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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 18.09.2008
Aktenzeichen: I-10 W 60/08
Rechtsgebiete: JVEG, ZPO


Vorschriften:

JVEG § 4 Abs. 3
JVEG § 4 Abs. 8
JVEG § 9 Abs. 1
JVEG § 13
ZPO § 407 a Abs. 3 Satz 2
Die Entschädigung des Sachverständigen ist nach der "erforderlichen" Zeit zu bemessen. Welche Zeit erforderlich ist, hängt nicht von der individuellen Arbeitsweise des jeweiligen Sachverständigen ab. Sie ist nach einem objektiven Maßstab zu bestimmen, für den weder die Angaben des Sachverständigen noch die tatsächlich aufgewendete Zeit schlechthin maßgebend sind. Grundsätzlich wird aber davon auszugehen sein, dass die Angaben des Sachverständigen über die tatsächlich benötigte Zeit richtig sind. Ein Anlass zur Nachprüfung, ob die von dem Sachverständigen angegebene Zeit auch erforderlich war, wird nur dann bestehen, wenn der angesetzte Zeitaufwand im Verhältnis zur erbrachten Leistung ungewöhnlich hoch erscheint (vgl. Meyer/Höver/Bach, JVEG, 24. Auflage, § 8 Rn. 8.49).
Tenor:

Unter Zurückweisung der weitergehenden Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Kleve vom 13.05.2008 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Vergütung des Sachverständigen Dipl.-Ing. Dr. S. für die mit Rechnung vom 09.04.2008 liquidierten Leistungen wird auf EUR 3056,69 festgesetzt.

Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Der Widerspruch des Antragstellers vom 21.05.2008 (Bl. 282ff GA) ist als Beschwerde gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Kleve vom 13.05.2008 (Bl. 273f GA) gemäß § 4 Abs. 3 JVEG zulässig. Die Beschwerde hat Erfolg, soweit sie sich gegen die vorgenommene Kürzung des Stundenaufwandes richtet. Sie bleibt erfolglos, soweit sie sich gegen die Höhe des zugrundegelegten Stundensatzes wendet.

1.

Die Kürzung des vom Antragsteller für seine Leistungen liquidierten Zeitaufwandes von insgesamt 40,75 Stunden (6,75 Stunden Vorarbeiten, 26,75 Stunden Gutachtenerstellung und 7,25 Stunden Nacharbeiten) auf insgesamt 26 Stunden ist nicht gerechtfertigt.

a.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Antragsteller einen Zeitaufwand abgerechnet hat, der nicht "erforderlich" war.

Die Entschädigung des Sachverständigen ist nach der "erforderlichen" Zeit zu bemessen. Welche Zeit erforderlich ist, hängt nicht von der individuellen Arbeitsweise des jeweiligen Sachverständigen ab. Sie ist nach einem objektiven Maßstab zu bestimmen, für den weder die Angaben des Sachverständigen noch die tatsächlich aufgewendete Zeit schlechthin maßgebend sind. Grundsätzlich wird aber davon auszugehen sein, dass die Angaben des Sachverständigen über die tatsächlich benötigte Zeit richtig sind. Ein Anlass zur Nachprüfung, ob die von dem Sachverständigen angegebene Zeit auch erforderlich war, wird nur dann bestehen, wenn der angesetzte Zeitaufwand im Verhältnis zur erbrachten Leistung ungewöhnlich hoch erscheint (vgl. Meyer/Höver/Bach, JVEG, 24. Auflage, § 8 Rn. 8.49).

Selbst wenn man dies im vorliegenden Fall bejaht, kann eine Kürzung des vom Antragsteller angegebenen Aufwandes nicht vorgenommen werden. Eine Herabsetzung des vom Sachverständigen angegebenen Zeitaufwandes darf nur erfolgen, wenn zugleich angegeben werden kann, welche der vom Sachverständigen angegebenen Arbeitszeiten zu lang bemessen sind und in welcher Zeit und aus welchen Gründen die Einzelarbeit hätte schneller verrichtet werden können. Das Gericht darf sich insoweit nicht darauf beschränken, jeweils pauschal eine gewisse Anzahl von Stunden unter Plausibilitätsgesichtspunkten zu schätzen (vgl. BVerfG JurBüro 2008, 44; Meyer/Höver/Bach, § 8 Rn. 8.49).

Entsprechendes ist hier jedoch erfolgt. Der Antragsteller hat mit seinem Schriftsatz vom 29.04.2008 das von ihm für den fraglichen Auftrag erstellte "Zeitkonto" (Bl. 270f GA) vorgelegt. Dies ist ersichtlich sukzessive gefertigt und legt offen, wann, in welcher Zeit und welche Tätigkeit der Antragsteller im Einzelnen ausgeführt hat. Dem Senat ist es nicht möglich, festzustellen, das der Antragsteller einzelne der genannten Tätigkeit in kürzer Zeit hätte erledigen können. Dies gilt um so mehr, als der Antragsteller sich für das Gutachten im Hauptverfahren mit drei neuen Angeboten zu befassen und insoweit eine Vergleichbarkeit der von der Fa. P. angebotenen/erbrachten Leistungen herzustellen hatte. Dies erforderte eine Auseinandersetzung mit den jeweiligen Angeboten, um eine fundierte Grundlage für die geforderte Schätzung der voraussichtlichen Kosten für die Mängelbeseitigung zur Bezifferung des Vorschussanspruches (vgl. Beschluss vom 06.07.2007, Bl. 196f GA) zu erhalten. Hier fällt ins Gewicht, dass die Angebote der Fa. H. und P. weniger dezidiert waren, das Angebot der Fa. G. dagegen sehr umfangreich. Diese Angebote waren mit den umfangreichen angebotenen/erbrachten Leistungen und Preise der Fa. P. zu vergleichen, was die Erarbeitung einer Gegenüberstellung der Leistungen und der Kosten erforderte.

b. Auf die Verletzung der Hinweispflicht gemäß § 407 a Abs. 3 Satz 2 ZPO kann eine Kürzung der Sachverständigenentschädigung nicht gestützt werden.

