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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 26.03.2004
Aktenzeichen: I-16 U 216/02
Rechtsgebiete: InsO


Vorschriften:

InsO § 61
1. Gemäss § 61 InsO hat der Insolvenzverwalter dem Gläubiger den Vertrauensschaden zu ersetzen, den dieser dadurch erleidet, dass er bei Begründung der Verbindlichkeit auf eine für den Insolvenzverwalter mögliche Erfüllung vertraut hat.

2. Für eine Haftung nach § 61 InsO ist dann kein Raum, wenn der Vertragspartner über dieselben tatsächlichen Kenntnisse wie der Insolvenzverwalter verfügt und seine Entscheidung zur Begründung einer Masseverbindlichkeit zu seinen Gunsten nicht auf einem besonderen Vertrauen in den Insolvenzverwalter beruht, sondern auf einer eigenverantwortlichen, in Kenntnis aller Tatsachen und Risiken getroffenen Beurteilung der Sach- und Rechtslage und damit bei einem bewussten Handeln auf eigenes Risiko.


Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten zu 2) wird das am 15. Oktober 2002 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Wuppertal - unter Zurückweisung der Berufung des Beklagten zu 1) - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass der Klägerin gegen die Masse eine Forderung von 393.694,75 EUR mit Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 1 DÜG seit dem 10. März 2001 zusteht. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Klägerin und der Beklagte zu 1) haben jeweils die Hälfte der Gerichtskosten zu tragen. Von den außergerichtlichen Kosten hat die Klägerin die des Beklagten zu 2) voll und der Beklagte zu 1) die der Klägerin zur Hälfte zu tragen, im übrigen haben die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Parteien können die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheit kann durch Bürgschaft eines der Aufsicht durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht unterliegenden Kreditinstituts geleistet werden.

Tatbestand:

Die Klägerin, die D... B... AG, nimmt den Beklagten in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen der B... G... GmbH & Co. KG in W... auf Feststellung eines Masseanspruchs in Höhe von 770.000 DM mit Zinsen sowie persönlich auf Schadensersatz in gleicher Höhe in Anspruch.

Die Klägerin hatte der Schuldnerin als deren Hausbank Kreditmittel in Höhe von 12,6 Mio. DM zur Verfügung gestellt. Zur Sicherheit waren ihr durch Globalzessionsvertrag die Forderungen aus Warenlieferungen und Leistungen gegen sämtliche Schuldner abgetreten sowie das Warenlager und die Maschinen sicherungsübereignet worden.

Nachdem am 22. Mai 2000 durch den Betriebsrat der Schuldnerin Insolvenzantrag gestellt worden war, wurde der Beklagte am Folgetag zunächst zum vorläufigen Insolvenzverwalter ernannt. Mit Beschluss vom 1. Juli 2000 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin bestellt. Am 17. August 2000 hat er dem Gericht die Masseunzulänglichkeit angezeigt. Im Laufe des Berufungsverfahrens, unter dem 9. Dezember 2003, hat er dem Amtsgericht Wuppertal und den Massegläubigern die erneute Masseunzulänglichkeit angezeigt.

Mitglied des Gläubigerausschusses wurde u.a. der Mitarbeiter der Klägerin K..., dem der Beklagte im Hinblick auf seine persönliche Inanspruchnahme den Streit verkündet hat.

Die Klägerin war damit einverstanden, dass der Beklagte zu 1) die ihr sicherungsübereigneten Waren aus dem Warenlager weiterverarbeitete und veräußerte, denn es bestand Einigkeit darüber, dass der Betrieb im Interesse der Arbeitnehmer und der Klägerin als Hauptgläubigerin nicht stillgelegt und zerschlagen, sondern von einem Dritten übernommen werden sollte.

Seit Mitte August 2000 wurden Gespräche mit verschiedenen Übernahmeinteressenten geführt, welche zunächst erfolglos verliefen, so dass der Gläubigerausschuss im September 2000 die Auslaufproduktion und eine Betriebsstillegung zum 31. März 2001 beschloss.

