemäß §§ 765, 767 BGB den Bestand der Hauptschuld voraus. Das bedeutet, dass ein Anspruch gegen die Beklagte als Bürgin für die Zeit nach dem 30.9.2001 nur gegeben ist, wenn dem Kläger gegen die Hauptschuldnerin für die streitgegenständlichen Monate (Oktober bis Dezember 2002) ein Nutzungsentschädigungsanspruch wegen Vorenthaltung des Mietobjekts oder ein Schadensersatzanspruch auf Ausgleich der Differenzmiete zukäme. Schon daran fehlt es. Nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen der Beklagten haben sich der Insolvenzverwalter über das Vermögen der Hauptschuldnerin und der Kläger geeinigt, dass am 23.12.1994 begründete Mietverhältnis zum 30.9.2001 zu beenden. Unstreitig ist ebenfalls, dass das Mietobjekt spätestens zu diesem Zeitpunkt an den Nachfolgemieter übergeben wurde. Vor diesem Hintergrund kommen aber für die Zeit nach Beendigung des Mietverhältnisses weder ein Anspruch auf Nutzungsentschädigung gemäß § 546 a BGB noch der geltend gemachte Schadensersatzanspruch auf Zahlung einer Differenzmiete in Betracht. Denn mit der einvernehmlichen Beendigung des Mietverhältnisses zum 30.9.2001 sind Ansprüche des Klägers gegen die Hauptschuldnerin auf Zahlung des Mietzinses wie für Ersatzansprüche für die nachfolgende Zeit ausgeschlossen. Dass er sich etwa anlässlich der Vereinbarung mit dem Insolvenzverwalter in Anlehnung an § 109 Abs. 1 Satz 3 InsO. einen Schadensersatzanspruch auf Ausgleich der Differenzmiete vorbehalten hätte, hat der Kläger jedenfalls nicht dargetan. 3. Selbst wenn aber 2001 ein für die Zeit ab 1.10.2001 allein in Betracht kommender Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Hauptschuldnerin wegen vorzeitiger Beendigung des Mietverhältnisses entstanden sein sollte, der die Differenzmiete des von dem Kläger mit der Hauptschuldnerin einerseits und dem Nachfolgemieter andererseits vereinbarten Mietzinses zur Grundlage hat, kann sich die Beklagte gegenüber einem solchen Anspruch erfolgreich mit der Einrede der Verjährung gemäß §§ 768 Abs. 1 Satz 1, 214 Abs. 1, 195 BGB zur Wehr setzen. a) Der Bürge kann gemäß § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB die dem Hauptschuldner zustehenden Einreden geltend machen. Das gilt allerdings nicht uneingeschränkt. Der Sicherungszweck der Bürgschaft versperrt dem Bürgen solche Einreden des Hauptschuldners, die ihren Grund in dessen Vermögenssituation haben (BGHZ 82, 323, 327 = NJW 1982, 875; BGH, NJW 2003, 59 = WM 2002, 2278, 2279; Habersack, in: MünchKomm., BGB, 3. Aufl., § 768 Rdn. 7; Staudinger/Horn, BGB, 13. Bearbeitung, § 768 Rdn. 5). Das ist bei der Verjährungseinrede jedoch nicht der Fall. Denn die Verjährung ist nicht auf den Vermögensverfall des Hauptschuldners zurückzuführen. Sie tritt vielmehr unabhängig hiervon ein (BGHZ 95, 375, 385 = NJW 1986, 310). Die Verjährungseinrede des Bürgen ist deshalb selbst dann beachtlich, wenn die Verjährung der Hauptschuld erst nach Insolvenz des Hauptschuldners oder gar nach dessen Löschung im Handelsregister eingetreten ist (vgl. BGH NJW 2003, 1250; Palandt-Sprau, BGB, 64. Aufl., § 768 Rdnr. 6 m.w.N.). Die Beklagte hat sich erstinstanzlich auf die Verjährungseinrede berufen (Bl. 241 GA). Dies ist im zweiten Rechtszug auch ohne ausdrückliche Wiederholung zu beachten (BGH NJW 1990, 326 f m.w.N.). Die Verjährungseinrede ist in Bezug auf die vermeintliche Hauptverbindlichkeit auch begründet mit der Folge, dass ein etwaiger Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Hauptschuldnerin