Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 28.01.2004
Aktenzeichen: I-15 U 66/01
Rechtsgebiete: BJagdG, BGB


Vorschriften:

BJagdG § 33
BJagdG § 33 Abs. 1
BJagdG § 33 Abs. 2
BJagdG § 34
BJagdG § 34 Satz 1
BGB § 249
BGB § 254
BGB § 254 Abs. 1
BGB § 823 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 25. Januar 2001 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Düsseldorf teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 18.621,25 EUR (= 36.420,00 DM) nebst 4 % Zinsen seit dem 30. Dezember 1998 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben der Kläger zu 63,6 % und der Beklagte zu 36,4 % zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger zu 40 % und der Beklagte zu 60 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Der Kläger nimmt den Beklagten auf Schadensersatz wegen der Verendung seiner Hannoveranerstute "Gräfin O" am 06.12.1997 in Anspruch. Der Beklagte sowie der Zeuge V. sind Pächter des Jagdreviers "Glehn II" in Korschenbroich-Lüttgenglehn. Der Kläger ist Mieter eines in diesem Jagdrevier gelegenen eingezäunten Weidegrundstücks, auf welchem sich ein Unterstand für Weidetiere befindet. An die Weide grenzt auf einer Seite ein für Schweinehaltung genutztes Stallgebäude an, welches sich über die gesamte Längsseite der Weide erstreckt; auf der anderen Längsseite der Weide befindet sich Strauch- und Buschwerk.

Am 06.12.1997 veranstalteten der Beklagte und der Zeuge V. eine Kesseltreibjagd, an der mehr als 30 Personen, die zum Teil Hunde mit sich führten, teilnahmen. Zu Beginn der Treibjagd stellten sich die in mehrere Gruppen aufgeteilten Jagdteilnehmer entlang einer Quadratfläche von etwa 1 qkm Umfang auf, in deren Zentrum sich der Schweinestall sowie das Weidegrundstück befanden, auf welchem zu diesem Zeitpunkt zwei Pferde des Klägers, unter anderem die Hannoveranerstute "Gräfin O", standen. Die Jagdteilnehmer näherten sich von mehreren Seiten der Mitte der Quadratfläche, um einen Kessel zu bilden und aus dem an das Weidegrundstück angrenzenden Gebüsch Niederwild, vor allem Fasane, aufzuscheuchen und mit Schrotflinten zu erjagen. Beim Herannahen wurden bereits Schüsse auf Fasane und Hasen abgegeben. Im Verlauf dieser Treibjagd verendete die Stute "Gräfin O". Die Parteien streiten darüber, ob das Jagdgeschehen für den Tod der Stute ursächlich geworden ist und ob der Beklagte dies zu vertreten hat.

Der Kläger hat behauptet, die von den Jägern mitgeführten Hunde seien frei umhergelaufen und in die Buschfläche zum Aufstöbern des Wildes geschickt worden. Hierbei seien sie auch über die Pferdekoppel gelaufen. Bereits dadurch seien die Pferde des Klägers nervös geworden. Die von Norden kommende Gruppe der Jäger sei bereits unmittelbar an der Koppel angelangt gewesen, bevor die Stute zu Tode gekommen sei. Diese Jäger hätten eine Vielzahl von Schüssen über die Koppel und in unmittelbarer Nähe an der Koppel vorbei abgegeben. Hierdurch bedingt seien die Pferde des Klägers immer aufgeregter in der Koppel hin und her gehetzt. Dies sei für die Jagdgesellschaft und den Beklagten ohne weiteres erkennbar gewesen. Nachdem diese Situation insgesamt etwa zehn Minuten angedauert habe, sei das Pferd "Gräfin O" auf der Weide zusammengebrochen und verendet. Ursache hierfür sei eine spontane Aortenruptur mit Herztamponade gewesen.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 100.000,00 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat behauptet, für ihn und die anderen Jagdteilnehmer seien aufgrund der örtlichen Gegebenheiten die Pferde auf der Koppel nicht erkennbar gewesen. Man habe sich der Weide bis maximal auf etwa 100 Meter angenähert. Es sei ausgeschlossen, dass Hunde auf die Koppel gelaufen und in deren Bereich Schüsse abgegeben worden seien. Der Tod der Stute sei nicht auf das Jagdgeschehen zurückzuführen.