Ab Mitte Oktober 2000 fanden unter Beteiligung der Klägerin Verhandlungen mit der G... mbH über das von dieser unterbreitete Übernahmeangebot statt.

Unter dem 17. November 2000 veräußerte der Beklagte zu 1) die Maschinen, die Betriebs- und Geschäftsausstattung sowie die gesamten Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, Halbfertigprodukte und Fertigwaren zum 1. Dezember 2000 für einen Kaufpreis von 2.950 TDM an die G... mbH. Vereinbart wurde u.a. weiter, dass diese in sämtliche Lieferverpflichtungen und Kundenbeziehungen eintreten und sämtliche bestehenden Arbeitsverhältnisse übernehmen sollte. Das Betriebsgrundstück wurde für weitere 2.735 TDM veräußert.

Anlässlich der Kaufvertragsverhandlungen an diesem Tage, an denen für die Klägerin ihre Mitarbeiter K... und W... und für den Beklagten zu 1) Rechtsanwalt S... teilnahmen, fand ein Gespräch zwischen diesen über die Erlösverteilung und eine Massekostendeckungszusage statt, dessen Inhalt im einzelnen streitig ist. Unstreitig lag allen Parteien an diesem Tage ein von dem Beklagten erstellter Vermögensstatus vor, der eine Unterdeckung von 309 TDM aufwies und unterstellte, dass bis zum 30.11. noch Forderungen aus Lieferungen und Leistungen in Höhe von 1.000 TDM zu erwarten seien.

Mit Schreiben vom 21. November 2000 erklärte die Klägerin die Freigabe hinsichtlich ihrer Maschinen- und Warenübereignungsverträge unter dem Vorbehalt, dass die folgende Erlösverteilung vom Beklagten zu 1) gegenbestätigt werde. In dem Schreiben heißt es dazu:

"Die Erlösverteilung haben wir mit Herrn S... wie folgt besprochen, danach entfallen nachfolgende Zahlungen auf unser Haus:

Entnahmen Warenlager alt und Abkauf der Restbestände 2.500 TDM Verkaufserlös Maschinen an G... 1.300 TDM 3.800 TDM abzügl. Erlösanteile Masse aus Verkauf Waren+Maschinen - 270 TDM Zahlung der Masse an D... B... AG 3.530 TDM

Bei vorstehender Rechnung wurde unterstellt, dass die Masse bis 30.11.2000 Rechnungen für Warenlieferungen und Leistungen von ca. 1.000 TDM fakturiert und die Warenforderungen von dann rechnerisch 3.235 TDM nahezu vollständig eingezogen werden können. Da sich unter Ansatz von Abzügen und Mehrwertsteuerzahlungen eine Unterdeckung von 309 TDM ergibt, die zu einer sofortigen Verfahrenseinstellung führen müsste, erklären wir uns bereit, die Massekosten bis zu einem Betrag von maximal 350 TDM zu decken. Voraussetzung für diese Deckungszusage ist jedoch, dass für die Begleichung der Massekosten vorrangig die mit Herrn S... ausgehandelten Erlösanteile von 720 TDM einzusetzen sind. ..."

Das Schreiben endet mit dem von dem Beklagten zu 1) nicht unterschriebenen Zusatz: "Mit den vorstehenden Ausführungen erkläre ich mich in allen Punkten einverstanden."

Mit Schreiben vom 27. November 2000 bestätigte der Beklagte zu 1) "die mit Herrn S... abgesprochene und im Schreiben vom 21.11.2000 dokumentierte Erlösverteilung".

Der Verkauf an die G... mbH und die streitgegenständliche Vereinbarung wurden in der Gläubigerausschusssitzung vom 22. November 2000 genehmigt.

Mitte Dezember 2000 erhielt die Klägerin eine Zahlung von 2.680 TDM, weitere Zahlungen erfolgten unstreitig nicht.

