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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 10.07.2003
Aktenzeichen: I-12 U 4/03
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 321
BGB § 648 a
ZPO § 531 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 3. Dezember 2002 verkündete Urteil des Einzelrichters der 13. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten bleibt vorbehalten, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil insgesamt zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, soweit nicht die Klägerin eine Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Der Beklagte persönlich (Architekt) - nicht eine von ihm betriebene Baubetreuungsfirma - beauftragte die Klägerin mit Baumaßnahmen für die Objekte S... 6/8 in V.... Für dieses Bauvorhaben beanspruchte die Klägerin im Berufungsverfahren noch eine Restvergütung von 27.606,18 EUR (= 53.992,99 DM/früher 57.301,11 DM). Daneben bestand ursprünglich Streit über eine restliche Vergütung für ein Objekt E... 13. Insoweit hat das Landgericht die Klage abgewiesen und dazu besteht im Berufungsverfahren auch kein Streit mehr.

Über das noch streitige Bauvorhaben verhält sich der Auftrag vom 16. Juli 1998. Ausweislich dieses Schreibens wurde auf eine bereits übergebene Baugenehmigung nebst Statik (Baugenehmigung vom Herbst 1996 für diese Objekte) Bezug genommen und darauf verwiesen, dass die Ausführung "in ähnlicher Form" wie die Häuser A... 14/16 auszuführen seien, die der Beklagte durch einen anderen Bauunternehmer hatte errichten lassen. Unstreitig sahen die Baugenehmigungsunterlagen vom Herbst 1996 u. a. nicht den Ausbau eines Spitzbodens vor, der in den Häusern A... 14 - 16 vorgenommen worden war. Die Parteien streiten u. a. darüber, ob der Spitzboden Bestandteil der wie folgt getroffenen Preisvereinbarung gewesen ist:

"Auftragssumme je Haus: 1.005 cbm umbauter Raum x 137 DM/pro cbm + MWSt. je Haus 159.714,60 DM brutto, abzüglich 3 % Nachlass in Anpassung an die Konkurrenz".

Im Anschluss an die Ratenzahlungsregelungen heißt es in diesem Auftrag:

"Es handelt sich um einen Pauschalfestpreis. Separate Vergütungen gleich welcher Art werden nicht bezahlt."

Die Parteien streiten u.a. darüber, ob die Klägerin für den Ausbau des Spitzbodens, der auch in der Berechnung des umbauten Raumes keine Berücksichtigung gefunden hatte, eine zusätzliche Vergütung von 48,13 cbm x 137 DM (abzüglich ./. 3 % Nachlass + 16 MWSt) = 7.420 DM je Haus beanspruchen kann. Diese Beträge hat das Landgericht neben unstreitig offenen Rechnungen für dieses Bauvorhaben in Höhe von insgesamt 39.152,99 DM rechnerisch zuerkannt.

Die Parteien streiten weiter darüber, ob die Klägerin gegenüber dem vereinbarten Preis 20.000 DM erspart hat, weil der ursprünglich vorgesehene Kamin nicht ausgeführt werden musste und insoweit die vereinbarte Vergütung zu kürzen ist. Das Landgericht hat dazu eine Rechnungskürzung verneint.

Schließlich streiten die Parteien über Mängel. Wegen der nicht ordnungsgemäßen Isolierung der "Rollschichten" an den Fensterbänken (Westseite) hat das Landgericht einen Teilbetrag von 6.000 EUR aus der Gesamtvergütung nur Zug um Zug gegen Mangelbeseitigung zuerkannt, was die Klägerin hinnimmt.

Wegen der im Berufungsverfahren noch weiter streitigen Mängel, für die das Landgericht Gewährleistungsrechte verneint, wird auf den Parteivortrag und die tatsächlichen Feststellungen in dem landgerichtlichen Urteil verwiesen. Dazu hat das Landgericht nicht berücksichtigt den Einwand der Klägerin, sie habe den Beklagten - wie unstreitig - nach der Beweisaufnahme im 1. Rechtszug zu einer Sicherheitsleistung (100.000 DM) erfolglos aufgefordert, so dass sich der Beklagte nun nicht mehr auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen könne.

