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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 29.09.2005
Aktenzeichen: I-10 U 86/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 278
BGB § 362 Abs. 1
BGB § 387
BGB § 389
BGB § 535
BGB § 543 Abs. 1
BGB § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 a
BGB § 543 Abs. 2 Nr. 3 Satz 2
BGB § 546
BGB § 812 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 24. Mai 2005 verkündete und am 20. Mai 2005 im schriftlichen Verfahren erlassene Urteil des Einzelrichters der 14. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung tragen die Beklagten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten über Räumung und Herausgabe eines den Beklagten von der Klägerin vermieteten Geschäftslokals sowie um Zahlung rückständiger Miete. Der Mietvertrag vom 25.3.1991, auf den Bezug genommen wird (GA 8 ff.), enthält unter § 6 ("Aufrechnung und Zurückbehaltungsrecht") u.a. folgende Regelung:

"1. Die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts am Mietzins oder die Aufrechnung gegenüber dem Mietzins mit einer unstreitigen oder rechtskräftig festgestellten Gegenforderung des Mieters ist zulässig.

2. In allen anderen Fällen ist die Ausübung dieser Rechte unzulässig...".

Wegen der im Übrigen getroffenen Feststellungen und der erstinstanzlichen Anträge der Parteien wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen (GA 110 - 112). Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß zur Räumung sowie zur Zahlung rückständiger Miete in Höhe von 3.897,31 € (statt beantragter 4.104,78 €) verurteilt. Hinsichtlich der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen (GA 112 - 115).

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihren erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag weiterverfolgen. Sie machen geltend, die durch das Landgericht aus dem vertraglichen Aufrechnungsverbot vollzogenen Rechtsfolgen seien falsch. Es habe zu keinem Zeitpunkt zum Nachteil der Beklagten ein Zahlungsrückstand bestanden, so dass die Kündigung unwirksam sei. Mangels Zahlungsanspruch sei die Klägerin aufgrund der gleichwohl - zur Abwehr der unberechtigten fristlosen Kündigung vom 2.7.2003 - erzwungenen Zahlung ohne Rechtsgrund bereichert. Unabhängig vom Bestehen des Aufrechnungsverbots sei es auf Seiten der Klägerin während und nach Vollzug der nicht gezahlten Mieten im Zeitraum von Februar bis Juni 2004 zu keinem Zeitpunkt zu einem Vermögensnachteil auf Seiten der Klägerin gekommen. Diese habe die entsprechenden Mietzahlungen bereits am 18.7.2003 erhalten. Es mangele ohnehin bereits an einem vorwerfbaren schuldhaften Zahlungsrückstand. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung vom 20.7.2005 (GA 135 ff.) verwiesen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und bittet nach Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 24.8.2005 (GA 184 ff.) um Zurückweisung der Berufung.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das angefochtene Urteil beruht im Ergebnis weder auf einer Rechtsverletzung (§§ 513 Abs. 1, 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2, 546 ZPO) noch rechtfertigen die im Berufungsverfahren zu Grunde zu legenden Tatsachen (§§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3, 529 Abs. 1 ZPO) eine abweichende Beurteilung. Dies beruht auf folgenden Erwägungen:

1. Ob das Vertragsverhältnis der Parteien durch die fristlose Kündigung der Klägerin vom 2.7.2003 beendet worden ist oder nicht, mag dahinstehen. Jedenfalls haben sich die Parteien - die Berechtigung der fristlosen Kündigung unterstellt - nach deren Zugang konkludent auf die Begründung eines neuen Mietverhältnisses mit dem bisherigen Inhalt geeinigt (vgl. BGH, ZMR 1998, 612; GE 2001, 485), so dass es für den geltend gemachten Räumungsantrag allein auf die Berechtigung der erneuten fristlosen Kündigung vom 13.7.2004 ankommt.

2. Der Senat geht im Ergebnis mit dem Landgericht davon aus, dass die Kündigung der Klägerin gemäß § 543 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 a BGB berechtigt ist, so dass die Beklagten gemäß § 546 BGB zur Räumung und Herausgabe der Mieträume an die Klägerin verpflichtet sind. Die Beklagten haben - insoweit unstreitig - für die Zeit von Februar bis Juni 2004 keine Miete gezahlt, so dass sie sich für zwei aufeinander folgende Monate mit mindestens zwei Monatsmieten in Verzug befinden.

