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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 16.09.2005
Aktenzeichen: I-16 U 128/04
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, HGB


Vorschriften:

ZPO § 304
ZPO § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
BGB § 86a Abs. 1
BGB § 86a Abs. 2
BGB § 174
BGB § 177 Abs. 1
BGB § 180 Satz 2
BGB § 280
BGB § 280 Abs. 3
BGB § 282 Abs. 1
BGB § 282 Abs. 2
HGB § 89
HGB § 89a Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 22. Juli 2004 verkündete Grundurteil der 7. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Sicherheitsleistungen können auch durch Bürgschaft eines der Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht unterliegenden Kreditinstituts erbracht werden.

Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schadensersatz in Anspruch. Zwischen den Parteien bestand ein Handelsvertretervertragsverhältnis. Die Beklagte ist ein Telekommunikationsunternehmen, das Telefon- und Datenkommunikationsdienstleistungen sowie ähnliche Dienstleistungen erbringt. Sie bietet Geschäfts- wie Privatkunden u.a. die Produkte "TELE2-Preselection" und "TELE2-Call-by-Call" an. Die Klägerin war ab April 2001 für die Beklagte tätig im Bereich der Kundenwerbung und Vermittlung von Produkten der Beklagten.

Grundlage dieser Tätigkeit waren die als Anlagen K3, K5 und K6 vorgelegten Verträge, wegen deren näheren Inhalts Bezug genommen wird. Den Vertrag vom 9. April 2001 (Anlage K3) "kündigte" die Beklagte mit Schreiben vom 28. Juni 2002 zum 30. September 2002 (Anlage K4). Unter dem 27. Juni 2002 hatte die Klägerin allerdings bereits den Vertrag gemäß Anlage K5 unterzeichnet, der einen Vertragsbeginn zum 1. Juli 2002 vorsah und für die Dauer von drei Monaten geschlossen war. Im Anschluss an diese Vertragszeit setzten die Parteien ihr Vertragsverhältnis einvernehmlich fort. Unter dem Datum 20. Januar / 3. Februar 2003 schlossen sie sodann den Vertrag gemäß Anlage K6 auf unbestimmte Zeit. § 10 dieses Vertrags sah vor, dass das Vertragsverhältnis am 1. November 2002 "beginnt".

Die Beklagte kündigte schließlich mit Schreiben vom 26. Mai 2003 (Anlage K8) das Vertragsverhältnis "zum nächstmöglichen Termin, d.h. zum 30. Juni 2003". Dieser Kündigung widersprach die Klägerin mit Schreiben vom 28. Mai 2003 (Anlage K9), in welchem es u.a. heißt:

"Wir meinen, dass wir die Kündigung nicht akzeptieren müssen, wie wir schon die Berechtigung des Unterzeichners anzweifeln - bzw. diese nicht nachgewiesen ist - ..."

Mit Anwaltsschreiben vom 3. Juni 2003 (Anlage K10) ließ die Klägerin vortragen, dass die Beklagte den Vertrag frühestens mit Wirkung zum 31. August 2003 kündigen könne. Sie kündigte Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte für den Fall an, dass diese nach dem 30. Juni 2003 die Annahme vermittelter Verträge verweigern sollte. Tatsächlich war die Beklagte hierzu nicht mehr bereit. Mit Schreiben vom 18. Juli 2003 (Anlage K13) kündigte sie das Vertragsverhältnis unter Berufung auf ein vertragswidriges Verhalten der Klägerin fristlos.

Die Klägerin hat geltend gemacht, es habe nur ein einheitlicher Vertrag bestanden. Der zweite und dritte Vertrag habe lediglich dazu gedient, veränderte Konditionen der Zusammenarbeit zu vereinbaren. Es habe weder Ende Juni noch Ende September 2002 die Absicht bestanden, das Vertragsverhältnis zu beenden. Aufgrund des damit ununterbrochen fortgesetzten Vertrages habe die Beklagte Ende Mai 2003 erst für Ende August 2003 kündigen können. Die Ablehnung vermittelter Verträge durch die Beklagte ab Anfang Juli 2003 sei rechtswidrig gewesen. Sie habe ihr den hierdurch entgangenen Gewinn zu ersetzen, dessen Höhe die Klägerin näher begründet hat.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 714.106,44 Euro nebst 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat geltend gemacht, ihre Kündigung vom 28. Juni 2002 habe den ersten Vertrag zum 30. September 2002 beendet. Es sei ein neuer Vertrag mit abweichendem Inhalt geschlossen worden. Während die Klägerin aufgrund des ersten Vertrags Pre-Selection-Verträge durch Telemarketingmaßnahmen mit Geschäfts- und Privatkunden zu vermitteln gehabt habe, habe es zu ihren Aufgaben auf der Grundlage des zweiten Vertrags gehört, solche Verträge durch Haustürgeschäfte und lediglich mit Privatkunden zu vermitteln. Aufgrund dessen sei von zwei selbständigen Vertragsverhältnissen auszugehen, so dass die Kündigung vom 26. Mai 2003 nur eine Kündigungsfrist von einem Monat zu berücksichtigen gehabt habe. Unstreitig erteilte die Beklagte der Klägerin aufgrund des ab dem 1. Juli 2002 geltenden Vertrags eine neue Vertriebs-Identifikationsnummer. Im Übrigen - so hat die Beklagte weiter geltend gemacht - sei die fristlose Kündigung wirksam. Die Klägerin habe sich in mehrfacher Hinsicht vertragswidrig verhalten. Wegen eines Verstoßes habe sie diese auch mit Schreiben vom 14. Mai 2003 (Bl. 358 GA) abgemahnt. Dieser Abmahnung widersprach die Klägerin mit Schreiben vom 26. Mai 2003 (Anlage K18) und wies sie "mangels ausreichender Legitimation des Unterzeichners" zurück.

Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Durch Urteil vom 22. Juli 2004 hat das Landgericht die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Zum Zeitpunkt der ordentlichen Kündigung habe das Vertragsverhältnis nur mit dreimonatiger Kündigungsfrist beendet werden können. Die von der Beklagten vorgetragenen Gründe reichten nicht aus, die fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Insbesondere sei ihr keine Abmahnung vorausgegangen. Auf die Abmahnung vom 14. Mai 2003 könne sich die Beklagte nicht berufen, weil die Klägerin sie unter Hinweis auf die mangelnde Legitimation des Unterzeichners zurückgewiesen habe. Die Beklagte habe nicht vorgetragen, dass die Zurückweisung unberechtigt erfolgt sei. Im Übrigen könnten die vorgetragenen Umstände es nicht rechtfertigen, von einer Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung bis zum Ablauf der mit Schreiben vom 26. Mai 2003 in Lauf gesetzten Kündigungsfrist zum 31. August 2003 auszugehen. Darüber hinaus habe sich die Beklagte im Zeitpunkt der fristlosen Kündigung bereits selbst vertragswidrig verhalten, so dass die Kündigung auch als treuwidrig anzusehen sei.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags geltend macht, es sei Ende Mai 2003 nur eine einmonatige Kündigungsfrist einzuhalten gewesen. Der zweite Vertrag habe eine andere Kundenzielgruppe und eine andere Vertriebsform als der erste Vertrag zum Gegenstand gehabt. Es habe daher nicht ein einheitliches Vertragsverhältnis mit einem Vertragsbeginn am 9. April 2001 vorgelegen. Die fristlose Kündigung vom 18. Juli 2003 habe den Vertrag - sollte dieser nicht bereits beendet gewesen sein - sofort beendet. Treuwidriges Verhalten könne ihr nicht vorgeworfen werden, da sie nicht wider besseres Wissen gehandelt habe. Aufgrund der wiederholten vertragswidrigen Werbemaßnahmen der Klägerin, aus welchen Unterlassungs- und Schadensersatzverfahren gegen die Beklagte resultierten, habe sie befürchten müssen, dass die Klägerin dieses Verhalten auch bis zum 31. August 2003 fortsetzen werde, wogegen sie sich ohne die fristlose Kündigung nicht wirksam hätte wehren können. Die Abmahnung vom 14. Mai 2003 sei von der Klägerin zu Unrecht zurückgewiesen worden, weil der Unterzeichner derselben zuvor wiederholt rechtsgeschäftliche Handlungen gegenüber der Klägerin vorgenommen gehabt habe. Inhaltlich habe die Abmahnung gleichartige Vertragsverstöße erfasst, wie die Klägerin sie auch nachfolgend vorgenommen habe.

Die Beklagte beantragt,

unter "Aufhebung" des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie tritt dem gegnerischen Vorbringen unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vortrags im Einzelnen entgegen.

Der Senat hat die Parteien durch Beschluss vom 8. Juni 2005 (Bl. 305-319 GA) darauf hingewiesen, wie er die Sach- und Rechtslage beurteilt.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den vorgetragenen Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze der Parteien und der von ihnen vorgelegten Urkunden und Schriftstücke verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Der Sachvortrag und die rechtlichen Erwägungen der Beklagten sind nicht geeignet, eine Änderung der angefochtenen Entscheidung herbeizuführen. Hierauf hat der Senat die Parteien bereits mit Beschluss vom 8. Juni 2005 hingewiesen. Auch die der Beklagten daraufhin nachgelassenen Ausführungen in ihrem Schriftsatz nach der mündlichen Verhandlung rechtfertigen keine abweichende Beurteilung.

Über die aus dem Hinweisbeschluss bereits ersichtlichen Gründe hinaus gilt im Einzelnen Folgendes:

A.

Gegen die Zulässigkeit des Grundurteils gemäß § 304 ZPO bestehen keine Bedenken. Solche werden auch von der Beklagten mit der Berufungsbegründung nicht aufgezeigt. Der Klageanspruch ist dem Grunde und der Höhe nach streitig. Zur Höhe ist eine weitere Sachaufklärung erforderlich, so dass es dem Gesichtspunkt der Prozessökonomie entspricht, über den Grund des Anspruchs vorab zu entscheiden.

1. Der Erlass eines Grundurteils setzt voraus, dass der geltend gemachte Anspruch auch unter Berücksichtigung der Einwendungen des Anspruchsgegners mit hoher Wahrscheinlichkeit in irgendeiner Höhe besteht (BGHReport 2003, 349; BGH NJW 2001, 224, 225). Was im Einzelnen zum Grund und zur Höhe des Anspruchs gehört, richtet sich nach seiner Rechtsnatur (BGH MDR 1980, 925; Zöller-Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 304 Rn 6).

Ganz allgemein gehören zum Grund eines Anspruchs alle anspruchsbegründenden Tatsachen. Demgemäß sind sämtliche den Anspruchsgrund leugnenden Einwendungen des Anspruchsgegners im Verfahren über den Grund des Anspruchs zu klären (BGH NJW 2001, 224, 225; Zöller-Vollkommer aaO, § 304 Rn 7a und 8 mwN).