Die Klägerin hat behauptet, die im Schreiben vom 21. November 2000 festgehaltene Erlösverteilungsabrede sei bereits bei den Kaufvertragsverhandlungen zustande gekommen. Durch diese Vereinbarung sei für beide Parteien klar gewesen, dass der Beklagte von der Freigabeerklärung nur unter der Voraussetzung Gebrauch machen dürfe, dass ihr der ausgehandelte Gesamtbetrag von 3.530 TDM in vollem Umfang von der Masse zur Verfügung gestellt werde.

Im Rahmen der während des Insolvenzverfahrens fortlaufend vom Beklagten weiter geführten Produktion sei es erforderlich gewesen, über den Bestand des der Klägerin sicherungsübereigneten Warenlagers zu verfügen und nach Herstellung der Fertigprodukte diese durch Veräußerung zu verwerten und die Erlöse einzuziehen. Hierfür habe der Beklagte zwangsläufig auf das der Klägerin sicherungsübereignete Warenlager zurückgreifen müssen und Zukäufe vornehmen müssen. Jedoch habe er es unterlassen, eine strikte Trennung des der Klägerin sicherungsübereigneten Warenlagers bezüglich der wieder zugekauften Waren vorzunehmen. Bei den Verhandlungen mit den Übernahmeinteressenten sei eine Bewertung des Unternehmens durch eine Unternehmensberatung vorgenommen worden, die für das sicherungsübereignete Lager zu einem Wert von 2,5 Mio. DM gekommen sei. Der Beklagte habe sich deshalb einer berechtigten Forderung der Klägerin ausgesetzt gesehen, die sich bezüglich der Entnahmen aus dem Warenlager alt mit 2,5 Mio. DM errechnet habe und bezüglich des Kaufpreises für die technischen Anlagen und Maschinen mit weiteren 1,8 Mio. DM.

Den Absonderungsanspruch der Klägerin, beruhend auf dem am Warenlager bestehenden Raumsicherungsübereignungsvertrag, hätte er unabhängig davon erfüllen müssen, ob weitere Erlöse aus tatsächlich noch vorhandenen Restbeständen zu erzielen gewesen wären. Andernfalls hätte er sicherstellen müssen, dass der Klägerin der Gegenwert für die sicherungsübereigneten Lagerbestände auch tatsächlich verbleibe.

Nach der Zahlung von 2.680 TDM hätten noch 850 TDM offen gestanden. Hierauf lasse sie sich 80 TDM anrechnen, weil sie verpflichtet habe, die Massekosten bis zu 350 TDM zu decken unter der Voraussetzung, dass ihr aus dem Erlös 270 TDM vorrangig zufließen sollten. Da dieser Betrag der Insolvenzmasse zugeflossen sei, beschränke sich die Deckungszusage der Klägerin für die Massekosten auf 80 TDM. Damit habe sie noch 770 TDM zu beanspruchen.

Verschiedene Erinnerungsschreiben an den Beklagten seien unbeantwortet geblieben. Mit Schreiben vom 22. Januar 2001 habe er lediglich mitgeteilt, eine Zahlung in der von der Klägerin gewünschten Größenordnung sei derzeit nicht möglich. Unter dem 5. März 2001 habe die Klägerin dann um Zahlung von 770 TDM bis zum 9. März 2001 gebeten, so dass seit dem 10. März 2001 Verzug vorliege.

Wenn sich der Beklagte rechtswirksam in Kenntnis sämtlicher entscheidungserheblicher Umstände gegenüber der Klägerin verpflichtet habe, an diese 3,53 Mio. DM zu zahlen, obwohl ihm bekannt gewesen sei, dass Warenlager und Maschinen für nur 2,5 Mio. DM veräußert werden, habe er eine Masseverbindlichkeit begründet, welche er aus der Masse nicht hätte befriedigen können. Das begründe seine persönliche Haftung nach § 61 Insolvenzordnung.