Das Landgericht hat nach Durchführung einer Beweisaufnahme durch die Vernehmung von Zeugen und die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Wert des Pferdes der Klage in Höhe eines Betrages von DM 60.700,00 stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Beklagte habe seine ihn als Veranstalter der Jagd treffende Pflicht, die Jagd so durchzuführen, dass die Schädigung von Rechtsgütern Dritter ausgeschlossen sei, verletzt.

Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten. Er macht geltend, ein Schadensersatzanspruch des Klägers sei bereits gemäß § 34 Bundesjagdgesetz ausgeschlossen. Wenn das Pferd infolge einer missbräuchlichen Jagdausübung verendet sei, handele es sich hierbei um einen Jagdschaden im Sinne des § 33 Bundesjagdgesetz. Da der Kläger - wie zwischen den Parteien unstreitig ist - den Schadensfall nicht binnen einer Woche bei der für das Weidegrundstück zuständigen Behörde angemeldet habe, sei ein etwaiger Anspruch auf Ersatz dieses Jagdschadens aber gemäß § 34 Bundesjagdgesetz erloschen. Im Übrigen sei auch die Kausalität des Jagdgeschehens für die Verendung des Tieres nicht erwiesen. Selbst wenn eine Aortenruptur die Todesursache gewesen sein sollte, folge daraus nicht, dass diese infolge des Jagdgeschehens eingetreten sei. Überdies sei eine konkrete Gefährdungssituation der Pferde für ihn, den Beklagten, nicht vorhersehbar gewesen. Er habe nicht damit rechnen müssen, dass sich Anfang Dezember noch Pferde auf der Wiese aufhielten. Während der Jagd habe er die Pferdekoppel nicht einsehen können. Eine Benachrichtigung des Klägers von der bevorstehenden Treibjagd sei nicht geboten gewesen. Da in stadtnahen Jagdbezirken eine Vielzahl von Nutzungsberechtigten an den dort gelegenen Grundstücken vorhanden sei, könne nicht jeder Nutzer über eine bevorstehende Jagd unterrichtet werden.

Der Beklagte beantragt,

unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Er verteidigt das Urteil des Landgerichts unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens und macht geltend, der Beklagte hätte sich vor der Jagdveranstaltung darüber informieren müssen, ob Pferde oder andere Tiere im Bereich des Jagdgeschehens auf Wiesen oder Koppeln standen. Es sei allgemein bekannt, dass Pferde durch in unmittelbarer Nähe abgegebene Schüsse und umherlaufende Hunde aufgrund der hierdurch erzeugten Stressreaktionen gesundheitlich stark gefährdet seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.

Der Senat hat gemäß Beweisbeschluss vom 17. Oktober 2001 Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens und die Vernehmung von Zeugen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. h.c. E. D. vom 26.09.2002 und die Sitzungsniederschriften vom 21. März sowie 9. Mai 2003 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten ist zulässig, aber nur teilweise begründet.

Dem Kläger steht ein Schadensersatzanspruch in der zuerkannten Höhe gemäß § 823 Abs. 1 BGB zu. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Tod der - wie in der Berufungsinstanz unstreitig ist - im Eigentum des Klägers stehenden Stute "Gräfin O" infolge einer durch das Jagdgeschehen herbeigeführten Stressreaktion, die zu einer spontanen Aortenruptur geführt hat, verursacht wurde. Hierfür ist der Kläger verantwortlich, da er die ihn als Veranstalter der Treibjagd treffende Verkehrssicherungspflicht, die Rechtsgüter anderer vor Schaden im Zusammenhang mit dem Jagdgeschehen zu bewahren, verletzt und dadurch den Tod des Pferdes herbeigeführt hat. Der Schadensersatzanspruch des Klägers ist jedoch gemäß § 254 Abs. 1 BGB wegen eines ihn treffenden Mitverschuldens an der Entstehung des Schadens gemindert.

