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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 14.12.2006
Aktenzeichen: I-10 U 74/06
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 311
BGB § 537
BGB § 581 Abs. 2
ZPO § 301
1. Ein in dem Erlass eines Teilurteils liegender Verfahrensfehler wird geheilt, wenn das Rechtsmittelgericht die gegen das Teilurteil und das Schlussurteil eingelegten zulässigen Rechtsmittel zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbindet.

2. Unrichtige oder unvollständige Angaben über Umsätze oder Erträge eines Unternehmens (hier: Gaststätte) können eine Haftung wegen Verschuldens bei Vertragschluss auslösen und dieses Verschulden Grund für eine fristlose Kündigung sein.

3. Den Pächter trifft die darlegungs- und Beweislast für eine Aufklärungspflichtverletzung des Verpächters.

4. Der Pächter trägt das volle Verwendungsrisiko für die Gaststätte. Es obliegt ihm zu kalkulieren, ob er die Gaststätte - auch unter Berücksichtigung des vereinbarten Pachtzinses - rentabel führen kann. Demgemäß muss er sich zur Abschätzung seines Verwendungsrisikos gegebenenfalls aussagekräftige betriebswirtschaftliche Umsatz- und Ertragszahlen aus der Zeit der Vorbetreiber vorlegen lassen.

5. Eine Befreiung von der Verpflichtung zur Zahlung des Pachtzinses wegen anderweitiger Gebrauchsüberlassung (§§ 581 Abs. 2, 537 BGB) kommt nur in Betracht, wenn der Pächter für den streitgegenständlichen Zeitraum noch einen Besitzwillen hat. Das ist nicht der Fall, wenn er - wie hier - endgültig ausgezogen ist.


Tenor:

Auf die Anschlussberufung des Klägers werden das am 21. April 2006 verkündete Teilurteil (I-10 U 74/06) und das am 24. Juli 2006 verkündete Schlussurteil (I- 10 U 117/06) der Einzelrichterin der 13. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf unter Zurückweisung der Rechtsmittel der Beklagten teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden wie Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger

1. 28.862,75 € nebst 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB aus 21.405,30 € seit dem 18.01.2006 (Beklagter zu 1) bzw. seit dem 30.12.2005 (Beklagte zu 2) und aus weiteren 7.457,49 € seit dem 27.03.2006,

2. weitere 2.482,23 € nebst 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 6.04.2006

3. sowie weitere 2.457,49 € nebst 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 28.08.2006

zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass der Freistellungsanspruch des Klägers in der Hauptsache erledigt ist.

Die Kosten der Berufungen - einschließlich der Kosten der Anschlussberufung - tragen die Beklagten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des Klägers gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vorab in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand:

Die Beklagte zu 2) hat von dem Kläger mit Unterpachtvertrag vom 23.05.2005 (Anlage K 3) die Gaststätte "F." in der "K.-G." in D. gepachtet. Der Beklagte zu 1) hat unter dem 13.05.2005 "für alle bestehenden und zukünftigen Forderungen, die der Firma K. aus Lieferung, Leistung und Verpachtung für die Gaststätte "F." gegenüber der Beklagten zu 2) zustehen oder demnächst zustehen werden" die selbstschuldnerische Bürgschaft übernommen. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die Bürgschaftsurkunde verwiesen (Anlage K 2). Mit Schreiben vom 26.10.2005 (Anlage K 7) erklärte die Beklagte zu 2) gegenüber dem Kläger die Anfechtung des Pachtvertrages wegen arglistiger Täuschung. Zum 31.10.2005 gab sie die Gaststätte an den Kläger zurück. Die Parteien haben erstinstanzlich über rückständige Pacht, nicht gezahlte Getränkelieferungen, die nicht gezahlte Kaution und einen Freistellungsanspruch des Klägers gestritten. Wegen des erstinstanzlichen Parteivortrags, der gestellten Anträge und der getroffenen Feststellungen wird auf die angefochtenen Urteile verwiesen (GA 47 ff.; 103 ff).

Das Landgericht hat die Beklagten mit Teilurteil vom 21.04.2006 zur Zahlung von 28.862,75 € nebst den sich aus dem Urteilstenor ergebenden Zinsen, sowie zur Freistellung des Klägers von allen Ansprüchen der Hauptvermieterin verurteilt. Mit Schlussurteil vom 24.07.2006 hat es dem Kläger weitere 2.482,23 € nebst im Einzelnen bezeichneter Zinsen zugesprochen. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe der genannten Urteile (GA 55 ff; 109 ff.) Bezug genommen.