Sie hat beantragt,

den Beklagten als Insolvenzverwalter über das Vermögen der B... G... GmbH & Co. KG und - gesamtschuldnerisch - persönlich zu verurteilen, an die Klägerin 770.000 DM mit 5 % Zinsen seit dem 10. März 2000 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Er vorgetragen: Die Klägerin sei aufgrund kontinuierlicher Übersendung von Kontenständen, teilweise über Tagesauszüge, Umsatzlisten, Ergebnisplanung und Inventurdaten sowie eigener Abstimmungen mit seinen - des Beklagten - Mitarbeitern und denen der Schuldnerin komplett über die wirtschaftliche Situation der Abwicklung informiert gewesen. Bei Abschluss des Kaufvertrags sei ein Restumsatz in Höhe von 1 Mio. DM durchaus realistisch gewesen. Nach ihren eigenen Zahlen wäre eine Kostendeckung des Verfahrens lediglich bei einem Erlös der Klägerin in Höhe von 7,8 Mio. DM aus der Verwertung von Grundstück und Anlagevermögen möglich gewesen. Außerdem hätte aus den Vorräten der Betrag von 2,5 Mio. DM erwirtschaftet werden müssen. Es sei jedoch bereits frühzeitig klar gewesen, dass die Vorräte nur mit Verlust, also ohne die Erzielung irgendeines an die Klägerin auszukehrenden Erlöses zu verarbeiten gewesen wären.

Jedenfalls habe es zwischen den Parteien keine Vereinbarung dahin gegeben, welche der Klägerin einen Erlös aus der Verwertung des Warenlagers sowie der Maschinen in Höhe von 2,5 Mio. DM und weiteren 1,3 Mio. DM garantiert habe. Entscheidend sei allein, dass die Klägerin mehrfach in eigenem Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Kosten des Verfahrens garantiert habe, ohne insoweit irgendwelche Erlösanteile der Masse in Abzug zu bringen.

Hervorzuheben sei, dass die Klägerin auf die Fortführung des Betriebs gedrängt habe und er ihr insoweit entgegengekommen sei. Ohne die Betriebsfortführung durch ihn hätte das Warenlager nur noch Schrottwert gehabt. Bei dem Warenlager habe es sich um Gegenstände in verschiedenen Bearbeitungsstadien gehandelt, welche über den gesamten Betrieb der Schuldnerin verteilt gewesen seien. Es sei schlichtweg unmöglich gewesen, Materialentnahmescheine einzusetzen. Die Klägerin habe auch nicht gefordert, den Warenbestand neu von demjenigen alt zu trennen. Sie habe lediglich verlangt, dass eine Inventur per Übernahme erfolgen solle. Zwischen den Parteien sei die Bewertung des Warenlagers auch stets streitig geblieben, eine Einigung über den Wert des Warenlagers sei niemals erzielt worden.

Sollte es tatsächlich die von der Klägerin behauptete Vereinbarung gegeben haben, werde diese vorsorglich wegen arglistiger Täuschung angefochten. Auch der von der Klägerin vorgelegte Vermögensstatus sei niemals Inhalt irgendwelcher Vereinbarungen der Parteien geworden. Zu verteilen sei nur gewesen, was tatsächlich erzielt worden sei. Im Übrigen sei das Verfahren, wie der Klägerin bekannt sei, hoffnungslos masseunzulänglich, was er bereits mit Verfahrenseröffnung angezeigt habe.

Er habe sich der Klägerin gegenüber nicht schadensersatzpflichtig gemacht. Die tatsächliche Bewertung von Warenlager und Fertigungsständen seien ihr stets bekannt gewesen.