1.

Der Schadensersatzanspruch des Klägers ist nicht gemäß § 34 Satz 1 Bundesjagdgesetz erloschen. Nach dieser Vorschrift erlischt der Anspruch auf Ersatz von Wild- oder Jagdschaden, wenn der Berechtigte den Schadensfall nicht binnen einer Woche, nachdem er von dem Schaden Kenntnis erhalten hat oder bei Beobachtung gehöriger Sorgfalt erhalten hätte, bei der für das beschädigte Grundstück zuständigen Behörde anmeldet.

Der dem Kläger infolge der Verenden seiner Stute entstandene Schaden stellt keinen Jagdschaden im Sinne des § 33 Bundesjagdgesetz dar, der bei der Gemeinde anzuzeigen ist, in deren Gebiet das Grundstück liegt, auf dem der Schaden entstanden ist (§ 34 Bundesjagdgesetz, § 31 Landesjagdgesetz Nordrhein-Westfalen). Wie sich bereits aus dem Wortlaut des § 34 Bundesjagdgesetz und § 31 Landesjagdgesetz-NW ergibt, betrifft die Anzeigepflicht nur diejenigen Schäden, die infolge einer missbräuchlichen Jagdausübung (§ 33 Bundesjagdgesetz) an dem Grundstück des Eigentümers oder Nutzungsberechtigten entstehen. In § 33 Abs. 1 Bundesjagdgesetz sind beispielhaft für die berechtigten Interessen der Grundstückseigentümer oder Nutzungsberechtigten, die bei Ausübung der Jagd zu beachten sind, ausschließlich solche genannte, welche die in dem Jagdrevier gelegenen Grundstücke und deren wesentliche Bestandteile unmittelbar betreffen (besäte Felder, abgemähte Wiesen, Felder mit reifenden Früchten). Dementsprechend wird die in § 33 Abs. 2 Bundesjagdgesetz normierte Haftung als Kompensation des Grundeigentümers für das Betretungsrecht des befugten Jägers angesehen (vgl. Meyer/Ravenstein, Jagdrecht in Niedersachsen, § 33 Bundesjagdgesetz, Rdnr. 4). Daher kommt für Schäden, die infolge der Jagdausübung nicht an den im Jagdbezirk liegenden Grundstücken, sondern an anderen Rechtsgütern entstehen, eine Haftung nicht unter dem Gesichtspunkt des § 33 Abs. 2 Bundesjagdgesetz, sondern ausschließlich nach den allgemeinen deliktsrechtlichen Haftungsvorschrift in Betracht (vgl. Landgericht Münster, RdL 1983, 175 betreffend die Haftung für die Verletzung von Tieren in einem Tiergehege; LG Duisburg, ESJ III Nr. 10, Seite 34). Dies folgt auch auch aus dem Sinn und Zweck der in § 34 Bundesjagdgesetz geregelten kurzen Anmeldefrist von einer Woche für landwirtschaftliche Schäden. Diese beruht auf der Überlegung, dass Feststellungen über die Ursache von Grundstücksschäden schnell getroffen werden müssen, da es vielfach schwierig ist, nach längerer Zeit festzustellen, ob der angemeldete Schaden auf Schadwild oder die Jagdausübung zurückzuführen ist, oder ob er durch Witterungsverhältnisse, Bestellungs- oder Düngungsfehler, auf Schädlinge aus Fauna und Flora oder auf andere menschliche Einwirkungen zurückzuführen ist (vgl. Mitzschke/Schäfer, Bundesjagdgesetz, 4. Aufl., § 34 Rdnr. 3). Dementsprechend bezieht sich das auf die Schadensanzeige bei Nichtzustandekommen einer gütlichen Einigung folgende Schadensfeststellungsverfahren ausschließlich auf Grundstücksschäden. Gemäß § 36 Landesjagdgesetz-NW hat der Schadensschätzer in seinem schriftlichen Gutachten die Bezeichnung und Kulturart des beschädigten Grundstücks, die Wildart, die den Schaden verursacht hat, den Umfang des Schadens nach Flächengröße und Anteil der beschädigten Fläche sowie den Schadensbetrag anzugeben.