2. Diese Anforderungen an die Zulässigkeit eines Grundurteils sind im vorliegenden Fall gegeben. Die Parteien streiten im Wesentlichen über die Dauer des Handelsvertretervertragsverhältnisses und über die danach von der Beklagten einzuhaltende Kündigungsfrist bei Ausspruch der ordentlichen Kündigung vom 26. Mai 2003. Sollte - wie die Beklagte meint - nur eine Kündigungsfrist von einem Monat gegolten haben, wäre der Vertrag zum 30. Juni 2003 beendet worden, und ein pflichtwidriges, zum Schadensersatz verpflichtendes Handeln der Beklagten durch die generelle Ablehnung der Annahme weiterer Verträge ab dem 1. Juli 2003 wäre schon dem Grunde nach ausgeschlossen.

Im Übrigen streiten die Parteien auch über die Wirksamkeit der beiden Kündigungserklärungen. Sollte die ordentliche Kündigung bereits rechtlich unwirksam gewesen sein, hätte das Vertragsverhältnis auch aus diesem Grund über den 30. Juni 2003 hinaus angedauert. Sollten die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung nicht vorgelegen haben, wäre der Vertrag auch mit Zugang der Kündigungserklärung vom 18. Juli 2003 nicht vorzeitig beendet worden. In beiden Fällen wäre - wie noch näher dargelegt wird - die Ablehnung von Verträgen durch die Beklagte rechtswidrig erfolgt.

B.

Die Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt.

I.

Die Klägerin macht einen Schadensersatzanspruch geltend, weil die Beklagte es ohne jede Einschränkung abgelehnt hat, ab dem 1. Juli 2003 von der Klägerin vermittelte Verträge anzunehmen.

Dabei kann dahinstehen, ob die Klägerin, nachdem die Beklagte bereits vor dem 30. Juni 2003 signalisiert hatte, weitere Vermittlungstätigkeiten der Klägerin nach diesem Datum nicht mehr zu akzeptieren, in der Zeit ab dem 1. Juli 2003 überhaupt noch Vermittlungsaktivitäten entfaltet hat. Sie macht Schadensersatz wegen entgangenen Gewinns (§ 252 BGB) geltend, den sie - auf der Grundlage ihres Sachvortrags - zu Recht auf § 280 BGB (in der seit dem 1.1.2002 geltenden Fassung, Art. 229 § 5 Satz 1 und 2 EGBGB) stützt. Sollte die Beklagte zu Unrecht erklärt haben, ab dem 1. Juli 2003 keine von der Klägerin vermittelten Aufträge mehr annehmen zu wollen, läge darin eine endgültige und ernsthafte Erfüllungsverweigerung im Hinblick auf den zwischen ihnen bestehenden Vertrag. Ein solches Handeln gehört zu den positiven Vertragsverletzungen (des bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Bürgerlichen Rechts) und erfüllt nunmehr die Voraussetzungen der §§ 280 Abs. 3, 282 Abs. 1 und 2 BGB nF.

Dass ihr Handeln auch nach dem Sachvortrag der Klägerin nicht pflichtwidrig gewesen sein sollte, macht die Beklagte selbst nicht geltend. Ein solcher Einwand wäre unter den hier vorliegenden Umständen auch unberechtigt. Zwar hat ein Unternehmer grundsätzlich die Möglichkeit der freien Entscheidung, ob er ein ihm vermitteltes Geschäft annimmt. Darum geht es vorliegend aber nicht. Die Beklagte kann im Hinblick auf einzelne Geschäfte gar nicht vortragen, aus welchen Gründen sie es nicht angenommen hat, weil sie von vornherein jede Annahmebereitschaft im Hinblick auf jegliche Geschäfte der Klägerin verweigert hat. Hierzu war sie nicht berechtigt.

Aus den Regelungen des § 86a Abs. 1 und 2 HGB und der vertraglichen Treue- und Loyalitätspflicht folgt, dass den Unternehmer die Verpflichtung zur Unterstützung und Rücksichtnahme gegenüber seinem Handelsvertreter trifft. Aufgrund dessen hat er auf die schutzwürdigen Belange und Interessen seines Vertreters die gebotene Rücksicht zu nehmen, solange und soweit nicht sein Recht auf freie Entscheidung über die Art und Weise der Führung seines Geschäftsbetriebs betroffen ist und Vorrang genießt (BGHZ 93, 29, 54; BGHZ 124, 351, 354; BGHZ 136, 295, 299 f.; Ebenroth/Boujong/Joost-Löwisch, HGB, § 86a Rn 2 f.; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer, HGB, 2. Aufl., § 86a Rn 2; Staub-Brüggemann, HGB, 4. Aufl., § 86a Rn 1; Schröder, Recht der Handelsvertreter, 5. Aufl., § 86a Rn 21). Damit darf ein Unternehmer schutzwürdige Belange des Vertreters nicht ungerechtfertigt beeinträchtigen. Im Rahmen dessen hat er alles zu unterlassen, was die Interessen des Handelsvertreters ernsthaft gefährden oder verletzen könnte (vgl. hierzu BGH BB 1982, 1626), denn der Unternehmer ist dem Handelsvertreter zur gleichen Loyalität verpflichtet, wie er sie umgekehrt von seinem Vertreter erwarten darf (Staub/Brüggemann aaO, Rn 10). Insbesondere ist es ihm nicht erlaubt, ihn willkürlich und mit Schädigungsabsicht "auszuschalten" (BGH BB 1960, 1222; BGH NJW-RR 1993, 1122, 1123; Ebenroth/Boujong/Joost-Löwisch aaO, Rn 8; Baumbach/Hopt, HGB, 31. Aufl., § 86a Rn 16; Staub-Brüggemann aaO, Rn 21; MünchKommHGB-v.Hoyningen-Huene, § 86a Rn 44).

