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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 15.03.2007
Aktenzeichen: I-10 W 145/06
Rechtsgebiete: BGB, RPflG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 247
RPflG § 11 Abs. 1
ZPO § 91 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 104 Abs. 3 Satz 1
ZPO § 567 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 567 Abs. 2
1. Auch ein gewerbliches Unternehmen, das über eine Rechtsabteilung verfügt, kann unter bestimmten Voraussetzungen die Reisekosten eines zum Termin vor dem Prozessgericht anreisenden Prozessbevollmächtigten ihres Vertrauens ("Hausanwalt"), der an ihrem Geschäftssitz ansässig ist, erstattet verlangen. Dies gilt etwa dann, wenn Angelegenheiten der fraglichen Art auf diesen "Hausanwalt" übertragen sind, weil der Rechtsabteilung ausschließlich andere Aufgaben obliegen.

2. Etwaige Mehrkosten, die daraus resultieren, dass der "Hausanwalt" nicht am Ort des Geschäftssitzes der Partei ansässig ist, können jedenfalls dann nicht zu Lasten des Prozessgegners gehen, wenn auch am Geschäftssitz der Partei ein gleichwertiger "Hausanwalt" hätte gefunden werden können. Eine Überbürdung der Mehrkosten auf den kostenpflichtigen Prozessgegner kann - wenn überhaupt - nur unter ganz besonderen Umständen gerechtfertigt sein.


Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Duisburg - Rechtspflegerin - vom 01.09.2006 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Aufgrund des Urteils des Landgerichts Duisburg vom 08.06.2006 sind von dem Beklagten an Kosten 2.589,50 EUR (zweitausendfünfhundertneunundachtzig 50/100 Euro) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 21.07.2006 an die Klägerin zu erstatten. In dem Betrag sind EUR 726,- Gerichtskosten enthalten.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Klägerin zu 22 % und der Beklagte zu 78 %.

Die am 04.10.2006 bei Gericht eingegangene sofortige Beschwerde der Klägerin (Bl. 119f GA) gegen den ihr 20.09.2006 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Duisburg - Rechtspflegerin - vom 01.09.2006 (Bl. 111ff, 115 GA) ist gemäß § 11 Abs. 1 RPflG, §§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO zulässig. Sie hat jedoch nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg, im Übrigen ist sie unbegründet.

Die Klägerin kann über die bereits erfolgte Kostenfestsetzung hinaus Reisekosten für die Wahrnehmung der Termine am 01. und 08.06.2006 vor dem Landgericht Duisburg durch ihre Prozessbevollmächtigten erstattet verlangen, insoweit allerdings nur Fahrtkosten für die Strecke Frankfurt - Duisburg und Abwesenheitsgelder für den jeweiligen Terminstag. Diese Kosten sind als notwendig und damit erstattungsfähig im Sinne des § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO anzusehen.

1.

Der Klägerin kann nicht entgegengehalten werden, sie hätte sogleich einen am Ort des Prozessgerichts in Duisburg ansässigen Rechtsanwalt mit der Prozessvertretung beauftragen und diesen schriftlich oder fernmündlich informieren müssen.