2.

Der Senat ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass der Tod des Pferdes des Klägers durch das Jagdgeschehen, welches unmittelbar im Bereich der Pferdekoppel stattfand, verursacht worden ist. Wie zwischen den Parteien unstreitig ist, handelte es sich bei der Jagd um eine Kesseltreibjagd, in deren Mittelpunkt die Pferdekoppel lag. Die in verschiedene Gruppen aufgeteilten 30 Jäger näherten sich ausgehend von vier Eckpunkten, die sich innerhalb eines Bereichs von einem Quadratkilometer befanden, der Pferdekoppel an. Aufgrund der Zeugenaussagen steht zur Überzeugung des Senats fest, dass jedenfalls einige der insgesamt 30 Jäger sich bereits bis auf eine Entfernung von etwa 50 Metern der Weidefläche genähert hatten und unter anderem in Richtung der Koppel schossen. Dies hat der - unbeteiligte - Zeuge W. bestätigt. Auch wenn dieser Zeuge die Koppel nach seinen eigenen Angaben nicht unmittelbar einsehen konnte, vermochte er doch die Richtung zu erkennen, in die geschossen wurde, und diese aufgrund seiner Ortskenntnisse anzugeben. Der Zeuge hat weiter ausgesagt, es sei über eine längere Zeit hinweg dauernd geschossen worden, es habe sich regelrecht um ein "Feuerwerk" gehandelt. Der Senat hält diese Angaben für glaubhaft. Dass in Richtung der Koppel geschossen wurde, erscheint bereits deshalb plausibel, weil das Gebüsch, aus welchem das zu bejagende Wild aufgescheucht werden sollte, unmittelbar an die Koppel angrenzt. Nicht nur der Zeuge W., sondern auch die Zeugen O. und B. - letzterer war einer der Jagdteilnehmer - haben Fasane aus diesem Gebüsch auffliegen gesehen. Auch die Entfernungsangaben des Zeugen W. stimmen in etwa mit denjenigen des Zeugen V., welcher Mitpächter des Jagdreviers und Mitveranstalter der Treibjagd war, überein. Der Zeuge V. hat angegeben, er sei mit seiner Gruppe von Jägern noch etwa 60 bis 80 Meter von dem Gebüsch entfernt gewesen, als die Jagd abgebrochen worden sei. Er habe bereits 2/3 bis zum Zentrum der Treibjagd - dem Gebüsch - zurückgelegt. Auch der Zeuge K., der sich in der Gruppe des Zeugen V. befand, hat dies bestätigt. Der Zeuge E., der sich mit einer weiteren Gruppe von Norden her auf das Gebüsch zubewegte, hat ausgesagt, seine Gruppe sei noch 80 Meter bis 90 Meter von dem Gebüsch entfernt gewesen, als er den Ruf "Treiber in den Kessel" vernommen habe, daraufhin sei er zusammen mit anderen Personen weiter auf das Gebüsch zugegangen. Dass er sich bei Abbruch der Jagd in unmittelbarer Nähe der Koppel befunden hat, ergibt sich auch daraus, dass er nach seiner Aussage auf die Aufforderung: "Stefan, guck mal nach dem Pferd", lediglich noch an dem auf der Weide befindlichen Unterstand vorbeigehen musste, um das bereits auf dem Boden liegende Pferd wahrzunehmen. Der Senat ist des weiteren davon überzeugt, dass die herannahenden Jäger in der Nähe der Koppel über einen Zeitraum von mehreren Minuten hinweg bereits eine Vielzahl von Schüssen abggeben hatten und auch Hunde zum Zwecke der Aufstöberung des Wildes in die Koppel oder zumindest in deren unmittelbare Nähe gelangt waren, als das Pferd des Klägers verendete. Die an der Jagd nicht beteiligten Zeugen W., O. und D. haben übereinstimmend in Abrede gestellt, dass nur vereinzelt Schüsse gefallen seien, nach Angaben des Zeugen W. vor dem Senat handelte es sich vielmehr um ein "Feuerwerk" Der Zeuge O. hat bekundet, das Jagdgeschehen sei "im vollen Gange" gewesen. Erstinstanzlich hat er angegeben, es sei "ohne Ende" geschossen worden. Auch der Zeugen Dahmen hat von einer Vielzahl von Schüssen - mindestens 20 - gesprochen. Der Senat hält diese weitgehend übereinstimmenden Angaben für glaubhaft. Soweit der Beklagte die Unvoreingenommenheit des Zeugen O. anzweifelt, greifen diese Bedenken jedenfalls hinsichtlich der Aussagen der Zeugen W. und D. nicht durch. Der Zeuge W. hat sowohl bei seiner erstinstanzlichen Vernehmung als auch bei seiner Aussage vor dem Senat keinerlei Tendenzen gezeigt, den Beklagten durch seine Aussage zu belasten. Er hat ausdrücklich hervorgehoben, dass nach seiner Ansicht sicherlich nicht alle Jäger die auf der Weide befindlichen Pferde hätten sehen können, und hat auch stets deutlich gemacht, dass er die Weide von seinem Standort nicht wahrnehmen konnte. Dies trifft auch für den Zeugen D. zu. Dieser hat eingeräumt, zu der Anzahl der Jäger und der Hunde sowie ihrer Entfernung von dem Zentrum der Jagd keine Angaben mehr machen zu können. Lediglich hinsichtlich der Anzahl der Schüsse hat er bekundet, sich hieran noch genau zu erinnern. Dieses Aussageverhalten wäre aber nicht verständlich, wenn es den Zeugen Dahmen und Wimmers nur darum gegangen wäre, für den Kläger günstige Angaben zu machen. Dass sie hieran ein Interesse haben könnten, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Überdies werden ihre Aussagen durch einige der als Zeugen vernommenen Jagdteilnehmer zumindest teilweise bestätigt. Nach der Aussage des Zeugen B. wurden bei der Jagd 10 Stück Wild geschossen. Dass hierfür jedenfalls mehr als nur "vereinzelte" Schüsse erforderlich sind, liegt auf der Hand. Selbst der Mitveranstalter der Jagd, der Zeuge V., hat angegeben, es seien etwa 10 bis 15 Schüsse gefallen. Auch dass die Hunde bereits "geschnallt" waren, das heißt frei umher liefen, ist von dem Zeugen B. bestätigt worden. Da nach den übereinstimmenden Aussagen aller Zeugen bereits Fasane aus dem unmittelbar an die Koppel angrenzenden Gebüsch aufgescheucht worden waren, ist davon auszugehen, dass zumindest einige der - zum Zwecke des Aufschreckens des Wildes - mitgeführten Hunde in den Bereich der Koppel gelangt waren.