Durch das angefochtene Urteil hat das Landgericht die Beklagten verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin 393.694,75 EUR mit Zinsen von 10 % über dem Basiszinssatz seit dem 10. März 2001 zu zahlen. Die Klage sei gegen beide Beklagte begründet. Offen bleiben könne, ob schon am 17. November 2000 eine Vereinbarung über die Erlösverteilung als Bedingung für eine Freigabeerklärung der Klägerin zustande gekommen sei. Jedenfalls durch den Briefwechsel vom 21. und 27. November sei es zu zwei sich deckenden Willenserklärungen gekommen. Der Beklagte sei der Bitte um Bestätigung der Erlösverteilung als Bedingung für die Freigabe ausdrücklich und uneingeschränkt nachgekommen. Damit sei verbindlich vereinbart worden, bei einer Verwertung den im Schreiben vom 21. November 2000 genannten Gesamtbetrag aus der Masse an die Klägerin zu zahlen. Ob er in der Lage gewesen sei, diese Bedingung zu erfüllen, sei vertragsrechtlich unerheblich. Die in dem Schreiben abgegebenen Willenserklärungen seien auszulegen wie sie vom Empfänger zu verstehen gewesen seien.

Die vom Beklagten hilfsweise erklärte Anfechtung greife nicht durch. Die Masseverbindlichkeit sei in einer Höhe von 770.000 DM, der Klagesumme, nicht erfüllt. Von den 3,53 Mio. DM seien die Zahlung von 2,86 Mio. DM und weitere 80.000 DM aus der Massekostengarantie abzuziehen. Entgegen der Ansicht des Beklagten seien nicht die in der Vereinbarung genannten vollen 350.000 DM abzusetzen. Die Zusage der Klägerin habe nach dem ausdrücklichen Erklärungsinhalt nur dazu gedient, die sofortige Verfahrenseinstellung abzuwenden. Ohne diese Zusage hätte das Verfahren sofort beendet werden müssen. Die Kostenzusage habe nicht zum Inhalt gehabt, dass die Klägerin dauernd einen verlorenen Zuschuss von 350.000 DM zu den Verfahrenskosten habe geben wollen.

Der Beklagte hafte neben der Masse auch persönlich für die Erfüllung der Masseschuld.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten mit dem Antrag, abändernd die Klage abzuweisen.

Sie meinen, der Leistungsklage fehle das Rechtsschutzinteresse, weil die von der Klägerin geltend gemachte Forderung frühestens am 28. November 2000 entstanden und die Masse danach erneut unzulänglich geworden sei, so dass das Vollstreckungsverbot des § 210 InsO gelte. Mangels eines durchsetzbaren Zahlungsanspruchs und einer im Rahmen des vorliegenden Erkenntnisverfahrens nicht feststellbaren Quote komme nur die Zuerkennung der Ansprüche als Neumasseverbindlichkeiten dem Grunde nach im Wege der Feststellungsklage in Betracht.

Die von der Klägerin behauptete Vereinbarung sei nicht zustande gekommen. Die Klägerin habe im Schreiben vom 21. November 2000 eine ganze Reihe von Regelungspunkten niedergelegt und am Schluss eine Einverständniserklärung des Beklagten verlangt, die auf dem Schriftstück selbst und ihrerseits schriftlich erst noch habe erfolgen sollen. Eine schriftliche Annahmeerklärung des Beklagten fehle jedoch, denn er habe das Schreiben gerade nicht unterzeichnet. Er habe am 27. November lediglich eine "dokumentierte Erlösverteilung", also die Prognoseberechnung, bestätigt, das Angebot also abgelehnt und ein neues Angebot, beschränkt auf diese prognostische Erlösverteilung unterbreitet. Dieses habe die Klägerin nicht angenommen.

Jedenfalls könne von einer Vereinbarung der Parteien nur im Umfang der Erklärung des Beklagten im Schreiben vom 27. November 2000 ausgegangen werden.