Schließlich rechnet der Beklagte mit einem Verzögerungsschaden in Höhe von mehr als 70.000 DM auf. Hierzu hat das Landgericht dem Beklagten keinen Schadensersatz zuerkannt, weil sein Sachvortrag unzureichend gewesen sei.

Gegen das landgerichtliche Urteil richtet sich die Berufung des Beklagten mit den zuvor noch dargestellten Einwendungen. Der Beklagte möchte die Klage insgesamt abgewiesen sehen.

Die Klägerin möchte die Berufung des Beklagten zurückgewiesen sehen.

II.

1. Anspruchsgrundlage für die rechnerische Restvergütung gemäß Auftrag vom 16.07.1998 ist § 631.

Aus den Abschlagsrechnungen sind 39.152,99 DM = 20.018,61 EUR unstreitig. Im ersten Rechtszug ist über die Fälligkeit dieser Vergütung unter dem Gesichtspunkt "fehlende Schlussrechnung" gestritten worden. Eine solche Schlussrechnung ist im BGB-Vertrag keine Fälligkeitsvoraussetzung. Inzwischen sind im Laufe des Rechtsstreits auch Schlussrechnungen noch erteilt worden. Von einer Abnahme ist inzwischen auszugehen (vgl. dazu unten).

Eine Zusatzvergütung in Höhe von 7.420 DM brutto je Haus ist auch im Berufungsverfahren noch streitig, die das Landgericht zuerkannt hat. Eine Zusatzvergütung für den Balkonbereich hat das Landgericht verneint und darüber wird im Berufungsverfahren auch nicht mehr gestritten.

a) Im Ausgangspunkt ist die Preisvereinbarung in dem Auftrag vom 16. Juli 1998 auszulegen. Das Landgericht hat angenommen, es sei ein Pauschalpreis von 159.714,60 DM brutto je Haus vereinbart worden und durch diesen Pauschalpreis sei auch die Leistung Balkon - 10,73 cbm umbauten Raum - abgegolten, nicht jedoch die Leistung zu dem Spitzboden.

Der Senat versteht den Bauvertrag als Einheitspreisvertrag - 137 DM pro cbm umbauten Raum -. Im Hinblick auf diesen Einheitspreis ist im Anschluss an die Ratenzahlungsvereinbarungen festgehalten worden, dass dieser Preis unverändert bleibt - gleich wie die konkrete Ausführung je cbm umbauten Raum ganz unterschiedliche Kosten verursachen kann.

Auf der Grundlage dieses Einheitspreises ist nämlich der Gesamtbruttopreis je Haus errechnet worden mit Hilfe der Raumermittlung aus der ersten Baugenehmigungsplanung (Anlageheft II 1. am Ende). Die dort ermittelte Zahl für den umbauten Raum (1005,221 cbm) ist abgerundet in den Bauvertrag übernommen worden. Dabei ist seinerzeit der umbaute Raum für den Spitzboden nicht berücksichtigt worden. Wenn in dieser Weise die Preisvereinbarung verstanden wird, dann schuldet der Beklagte eine Vergütung für den tatsächlich ausgeführten umbauten Raum. Tatsächlicher ausgeführter umbauter Raum ist nach Ausbau des Spitzgiebels auch dessen Volumen, das die Klägerin mit 48,13 cbm angibt. Bei diesem Verständnis kommt es nur auf das "zutreffende Aufmaß" an und nicht darauf, ob der Ausbau des Spitzgiebels von Anfang vorgesehen war oder nicht.