Unter diesen, nach dem Ergebnis der Zeugenvernehmungen zugrundzulegenden Umständen steht nach Überzeugung des Senats fest, dass das Jagdgeschehen bei dem Pferd des Klägers eine massive Stressreaktion ausgelöst hat, die zu einem spontanen Blutdruckanstieg und infolge dessen zu einer Aortenruptur geführt hat. Nach den gut nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. D., die der Senat seiner Beurteilung in vollem Umfang zugrunde legt, ist eine andere Ursache als die Aortenruptur für den Tod des Pferdes auszuschließen. Die einzigen ansonsten festgestellten Befunde - Bronchitis und Peribronchitis - können nach dem Gutachten in keinem Zusammenhang mit der Aortenruptur und dem Tod der Stute stehen. Auch für eine Vorschädigung der Aorta hat der Sachverständige keinerlei Anzeichen gefunden. Nach seinen Ausführungen ist davon auszugehen, dass ein spontaner Blutdruckanstieg ausreicht, um die Blutgefäßwand zum Bersten zu bringen. Da dieser Blutdruckanstieg eine typische Reaktion eines Pferdes auf ein Erschrecken durch ungewohnte Ereignisse ist und ausreicht, um eine Aortenruptur zu verursachen, stellt der Tode des Pferdes durch die Aortenruptur auch kein ganz ungewöhnliches, besonders eigenartiges Ereignis dar, welches den Zurechnungszusammenhang mit dem Jagdgeschehen hier ausschließen würde. Weiter hat der Sachverständige ausgeführt, dass das Jagdgeschehen dann, wenn - wie im Streitfall - über einen Zeitraum von mehreren Minuten ständig aus Schrotflinten geschossen wird, die Schüsse auch über die Koppel hinweg abgegeben werden und überdies mehrere Hunde über die Koppel laufen, geeignet ist, eine so starke Stressreaktion zu erzeugen, dass die Aortenruptur mit hoher Wahrscheinlichkeit durch die Treibjagd verursacht wurde. Besteht wie hier ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen den vorstehend beschriebenen jagdlichen Ereignissen und dem Tod des Pferdes, kann, wie der Sachverständige weiter darlegt, eine andere Ursache für den Tod des Tieres praktisch ausgeschlossen werden (vgl. Seite 10 des Gutachtens, GA Bl. 323).

