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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 02.04.2009
Aktenzeichen: I-10 W 23/09
Rechtsgebiete: GKG


Vorschriften:

GKG § 31 Abs. 2
GKG § 31 Abs. 3
1. Ist einem von zwei gesamtschuldnerisch haftenden Erstschuldnern Prozesskostenhilfe gewährt worden, stehen einer Inanspruchnahme des weiteren Erstschuldners wegen der gesamten Gerichtskosten § 31 Absätze 2 und 3 GKG nicht entgegen.

2. Anstelle des weiteren Erstschuldners kann unter den Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 GKG auch ein Zweitschuldner wegen der gesamten Gerichtskosten in Anspruch genommen werden; § 31 Abs. 3 Satz 1 GKG hindert dies nicht.


Tenor:

Die weitere Beschwerde der Kostenschuldnerin gegen den Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld vom 25.10.2008 wird zurückgewiesen.

Auf die weitere Beschwerde der Landeskasse wird der Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld vom 25.10.2008 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Erinnerung der Kostenschuldnerin gegen den Kostenansatz des Amtsgerichts Nettetal vom 07.05.2008 (Bl. IIIb GA) wird zurückgewiesen.

Das Verfahren der weiteren Beschwerden ist gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Die weitere Beschwerde der Landeskasse vom 10.11.2008 (Bl. 217, 221f GA) und die weitere Beschwerde der Kostenschuldnerin vom 18.11.2008 (Bl. 219f GA) richten sich gegen den Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld vom 25.10.2008 (Bl. 210ff GA) und damit gegen die im Beschwerdeverfahren erfolgte Abänderung des Kostenansatzes des Amtsgerichts Nettetal vom 07.05.2008 (Bl. IIIb GA). Es ist nicht zu beanstanden, dass das Landgericht den Beschluss des Amtsgerichts Nettetal vom 21.07.2008 (Bl. 190 GA) als Erinnerungsentscheidung ausgelegt und beschieden hat. Die weiteren Beschwerden sind kraft Zulassung gemäß § 66 Abs. 4 GKG zulässig.

1.

Die weitere Beschwerde der Landeskasse erweist sich als begründet. Die Entscheidung des Landgerichts beruht insoweit auf einem Rechtsfehler, als sie vorliegend von einem Anwendungsfall des § 31 Abs. 3 Satz 1 GKG ausgeht. Die Kostenschuldnerin wird hierdurch nicht vor einer Inanspruchnahme als Zweitschuldnerin geschützt.

a.

Die Haftung der Kostenschuldnerin ergibt sich aus § 22 Abs. 1 GKG, da sie das Klageverfahren beantragt hat. Die Beklagten zu 1) und 2) haften demgegenüber aufgrund Beschlusses des Amtsgerichts Nettetal vom 26.03.2008 (Bl. 159ff GA) als Entscheidungsschuldner gemäß § 29 Nr. 1 GKG, weil ihnen als Gesamtschuldnern die die Kosten des Rechtsstreits auferlegt worden sind.

Mehrere Kostenschuldner sind Gesamtschuldner, § 31 Abs. 1 GKG. Die Voraussetzung und Reihenfolge ihrer Inanspruchnahme ordnet § 31 Abs. 2 GKG an. Daraus ergibt sich, dass vorrangig sog. Erstschuldner (Entscheidungs- und Übernahmeschuldner) in Anspruch zu nehmen sind. Mehrere Erstschuldner können nach allgemeinen Regeln als Gesamtschuldner in Anspruch genommen werden, ohne dass einer verlangen könnte, die Staatskasse möge sich zuerst an den anderen halten oder ihn nur auf den Teil in Anspruch nehmen, der ihn im Innenverhältnis gegenüber den anderen Erstschuldnern trifft (vgl. Meyer, GKG, 9. Aufl., § 31 Rn. 15; Hartmann, Kostengesetze, 39. Aufl., § 31 GKG Rn. 4). Dies gilt erst recht, wenn - wie hier - die Erstschuldner als Gesamtschuldner in die Kosten verurteilt worden sind.

b.

Vorliegend kann die Staatskasse den Beklagten zu 1) nicht wegen der Gerichtskosten in Anspruch nehmen, weil diesem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, § 122 Abs. 1 Nr. 1a ZPO. Dementsprechend würde gegenüber der Staatskasse allein der Beklagte zu 2) als Erstschuldner auf Zahlung der Gerichtskosten in voller Höhe haften. Der Beklagte zu 2) könnte sich demgegenüber nicht auf § 31 Abs. 2 GKG berufen, weil diese Vorschrift nicht im Verhältnis mehrerer Erstschuldner zueinander gilt (vgl. Hartmann, § 31 GKG Rn. 10). Entsprechendes gilt für eine Berufung auf § 31 Abs. 3 Satz 1 GKG; auch diese Norm gilt nur für die Haftung eines anderen Kostenschuldners als des Entscheidungsschuldners (vgl. Hartmann, § 31 GKG Rn. 17). § 31 Abs. 3 Satz 1 GKG ist auch nicht etwa aus verfassungsrechtlichen Gründen auf das Verhältnis gesamtschuldnerisch haftender Erstschuldner entsprechend anzuwenden. Die PKH-Gewährung schützt generell nicht vor einer Inanspruchnahme durch einen denkbaren Ausgleichsanspruch gemäß § 426 Abs. 2 BGB (vgl. OLG Frankfurt, Rpfleger 1989, 40f), so dass ein solcher auch nicht nach dem Rechtsgedanken des § 31 Abs. 3 Satz 1 GKG auszuschließen ist. Sonstige Gründe, das Risiko der Uneinbringlichkeit der im Innenverhältnis begründeten Ausgleichsforderung auf die Staatskasse zu verlagern, sind nicht ersichtlich. Vielmehr muss dieses Risiko wie bei jedem anderen von der Landeskasse allein in Anspruch genommenen Gesamtschuldner auch dann bei diesem verbleiben, wenn dem anderen Gesamtschuldner Prozesskostenhilfe gewährt worden ist.

c.