und demzufolge auch gegen die Beklagte als Bürgin nicht mehr durchsetzbar ist, § 214 Abs. 1 BGB. Denn ein im Jahr 2001 entstandener Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Hauptschuldnerin ist gemäß § 195 BGB n.F. verjährt. Zwar sieht § 197 BGB a.F., dessen Regelungsgehalt auch auf den Schadensersatzanspruch wegen entgangener Miete bei vorzeitiger Beendigung des Mietverhältnisses Anwendung findet (vgl. zu § 196 Abs. 1 BGB a.F.: BGH NJW 1968, 692, 693), eine vierjährige Verjährungsfrist vor mit der Folge, dass die gemäß § 201 Satz 1 BGB a.F. mit dem Schluss des Jahres der Entstehung des Anspruchs (§ 198 Satz 1 BGB a.F.) - hier 2001 - in Lauf gesetzte Verjährungsfrist erst am 31.12.2005 abliefe. Das gilt gemäß Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB allerdings dann nicht, wenn die Verjährungsfrist nach dem BGB in der seit dem 1.1.2002 geltenden Fassung kürzer ist; in diesem Fall wird die kürzere Frist berechnet. Dementsprechend ist hier die Frist des § 195 BGB n.F. maßgebend. Die danach vorgegebene dreijährige Verjährungsfrist für den (angeblichen) Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Hauptschuldnerin, dessen sich der Kläger bereits seit 2001 berühmt (siehe vorprozessuales Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 14.6.2001, Bl. 25 f GA), begann gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit Schluss des Jahres 2001 und endete folglich am 31.12.2004. b) Die Verjährung betrifft nicht nur Ansprüche für den Differenzmietschaden 2001, sondern umfasst den gesamten Schadensersatzanspruch. Nach dem Grundsatz der Schadenseinheit verjährt der Schadensersatzanspruch einheitlich auch für die erst in Zukunft entstehenden - voraussehbaren - Schäden, sobald ein erster Schadensbetrag im Wege der Leistungsklage oder - wie hier - im Wege der Anmeldung im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden kann (vgl. Palandt-Heinrichs, a.a.O., § 199 Rdnrn. 14, 31 m.w.N.). Erste Teilbeträge - Differenzmietschäden für die Monate Oktober bis Dezember 2001 - hätten vorliegend bereits 2001 geltend gemacht werden können. Die weiteren Schadensfolgen waren für den Kläger auch voraussehbar. c) Ein für den Lauf der Verjährungsfrist beachtlicher Hemmungstatbestand - etwa: § 204 Abs. 1 Nr. 10 BGB n.F. - ist von dem die Darlegungslast tragenden Kläger nicht dargetan. Das Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 14.6.2001 (Bl. 25, 27 GA) deutet eher darauf hin, dass die Anmeldung einer Forderung im Insolvenzverfahren nicht erfolgt ist. Die Erhebung der Klage im vorliegenden Rechtsstreit hat den Lauf der Verjährungsfrist entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB n. F. gehemmt. Die vor Eintritt der Verjährung der Hauptverbindlichkeit gegen die Beklagte erhobene Klage betrifft lediglich den Bürgschaftsanspruch, der zwar in seinem Bestand von der Hauptforderung abhängig ist (§ 767 Satz 1 BGB), im übrigen aber als selbständiger Anspruch besteht und deshalb einer anderen Verjährung unterliegen kann als die Hauptforderung. Demgemäss hat die Klage gegen den Bürgen auch keinen Einfluss auf die Verjährung der Hauptforderung, kann insbesondere nicht deren Verjährung mit Wirkung gegen den Hauptschuldner hemmen (vgl. grundlegend zur fehlenden Unterbrechung der Verjährung nach dem früheren Rechtszustand: BGHZ 76, 222, 225 m.w.N.). III. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Streitwert: 24.910,14 EUR.

Ende der Entscheidung

Zurück