Die Kündigung ist weder mangels nachträglicher Aufrechnung gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 BGB unwirksam geworden, noch hat die mit Schreiben vom 11.12.2003 angekündigte und ab Februar 2004 praktizierte sukzessive Aufrechnung gegen die Mietzinsansprüche der Klägerin für die Monate Februar bis Juni 2004 mit einem angeblichen Bereicherungsanspruch in Höhe von insgesamt 4.097,31 € gemäß §§ 387, 389 BGB zum Erlöschen der jeweiligen Mietforderungen geführt.

a.) Die Aufrechnung der Beklagten scheitert bereits an dem in § 6 Nr. 1 i.V.m. Nr. 2 MV in zulässiger Weise vereinbarten (vgl. BGH, Urt. v. 26.3.2003, XII ZR 167/01; Senat, Urt. v. 31.7.2003, 10 U 116/02; Urt. v. 6.3.2002, 10 U 160/02; Urt. v. 4.6.1998, 10 U 107/97, rk. gemäß Nichtannahmebeschluss v. 29.11.2000, XII ZR 201/98) und von Amts wegen zu beachtenden (BGH, Urt. v. 11.5.2004, XI ZR 22/03) vertraglichen Aufrechnungsverbot. Danach ist die Aufrechnung gegenüber dem Mietzins nur mit einer unstreitigen oder rechtskräftig festgestellten Gegenforderung zulässig. Keine dieser Voraussetzungen ist im Streitfall gegeben, so dass die Aufrechnung nicht geeignet war, den vertraglichen Zahlungsanspruch der Klägerin für die Monate Februar bis März 2004 zum Erlöschen zu bringen und den durch die Nichtzahlung der Mieten begründeten Zahlungsverzug zu beseitigen. Zur Vermeidung des eine fristlose Kündigung nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 a BGB rechtfertigenden Mietrückstands hätten die Beklagten ihren von der Klägerin bestrittenen Bereicherungsanspruch allein durch Erhebung einer Zahlungsklage durchsetzen können.

b.) Unabhängig von vorstehenden Erwägungen stand den Beklagten aber auch ein Bereicherungsanspruch in der geltend gemachten Höhe nicht gemäß § 812 Abs. 1 BGB zu. Die Beklagten, denen insoweit die Darlegungs- und Beweislast obliegt, haben nicht bewiesen, dass die von ihnen im Anschluss an die fristlose Kündigung der Klägerin vom 2.7.2003 an diese unter Vorbehalt erfolgte und später gegen die streitgegenständlichen Mieten aufgerechnete Mietzahlung in Höhe von 4.097,31 € ohne Rechtsgrund erfolgt ist. Entgegen der gegen das Gebot einer interessengerechten Vertragsauslegung verstoßenden Annahme des Landgerichts und der Beklagten enthält die Mietänderungsvereinbarung vom 30.8.2000 keine Beschränkung des Mietzinsanspruchs der Klägerin auf einen Gesamtmietzins von 1.522,50 DM.

Mit dem Änderungsvertrag vom 30.8.2000 haben die Parteien den Ursprungsvertrag bei einer an Treu und Glauben orientierten verständigen Auslegung lediglich in Bezug auf die vereinbarte Mietzeit und hinsichtlich der von den Beklagten bis zu deren Ablauf zu zahlenden Miete geändert. Dies ergibt sich bereits aus dessen äußerer Gestaltung. Unter der Überschrift "Mietvertragsänderung zum Mietvertrag 25.3.1991" haben die Parteien als zu ändernde Punkte lediglich § 2 Absatz 1 "Mietzeit und Kündigung" sowie § 4 Abs. 1 "Miete und Nebenkosten" aufgeführt. Die mit dem Ursprungsvertrag übereinstimmenden Überschriften und die insoweit getroffenen sachlichen Änderungen (§ 2: Mietvertragsverlängerung bis 31.3.2006 und damit ausdrücklich festgestellter Verbrauch des zweiten Optionsrechts; § 4: Anhebung der Miete auf 1.522,50 DM und Entfallen der bisher mit 4 DM/Monat zu zahlenden Wartungskosten) lassen bei lebensnaher Betrachtung nur den Schluss zu, dass es im Übrigen bei dem bisherigen Vertragsinhalt, insbesondere bei den nach " § 4 Nr. 2 MV "Neben der Miete" anteilig erhobenen und im Einzelnen aufgeführten Betriebskosten i.S. der Anlage 3 zu § 27 II.BV verbleiben und keine Umstellung auf eine im Ausgangsmietvertrag nicht vereinbarte Bruttomiete vorgenommen werden sollte. Gegenteiliges ist weder der - so das Landgericht - "deutlichen Erhöhung des Betrages um 50 %" noch der ausdrücklichen Inbezugnahme der Wartungskosten im Text der Änderungsabrede zu entnehmen. Einen hiervon abweichenden Vertragsinhalt haben die Beklagten weder schlüssig dargelegt noch hierfür Beweis angetreten.

Zwar ist dem Landgericht darin zuzustimmen, dass der Ausgangsmietvertrag keine Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Nebenkostenvorauszahlungen enthält und dies auch nicht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung festgestellt werden kann. Die Parteien haben sich jedoch zumindest stillschweigend auf die Zahlung von Nebenkostenvorauszahlungen geeinigt. Nach der Rechtsprechung des BGH (NJW-RR 2000, 1463 = NZM 2000, 961) kann eine Vereinbarung über den Umfang der vom Mieter zu zahlenden Nebenkosten auch konkludent durch jahrelange Zahlung getroffen werden. Für die nachträgliche Vereinbarung von Nebenkostenvorauszahlungen gilt nichts anderes.