Nach der ständigen Rechtssprechung des BGH und ihm folgend des Senats handelt es sich regelmäßig um notwendige Kosten einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung, wenn eine vor einem auswärtigen Gericht klagende oder verklagte Partei einen an ihrem Wohn- oder Geschäftsort ansässigen Rechtsanwalt mit ihrer Vertretung beauftragt (vgl. grundlegend BGH Beschluss vom 16.10.2002, VIII ZB 30/02, Rpfleger 2003, S. 98, 100; Beschluss vom 12.12.2002 - I ZB 29/02, NJW 2003, 901, 902). Eine Ausnahme wird allerdings dann gemacht, wenn schon im Zeitpunkt der Beauftragung des Rechtsanwalts feststeht, dass ein eingehendes Mandantengespräch für die Prozessführung nicht erforderlich sein wird. Dies ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs u.a. regelmäßig dann der Fall, wenn es sich bei der fraglichen Partei um ein gewerbliches Unternehmen handelt, das über eine eigene, die Sache bearbeitende Rechtsabteilung verfügt. In diesen Fällen ist davon auszugehen, dass der Rechtsstreit durch die sachkundigen Mitarbeiter der Rechtsabteilung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vorbereitet und die Partei daher in der Lage sein wird, einen am Sitz des Prozessgerichts ansässigen Prozessbevollmächtigten umfassend schriftlich zu instruieren. Ein eingehendes persönliches Mandantengespräch ist unter diesen Voraussetzungen weder zur Ermittlung des Sachverhalts noch zur Rechtsberatung erforderlich. Nach der schriftlichen Übermittlung der erforderlichen Informationen können Beratung und Abstimmung des prozessualen Vorgehens ebenfalls schriftlich oder telefonisch erfolgen. Im Hinblick auf die modernen Kommunikationsformen ist auch eine Verzögerung nicht zu befürchten, wenn ein am Sitz des Prozessgerichts ansässiger Rechtsanwalt beauftragt wird (vgl. (vgl. BGH Beschlüsse vom 21.01.2004, IV ZB 32/03; vom 10.04.2003, I ZB 36/02, JurBüro 2003, 370; vom 09.10.2003, VII ZB 10/02).

Im vorliegenden Fall verfügt die Klägerin zwar über eine Rechtsabteilung. Es kann jedoch daraus nicht gefolgert werden, dass der Rechtsstreit durch deren sachkundigen Mitarbeiter in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vorbereitet worden ist und daher eine umfassende schriftliche oder telefonische Information und Instruktion eines am Sitz des Prozessgerichts ansässigen Rechtsanwaltes möglich gewesen wäre. Nach dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerin im Schriftsatz vom 07.08.2006 (Bl. 105f GA) ist die hier fragliche Angelegenheit tatsächlich nicht durch ihre Rechtsabteilung bearbeitet worden, weil diese mit anderen Aufgaben betraut ist und das Forderungsmanagement schon seit Jahren ihren Prozessbevollmächtigten übertragen wird.

2.

Die Klägerin kann auch nicht darauf verwiesen werden, sie hätte die vorliegende Klage durch ihre Rechtsabteilung so gründlich vorbereiten können, dass ein am Ort des Prozessgerichts ansässiger Rechtsanwalt per moderner Telekommunikation hätte informiert und instruiert werden können.

Dass gewerblichen Unternehmen, die über eine eigene Rechtsabteilung verfügen, regelmäßig eine Information mittels Telekommunikation zugemutet wird, beruht maßgeblich darauf, dass in diesen Fällen von einer Vorbereitung des Rechtsstreits durch die sachkundigen Mitarbeiter der Rechtsabteilung ausgegangen wird. Dies wiederum kann nur dort erfolgen, wo die Bearbeitung derartiger Angelegenheiten üblicherweise durch die Rechtsabteilung erfolgt, mithin zu deren Aufgabenbereich gehört. Daran fehlt es aber in Fällen wie dem vorliegenden. Bei der Klägerin werden Angelegenheiten der fraglichen Art - hier Forderungsmanagement - auf einen "Hausanwalt" übertragen, weil der Rechtsabteilung ausschließlich andere Aufgaben obliegen. Im Rahmen der Kostenerstattung kommt es auf die tatsächliche Organisation des Unternehmens der Partei an und nicht darauf, welche Organisation als zweckmäßiger anzusehen sein könnte. Die interne betriebliche Organisation hat die Gegenpartei hinzunehmen, ohne dass es darauf ankommt, ob die Personalkapazität für eine schriftliche Information und Instruktion zur Verfügung gestanden hätte (vgl. BGH Beschluss vom 28.06.2006, IV ZB 44/05 mwN). Nichts anderes kann nach Auffassung des Senats für die Personalkapazität innerhalb einer Rechtsabteilung gelten.

3.