b) Davon unabhängig ist mit dem Landgericht davon auszugehen, dass der Ausbau des Spitzgiebels zum Zeitpunkt der Auftragserteilung nicht geklärt war. In dem Auftrag ist Bezug genommen auf eine "übergebene Baugenehmigung nebst Statik" und dabei handelt es sich offensichtlich um die Baugenehmigung aus Herbst 1996 für das Objekt S.... Die Ansichtszeichnungen und Schnittzeichnungen (Anlageheft II 1.) ergeben einerseits, dass im Spitzboden zwar ein Fenster vorgesehen war, andererseits kein Ausbau zu erkennen war (Zwischenwände pp.) und keine Betondecke, sondern eine Holzbalkendecke vorgesehen war. Die Zeugin S... hat dies auf Vorhalt auch bestätigt und bekundet, die Klägerin werde diese Schnittzeichnungen erhalten haben. Eingangs ihrer Zeugenvernehmung hat die Zeugin S... allerdings bekundet, die Klägerin habe "die technischen Unterlagen" für das Objekt A... 14 - 16 erhalten. Hier offenbart sich ein Widerspruch. Einen Beweis für die Übergabe der Baugenehmigungsunterlagen für das Objekt A... 14/16 ist nicht geführt, zumal es im Bauvertrag zwischen den Parteien ausdrücklich heißt, dass für dieses Objekt eine "Verkaufsbaubeschreibung" übergeben worden ist, über deren Inhalt nichts bekannt ist. Im Übrigen belegt, dass der Ausbau des Spitzbodens auf einer Planungsänderung vom September 1998 beruht und deshalb nicht Gegenstand der Auftragsvergabe vom Juli 1998 gewesen sein kann.

c) Der Beklagte bestreitet pauschal den Umfang des umbauten Raumes im "Spitzboden". Dieses pauschale Bestreiten kann für den Beklagten, der selbst Architekt ist, nicht ausreichen. Der umbaute Raum lässt sich schon aufgrund der Baugenehmigungsplanung feststellen. Daher kann dem Vortrag des Beklagten insoweit nicht weiter nachgegangen werden.

Alles in allem schuldet der Beklagte der Klägerin also auch die insoweit vom Landgericht zuerkannten Beträge in Höhe von 7.420 DM brutto je Haus. Rechnerisch ist somit ein Vergütungsanspruch in Höhe von 53.952,99 DM festgestellt, wie ihn auch das Landgericht angenommen hat. Der Kamin, der abweichend von der Planung nicht gebaut worden ist, hat an dem umbauten Raum nichts geändert und wirkt sich deshalb auf den Preis nicht aus.

III.

Ein Zurückbehaltungsrecht aus Mängelrügen steht dem Beklagten - soweit darüber im Berufungsverfahren noch gestritten wird - aus nachfolgenden Erwägungen nicht zu.

1. In der Berufungsbegründung beruft sich der Beklagte erneut auf das Fehlen einer "förmlichen Abnahme" und geht von einer Beweislast der Klägerin dafür aus, dass sie die Leistungen mängelfrei erbracht habe. Dem ist nicht zuzustimmen. Die Arbeiten der Klägerin sind offensichtlich im ersten Halbjahr 1999 fertiggestellt worden. Schlussrechnungen wurden erteilt. Diese hat der Beklagte zwar nicht bezahlt. Er hat aber auch keine Einwendungen erhoben. Auf den Leistungen der Klägerin aufbauend hat er den Ausbau der Häuser vorangetrieben. Eine Mängelliste des Beklagten datiert vom 15. Oktober 2000 - also mehr als 1 Jahr nachdem die Klägerin ihre Arbeiten beendet hatte. Aus diesen Erwägungen ist es gerechtfertigt, von einer stillschweigenden Abnahme der Häuser noch im Jahre 1999 auszugehen.

2. Ein Zurückbehaltungsrecht des Beklagten entfällt als Rechtsfolge aus § 648 a BGB, so dass unerheblich ist, in welchem Umfang die vom Beklagten behaupteten Mängel tatsächlich bestehen.

a) Die Klägerin hat den Beklagten mit Schriftsatz vom 26. September 2002 (Bl. 404 d.A.) zur Sicherheitsleistung von 50.000 EUR binnen zwei Wochen unter Hinweis auf § 648 a BGB erfolglos aufgefordert. Das Landgericht hat die Anwendung von § 648 a BGB verneint, weil diese Vorschrift auf vor dem 1. Mai 2000 abgeschlossene Bauverträge nicht anwendbar sei. Tatsächlich ist jedoch § 648 a Abs. 1 Satz 1 BGB in der vor dem 1. Mai 2000 seit 1993 gültigen Fassung anzuwenden (ohne: ".... einschließlich dazugehöriger Nebenleistungen...."). Die Fristsetzung war angemessen, nicht jedoch die Höhe der verlangten Sicherheit (50.000 EUR), weil die ausstehende Vergütung nur ca. 27.600 EUR ausmachte. Von dem Beklagten konnte jedoch erwartet werden, dass er eine angemessene Sicherheit fristgemäß anbietet (vgl. BGH, NJW 2001, 822 (825)). Das ist unstreitig - bis heute - nicht geschehen.