Auch auf der Grundlage einer solchen Vereinbarung lasse sich der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch aber nicht feststellen. Schon nach dem Wortlaut des Schriftsatzes hätten die Parteien keine feste Zahlungsverpflichtung zu Lasten des Beklagten, gar einen Kaufpreis verabredet, sondern nur eine Erlösverteilungsvereinbarung getroffen. Ausweislich des eigenen Schreibens der Klägerin vom 21. November 2000 stehe fest, dass es sich bei der aufgestellten Rechnung nicht um die Zusage von Festerlösbeträgen, sondern um eine Prognoserechnung gehandelt habe, denn es werde unterstellt, dass die Masse bis zum 30. November 2000 noch ca. 1 Mio. DM fakturiere und die Warenforderungen i.H.v. dann 3,235 Mio. DM nahezu vollständig eingezogen werden könnten. Es gehe also um eine Musterrechnung auf der Grundlage unterstellter Erwartungen. Die Klägerin sei sich, wie sie sogar Rechtsanwalt S... erklärt habe, bei den Gesprächen bewusst gewesen, dass das geplante Verwertungsziel durchaus auch verfehlt werden könne. Rechtsanwalt S... habe ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die genannten Zahlen auch verfehlt werden könnten. All dies werde durch vorgelegte Unterlagen bestätigt.

Jedenfalls hafte er nicht persönlich. Er habe schon objektiv keine Masseverbindlichkeit, die aus der Insolvenzmasse nicht voll habe erfüllt werden können, sondern nur eine Verbindlichkeit im Umfang des der Masse tatsächlich verbleibenden Erlöses begründet.

Die Klägerin bittet um Zurückweisung der Berufung, wobei sie im Verhältnis zum Beklagten zu 1) mit Blick auf die erneut angezeigte Masseunzulänglichkeit zum Feststellungsantrag übergeht und beantragt,

festzustellen, dass ihr gegen die Masse - gesamtschuldnerisch haftend mit dem Beklagten zu 2) - 393.694,75 EUR mit Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10. März 2001 zustehen,

Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, auf den Inhalt der angegriffenen Entscheidung sowie die Protokolle der Senatssitzungen mit den in der Sitzung erteilten rechtlichen Hinweisen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Aus den mit den Parteien in den Senatssitzungen erörterten Gründen hat die Berufung des Erstbeklagten keinen, die des Zweitbeklagten dagegen in vollem Umfang Erfolg.

I.

Zur Berufung des Erstbeklagten

Der Klägerin steht gegen die Schuldnerin ein Anspruch auf Zahlung restlicher 770.000 DM = 393.694,75 EUR mit Zinsen zu, denn der Erstbeklagte hat gegenüber der Klägerin mit Vereinbarung vom 21./27. November 2000 eine - neue - Masseverbindlichkeit begründet, die in diesem Umfang noch nicht erfüllt ist.

1. Die Klägerin kann ihren Anspruch auf Erfüllung der neuen Masseverbindlichkeit i.S.d. § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO allerdings - dies ist zwischen den Parteien unstreitig geworden - nicht mehr mit der Leistungsklage weiterverfolgen, nachdem der Erstbeklagte unter dem 9. Dezember 2003 dem Amtsgericht Wuppertal und den Massegläubigern die erneute Masseunzulänglichkeit angezeigt hat.

Dies hat zur Folge, dass die Leistungsklage der Klägerin wegen mangelnden Rechtschutzbedürfnisses unzulässig geworden ist.

Die Klägerin macht gegenüber dem Erstbeklagten geltend, dieser habe durch Vereinbarung vom 21./27. November 2000 und damit nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit am 17. August 2000 eine neue Masseverbindlichkeit begründet. Wendet der Insolvenzverwalter - wie hier der Erstbeklagte - gegenüber einer solchen Neumasseverbindlichkeit ein, dass auch die neu zu erwirtschaftende Masse wiederum nicht ausreiche, um alle fälligen Neumasseverbindlichkeiten zu decken, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs allerdings nur noch die Feststellungsklage zulässig (BGH NZI 2003, 369, 371 f.). Der Neumassegläubiger verliert das Recht, den Insolvenzverwalter auf uneingeschränkte Befriedigung zu verklagen, wenn feststeht, dass nur noch eine quotale Befriedigung erfolgen kann. Nur so kann ein Vorrang schneller Neumassegläubiger, die Vollstreckungsmaßnahmen durchführen und hierdurch die auf andere Neumassegläubiger entfallende Quote weiter verringern könnten, vermieden und dem Grundsatz der Gleichbehandlung aller Gläubiger - innerhalb der durch § 209 InsO vorgegebenen Rangordnung - entsprochen werden (BGH a.a.O., Münchener Kommentar/Hefermehl, InsO, Rdnr. 22 zu § 209).