II.

Entscheidend für die Frage, ob die Erfüllungsverweigerung der Beklagten unberechtigt war, kommt es darauf an, zu welchem Zeitpunkt das Vertragsverhältnis der Parteien beendet worden ist. Zu Recht hat daher das Landgericht die Wirksamkeit der beiden Kündigungserklärungen der Beklagten sowie die Frage der einzuhaltenden Kündigungsfrist geprüft. Zutreffend ist es zu dem Ergebnis gelangt, dass der zwischen den Parteien bestehende Vertrag nur unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist beendet werden konnte. Das damit erst am 31. August 2003 endende Vertragsverhältnis ist auch durch die außerordentliche Kündigung vom 18. Juli 2003 nicht vorzeitig beendet worden. In der Zeit vom 1. Juli bis zum 31. August 2003 hat sich die Beklagte folglich in der aufgezeigten Art und Weise vertragswidrig verhalten und schuldet der Klägerin dem Grunde nach den Ersatz des geltend gemachten Schadens.

1. Das Landgericht ist zu Recht von einem einheitlichen Rechtsverhältnis der Parteien und damit von einer Kündigungsfrist von drei Monaten ausgegangen, weil das Vertragsverhältnis zum Zeitpunkt der Kündigung bereits mehr als zwei Jahre bestand (§ 89 Abs. 1 Satz 1 HGB). Die Beklagte konnte daher den Vertrag erst zum 31. August 2003 kündigen. Da über diesen Zeitpunkt hinaus gehende Ansprüche nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits sind, bedarf es keiner Klärung der Fragen, ob der Mitarbeiter der Beklagten R... zum Ausspruch der ordentlichen Kündigung bevollmächtigt war und ob die Klägerin die Kündigungserklärung nach Maßgabe des § 174 BGB zu Recht zurückgewiesen hat.

a. Für die Frage, wie lang das Vertragsverhältnis der Parteien bestand, als es von der Beklagten ordentlich gekündigt wurde, kommt es lediglich darauf an, ob der erste und zweite Vertrag die Grundlage für ein einheitliches Rechtsverhältnis bildeten. Der dritte Vertrag von Januar/Februar 2003 (Anlage K6) ist hingegen irrelevant. Insoweit trägt nämlich die Beklagte selbst vor, dass der zweite Vertrag einvernehmlich auf unbestimmte Zeit verlängert worden sei (Bl. 111 GA). Als unbefristetes Rechtsverhältnis haben die Parteien dann auch den nachfolgend aufgesetzten schriftlichen Vertrag bezeichnet (§ 10 von Anlage K6 = Bl. 56 GA). Dass das Vertragsverhältnis nach diesem Vertrag erst "am 1. November 2002" begonnen haben soll, ist dabei unerheblich. Denn den am 30. September 2002 endenden zweiten Vertrag (vgl. Bl. 42 GA) haben die Parteien einvernehmlich fortgesetzt, ohne dass eine Vertragsunterbrechung eingetreten ist; lediglich die Modalitäten haben sie erst einige Zeit später schriftlich niedergelegt.

Soweit daher jedenfalls hinsichtlich des zweiten und dritten Vertrags von einem einheitlichen Vertragsverhältnis auszugehen ist, folgt daraus allerdings noch keine über die gesetzliche Mindestfrist von einem Monat hinaus gehende Kündigungsfrist. Am 26. Mai 2003, als die Beklagte kündigte, bestand auch der zweite Vertrag noch kein ganzes Jahr (§ 89 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 HGB).

b. Entscheidend ist somit die Frage, ob auch die Vertragszeit des ersten Vertrags in die Gesamtdauer des Vertragsverhältnisses einzurechnen ist. Diese Frage ist zu bejahen.

aa. Maßgebend für die Berechnung der zutreffenden Kündigungsfrist ist das ununterbrochene Bestehen des Handelsvertretervertrags. Es muss sich um ein einheitliches Vertragsverhältnis handeln, das während der gesamten Vertragszeit bestanden hat. Die Regelung, dass im Falle einer längeren Vertragsdauer eine längere Kündigungsfrist gelten soll, dient dem Schutz beider Vertragspartner. Dieser Schutzgedanke ergibt grundsätzlich nur dann einen Sinn, wenn auf die tatsächliche Dauer des - nicht unterbrochenen - Vertragsverhältnisses insgesamt und nicht gesondert auf die jeweilige rechtliche Dauer eines jeden - im Laufe einer Gesamtvertragszeit abgeschlossenen - Änderungsvertrags abgestellt wird (BGH MDR 1987, 906). Spricht eine Vertragspartei eine Änderungskündigung aus und wird diese akzeptiert, kann es zwar zu einer Unterbrechung des Vertragsverhältnisses kommen mit der Folge, dass nur der neue Vertrag die Dauer des Rechtsverhältnisses bis zur Kündigung bestimmt (MünchKommHGB/v.Hoyningen-Huene, § 89 Rn 56). Wird jedoch nach ausgesprochener Kündigung das bisherige Vertragsverhältnis durch Abschluss eines entsprechenden Vertrags fortgesetzt, liegt darin regelmäßig eine Umgehung der gesetzlichen Kündigungsfristenregelung; in diesem Fall bildet die gesamte Vertragszeit die Grundlage zur Berechnung der maßgeblichen Frist (BGH aaO; MünchKommHGB/ v.Hoyningen-Huene aaO; Ebenroth/Boujong/Joost-Löwisch aaO, § 89 Rn 26; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer aaO, § 89 Rn 31; Staub-Brüggemann aaO, § 89 Rn 13; Baumbach/Hopt aaO, § 89 Rn 11).

bb. Danach ist im vorliegenden Fall festzustellen, dass die Klägerin sich zu Recht auf eine Gesamtvertragsdauer beruft, die bis zur Kündigung Ende Mai 2003 bereits mehr als zwei Jahre bestand.