Eine Inanspruchnahme des Beklagten zu 2) erscheint unter den von der Kostenschuldnerin selbst vorgetragenen Gründe nicht aussichtsreich. Danach lebt der 12 jährige Beklagte zu 2) in einem Kinderheim, eine Zwangsvollstreckung würde in jedem Fall fruchtlos und ergebnislos verlaufen (Beschwerdeschrift vom 05.08.2008, Bl. 196ff GA). Unter derartigen Umständen kann die Staatskasse anstelle des Erstschuldners den Zweitschuldner in Anspruch nehmen, § 31 Abs. 2 GKG. Die Staatskasse konnte hier mithin die gesamten Gerichtskosten zu Lasten der Kostenschuldnerin ansetzen und den von ihr geleisteten Vorschuss in Abzug bringen. Ein höherer Rückzahlungsbetrag als EUR 4,23 steht ihr damit nicht zu.

2.

Die weitere Beschwerde der Kostenschuldnerin ist unbegründet. Ihre Einwände gegen die Inanspruchnahme als Zweitschuldnerin greifen letztlich nicht durch, weil sie nicht berücksichtigen, dass die Kostenschuldnerin anstelle des Beklagten zu 2), dem keine Prozesskostenhilfe gewährt worden ist, in Anspruch genommen wird und nicht anstelle des Beklagten 1).

a.

Ohne Erfolg beruft sich die Kostenschuldnerin auf die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zum Anwendungsbereich des § 58 Abs. 2 Satz 2 GKG a.F.. Danach erschien es geboten, den Haftungsausschluss auf sämtliche Gerichtskosten, also sowohl die noch nicht bezahlten als auch die bereits verauslagten Gerichtskosten, zu erstrecken, weil der Gesetzgeber mit der Haftungsausschlussnorm des § 58 Abs. 2 Satz 2 GKG a.F. den Schutz der mittellosen Partei umfassend ausgestalten wollte (Beschluss v. 23.06.1999, 1 BvR 984/89, NJW 1999, 3186; Beschlüsse vom 07.02.2000, 1 BvR 1344/99, und vom 20.09.1999, 1 BvR 2055/97, betr. einer mittellosen, teilweise unterlegenen Partei). Insoweit ist eine gesetzliche Klarstellung durch die Regelung in § 31 Abs. 3 Satz 1 2. Halbsatz GKG erfolgt (vgl. Meyer, GKG, 9. Aufl., § 31 Rn. 29).

Vorliegend wird der nach § 31 Abs. 3 Satz 1 GKG gebotene Schutz eines mittellosen Erstschuldners jedoch nicht beeinträchtigt. Die Kostenschuldnerin wird hier als Zweitschuldnerin anstelle des Beklagten zu 2) auf Ersatz der vollen Gerichtskosten in Anspruch genommen. Gegenüber dem Beklagten zu 2) greift die Sperrwirkung des § 122 Abs. 1 Nr. 1a ZPO mangels Prozesskostenhilfebewilligung nicht ein, weshalb dieser auch nicht durch § 31 Abs. 3 Satz 1 GKG zu schützen ist. Damit verbleibt der Kostenschuldnerin ein Regressanspruch gegen den Beklagten zu 2). Das Risiko der Realisierbarkeit dieses Anspruchs weist das Gesetz in § 31 Abs. 2 GKG ausdrücklich dem Zweitschuldner zu, so dass kein Grund ersichtlich ist, dieses im vorliegenden Fall auf die Staatskasse zu verlagern.

b.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass - wie die Kostenschuldnerin meint - die Voraussetzungen für eine Gewährung von Prozesskostenhilfe auch hinsichtlich des Beklagten zu 2) vorgelegen hätten. Sowohl die Sperrwirkung des § 122 Abs. 1 Nr. 1a ZPO als auch der Haftungsausschluss des Zweitschuldners setzten die Bewilligung von Prozesskostenhilfe voraus. Diese Normen können nicht analog auf den Fall angewendet werden, in dem einer Partei möglicherweise Prozesskostenhilfe hätte gewährt werden können, aber mangels Antrags nicht gewährt worden ist.

Der Einwand, die Verfahrenskosten wären auch bei einer allein gegen den Beklagten zu 1) gerichteten Klage entstanden, führt zu keinem anderen Ergebnis. Zwar wäre der Kostenschuldnerin dann der volle Haftungsausschluss des § 31 Abs. 3 Satz 1 GKG zugute gekommen. Dies aber nur deshalb, weil es dann keinen anderen vorrangig haftenden Erstschuldner gegeben hätte. Ein solcher ist hier aber vorhanden, was eine entsprechend unterschiedliche Behandlung rechtfertigt.

II.

Der Kostenausspruch folgt aus § 66 Abs. 8 GKG.

Ende der Entscheidung

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