Der Sachverständige ist verpflichtet, das Gericht darauf hinzuweisen, dass die für ihn erkennbaren voraussichtlichen Kosten den Auslagenvorschuss wesentlich übersteigen. Eine Kürzung der Vergütung ist jedoch nur vorzunehmen, wenn der Sachverständige schuldhaft die ihm obliegende Mitteilung versäumt und zwar in Höhe des Betrages der Kosten, die bei rechtzeitiger Mitteilung nicht entstanden wären (vgl. Meyer/Höver/Bach, JVEG, 24. Aufl., § 8 Rn. 24).

Unabhängig davon, dass die vom Antragsteller vorgetragenen Umstände nicht geeignet sind, die Unterlassung der gebotenen Mitteilung zu entschuldigen, fehlt es hier an der nötigen Kausalität zwischen der Verletzung der Hinweispflicht und der Entstehung der hier fraglichen weiteren Kosten. Insoweit entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass eine schuldhafte Verletzung der Anzeigepflicht ausnahmsweise dann nicht zu einer Kürzung der Entschädigung führt, wenn feststeht, dass bei pflichtgemäßer Offenbarung durch den Sachverständigen der an ihn gerichtete Auftrag durch das Gericht weder eingeschränkt noch widerrufen worden wäre (vgl. Senatsbeschlüsse vom 08.09.2005, I-10 W 21/05 und vom 23.05.2002 - 10 W 22/02).

Hier kann davon ausgegangen werden, dass auch bei erfolgter Anzeige die Tätigkeit des Antragstellers nicht eingeschränkt bzw. ihre Fortsetzung nicht unterbunden worden wäre. Das Gericht hatte erwogen, den Antragsteller zu entpflichten, nachdem er das Gutachten nicht binnen der ihm gesetzten Frist und Nachfrist nebst Verhängung eines Ordnungsgeldes vorgelegt hatte (vgl. Vfg. vom 16.01.2008, Bl. 217 GA). Darauf hat der Klägervertreter mit Schriftsatz vom 08.02.2008 (Bl. 222 GA) mitgeteilt, es wäre sicherlich am besten, wenn der Gutachter die begonnene Arbeit zu Ende führen würde, um weitere Verzögerungen zu vermeiden. Den nachfolgend aufgrund der Mitteilung des Antragstellers vom 10.03.2008 (Bl. 224 GA) angeforderten weiteren Vorschuss von EUR 1300,- hat der Kläger umgehend eingezahlt (vgl. Bl. 225 GA). Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass das Gericht bei einer Mitteilung des Sachverständigen, dass die voraussichtlichen Kosten auch durch den nachgeforderten Betrag nicht gedeckt sind, die Fortsetzung des Gutachtens nicht unterbunden hätte. Das Gutachten stand unmittelbar vor dem Abschluss und der eingeforderte Vorschuss von zunächst EUR 500,- erschien selbst nach Anforderung von weiteren EUR 1300,- ohnehin eher knapp bemessen. Der Antragsteller hatte bereits für sein Gutachten im selbständigen Beweisverfahren 34,5 Stunden benötigt und für das Gutachten im Hauptverfahren hatte der Antragsteller sich mit drei neuen Angeboten zu befassen und insoweit eine Vergleichbarkeit der von der Fa. P. angebotenen/erbachten Leistungen herzustellen, was einen umfangreicheren Aufwand erwarten ließ.

2.

Ohne Erfolg wendet sich der Antragsteller gegen die Kürzung des Stundensatzes. Dieser ergibt sich - wie der Antragsteller selbst ausführt - aus dem Gesetz, § 9 Abs. 1 JVEG in Verbindung mit der Anlage 1.

Eine Vereinbarung über eine besondere Vergütung im Sinne des § 13 JVEG ist nicht feststellbar. Entgegen der Auffassung des Antragstellers kann diese auch nicht aus dem vorangegangenen selbständigen Beweisverfahren hergeleitet werden. Dort ist der Sachverständige aufgrund Beschlusses vom 22.11.2004 beauftragt worden, im vorliegenden Hauptverfahren aufgrund Beschusses vom 06.07.2007. Es liegt also ersichtlich ein neuer Auftrag vor, für den ein neues Einverständnis mit einer besonderen Vergütung hätte eingeholt werden müssen.

Dass der Antragsteller nach dem ZSEG regelmäßig einen Stundensatz nebst 50%igem Zuschlag von insgesamt EUR 70,- geltend machte, führt zu keiner anderen Beurteilung. Aus den Ausführungen des Antragstellers ergibt sich, dass unter Geltung des ZSEG das Gros der nebenberuflich tätigen Gutachter auf seinem Fachgebiet einen Stundensatz von EUR 40,- liquidierten, während er selbst auf Basis eines Stundensatzes von EUR 46,66 abrechnete (EUR 70,- abzüglich eines 50%igen Aufschlages für Berufssachverständige). Es gibt weder rechtliche Möglichkeiten noch rechtfertigende Gründe, dem Antragsteller auch nach Inkrafttreten des JVEG einen höheren Stundensatz als anderen auf seinem Fachgebiet tätigen Gutachtern zuzubilligen.

II.

Der Kostenausspruch folgt aus § 4 Abs. 8 JVEG.

Ende der Entscheidung

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