Hiergegen richten sich die form- und fristgerecht eingelegten Berufungen der Beklagten, mit denen sie ihre erstinstanzlichen Klageabweisungsanträge weiter verfolgen. Die Beklagten rügen die Unzulässigkeit des Teilurteils und machen mit ihren Berufungsbegründungen vom 26.07.2006 (GA 134 ff.) und vom 2.11.2006 (GA 178 ff.), auf die im Einzelnen verwiesen wird, weiterhin geltend, dass sie berechtigt gewesen seien, sich aufgrund der unterlassenen Aufklärung über die realistische Umsatzmöglichkeit vorzeitig von dem Vertrag zu lösen. Entgegen der Auffassung der Kammer sei ein "Mindestbezug" von 30 Hektolitern pro Quartal vereinbart gewesen. Der Kläger sei über die tatsächlich erzielten und erzielbaren Umsätze im Detail informiert gewesen. Daher habe er gewusst, dass die Vorpächterin wegen zu geringer Umsätze Insolvenz habe anmelden müssen und dass die Umsätze mit dem für die Profitabilität einer solchen Kneipe entscheidenden "Fassbier" niemals 30 hl pro Quartal, sondern allenfalls 10 hl pro Quartal ausgemacht hätten. Die nachhaltig geringen Umsätze und die nachhaltigen Verluste hätten seit Jahren ihre Ursache in der - weil versteckt hinter anderen Geschäften - schlechten Lage der "Pils-Kneipe" innerhalb des K.-C. sowie einer Veränderung der Konsumgewohnheiten. Gleichwohl habe der Kläger bei seinen Vermietungsversuchen - auch ihnen gegenüber - versucht, den Eindruck zu erwecken, dass es sich um ein lukratives Geschäft handele, bei dem die vertraglich geforderten Mindestumsätze beim Fassbier leicht erreicht und bei weitem überschritten und damit die Pacht verdient würde. Im Übrigen sei die Kammer ihrem Vortrag nicht nachgegangen, dass das Lokal seit dem 1.11.2005 mit anderer Besetzung wieder geöffnet sei und insofern die Miete nicht mehr von ihnen verlangt werden könne. Bei dieser Sachlage könne der Kläger auch nicht zusätzlich zur Miete die volle Kaution einfordern. Mit ihrer Berufung gegen das Schlussurteil (GA 178 ff.) wiederholen die Beklagten ihre bereits in der Berufung gegen das Teilurteil dargestellte Begründung.

Der Kläger verteidigt die angefochtenen Urteile und bittet nach Maßgabe seiner Berufungserwiderungen vom 24.08.2006 (GA 150 ff.) und vom 12.09.2006 (GA 171) um Zurückweisung der Berufungen. Er erklärt den Freistellungsanspruch für erledigt und beantragt im Wege der form- und fristgerechten Anschlussberufung, die Beklagten zu verurteilen, an ihn weitere 2.457,49 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit dem 28.08.2006 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen die Zurückweisung der Anschlussberufung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze der Parteien einschließlich der zu den Akten gereichten schriftlichen Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässigen Berufungen der Beklagten gegen das Teilurteil vom 21.04.2006 und gegen das Schlussurteil vom 24.07.2006 haben in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Beklagten mit zutreffender Begründung zur Zahlung von 28.862,75 € (Teilurteil v. 21.04.2006), von weiteren 2.482,23 € (Schlussurteil v. 24.07.2006) und zur Freistellung von Ansprüchen der Hauptvermieterin (Teilurteil v. 21.04.2006) verurteilt. Die angefochtenen Urteile beruhen im Ergebnis weder auf einer Rechtsverletzung (§§ 513 Abs. 1, 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2, 546 ZPO) noch rechtfertigen die im Berufungsverfahren zu Grunde zu legenden Tatsachen (§§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3, 529 Abs. 1 ZPO) eine abweichende Entscheidung. Demgegenüber sind die Beklagten auf die Anschlussberufung des Klägers zur Zahlung weiterer 2.457,49 € zu verurteilen. Darüber hinaus ist auf den einseitig gebliebenen Antrag des Klägers die Erledigung des zuerkannten Freistellungsanspruchs festzustellen. Insgesamt schulden die Beklagten dem Kläger "wie Gesamtschuldner" einen Betrag von 33.802,47 €. Der Senat folgt den Gründen der angefochtenen Urteile nach Maßgabe der folgenden durch das Berufungs- und Anschlussberufungsvorbringen veranlassten Ausführungen.

A. Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil v. 21.04.2006

I.

Es mag dahinstehen, ob es sich bei dem Teilurteil der Kammer vom 21.04.2006 um ein unzulässiges Teilurteil handelt. Selbst wenn der Erlass des Teilurteils wegen der naheliegenden Gefahr widersprechender Entscheidungen im Schlussurteil unzulässig war, wird der darin liegende Verfahrensfehler geheilt, wenn das Rechtsmittelgericht - wie hier unter dem federführenden Aktenzeichen I-10 U 74/06 - die gegen das Teilurteil und das Schlussurteil eingelegten zulässigen Rechtsmittel zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbindet (BGH, Urt. v. 10.7.1991, NJW 1991, 3036).

II.

Der Senat geht mit dem Landgericht davon aus, dass dem Kläger gegen die Beklagte zu 2) als Pächterin ein Anspruch auf Zahlung rückständiger Pacht (7-12/05 + 1-3/06/Teilurteil; 5-7/06/Anschlussberufung/= insgesamt 24.797,72 €), der vereinbarten Kaution (6.000,00 €/Teilurteil) und von nicht bezahlten Getränkelieferungen (522,52 €/Teilurteil) in Höhe von insgesamt 31.320,24 € sowie der zuerkannte - zweitinstanzlich vom Kläger zu Recht für erledigt erklärte - Freistellungsanspruch zusteht. Hierfür haftet der Beklagte zu 1) dem Kläger gemäß § 765 BGB aus der vom ihm übernommenen selbstschuldnerischen Bürgschaft.

1.

Als Pächterin haftet die Beklagte zu 2) gemäß §§ 581 Abs. 2, 535 Abs. 2 BGB auf Zahlung rückständiger Pacht für die Monate Juli bis Dezember 2005 und Januar bis März 2006 in Höhe von insgesamt 22.340,23 € (= 28.862,75 € - 6.000 € - 522,52 €) sowie gemäß § 433 Abs. 2 BGB i.V.m. dem Unterpachtvertrag vom 23.5.2005 aus unbezahlter Getränkelieferung in - unstreitiger - Höhe von 522,52 €.

Demgegenüber berufen sich die Beklagten - wie schon in erster Instanz - auch zweitinstanzlich ohne Erfolg darauf, die Beklagte zu 2) habe sich wegen einer unterlassenen Aufklärung über die realistische Umsatzmöglichkeit vorzeitig von dem Vertrag mit dem Kläger lösen können. Zwar können unrichtige oder unvollständige Angaben über Umsätze oder Erträge eines Unternehmens eine Haftung wegen Verschuldens bei Vertragschluss auslösen und dieses Verschulden Grund für eine fristlose Kündigung sein (BGH, Urt. v. 16.4.1997, NJWE-MietR 1997, 150). Die Voraussetzungen für ein solches Verschulden des Klägers sind jedoch entgegen der Auffassung der Beklagten nach den gemäß § 529 ZPO zugrunde zu legenden Feststellungen nicht erfüllt, so dass die von der Beklagten zu 2) mit Schreiben vom 26.10.2005 (Anlage K 7) erklärte Anfechtung wegen arglistiger Täuschung unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu einer vorzeitigen Beendigung des bis zum 31.7.2006 abgeschlossenen Unterpachtvertrages (§ 4 UPV) geführt hat. Der Senat vermag auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens eine Aufklärungspflichtverletzung durch den Kläger nicht festzustellen.