b) Das Sicherheitsverlangen des Bauunternehmers ist auch dann noch angemessen und berechtigt, wenn die geschuldeten Leistungen - wie hier - bereits abgenommen sind und der Besteller nur noch Gewährleistung in Form von Nachbesserung beansprucht. Die Interessenlage ist vergleichbar mit der, der § 648 a BGB Rechnung tragen wollte. Der vorleistungspflichtige Bauunternehmer soll angesichts der in der Bauwirtschaft erheblichen Insolvenzrisiken davor geschützt werden, erhebliche Aufwendungen machen zu müssen und danach seine Vergütung nicht zu erhalten; er soll bis zur Sicherheitsleistung des Bestellers seine Leistungen verweigern dürfen (vgl. Palandt-Sprau, BGB, 61. Aufl., § 648 a Rdnr. 9 mit umfangreichen weiteren Nachweisen; BGH, a.a.O.; a.A. OLG Hamm, NJW-RR 2001, 806).

Hinzu kommt hier eine dem § 321 BGB vergleichbare Interessenlage für die hier streitenden Parteien. Es sind verschiedene Umstände gerichtsbekannt, die nah legen, dass der Beklagte in wirtschaftlichen Schwierigkeiten ist (Mithaftanfrage der Gerichtskasse/eidesstattliche Versicherung zur Vermögenslosigkeit).

c) Umstritten ist in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte, ob § 648 a BGB bewirkt, dass der Besteller sein Zurückbehaltungsrecht wegen Nachbesserungen ganz verliert (Thür. OLG, IBR 2002, 12; OLG München, IBR 2002, 249; OLG Rostock, BauR 2002, 1277), ob für ihn nur der "Druckzuschlag" entfällt (KG BauR 2002, 1568; OLG Oldenburg, OLGR Oldenburg 2003, 19 f) oder ob eine "doppelte Zug-um-Zug-Verurteilung" (Brandenburgisches OLG, BauR 2002, 1859 f.) die Rechtsfolge sein muss. Der Senat schließt sich jedenfalls bei der hier vorliegenden besonderen Interessenlage (vgl. oben zu § 321 BGB) der erstgenannten Rechtsauffassung an, weil er den berechtigten Interessen des Bauunternehmers, vor einem Insolvenzrisiko des Bestellers gesichert zu sein, den Vorrang einräumt, zumal der Besteller Gelegenheit gehabt hat, die angemessene Sicherheit fristgemäß zu leisten, so dass er dann weiterhin eine noch nicht mangelfreie Leistung auch noch nicht zu bezahlen hätte. Das führt zu einer vorbehaltlosen Verurteilung des Beklagten, soweit nicht das landgerichtliche Urteil einen Zug-um-Zug-Vorbehalt enthalten hat, was die Klägerin nicht angegriffen hat.

IV.

Zu einem vom Beklagten zur Aufrechnung gestellten Verzögerungsschaden in Höhe von mindestens 70.000 DM hat das Landgericht in dem angegriffenen Urteil festgestellt, dass dazu vom Beklagten nicht ausreichend schlüssig vorgetragen worden ist. Das ergänzende Vorbringen des Beklagten in der Berufungsbegründung kann gemäß § 531 Abs. 2 ZPO nicht zugelassen werden.

Der Zinsausspruch in dem angegriffenen Urteil ist nicht angegriffen.

Die Kosten des erfolglosen Berufungsverfahrens trägt der Beklagte (§ 97 ZPO).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Ziffer 10, § 711 ZPO.

Die Revision wird angesichts der widersprüchlichen Rechtsprechung der Oberlandesgerichte zu der Anwendbarkeit des § 648 a BGB und der bisher ausstehenden Klärung der Streitfragen durch den Bundesgerichtshof zugelassen. Der Streitwert für das Berufungsverfahren und die Beschwer für den Beklagten beträgt 55.212,36 EUR (Verdoppelung wegen Aufrechnung mit Verzögerungsschaden).

Ende der Entscheidung

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