Da andere Ursachen für den Tod des Pferdes nicht ersichtlich sind, ist der Senat nach alledem zu der Überzeugung gelangt, dass das Jagdgeschehen die Stressreaktion und in deren Folge den Tod des Pferdes veursacht hat.

3.

Der Tod des Pferdes ist auf eine Verkehrssicherungspflichtverletzung des Beklagten zurückzuführen.

a) Zwar kann aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme nicht festgestellt werden, dass der Beklagte gegen die ihn als Veranstalter der Treibjagd treffende Pflicht verstoßen hat, die Jagd sofort abzubrechen, als er bei der Annäherung an die Pferdekoppel die Gefahr für das Pferd des Klägers erkennen konnte. Aus den Aussagen der vernommenen Zeugen ergibt sich nicht, dass der Beklagte von der Richtung, aus der er an die Pferdekoppel heranging, diese einsehen und die aufgeregt hin- und herlaufenden Pferde wahrnehmen konnte. Den Bekundungen der Zeugen V. und B. zufolge gehörte der Beklagte zu der Jägergruppe, die von Westen her auf das an die Pferdekoppel angrenzende Gebüsch zuging. Aus dieser Richtung ist der Blick auf die Pferdekoppel aber weitgehend durch den an der Westseite gelegenen etwa 100 m langen Schweinestall versperrt. Auch der Zeuge O. hat ausgesagt, dass die unmittelbar hinter dem Schweinestall positionierten Jäger keinen Einblick auf die Weide gehabt haben können. Den Aussagen der Zeugen kann auch nicht entnommen werden, dass der Beklagte zu den Personen gehörte, die rechts und links an dem Schweinestall vorbei auf die Pferde hätten sehen können. Auch vermochten die Zeugen O. und Wimmers keine Angaben dazu zu machen, ob der Beklagte zu den Jägern gehörte, die auf einer Anhöhe an der südlichen Seite der Pferdekoppel standen und ungehinderte Sicht auf diese hatten.

b) Der Beklagte hat aber gegen die ihn als Jagdveranstalter treffende Verpflichtung verstoßen, sich entweder vor Beginn der Treibjagd, welche sich in einem überschaubaren Bereich auf der Fläche von einem Quadratkilometer abspielte, zu vergewissern, dass sich in diesem Bereich keine Tiere befanden, welche eventuell durch die Schüsse der Jäger, den hierdurch erzeugten Lärm und die Hunde gefährdet werden könnten, oder aber Eigentümer oder sonstige Nutzer des Schweinestalls und der Weidefläche von der bevorstehenden Jagd zu unterrichten, damit diese ihrerseits Schutzvorkehrungen für die durch die Jagd gefährdeten Tiere treffen konnten.