Die vorstehenden Rechtsausführungen belegen, dass selbst Änderungen des Vertragsinhalts unbeachtlich sind, sofern nur von einem einheitlichen Rechtsverhältnis gesprochen werden kann. Formal ausgesprochene Kündigungen, die mit der Fortsetzung des bisherigen Vertragsverhältnisses auf der Grundlage eines neuen Vertrags verbunden sind, unterlaufen den Schutzzweck des § 89 HGB, wenn man den Gesichtspunkt der formalen Vertragsbeendigung und nicht denjenigen des ununterbrochenen Fortbestands eines inhaltlich gleich gebliebenen Vertrages in den Vordergrund stellt.

Daher muss auch im vorliegenden Fall von einem einheitlichen Vertragsverhältnis ausgegangen werden. Dass die Parteien ihre Rechtsbeziehung fortsetzen wollten, stand zum Zeitpunkt der Kündigung vom 28. Juni 2002 (Bl. 34 GA) bereits fest, denn der neue Handelsvertretervertrag, der am 1. Juli 2002 begann, war von der Klägerin schon einen Tag vorher unterzeichnet worden. Diese Vorgehensweise (Kündigung + Abschluss eines neuen Vertrags) beruhte zudem auf einer Absprache der Parteien.

Ohne Erfolg wendet die Beklagte demgegenüber ein, wesentliche Unterschiede im Vertragsinhalt führten dazu, dass von zwei selbständigen Verträgen mit isoliert zu beurteilender Vertragsdauer auszugehen sei. Tatsächlich ist nämlich der frühere Vertragsinhalt nicht wesentlich geändert, sondern allenfalls beschränkt worden, was bedeutet, dass der übrige Inhalt aufrechterhalten worden ist. Während die Klägerin zunächst Privat- und Geschäftskunden zu betreuen hatte (Bl. 24 GA), war sie nach dem schriftlichen Vertragsinhalt des ab dem 1. Juli 2002 geltenden Vertrags nur noch für Privatkunden zuständig. Soweit die Beklagte sich darüber hinaus darauf beruft, die Klägerin habe nach dem ersten Vertrag ausschließlich Telefonmarketing betreiben dürfen, ergibt sich eine solche Einschränkung aus dem vorgelegten Vertrag nicht, wie sie selbst auf Bl. 145 GA einräumt. Die Beklagte war nach § 3 Abs. 3.2 lediglich befugt, eine Einschränkung des Tätigkeitsfelds der Klägerin im Hinblick auf den Umfang der Vertragsprodukte und die Kundenzielgruppe vorzunehmen. Dass dies auch für die Vertriebsform gelten sollte und die Beklagte insoweit in rechtlich wirksamer Weise eine Vertragseinschränkung vorgenommen hat, kann der Senat hingegen nicht feststellen. Mit der pauschalen Behauptung, es sei mit der Klägerin nur die Vertragsvermittlung im Wege des Telefonmarketings vereinbart worden (vgl. Bl. 109, 226 GA), vermag die Beklagte daher dem Vertragsverhältnis keinen vom schriftlichen Inhalt abweichenden Inhalt zu geben, zumal dem schon die Schriftformklausel gemäß § 12 Nr. 12.3 des Vertrags entgegen stehen dürfte. War aber die Klägerin zunächst in der Vertriebsform nicht beschränkt, stellt sich die behauptete, dem zweiten Vertrag jedoch nicht einmal zu entnehmende Beschränkung auf Haustürgeschäfte wiederum nur als Einschränkung der bisherigen Tätigkeit der Klägerin dar. Bloße Einschränkungen bedeuten aber, dass das Vertragsverhältnis im Übrigen ausdrücklich aufrechterhalten worden ist.

Die Vergabe einer neuen Vertriebs-Identifikationsnummer diente dabei lediglich organisatorischen Zwecken der Beklagten. Die Überschneidung der Vertragszeiten des ersten Vertrags (bis zum 30. September 2002) und des zweiten Vertrags (Beginn am 1. Juli 2002) ist ebenfalls rechtlich unerheblich. Sie kann allenfalls die aufgezeigte Beschränkung des Tätigkeitsfeldes der Klägerin (auf Privatkunden und ggf. auch auf Haustürgeschäfte) belegen, hinsichtlich welcher ihr offensichtlich eine "Übergangszeit" eingeräumt worden ist. Der wesentliche Inhalt des Vertrags - die Vermittlung von Kundenverträgen gegen Provisionszahlung - blieb hingegen unberührt.

Die Klausel unter § 12 Nr. 12.2 im zweiten Vertrag steht der vorstehenden Beurteilung nicht entgegen. Danach verloren zwar die Vereinbarungen des ersten Vertrags ihre Wirkung. Die Beklagte kann daraus aber nicht ableiten, auch die bisherige Vertragszeit habe bei zukünftigen Kündigungen keine Berücksichtigung finden sollen. Solches ist zwischen den Parteien nicht vereinbart worden.

III.

