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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 18.11.2008
Aktenzeichen: I-10 W 131/08
Rechtsgebiete: ArbGG, GVG, ZPO


Vorschriften:

ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3a
ArbGG § 5 Abs. 1
GVG § 13
GVG § 17a Abs. 4
ZPO § 567 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 569
1. Zur Abgrenzung des Arbeitnehmers vom selbständigen Unternehmer.

2. Ob ein Franchisenehmer Arbeitnehmer oder eine arbeitnehmerähnliche Person ist, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab.


Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss der 14d. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf - Einzelrichter - vom 12.09.2008 abgeändert und der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für zulässig erklärt.

Die Kosten der Beschwerde trägt der Beklagte.

Gründe:

I.

Die am 26.09.2008 bei Gericht eingegangene sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Einzelrichters der 14d. Zivilkammer des Landgerichts vom 12.09.2008 ist gemäß § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG, §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 ZPO zulässig. Sie richtet sich gegen die Entscheidung, der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten sei unzulässig und der Rechtsstreit an das Arbeitsgericht zu verweisen.

Die sofortige Beschwerde ist begründet. Der angefochtene Beschluss ist abzuändern und der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für zulässig zu erklären. Entgegen der Auffassung des Landgerichts verbleibt es für die hier fragliche bürgerlich-rechtliche Streitigkeit bei der allgemeinen Zuweisung an die ordentlichen Gerichte, weil eine Zuständigkeit des Arbeitsgerichts als besonderes Gericht nicht gegeben ist, vgl. § 13 GVG.

Grundlage einer Rechtswegprüfung ist der Streitgegenstand, der von der klagenden Partei durch den Antrag und den Tatsachenvortrag bestimmt wird (LAG Schleswig-Holstein, Beschluss v. 21.04.2008, 2 Ta 30/08). Die ausschließliche Zuständigkeit der Arbeitsgerichte als besondere Zivilgerichte ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 a ArbGG unter anderem gegeben für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus einem Arbeitsverhältnis. Hier beruhen die von den Parteien wechselseitig geltend gemachten Ansprüche auf dem zur Akte gereichten Kooperationsvertrag vom 01.11.2006 (Bl. 154ff GA). Dieser begründet jedoch kein in die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte fallendes Arbeitsverhältnis, weil der Beklagte nach einer Gesamtabwägung aller maßgeblichen Umstände weder als Arbeitnehmer noch als arbeitnehmerähnliche Person im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG angesehen werden kann. Der hier maßgebliche "Kooperationsvertrag" (im Folgenden: KV) ist als Franchisevertrag einzuordnen, bezeichnet in § 8 Abs. 9 den Vertragspartner der Klägerin sogar selbst als Franchise-Nehmer. Ob ein Franchisenehmer Arbeitnehmer oder eine arbeitnehmerähnliche Person ist, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab (vgl. BGH Beschluss v. 16.10.2002, VIII ZB 27/02, BGHZ 152, 213ff).

1.

Der Arbeitnehmer unterscheidet sich vom selbständigen Unternehmer durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit bei der Erbringung der Werk- oder Dienstleistung. Arbeitnehmer ist, wer weisungsgebunden vertraglich geschuldete Leistungen im Rahmen einer von seinem Vertragspartner bestimmten Absatzorganisation erbringt. Die persönliche Abhängigkeit manifestiert sich darin, dass der Arbeitnehmer hinsichtlich Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Ausführung der versprochenen Dienste einem umfassenden Weisungsrecht unterliegt oder dass sein Feiraum für die Erbringung der geschuldeten Leistung durch die rechtliche Vertragsgestaltung oder die tatsächliche Vertragsdurchführung stark eingeschränkt ist. Dagegen ist selbständig, wer im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann (vgl. BGH aaO). Nach diesen Kriterien ist der Beklagte nicht Arbeitnehmer.

§ 2 Abs. 1 KV spricht zwar von einem weisungsgebundenen Betreiben des Ladenlokals, definiert aber nicht die Pflichten des Beklagten, sondern vielmehr die Pflichten der Klägerin. Die Pflicht gemäß § 3 Abs. 1 und 4 KV, Veränderungen der Person oder Gesellschaftsform mitzuteilen, sowie Dritte nicht ohne vorherige Zustimmung der Klägerin am Betrieb zu beteiligen, begründet ebenso wenig eine persönliche Abhängigkeit wie die Bestimmung, dass der Beklagte einzelne Rechte und Pflichten aus dem Vertrag nur nach vorheriger schriftlicher Zustimmung auf einen Dritten übertragen kann. Hierdurch werden berechtigte Belange der Klägerin geschützt. Entsprechendes gilt für das in § 5 KV geregelte Berichtswesen und Kontrollrecht der Klägerin sowie die Regelung über die Umsatzmeldungen in § 7 KV, die maßgeblich die Rechte der Klägerin auf ihre Kooperationsgebühr gemäß § 6 KV sichern sollen. Die Verpflichtung zum Warenbezug und zur Übernahme der von der Klägerin vorgegebenen Preise in § 8 KV begründet ebenfalls keine persönliche Abhängigkeit im Sinne eines Arbeitsverhältnisses. Sie ist vielmehr franchisetypisch.

