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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 17.08.2006
Aktenzeichen: I-10 W 55/06
Rechtsgebiete: RPflG, ZPO, BRAGO


Vorschriften:

RPflG § 11 Abs. 1
ZPO § 91 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 91 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 104 Abs. 3 Satz 1
ZPO § 567 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 567 Abs. 2
BRAGO § 32
BRAGO § 32 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 10.03.2006 gegen den in Abhilfe der Beschwerde der Antragsgegnerin ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Mönchengladbach - Rechtspflegerin - vom 10.02.2006 (Bl. 48f GA) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.

Die am 10.03.2006 bei Gericht eingegangene sofortige Beschwerde der Antragstellerin (Bl. 53 f GA) gegen den ihr am 24.02.2006 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss vom 10.02.2006 (Bl. 48 ff GA) ist gemäß § 11 Abs. 1 RPflG, §§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO zulässig. Sie hat jedoch keinen Erfolg.

Zu Recht hat die Rechtspflegerin bei der Kostenfestsetzung - wie von der Antragsgegnerin unter dem 06.07.2005 beantragt (Bl. 4 GA) - eine 1,3 Verfahrensgebühr nach RVG VV-Nr. 3100 in Höhe von EUR 11.694,80 berücksichtigt. Diese Gebühr ist nicht - wie die Antragstellerin meint - nach RVG VV-Nr. 3101 Nr. 1 auf eine 0,8 Verfahrensgebühr zu ermäßigen.

Einigkeit besteht darüber, dass die Kosten einer Schutzschrift, die vorsorglich zur Verteidigung gegen einen erwarteten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung eingereicht worden ist, grundsätzlich auch dann erstattungsfähig sind, wenn ein entsprechender Verfügungsantrag bei diesem Gericht eingeht und dieser zurückgenommen wird, ohne dass eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat (vgl. BGH Beschlüsse vom 13.02.2003 - I ZB 23/02 und vom 10.04.2003 - I ZB 33/02). Die Erstattungsfähigkeit dem Grunde nach richtet sich insoweit nach § 91 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 ZPO und wird von dem Inkrafttreten des RVG nicht berührt.

Anders verhält es sich in Bezug auf die Frage, ob die Verfahrensgebühr in voller Höhe festzusetzen ist oder eine Reduzierung eintritt. Der Bundesgerichtshof hat in den zitierten Entscheidungen (ausführlich im Beschluss vom 13.02.2003) unter Geltung der BRAGO ausgeführt, dass eine Reduzierung der Verfahrensgebühr nach § 32 Abs. 1 BRAGO nicht in Betracht komme, weil die in einer vorsorglich eingereichten Schutzschrift enthaltenen Anträge keine Sachanträge im Sinne des § 32 Abs. 1 BRAGO seien. Sie leiteten kein Verfahren ein, brächten kein Verfahren in Gang, sonder äußerten sich lediglich zu einem erwarteten Verfahren. Sie erstarkten auch nicht in einen Antrag, wenn später ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt werde, weil dieser aus vielen Gründen von dem Gegenstand der Abmahnung und Schutzschrift abweichen könne. Der Antrag in einer Schutzschrift könne nur als Anregung an das Gericht aufgefasst werden, in einer bestimmten Weise zu verfahren. Zum hier anwendbaren RVG haben in der obergerichtlichen Rechtsprechung - soweit ersichtlich - bislang lediglich das OLG Hamburg und das OLG Nürnberg Entscheidungen getroffen.

Das OLG Hamburg hat in seinem Beschluss vom 22.04.2005 - 8 W 62/05 (MDR 2005, 1196) an die Rechtssprechung des Bundesgerichtshof zu § 32 BRAGO angeknüpft und darauf abgestellt, dass sich die Rechtslage insoweit nicht geändert habe. Der Umstand, dass die Schutzschrift Sachvortrag enthalte, reiche für sich allein nicht aus, eine 1,3 Verfahrensgebühr nach RVG VV-Nr. 3100 auszulösen. Eine solche Interpretation würde die Bedeutung des reduzierten Gebührentatbestandes der RVG VV-Nr. 3101 zu sehr einschränken und wäre mit der Systematik des Gesetzes nicht vereinbar.

Demgegenüber hat das OLG Nürnberg in seinem Beschluss vom 11.04.2005 - 5 W 262/05 (MDR 2005, 1317f) auf den Wortlaut der an die Stelle des § 32 Abs. 1 BRAGO getretenen Reduzierungstatbestandes nach RVG VV-Nr. 3101 abgestellt. Danach tritt die Ermäßigung unter anderem dann nicht ein, wenn der Rechtsanwalt bereits einen Schriftsatz, der Sachvortrag enthält, eingereicht hat. Insoweit habe der Gesetzgeber bewusst den Sachantrag nicht mehr als ausschlaggebend erachtet.

Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an. Diese entspricht dem Wortlaut der RVG VV-Nrn. 3100 und 3101 Nr. 1 und dem im Zuge ihrer Schaffung geäußerten Willen des Gesetzgebers. Der Gebührenermäßigungstatbestand der RVG VV-Nr. 3101 Nr. 1 hat den Wortlaut des § 32 Abs. 1 BRAGO übernommen und um die Alternative "Schriftsatz, der .. Sachanträge .. enthält" erweitert. Hierdurch hat der Gesetzgeber klarstellen wollen, dass der Ermäßigungstatbestand auch in Verfahren anzuwenden sein soll, die keine besonderen Sachanträge der Parteien erfordern (insbesondere FGG-Verfahren). Dass hierdurch eine Erweiterung in den Streitverfahren eintritt, war dem Gesetzgeber dabei bewusst und er hielt dies für sachgerecht. In der Gesetzesbegründung heißt es hierzu, es sei kein Grund ersichtlich, weshalb ein Beklagtenvertreter, der auf eine Klage erwidert, ohne ausdrücklich die Klageabweisung zu beantragen, nicht auch in diesem Fall die volle Verfahrensgebühr erhalten solle (vgl. Gesetzesbegründung zu RVG VV-Nr. 3101 in BT-Drucksache 1971, S. 211 f). Hieraus wird deutlich, dass es nach dem Willen des Gesetzgebers nicht mehr allein darauf ankommt, ob Schriftsätze Sachanträge oder ihre Zurücknahme enthalten; ausreichend ist, wenn darin Sachvortrag enthalten ist. Das ist bei der hier fraglichen Schutzschrift vom 13.12.2004 (Bl. 32 ff GA) zu bejahen.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung wird die Rechtsbeschwerde gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 ZPO zugelassen.

Beschwerdewert: EUR 4498,-

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