Bestand demnach das Vertragsverhältnis über den 30. Juni 2003 hinaus fort, kommt es entscheidend auf die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 18. Juli 2003 an (Bl. 90 GA).

Jedenfalls im Ergebnis zutreffend hat das Landgericht insoweit festgestellt, dass diese Kündigung nicht die Anforderungen an eine wirksame sofortige Beendigung des Vertragsverhältnisses erfüllt hat.

1. Nach § 89a Abs. 1 HGB kann ein Handelsvertretervertragsverhältnis von jedem Teil aus wichtigem Grunde ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden.

Wichtiger Grund für die fristlose Kündigung eines Handelsvertretervertragsverhältnisses ist jeder tatsächliche oder rechtliche Umstand (Ereignis oder Verhalten), welcher bei Beachtung aller Umstände des Einzelfalles unter Berücksichtigung von Wesen und Zweck des Vertrags sowie der durch den Vertrag begründeten beiderseitigen Rechte und Pflichten dem kündigenden Vertragspartner die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zu dem ursprünglich im Vertrag vorgesehenen oder einem durch fristgerechte Kündigung nach § 89 HGB herbeizuführenden Vertragsende unzumutbar macht, weil es trotz der Beachtung des Gebots der Vertragstreue im Hinblick auf die Umstände des Einzelfalls Treu und Glauben sowie der Billigkeit widerspricht, den Kündigenden am Vertrag festzuhalten (vgl. BGH NJW-RR 1999, 539; BGH ZIP 1999, 277, 278; BGH BB 2001, 645; Ebenroth/Boujong/Joost-Löwisch aaO, § 89a Rn 6 mwN). Hierbei muss ein objektiver Umstand vorliegen, welcher aus der Sicht des Kündigenden im Zeitpunkt der Kündigungserklärung die Notwendigkeit einer sofortigen Vertragbeendigung begründet. Dieser Umstand wird in der Regel in einem Verhalten des Gekündigten, insbesondere in einer groben Verletzung vertraglicher Pflichten liegen. Er muss objektiv geeignet sein, die Notwendigkeit einer sofortigen Beendigung des Vertrags und damit ein Außerkraftsetzen des Grundsatzes der Vertragstreue sowie der Pflicht zur Einhaltung der für eine Vertragsbeendigung vereinbarten Formen und Fristen zu rechtfertigen, indem er bei objektiver Würdigung entweder das erforderliche gegenseitige vertragliche Vertrauensverhältnis zumindest aus der Sicht einer Vertragspartei oder trotz fortbestehenden Vertrauensverhältnisses die Grundlagen einer weiteren Zusammenarbeit nachhaltig beeinträchtigen oder entfallen lassen kann. Das ist bei einfachen Vertragsverletzungen regelmäßig nicht der Fall; ein gewisses Maß an Vertragsuntreue der Gegenpartei muss der davon betroffene Vertragspartner sanktionslos hinnehmen. Ob der geltend gemachte Grund im Einzelfall bei objektiver Würdigung eine fristlose Kündigung rechtfertigen kann, bedarf einer umfassenden Würdigung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, wie sie nochmals bei der Prüfung der Zumutbarkeit einer Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zu seiner frühestmöglichen vertragsmäßigen Beendigung anzustellen ist. Dem Verhalten des Kündigenden nach Kenntnis von dem vermeintlichen Kündigungsgrund und seiner Reaktion darauf lässt sich regelmäßig entnehmen, wie schwerwiegend er die Störung des Vertragsverhältnisses tatsächlich bewertet. Ergibt die mit einer Gesamtabwägung verbundene Prüfung, dass der geltend gemachte Anlass eine sofortige Vertragsauflösung objektiv nicht rechtfertigen kann, fehlt es an einer notwendigen Voraussetzung für den wichtigen Grund; die eingetretene Störung kann lediglich zum Anlass einer ordentlichen Kündigung genommen werden (Ebenroth/Boujong/Joost-Löwisch aaO, Rn 7, 10 mwN).

Die Darlegungs- und Beweislast für sämtliche, das Vorliegen eines wichtigen Grundes ausfüllenden Umstände liegt bei dem kündigenden Teil bzw. bei demjenigen, der sich auf einen wichtigen Grund und damit auf die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung beruft (BGH NJW-RR 1999, 539, 540; Ebenroth/Boujong/Joost-Löwisch aaO, Rn 65 mwN).

Nimmt eine Vertragspartei einen vom Vertragspartner zu beeinflussenden Umstand zum Anlass für eine außerordentliche Kündigung, ist diese im Hinblick darauf, dass sie unausweichlich das letzte Mittel - die ultima ratio - sein muss, um einem pflichtwidrigen Verhalten des anderen Vertragsteils wirksam zu begegnen, grundsätzlich erst dann gerechtfertigt, wenn dem zu Kündigenden mittels einer Abmahnung die möglichen Konsequenzen eines erneuten Verstoßes aufgezeigt worden sind und ihm Gelegenheit zur Änderung des beanstandeten Umstandes gegeben worden ist (BGH NJW-RR 1999, 539, 540; BGH BB 2001, 645, 646; Senatsurteil vom 17. Dezember 1999, OLGR 2000, 354, 355). Dem zu Kündigenden muss durch die Abmahnung unzweideutig, unmissverständlich und ernsthaft vor Augen geführt werden, dass die genau zu bezeichnende Störung den Bestand des Vertragsverhältnisses gefährdet und abgestellt werden muss, weil er anderenfalls mit einer fristlosen Kündigung rechnen muss (Ebenroth/Boujong/Joost-Löwisch aaO, Rn 12 mwN). Entbehrlich ist eine Abmahnung nur dann, wenn die Kündigung auf einen Umstand gestützt werden soll, auf welchen der zu Kündigende keinen Einfluss nehmen oder den er in angemessener Zeit nicht abstellen kann, oder wenn der vorliegende Kündigungsgrund ausnahmsweise bereits unabänderlich die fristlose Kündigung rechtfertigt, weil dem Kündigenden selbst unter veränderten Umständen nach erfolgreicher Abmahnung eine Fortsetzung des Vertrags nicht mehr möglich oder zuzumuten ist, woran jedoch strenge Anforderungen zu stellen sind (BGH BB 2001, 645, 646; Ebenroth/Boujong/Joost-Löwisch aaO, Rn 16 mwN).