Entscheidend ist darauf abzustellen, dass die Tätigkeit des Beklagten in ihrem wesentlichen Kern nicht wie bei einem Arbeitnehmer weisungsgebunden, sondern - wie es an mehreren Stellen des KV zum Ausdruck kommt - in Eigenverantwortung erfolgen soll. Der Beklagte soll nach § 1 Abs. 2 KV das Geschäftslokal "als eigenständiger Unternehmer" führen und gemäß § 12 Abs. 4 "auf eigene Gefahr" betreiben, die Klägerin haftet nicht für die Rentabilität des Betriebes. Insoweit geht der Hinweis des Landgerichts fehl, der Beklagte trage nicht sein eigenes, sondern das unternehmerische Risiko der Klägerin. Nach § 4 KV soll die Miete für das Geschäftslokal von dem Beklagten zu tragen sein, nach § 12 Abs. 2 die Kosten für notwendigen Versicherungen. Der Beklagte soll die Verkaufpreise abzüglich der Einkaufspreise als Gewinn behalten dürfen; seiner Eigenverantwortung obliegt die Erstellung einer monatlichen BWA, § 5 Abs. 2 KV, sowie die Versteuerung und Abrechnung gegenüber dem Finanzamt, § 6 Abs. 3 KV. In § 3 Abs. 3 KV ist die Pflicht des Beklagten niedergelegt, stets ausreichendes und gut ausgebildetes Personal vorzuhalten; § 10 KV spricht insoweit von "seinen Mitarbeitern", mithin von Mitarbeitern des Beklagten.

2.

Arbeitnehmerähnliche Personen sind wegen der fehlenden Eingliederung in eine betriebliche Organisation und im wesentlichen freier Zeitbestimmung nicht im gleichen Maß persönlich abhängig wie Arbeitnehmer; an die Stelle der persönlichen Abhängigkeit tritt das Merkmal der wirtschaftlichen Abhängigkeit. Arbeitnehmerähnlichkeit ist insoweit nur gegeben, wenn der Betreffende nach seiner gesamten sozialen Stellung wie ein Arbeitnehmer sozial schutzbedürftig ist, wenn also das Maß der Abhängigkeit nach der Verkehrsanschauung einen solchen Grad erreicht, wie er im allgemeinen nur in einem Arbeitsverhältnis vorkommt und dass die geleisteten Dienste nach ihrer sozialen Typik denen eines Arbeitnehmers vergleichbar sind (vgl. BGH aaO mwN). Der Beklagte ist nach diesen Kriterien nicht als arbeitnehmerähnliche Person zu bezeichnen.

Wie bereits geschildert, soll der Beklagte das Ladenlokal eigenständig führen und sich selbständig um das erforderliche Personal kümmern. Er hat die BWA und Umsatzmeldungen zu erstellen (§ 5 Abs. 2, § 7 Abs. 1 KV), aufgrund derer die Klägerin sodann die Buchführung und Bilanz erstellt (§ 7 Abs. 3 KV). Die vertragliche Verpflichtung zum persönlichen Einsatz schließt eine weitere Erwerbstätigkeit nicht aus. Dem Beklagten ist nach § 11 KV lediglich versagt, ohne vorherige schriftliche Zustimmung der Klägerin selbst oder durch einen Dritten ein konkurrierendes Unternehmen zu betreiben oder sich an einem solchen zu beteiligen. Auf anderweitige, nicht konkurrierende Unternehmen bezieht sich dies nicht, zumal der Vertrag auch kein zeitliches Mindestmaß an persönlicher Tätigkeit des Beklagten vorsieht, sondern die Vorhaltung von Personal ausdrücklich in seine Verantwortung stellt (§ 3 Abs. 3 KV).

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Beschwerdewert: bis EUR 1500,- (Wert der erstinstanzlichen Anwaltskosten wegen § 12 a Abs. 1 ArbGG, vgl. Zöller-Gummer, ZPO, 26. Aufl., § 17a GVG, Rn. 20)

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