Der Klägerin kann allerdings entgegen gehalten werden, dass sie einen am Ort ihres Geschäftssitzes in Frankfurt ansässigen Prozessbevollmächtigten als "Hausanwalt" hätte auswählen und beauftragen können.

Der Bundesgerichtshof hat in seinem Beschluss vom 28.06.2006, IV ZB 44/05 ausdrücklich offen gelassen, ob gegebenenfalls auch höhere Kosten eines an einem dritten Ort ansässigen Prozessbevollmächtigten ("Hausanwalt") erstattungsfähig sein können. Für den vorliegenden Fall ist diese Frage nach Auffassung des Senats zu verneinen. Es sind keine Gründe vorgetragen oder ersichtlich, weshalb die Klägerin keinen am Ort ihres Geschäftssitzes ansässigen Rechtsanwalt als Anwalt ihres Vertrauens, mithin als ihren "Hausanwalt" ausgewählt hat. Ein entsprechend geeigneter Rechtsanwalt wäre in Frankfurt sicher aufzufinden gewesen. Etwaige Mehrkosten, die daraus resultieren, dass der "Hausanwalt" nicht am Ort des Geschäftssitzes der Partei ansässig ist, können jedenfalls dann nicht zu Lasten des Prozessgegners gehen, wenn auch am Geschäftssitz der Partei ein gleichwertiger "Hausanwalt" hätte gefunden werden können. Eine Überbürdung der Mehrkosten auf den kostenpflichtigen Prozessgegner kann - wenn überhaupt - nur unter ganz besonderen Umständen gerechtfertigt sein.

4.

Mithin kann die Klägerin lediglich Fahrtkosten gemäß RVG VV-Nr. 7003 für 4 Fahrten je 255 km zu je 0,30 EUR erstattet verlangen, folglich 306,- EUR. Insoweit kann hier auch nicht mit Erfolg eingewandt werden, die Anreise mit der Bahn wäre wesentlich kostengünstiger gewesen; für eine Bahnreise in angemessener Zeit hätte allein die Hin- und Rückfahrt von Frankfurt Hauptbahnhof nach Duisburg Hauptbahnhof pro Termin ca. EUR 140,- gekostet, zuzüglich An- und Abreisekosten bis zum jeweiligen Hauptbahnhof.

Des weiteren kann die Klägerin nur Abwesenheitsgeld für die Wahrnehmung der beiden Termine geltend machen, nicht aber Übernachtungskosten. Es ist weder dargelegt noch ersichtlich, dass diese erforderlich waren. Ausgehend von einer (einfachen) Fahrtstrecke von Frankfurt nach Duisburg von 255 km und einer Fahrzeit von ca. 2.30 Stunden wäre dem Prozessbevollmächtigten zumutbar gewesen, die Termine ohne Übernachtung wahrzunehmen. Bezeichnenderweise ist offensichtlich sogar der aus dem 298 km und ca. 3 Fahrtstunden entfernten Mannheim anreisende Prozessbevollmächtigte der Klägerin erst am Terminstag zum Termin am 01.06.2006 um 9.15 Uhr angereist und am selben Tag wieder abgereist, so dass lediglich Abwesenheitsgeld für eine mehr als 8stündige Abwesenheit, jedoch keine Übernachtungskosten angefallen sind. Entsprechend hätte auch in Bezug auf den Termin am 08.06.2006 um 9.30 Uhr verfahren werden können; dass eine Anreise bereits am Vortag erforderlich war, ist weder dargetan noch ersichtlich, so dass die Übernachtungskosten nicht als notwendig vom Prozessgegner erstattet verlangt werden können.

Als erstattungsfähig verbleiben demnach:

 Fahrtkosten RVG VV-Nr. 7003 EUR 306,-
Abwesenheitsgeld RVG VV-Nr. 7005 Nr. 3 EUR 120,-
(Termine am 01. und 08.06.2006) 
Parkgebühren EUR 2,50
Gesamt EUR 428,50

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache wird gemäß § 574 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 ZPO die Rechtsbeschwerde zugelassen.

Beschwerdewert: EUR 550,10

Ende der Entscheidung

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