2. Diese Anforderungen werden im vorliegenden Fall zumindest im Hinblick auf die erforderliche Abmahnung nicht erfüllt.

a. Dass bereits ein wichtiger Grund, der die Beklagte zu einer fristlosen Vertragsbeendigung berechtigte, hinreichend sicher auszuschließen ist, kann hingegen - entgegen der Auffassung des Landgerichts - ohne weitere Aufklärung des Sachverhalts nicht festgestellt werden. Art, Schwere und Ausmaß der von der Beklagten insgesamt angeführten Gründe könnten durchaus ausreichend sein, um die Feststellung zu treffen, dass ihr eine weitere Vertragsfortsetzung nicht mehr zuzumuten war, und zwar auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass die ordentliche Kündigung der Beklagten das Vertragsverhältnis auch nach dem Klägervortrag zum 31. August 2003 beendet hat und es daher nur noch um eine Restlaufzeit von ca. 6 Wochen ging. Die Beklagte hat schlüssig dargetan, dass die bisherigen Vertragsverstöße der Klägerin zu mehreren Gerichtsverfahren geführt haben sollen, in welchen sie auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch genommen wird. Ebenfalls schlüssig ist ihre Behauptung, dass sie sich gegen weitere gleichartige Vertragsverletzungen der Klägerin kaum wirksam hätte zur Wehr setzen können. Die Beklagte ist auch nicht gehindert, diejenigen Umstände zum Gegenstand ihrer fristlosen Kündigung zu machen, die ihr zum Zeitpunkt der ordentlichen Kündigung bereits bekannt waren. Entscheidend ist, dass ein weiterer Grund hinzugekommen ist und die Beklagte sämtliche Gründe als ausreichend für eine außerordentliche Kündigung anführt.

Ob sie mit dieser Einschätzung im Ergebnis richtig läge, könnte allerdings erst nach Aufklärung des Sachverhalts (Bl. 112-113, 146-148 GA) abschließend beurteilt werden. Dann könnte auch erst hinreichend sicher beurteilt werden, welchen Einfluss das eigene vertragswidrige Handeln der Beklagten auf die Frage der Berechtigung ihrer Kündigung hätte.

b. Vorstehendes kann aber letztlich auf sich beruhen. Entscheidend ist, dass das vertragswidrige Handeln der Klägerin vor einer Kündigung hätte abgemahnt werden müssen. Eine solche Abmahnung kann hier nicht festgestellt werden.

aa. Die Beklagte kann sich lediglich auf ihre Abmahnung vom 14. Mai 2003 (Bl. 358 GA) berufen. Die Unwirksamkeit dieser Abmahnung kann allerdings nicht bereits deshalb festgestellt werden, weil die Klägerin sie mit Schreiben vom 26. Mai 2003 (Anlage K18) zurückgewiesen hat. Bedenken gegen die Zulässigkeit der Zurückweisung bestehen deshalb, weil die Klägerin die Zurückweisung nicht unverzüglich ausgesprochen haben dürfte (Bl. 112 GA: Zugang am 15. Mai 2003; Anlage K18: Zurückweisung frühestens 11 Tage später; vgl. hierzu OLG Hamm NJW 1991, 1185, 1186). Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist der Zurückweisende und damit die Klägerin für die Unverzüglichkeit des Widerspruchs darlegungs- und beweispflichtig (BGH NJW 2001, 220, 221). Auf die Frage einer tatsächlichen Bevollmächtigung des Mitarbeiters R... zum Ausspruch der Abmahnung käme es dann nach § 180 Satz 2 BGB ebenfalls nicht an, weil die Beklagte mangels rechtzeitiger Beanstandung der Klägerin jedenfalls zur Genehmigung der unwirksamen geschäftsähnlichen Handlung gemäß § 177 Abs. 1 BGB berechtigt gewesen sein und diese spätestens im vorliegenden Rechtsstreit erklärt haben dürfte.

bb. Die vorstehend aufgezeigten tatsächlichen wie rechtlichen Fragen können aber letztlich offen bleiben. Der neuerliche Vertragsverstoß der Klägerin, den die Beklagte zur Grundlage der außerordentlichen Kündigung machen will, hätte erneut abgemahnt werden müssen. Ein Sachverhalt, in welchem es ausnahmsweise keiner Abmahnung bedarf, ist hier nicht dargetan.

Gegenstand der Abmahnung vom 14. Mai 2003 waren lediglich die unberechtigte Verwendung des Logos der Beklagten auf einer Internetseite sowie die im vorliegenden Rechtsstreit behaupteten wettbewerbswidrigen Angaben von Untervertretern der Klägerin zu Lasten der Deutschen Telekom AG (Bl. 111-112 GA). Ob auch die unzulässige Versteigerungsaktion im Internet Gegenstand der Abmahnung war, kann selbst nach Vorlage des Abmahnungsschreibens (Bl. 358 GA) weiterhin nicht festgestellt, jedoch zugunsten der Beklagten unterstellt werden.