Dem Vermieter obliegt grundsätzlich eine Aufklärungspflicht gegenüber dem Mieter hinsichtlich derjenigen Umstände und Rechtsverhältnisse mit Bezug auf die Mietsache, die - für den Vermieter erkennbar - von besonderer Bedeutung für den Entschluss des Mieters zur Eingehung des Vertrages sind und deren Mitteilung nach Treu und Glauben erwartet werden kann (BGH, Urt. v. 28.6.2006, XII ZR 50/04; Urt. v. 28.4.2004, GuT 2004, 160 = MDR 2004, 1177 = NJW 2004, 2674 = NZM 2004, 619 = ZMR 2004, 653; Urt. v. 16.2.2000, ZIP 2000, 887). Bestehen bzw. Umfang der Aufklärungspflicht richten sich hierbei nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Person des Mieters und dessen für den Vermieter erkennbarer Geschäftserfahrenheit oder Unerfahrenheit. Allerdings ist der Vermieter nicht gehalten, dem Mieter das Vertragsrisiko abzunehmen und dessen Interessen wahrzunehmen. Der Mieter muss selbst prüfen und entscheiden, ob der beabsichtigte Vertrag für ihn von Vorteil ist oder nicht. Es ist seine Sache, sich umfassend zu informieren und zu klärungsbedürftigen Punkten in den Vertragsverhandlungen Fragen zu stellen. Macht er hiervon keinen Gebrauch, kann er sich gegenüber dem Vermieter nicht auf eine Aufklärungspflicht berufen.

Hieran gemessen lässt sich weder feststellen, dass der Kläger der Beklagten zu 2) einen bestimmten Mindestumsatz garantiert hat noch irrtums- bzw. täuschungsrelevante Erklärungen über die mit der verpachteten Gaststätte erzielbaren Umsätze abgegeben oder solche Erklärungen pflichtwidrig unterlassen hat. Das Landgericht hat ausweislich des Verhandlungsprotokolls bereits in der mündlichen Verhandlung vom 29.3.2006 darauf hingewiesen, dass der diesbezügliche Vortrag der Beklagten unschlüssig sei, ohne dass diese in der Folge eine ausreichende Spezifizierung vorgenommen haben. Ihre Behauptungen, der Kläger habe sie über die tatsächlichen Umsätze des streitgegenständlichen Geschäftslokals bewusst nicht aufgeklärt und insofern arglistig getäuscht und er habe den Eindruck zu erwecken versucht, es würde sich um ein lukratives Geschäft handeln, bei dem die Mindestumsätze leicht erreicht würden und die Pacht leicht zu verdienen sei (Schriftsatz v. 7.4.06, GA 42 ff.), sind substanzlos. Welche konkreten Erklärungen der Kläger über den Inhalt des schriftlichen Vertrages hinaus insoweit abgegeben haben soll, haben die Beklagten nicht dargelegt. Aufgrund welcher Umstände der Kläger von den geringen Umsätzen, der Verlustsituation und der fehlenden Fähigkeit, Pachten zu zahlen, gewusst haben soll, wird nicht substantiiert. Dass die Umsätze vier Jahre vor Abschluss des Unterpachtvertrages nicht ausgereicht haben sollen, um die Pacht zu erwirtschaften, ist mangels Angabe der hierzu notwendigen Umsatzzahlen nicht nachvollziehbar. Zu den angeblich zu geringen Umsätzen der Vorpächter enthält das Vorbringen der Beklagten ebenso wenig Angaben wie zu ihren eigenen Umsätzen. Zweitinstanzlich hat die Beklagte im Wesentlichen lediglich ihr substanzloses Vorbringen mit teils geänderter Wortwahl wiederholt, ohne den Vorwurf der Aufklärungspflichtverletzung in der Sache zu konkretisieren. Ihre erstmalige Behauptung, der Kläger habe gewusst, dass die Umsätze mit dem für die Profitabilität einer solchen Kneipe angeblich entscheidenden "Fassbier" niemals 30 hl pro Quartal, sondern allenfalls 10 hl pro Quartal ausmachten, ist nicht ausreichend spezifiziert, jedenfalls gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO präkludiert. Dem Vorbringen der Beklagten ist nicht zu entnehmen, dass sie diesen Vortrag erstinstanzlich nicht aus Nachlässigkeit unterlassen haben.

Selbst wenn aber "ein Mindestbezug" von 30 hl - wie die Beklagten im Schriftsatz vom 2.11.2006 substanzlos vortragen - nicht einmal ansatzweise realisierbar gewesen sein sollte, rechtfertigt dies auch im Hinblick auf die pachtvertraglichen Vorgaben des Klägers ohne weitere konkrete Angaben zu den betriebswirtschaftlichen Rahmenbedingungen (Konzept, Material- und Personaleinsatz; tatsächlich erzielte Umsätze) nicht ihre Schlussfolgerung, damit habe von vornherein festgestanden, dass das Vertragsobjekt nur mit hohem Verlust werde betrieben können.