Dem hat die Klägerin Rechnung getragen, indem sie im Verhältnis zum Erstbeklagten zur Feststellungsklage übergegangen ist und nunmehr - wie erkannt - die Feststellung einer entsprechenden Masseverbindlichkeit beansprucht.

2. Der Erstbeklagte hat gegenüber der Klägerin durch Vereinbarung vom 21./27. November eine Neumasseverbindlichkeit über 3.530.000 DM begründet, auf die er nur 2.680.000 DM gezahlt hat, so dass der Klägerin jedenfalls ein restlicher Zahlungsanspruch über 770.000 DM zusteht.

2.1. Auch in der Berufungsinstanz kann offen bleiben, ob bereits am 17. November 2000 zwischen den Parteien Einigkeit darüber erzielt worden ist, dass der Klägerin als Erlös für das Warenlager und die Maschinen, welche in ihrem Sicherungseigentum standen, 3.530.000 DM zufließen sollen (so die Klägerin auf Bl. 56, 228 GA).

Selbst wenn eine solche Vereinbarung unter dem Vorbehalt schriftlicher Bestätigung geschlossen worden ist (§§ 154 Abs. 2, 126, 127 BGB), so ist sie jedenfalls durch Schreiben der Parteien vom 21./27. November 2000 zustande gekommen.

2.1.1. Die Klägerin hat gegenüber dem Erstbeklagten mit Schreiben vom 21. November 2000 die Freigabe ihrer Maschinen- und Warenübereignungsverträge nur unter dem Vorbehalt erklärt, dass sie hierfür einen Erlös in Höhe von 3.530.000 DM erhalte.

Diese Erklärung erfolgte unstreitig vor folgendem Hintergrund: Der Klägerin waren zur Sicherung der Kreditmittel, welche sie der Schuldnerin in Höhe von rund 12,6 Mio. DM zur Verfügung gestellt hatte, nicht nur Grundpfandrechte bestellt und die Forderungen aus Warenlieferungen und Leistungen gegen sämtliche Schuldner abgetreten, sondern auch Warenlager und Maschinen sicherungsübereignet worden. Der Erstbeklagte, der am 23. Mai 2000 zunächst zum vorläufigen Insolvenzverwalter und mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1. Juli 2000 zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin bestellt worden war, hatte den Betrieb der Schuldnerin bis dahin fortgeführt und dabei die im Sicherungseigentum der Klägerin stehenden Vorräte weiterverarbeitet (§ 162 Abs. 2 InsO), ohne hierfür erzielte Erlöse an sie abzuführen. Den Wert der in der Zeit vom 27. Mai bis 30. September 2000 verbrauchten Vorräte ermittelte die H... O... U... mit 2.443.000 DM, den Restwert des Lagers per 30. September 2000 mit 1.543.000 DM (Bl. 243 f GA).

Durch Kaufvertrag vom 17. November 2000 veräußerte der Erstbeklagte u.a. die Maschinen und das Warenlager, an denen der Klägerin Rechte auf Vorwegbefriedigung zustanden, zum Gesamtkaufpreis von 2.950.000 DM zum 1. Dezember 2000 weiter, wobei auf die Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, Halbfertigprodukte und Fertigwaren 1.650.000 DM und auf die Maschinen und Betriebsausstattung 1.300.000 DM entfielen (Bl. 180 f. GA).