Denn dass es nach der Abmahnung, aber vor der fristlosen Kündigung vom 18. Juli 2003 zu vergleichbaren wahrheits- und wettbewerbswidrigen Handlungen der Klägerin gekommen ist, trägt die Beklagte nicht schlüssig vor. Hinsichtlich der Vergleichbarkeit des tatsächlich abgemahnten und des zur Kündigung führenden Verhaltens stellt sie selbst lediglich auf die Logo-Verwendung im Internet und das Glücksradgewinnspiel ab (Bl. 114, 148, 234 GA). Diese beiden Vertragsverstöße sind jedoch nicht vergleichbar. Mit dem abgemahnten Verhalten hat die Klägerin das Logo der Beklagten verbotswidrig verwendet, indem sie es auf einer Internetseite eines Dritten darstellen ließ und hierdurch den Eindruck einer Kooperation des Dritten mit der Beklagten erweckte. Demgegenüber sollen in dem anderen Fall Untervertreter der Klägerin einer Kundin den Gewinn von 60 Freiminuten für Telekommunikationsdienstleistungen vorgespiegelt haben, obwohl dieser Gewinn an den Abschluss eines Pre-Selection-Vertrages geknüpft gewesen sei, mit welchem der Kunde ohnehin 60 Freiminuten erwerbe (Bl. 113-114 GA). Allein der Umstand, dass beide Maßnahmen der Werbung für die Produkte der Beklagten dienten, macht diese nicht vergleichbar. Maßgeblich ist vielmehr die Art des Verstoßes.

Hinzu kommt, dass die Beklagte die besondere Schwere des neuerlichen Verstoßes nicht schlüssig aufzeigen kann. Denn in ihrem Kündigungsschreiben hat sie selbst noch ausgeführt, dass die Kundin Anspruch auf Erstattung der Wechselgebühr gehabt habe (Bl. 91 GA). Ferner hat die Kundin den vermittelten Vertrag offensichtlich wirksam gekündigt. Ein strafrechtlich relevantes Verhalten, welches sich die Klägerin unter strafrechtlichen Gesichtspunkten zurechnen lassen müsste, kann nach dem hier Vorgetragenen nicht festgestellt werden.

Bei dieser Sachlage bedurfte die neuerliche Vertragsverletzung der Klägerin einer erneuten Abmahnung. Ausgehend vom Zweck einer Abmahnung, dem Handelsvertreter die Gefahr einer fristlosen Beendigung des Vertrags vor Augen zu führen, war die Beklagte unter den aufgezeigten Umständen hierzu verpflichtet. Kommt es nämlich nach einer Abmahnung zu einer andersartigen, mit der abgemahnten nicht vergleichbaren und bisher nicht abgemahnten Störung, muss im Rahmen des Zumutbaren grundsätzlich erneut abgemahnt werden (Ebenroth/Boujong/Joost-Löwisch aaO, § 89a Rn 15). Diese Verpflichtung traf die Beklagte im vorliegenden Fall jedenfalls deshalb, weil eine besondere Schwere des neuerlichen Verstoßes nicht festgestellt werden kann und die Beklagte mit ihrer ordentlichen Kündigung vom 26. Mai 2003 selbst zu erkennen gegeben hatte, dass die ihr bis dahin bekannt gewordenen Vertragsverletzungen insgesamt nicht eine Schwere erreicht hatten, die ihr die Fortsetzung des Vertrages bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar gemacht hätte. Wie die Beklagte mit der Klageerwiderung nämlich selbst vorgetragen hat, waren ihr im Zeitpunkt der ordentlichen Kündigung nicht nur die wettbewerbswidrigen Handlungen zu Lasten der D... T... AG, sondern auch die Fortsetzung der Kooperation mit der Internetseite als auch die Versteigerung von Untervertriebspartnerschaften auf dem Internetportal "..." bekannt. Aufgrund dessen sprach sie dennoch lediglich eine ordentliche Kündigung zum 30. Juni 2003 aus (Bl. 111-113 GA). Wenn dann die Klägerin eine weitere Pflichtverletzung beging, die mit den der Beklagten bekannten Verstößen nicht zu vergleichen war, war eine Abmahnung erforderlich, um der Klägerin vor Augen zu führen, dass ein weiterer Verstoß nunmehr - gemeinsam mit den bereits bekannten Vertragsverletzungen - eine fristlose Kündigung nach sich ziehen kann. Dies gilt umso mehr, als die Beklagte sich im Kündigungszeitpunkt bereits selbst vertragswidrig verhielt. Die Klägerin durfte davon ausgehen, dass die Beklagte ohnehin kein Interesse mehr an einer Vertragserfüllung hatte.

IV.

Haben somit beide Kündigungen der Beklagten das Vertragsverhältnis nicht vor dem 31. August 2003 beendet, macht die Klägerin dem Grunde nach berechtigt Schadensersatzansprüche für den Zeitraum vom 1. Juli bis zum 31. August 2003 geltend.

C.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Den Streitwert für das Berufungsverfahren hat der Senat auf 715.000,-- Euro festgesetzt. In dieser Höhe ist die Beklagte beschwert.

Ein Grund zur Zulassung der Revision besteht nicht. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO liegen - auch unter Berücksichtigung der Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 18. Juli 2005 - nicht vor. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Ende der Entscheidung

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