Auch aus dem Umstand, dass der Kläger mit allen Vorpächtern gleichlautende Verträge abgeschlossen haben soll, lässt sich - ohne hier ersichtlich nicht erfolgte gezielte Nachfrage der Beklagten zu 2) - keine pflichtwidrig unterlassene Aufklärung ableiten. Nach dem Gesetz trägt der Pächter das volle Verwendungsrisiko für die Gaststätte (§§ 581 Abs. 2, 537 BGB). Es obliegt ihm zu kalkulieren, ob er die Gaststätte - auch unter Berücksichtigung des vereinbarten Pachtzinses - rentabel führen kann (BGH, Urt. v. 28.4.1999, NJW 1999, 3187). Demgemäß hätte sich die Beklagte zu 2) zur Abschätzung ihres Verwendungsrisikos für das Pachtlokal gegebenenfalls aussagekräftige betriebswirtschaftliche Umsatz- und Ertragszahlen aus der Zeit der Vorbetreiber vorlegen lassen müssen. Bereits das Landgericht hat zutreffend darauf verwiesen, dass die Beklagte zu 2) hiervon keinen Gebrauch gemacht hat. Rechtserhebliches hierzu ist auch zweitinstanzlich nicht dargelegt. Die angeblich schlechte Lage der "Pilskneipe" innerhalb des K.-C. war für jedermann erkennbar. Die angebliche Veränderung der Konsumgewohnheiten und deren Auswirkungen auf den Bierkonsum sind Umstände, die ihr alleiniges Verwendungsrisiko betreffen und über die sie sich als kaufmännisch denkende Partei im Vorfeld des Vertragsabschlusses selbst hätte informieren müssen. Hiervon wurde sie auch durch die in § 15.4 UPV getroffene Regelung nicht befreit. Insoweit geht der Senat aus den im angefochtenen Urteil dargelegten Erwägungen mit dem Landgericht davon aus, dass mit dieser Regelung ein erzielbarer Mindestumsatz von 30 hl nicht zugesichert wird. Soweit die Beklagten erstmals in zweiter Instanz geltend machen, reine Pils- und Bierkneipen seien nicht mehr profitabel zu führen, sind sie hiermit bereits nach § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO präkludiert. Im Übrigen war der Getränkeausschank nach den vertraglichen Regelungen nicht auf Pils und Bier beschränkt. Soweit die Beklagten mit Schriftsatz vom 2.11.2006 erstmals behauptet haben, der Kläger habe die Pachtinteressenten jeweils darin bestärkt, dass die 30 hl Mindestumsatz bei weitem überschritten würden, lässt ihr Vorbringen nicht erkennen, auf welche Weise der Kläger hier tätig geworden sein soll. Darüber hinaus ist sie hiermit auch gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO präkludiert. Das Gesagte gilt auch, soweit die Beklagten im Schriftsatz vom 2.11.2006 behaupten, in gleicher Weise habe der Kläger ihnen gegenüber argumentiert, als sie sich für die Pils-Kneipe interessierten und Details (welche?) hinsichtlich der Umsatzmöglichkeiten erfragten. Von der naheliegenden Möglichkeit, die Umsatzzahlen einzusehen, haben Sie ersichtlich keinen Gebrauch gemacht.

Soweit die Beklagten ihr nach Vorstehendem unsubstantiiertes Bestreiten unter Zeugenbeweis gestellt haben (Martina S.; Marion W.; S.; B.) ist diesen Beweisantritten nicht nachzugehen, da dies auf eine prozessual unzulässige Ausforschung hinausliefe.