Der Urheber einer besonderen Gefahrenlage, wie sie die Ausübung der Jagd darstellt, ist verpflichtet, die gebotenen Vorkehrungen zu treffen, um Dritte vor einem drohenden Schaden zu bewahren. Für die Verkehrspflichten im Zusammenhang mit der Ausübung gefährlicher Sportarten, in die auch die Jagd einzubeziehen ist, gilt, dass sich alle Sportteilnehmer so verhalten müssen, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder mehr als nach den Umständen unvermeidbar behindert oder belästigt wird. (Münchener Kommentar-Mertens, BGB, 3. Aufl. 1997, § 823, Rdnr. 329 ff.) Hinsichtlich der deliktischen Haftung des Jagdausübungsberechtigten in Verbindung mit der Veranstaltung einer Treibjagd hat der Bundesgerichtshof (VersR 1976, 593) und ihm folgend das Landgericht Rostock (NJW-RR 2003, 522) entschieden, dass der Jagdausübungsberechtigte zur Gefahrenabwehr verpflichtet ist, wenn er - etwa als Veranstalter und Organisator einer Jagd - die Wahrscheinlichkeit von Wildwechsel über eine verkehrsreiche Straße erhöht, er es also zu verantworten hat, dass sich die hieraus ergebenden Gefahren für den Straßenverkehr vergrößern. Zwar könnten nicht alle nachteiligen Auswirkungen der Jagd von dem Verkehr ferngehalten werden. Wo aber der Straßenverkehr über das Maß normaler Verkehrserwartung hinaus durch bei der Jagd hochgemachtes Wild beeinträchtigt werde, müsse den daraus resultierenden erhöhten Gefahren entweder durch wirksame Maßnahmen begegnet werden oder die Jagd müsse unterbleiben. Deshalb wird der Jagdausübungsberechtigte für verpflichtet gehalten, bei Treib- oder Drückjagden das Wild nicht in Richtung auf eine befahrbare Straße zu treiben oder zu drücken, so dass entlang der gefährdeten Straße ausbrechendes Wild von einem Wechsel über die Straße abgehalten werde, oder durch Warnbilder und Warnposten die Verkehrsteilnehmer auf die Jagd hinzuweisen (BGH, VersR, 1976, 593 (594) m.w.N.).

Die Anwendung dieser Grundsätze, denen der Senat in vollem Umfang folgt, führt hier zu einer Haftung des Beklagten gemäß § 823 Abs. 1 BGB. Die Ausführung einer Kesseljagd, in deren Zentrum sich eine Weidefläche und ein Stall befindet, führt erkennbar zu einer erhöhten Gefährdung für die dort gehaltenen Tiere durch die konzentriert abgegebenen Schüsse und die damit verbundene Lärmentwicklung. Auch wenn dem Beklagten nicht bekannt gewesen sein sollte, dass sich im Zeitpunkt der Jagdveranstaltung Pferde auf der Weide befanden, hätte er sich im Hinblick auf die ihm bekannte Nutzung sowohl der Weide als auch des angrenzenden Stalls zur Tierhaltung darüber informieren müssen, ob eine Gefährdung ausgeschlossen werden konnte. Im Hinblick auf die begrenzte Fläche, auf der die vorher geplante Jagd stattfinden sollte, ist die Begründung einer solchen Pflicht auch nicht unzumutbar. Der Beklagte trägt in seinem Schriftsatz vom 02.12.2003 selbst vor, dass im Hinblick auf das Bekanntschaftsverhältnis, das zwischen Jagdpächtern und Grundstücksnutzern häufig in ländlichen Gebieten herrsche, eine Benachrichtigung über bevorstehende Treibjagden dort durchaus gebräuchlich sei. Er kann sich im Streitfall nicht mit Erfolg darauf berufen, dass wegen der Vielzahl der verschiedenen Grundstücksnutzer in stadtnahen Gebieten eine solche Benachrichtigung mit zumutbarem Aufwand kaum durchführbar sei. Denn hier waren höchstens zwei Nutzer - der Betreiber des Schweinestalls und der Kläger - von der Treibjagd betroffen. Ihre Grundstücke befanden sich genau im Zentrum dieser Jagd. Zwei Nutzer ausfindig zu machen und zu benachrichtigen, stellt aber - unter Berücksichtigung der erheblichen Gefahren, die den im unmittelbaren Bereich einer Treibjagd gehaltenen Tieren drohen - keinen unverhältnismäßigen und daher unzumutbaren Aufwand dar .