Nach dem erstinstanzlich unbestrittenen Vorbringen der Klägerin (Schriftsatz v. 16.11.1004, S. 2/GA 72) haben die Beklagten seit 1991 über mehr als neun Jahre die von der Klägerin geforderten Vorauszahlungen auf die Nebenkosten, über die jährlich abgerechnet worden ist, geleistet. Nach ihrem eigenen Vorbringen haben die Beklagten auch die in den Abrechnungen der Klägerin für die Jahre 2000, 2001 und 2002 jeweils ausgewiesenen neuen Mieten (Grundnutzungsentgelt, Modernisierungszuschlag, Betriebskostenvorauszahlung) unbeanstandet gezahlt. Damit waren die Nebenkostenvorauszahlungen und der vereinbarte Modernisierungszuschlag bei gebotenen objektiven Würdigung auch ohne ausdrückliche Aufführung im Ausgangsmietvertrag und der Änderungsvereinbarung vom 30.8.2000 Bestandteil des von den Beklagten an die Klägerin zu zahlenden Mietentgelts.

Ohne Bedeutung ist, ob die Beklagten insoweit eine vertragliche Verpflichtung begründen wollten. Trotz fehlenden Erklärungsbewusstseins (Rechtsbindungswillens, Geschäftswillens) liegt eine Willenserklärung vor, wenn der Erklärende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen und vermeiden können, dass seine Äußerung nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte als Willenserklärung aufgefasst werden durfte, und wenn der Empfänger sie - wie hier die Klägerin - auch tatsächlich so verstanden hat (BGH, Urt. v. 13.7.2005, VIII ZR 255/04; BGHZ 109, 171, 177 f.).

Die Beklagten, denen gemäß § 362 Abs. 1 BGB die Darlegungs- und Beweislast obliegt, haben nicht dargetan, den der Klägerin danach zustehenden Mietanspruch vollständig erfüllt zu haben. Auch wenn die Klägerin in den Abrechnungen 2000, 2001 und 2002 eine zu ihren Ungunsten von der Regelung der Änderungsvereinbarung abweichende Grundmiete ausgewiesen hat, durften die Beklagten ohne weitergehende - hier nicht erkennbare - Umstände nicht davon ausgehen, die Klägerin habe auf weitergehende Ansprüche verzichten wollen. Nachdem die Klägerin ihren Berechnungsirrtum hinsichtlich des Grundnutzungsentgelts mit Schreiben 19.5.2003 (GA 22) korrigiert hatte, waren die Beklagten zur Nachzahlung der Differenz verpflichtet.

Die Beklagten berufen sich auch ohne Erfolg auf einen unverschuldeten Rechtsirrtum. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist zwar anerkannt, dass ein unverschuldeter Rechtsirrtum des Schuldners ihn von den Folgen des Verzuges freistellen kann (vgl. BGH, r+s 1991). An die Sorgfaltspflichten des Schuldners sind aber strenge Anforderungen zu stellen, die im Streitfall nicht eingehalten sind. Auch wenn die Klägerin an dem entstandenen Zahlungswirrwarr, der zum Ausspruch der ersten fristlosen Kündigung geführt hat, durch eine nachlässige Buchhaltung nicht unbeteiligt war, haben sich die Beklagten ebenso wie der eingeschaltete Mieterschutzverband leichtfertig sowohl der Erkenntnis verschlossen, dass eine Aufrechnung gegen die laufende Miete mit bestrittenen Gegenforderungen unzulässig war, als auch, dass mit der Änderungsvereinbarung vom 30.8.2000 ersichtlich keine Änderung der Mietstruktur verbunden sein konnte. Eine unrichtige Beratung durch den von ihnen mit ihrer Vertretung beauftragten Mieterschutzverband müssen sie sich ebenso gemäß § 278 BGB zurechnen lassen wie eine etwaige fehlerhafte anwaltliche Beratung (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 276 BGB, RdNr. 22; Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 8. Aufl., § 543 BGB, RdNr. 97).

3. Haben die Beklagten einen Bereicherungsanspruch in Höhe 4.097,31 € nicht bewiesen oder ist er - wie hier - i.S.v. § 6 Nr. 2 MV jedenfalls als streitig zu behandeln, ist die streitgegenständliche Miete im zuerkannten und von der Klägerin nicht angefochtenen Umfang von 3.897,31 € nicht untergegangen und sind die Beklagten gemäß § 535 BGB weiterhin zur Zahlung verpflichtet.

4. Den zuerkannten Zinsanspruch haben die Beklagten nicht im Einzelnen angegriffen, so dass es hierbei sein Bewenden hat.

5. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Streitwert: 13.238,59 € (Räumungsantrag gem. § 41 GKG: 778,44 € x 12 + 3.897,31 € )

Ende der Entscheidung

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