Dass die streitgegenständliche Kneipe nach dem 31.10.2005 mit anderer Besetzung wieder geöffnet haben soll, lässt den Pachtzinsanspruch des Klägers entgegen der Auffassung der Beklagten nicht entfallen. Der Mieter kann sich gegenüber dem Mietzinsanspruch des sonst vertragstreuen Vermieters regelmäßig nicht darauf berufen kann, dieser sei wegen einer Weitervermietung zur Gebrauchsüberlassung nicht mehr in der Lage gewesen (§ 537 Abs. 1 Satz 1 BGB), wenn der Mieter ohne Rücksicht auf den weiterbestehenden Mietvertrag einfach ausgezogen ist und keine Miete mehr bezahlt hat; in einem solchen Einwand läge dann eine gegen Treu und Glauben verstoßende unzulässige Rechtsausübung (BGH, Urt. v. 22.12.1999, ZMR 2000, 207). Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich das Verhalten des Mieters - wie hier die unbegründete vorzeitige Aufgabe der Gaststätte - als grober Vertragsbruch darstellt (vgl. BGH, Urt. v. 22.10.2003, NJW 2004, 284). Die Beklagte zu 2) konnte auch nicht ernsthaft davon ausgehen, dass das Mietverhältnis durch die von ihr mit Schreiben vom 26.10.2005 ausgesprochene Anfechtung und die Rückgabe der Gaststätte zum 31.10.2005 beendet war, nachdem der Kläger sie bereits durch Schreiben vom 5.8.2005 nachdrücklich auf die Vertragserfüllung hingewiesen und damit auch dem Schreiben ihres jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 2.8.2005 widersprochen hatte.

Soweit sich der Verpächter gemäß §§ 581 Abs. 2, 537 Abs. 1 Satz 2 BGB nur die Vorteile anrechnen lassen muss, die er aus der anderweitigen Verwertung des Objekts erlangt hat, ist nach dem unbestrittenen Vorbringen des Klägers davon auszugehen, dass er die Gaststätte in eigener Regie übernommen hat, mithin keine Mietzahlungen von dritter Seite erfolgen. Dass der Kläger hieraus anrechenbare Vorteile i.S. der gesetzlichen Regelung erlangt hat, haben die insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten nicht konkretisiert. Ihre Behauptung, der Kläger habe keinen Schaden erlitten, da ihm die Pacht anderweitig zufließe (GA 45), ist substanzlos. Ihrem Beweisantritt "Zeugnis des Prokuristen S. des Klägers" ist nicht nachzugehen, da dies auf eine unzulässige Ausforschung hinausliefe.

Darüber hinaus kommt eine Befreiung von der Verpflichtung zur Zahlung des Mietzinses wegen anderweitiger Gebrauchsüberlassung nur in Betracht, wenn der Mieter für den streitgegenständlichen Zeitraum noch einen Besitzwillen hat. Dies ist dann nicht der Fall, wenn er - wie hier - endgültig ausgezogen ist (Senat, GuT 2004, 173; Urt. 17.3.2005, I-10 U 148/04; Urt. v. 4.11.2004, I-10 U 34/04). Auch dies steht einer Berufung auf § 537 BGB entgegen.

Den Zinsanspruch haben die Beklagten nicht im Einzelnen angegriffen, so dass es hierbei sein Bewenden hat.

2.