4.

Der demnach gemäß § 823 Abs. 1, 249 BGB begründete Schadensersatzanspruch auf Ersatz des Wertes des Pferdes ist jedoch gemäß § 254 Abs. 1 BGB um 40 % gemindert. Denn dem Kläger ist ein Mitverschulden bei der Entstehung des Schadens anzulasten. Zu Lasten des Klägers ist zunächst die spezifische Tiergefahr zu berücksichtigen, die sich hier in dem eingetretenen Schaden verwirklicht hat. Tiergefahr ist die durch die Unberechenbarkeit tierischen Verhaltens hervorgerufene Gefährdung von Leben, Gesundheit und Eigentum Dritter, zum Beispiel durch Scheuen, Durchgehen und ähnliches (Palandt-Sprau, BGB, 63. Aufl., § 833, Rdnr. 6). Da bei einer mitwirkenden Sach- oder Betriebsgefahr kein Anlass besteht, diese nur bei einer Fremdschädigung, nicht dagegen auch bei einer Selbstschädigung zu berücksichtigen, hat sie auch im Rahmen des § 254 BGB in die Haftungsabwägung einzufließen, selbst wenn den Verletzten sonst kein Verschulden trifft. Eine Berücksichtigung der Sach- oder Betriebsgefahr findet daher in grundsätzlich allen Fällen der Gefährdungshaftung statt, so auch bei der Tierhalterhaftung (vgl. Bamberger/Roth, BGB, § 254, Rdnr. 12). In dem Erschrecken des Pferdes des Klägers und der hierdurch hervorgerufenen Stressreaktion, welche zu der Aortenruptur geführt hat, hat sich die typische Tiergefahr realisiert. Überdies ist dem Kläger aber auch ein Mitverschulden im Sinne eines Verschuldens gegen sich selbst anzulasten, weil er diejenige Sorgfalt außer acht gelassen hatte, die jedem verständigen Menschen obliegt, um sich vor Schaden zu bewahren, (vgl. Palandt-Heinrichs, 63. Aufl., § 254, Rdnr. 12). Ein solches ist hier im Hinblick darauf zu bejahen, dass der Kläger ein außergewöhnlich wertvolles Pferd - eine Zuchtstute - während der Jagdzeit auf einer in einem Jagdrevier gelegenen Koppel belassen hat. Ein Aufschrecken des Pferdes durch von Jägern abgegebene Schüsse war daher vorhersehbar, zumal nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag des Beklagten bereits etwa zehnmal vor dem streitgegenständlichen Schadensereignis eine Treibjagd, die auf das an die Koppel angrenzende Gebüsch zielte, stattgefunden hatte. Unter Abwägung der beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge hält der Senat eine Mitverschuldensquote in Höhe von 40 % für angemessen.

5.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Ein begründeter Anlass für die Zulassung der Revision besteht nicht. Insbesondere hat die Sache nicht, wie der Beklagte meint, im Hinblick auf die Auslegung des § 34 Bundesjagdgesetz grundsätzliche Bedeutung. Dagegen spricht bereits der eindeutige Wortlaut dieser Vorschrift, der auch - soweit ersichtlich - bisher nicht abweichend von der Auffassung des Senats ausgelegt worden ist.

Ende der Entscheidung

Zurück