Da das Pachtverhältnis der Parteien entgegen der Auffassung der Beklagten nicht vorzeitig beendet worden ist, hat das Landgericht dem Kläger auch zutreffend einen Anspruch auf Zahlung der vertraglich vereinbarten Kaution in Höhe von 6.000 € zuerkannt. Hat der Mieter seine vertragliche Verpflichtung zur Leistung der Kaution ganz oder anteilig nicht erfüllt, so kann diese Sicherung auch noch nach Beendigung des Mietverhältnisses erforderlich sein. Der Vermieter soll sich gerade wegen der nach Beendigung des Vertrages noch bestehenden Ansprüche aus der Kaution auf einfache Weise, nämlich durch Aufrechnung gegen den Rückzahlungsanspruch des Mieters, befriedigen können. Der Erfüllungsanspruch des Vermieters wirkt über die Zeit des Vertragsendes hinaus, weil der mit der Sicherheitsleistung bezweckte Schutz vor einer Insolvenz des Mieters bis zur endgültigen Abwicklung auch nach Vertragsbeendigung gewährleistet sein muss. Solange und soweit dem Vermieter aus dem Vertrag noch Forderungen zustehen, kann er deshalb eine fällige Kaution auch noch nach Beendigung des Vertrages verlangen. Es besteht kein Rechtsgrund dafür, ihn nur deswegen, weil der Vertrag beendet ist, auf den in seinen tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen häufig umstrittenen Anspruch selbst zu verweisen, während der Anspruch auf Leistung der Sicherheit in Form einer Kaution nach dem Inhalt des Vertrages keiner weiteren Begründung bedarf. Der Vermieter darf durch den Verzug des Mieters mit der Kautionszahlung nicht schlechter gestellt werden, als er gestanden hätte, wenn der Mieter seine Verpflichtung erfüllt hätte. Der Vermieter hat deshalb nach Beendigung des Vertrages insbesondere auch bei einer Vertragsbeendigung durch fristlose Kündigung oder Abschluss eines Mietaufhebungsvertrages grundsätzlich die Wahl, ob er die Kaution einklagt oder ob er die Zahlungsansprüche selbst klageweise geltend macht. Beide Forderungen gleichzeitig einklagen kann er nicht, weil er bei Erfüllung der Zahlungsansprüche die Kaution sofort wieder zurückgeben müsste (§ 242 BGB). Der Kautionsklage ist - ohne dass es bei Bestreiten des Mieters einer Beweisaufnahme bedarf bereits dann stattzugeben, wenn der Vermieter zur Begründung seiner Forderung schlüssig vorträgt, es bestünden noch Zahlungsansprüche gegen den Pächter, zu deren Sicherung er die Kaution benötige. Dabei sind an die Darlegungslast des Vermieters keine überzogenen Anforderungen zu stellen. Er ist nicht verpflichtet, die streitigen Ansprüche in allen Einzelheiten darzustellen. Die von ihm zur Begründung der Klage vorzutragenden Tatsachen müssen lediglich so konkret sein, dass sie aufgrund einer juristischen Subsumtion geeignet sind, den geltend gemachten Anspruch als in der Person des Klägers entstanden erscheinen zu lassen (vgl. BGH NJW 1991, 2707; Senat, GE 2006, 911 = ZMR 2006, 686; DWW 2000, 307 = GE 2000, 342 = NZM 2001, 380 = ZMR 2000, 211). Für die Pacht gilt nichts anderes. Hieran gemessen kommt ein fortbestehender, die Kaution übersteigender Erfüllungsanspruch jedenfalls für die erstinstanzlich nicht streitgegenständlichen Pachten Mieten Mai bis Juli 2006 in Höhe von insgesamt 7.457,49 € sowie hinsichtlich der ausstehenden Nebenkostenabrechnung für das vereinbarte Vertragsjahr in Betracht.

3.

Mit zutreffenden Erwägungen hat das Landgericht, auf dessen Ausführungen der Senat zur Vermeidung einer Wiederholung Bezug nimmt (Urteilsgründe S. 17), dem Kläger auch gegen beide Beklagten einen Freistellungsanspruch in tituliertem Umfang zuerkannt. Rechtserhebliches hierzu hat die Berufung nicht vorgebracht. Allerdings hat der Kläger den Freistellungsanspruch in zulässiger Weise für erledigt erklärt. Da sich die Beklagten der Erledigungserklärung nicht angeschlossen haben, die Klage insoweit bis zur Abgabe der Erledigungserklärung zulässig und begründet war, ist die Teilerledigung im Urteil festzustellen.

III.

Auf die zulässige Anschlussberufung sind die Beklagten auch zur Zahlung der rückständigen Pacht für die Monate Mai bis Juli 2006 zu verurteilen. Hierfür haftet die Beklagte zu 2) aus den unter I. dargelegten Erwägungen als Pächterin gemäß §§ 581 Abs. 2, 535 Abs. 2 BGB, der Beklagte zu 1) als Bürge gemäß § 765 BGB.

Für drei Monate errechnet sich eine rückständige Pacht von 7.457,49 €. Hierauf lässt sich der Kläger seinen Kautionszahlungsanspruch in Höhe von 5.000,00 € anrechnen, so dass eine Forderung von 2.457,49 € verbleibt.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 2 BGB.

B. Berufung gegen das Schluss-Urteil v. 24.7.2006

Aus den unter A II. dargestellten Erwägungen ist das Pachtverhältnis mit der Beklagten zu 2) nicht vorzeitig beendet worden, so dass die Beklagten - die Beklagte zu 2) gemäß §§ 581 Abs. 2, 535 Abs. 2 BGB, der Beklagte zu 1) gemäß § 765 BGB aus der übernommenen Bürgschaft - auch zu Recht zur Zahlung der unstreitig nicht gezahlten Pacht für den Monat April 2006 in Höhe von 2.482,23 € nebst 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 6.04.2006 verurteilt worden sind. Zur Anwendbarkeit des § 537 BGB gilt das unter A II. Gesagte.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Streitwert: 33.802,47 €

Ende der Entscheidung

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