Die Freigabe des Warenlagers und der Maschinen wollte die absonderungsberechtigte Klägerin nur erklären, wenn ihr im Gegenzug für die Maschinen der hierfür erzielte Kaufpreis von 1.300.000 DM und für das gesamte ihr zur Sicherung übereignete Warenlager ein Erlös in Höhe von 2.500.000 DM zufließen würde. Dabei sollte durch den Betrag von 2.500.000 DM nicht nur das noch vorhandene, an die G... für 1.650.000 DM weiter veräußerte Lager, sondern auch das von dem Erstbeklagten im Zuge der Betriebsfortführung bereits veräußerte Warenlager abgegolten werden. Auf den Gesamtbetrag von 3.800.000 DM sollte - wohl für die Kosten der Feststellung und Verwertung - an die Masse ein Erlösanteil von 270.000 DM fließen, so dass zu Gunsten der Klägerin ein Erlös von 3.530.000 DM als Neumasseverbindlichkeit gemäss § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO verbleiben sollte.

2.1.2. Diese Erlösverteilungsabrede hat der Erstbeklagte unter dem 27. November 2000 (Bl. 11 GA) schriftlich bestätigt, so dass jedenfalls spätestens damit eine entsprechende verbindliche Vereinbarung zwischen den Parteien zustande gekommen ist.

In der ausdrücklichen Bestätigung der Erlösverteilung durch den Erstbeklagten liegt zugleich sein schriftlich erklärtes Einverständnis damit, dass die Klägerin als absonderungsberechtigte Gläubigerin aus der Masse für ihr Sicherungseigentum am Warenlager einen Erlös in Höhe von 2.500.000 DM und für die ihr zur Sicherheit übereigneten Maschinen einen solchen in Höhe von 1.300.000 DM erhalten sollte. Anders war die Bestätigung für die Klägerin nach Treu und Glauben nicht zu verstehen. Dass der Erstbeklagte die Bestätigung nicht - wie von der Klägerin vorgesehen - auf ihrem Schreiben vom 21. November 2000 selbst, sondern mit gesondertem Schreiben vom 27. November 2000 erklärt hat, ist nach § 127 Abs. 2 Satz 1 BGB unschädlich, weil zur Wahrung der durch Rechtsgeschäft bestimmten Schriftform der Briefwechsel genügt.

2.2. Der Erstbeklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass er das Angebot der Klägerin nur mit Änderungen angenommen habe (§ 150 Abs. 2 BGB). Der Klägerin ging es zu ihren Gunsten nur um die von ihr vorgeschlagene Erlösverteilung, welche er ohne Einschränkung und Vorbehalt akzeptiert hat. Damit kommt es auch nicht weiter darauf an, ob anderenfalls § 139 BGB anzuwenden wäre.

2.3.

Dahinstehen kann, ob es dem Erstbeklagten gemäss § 162 BGB verwehrt sein könnte, sich auf eine fehlende Erlösverteilungsabrede zu berufen, wenn er in Kenntnis der Rechte der Klägerin sowie des von ihr erklärten Vorbehalts den mit der G... mbH geschlossenen Vertrag ausgeführt und sich damit rechtswidrig über die Rechte der Klägerin an den veräußerten Gegenständen hinweggesetzt hätte.

2.4. Schließlich macht der Erstbeklagte auch ohne Erfolg geltend, dass die Parteien keine "feste Zahlungsverpflichtung" zu seinen Lasten, sondern nur eine Erlösverteilungsabrede hätten treffen wollen, die unter dem Vorbehalt gestanden habe, dass entsprechende Erlöse bis zum 30. November 2000 auch erzielt würden.

Begründet der Insolvenzverwalter im Rahmen der Unternehmensfortführung Neumasseverbindlichkeiten, so stehen diese naturgemäß unter dem Vorbehalt, dass bei ihrer Fälligkeit ausreichende Insolvenzmasse vorhanden ist, aus der sie nach der in § 209 InsO vorgesehenen Rangfolge erfüllt werden können.

Die Nichterfüllbarkeit bei Fälligkeit kann allerdings dazu führen, dass der Insolvenzverwalter dem Massegläubiger gemäss § 61 InsO persönlich auf den Teil haftet, der aus der Masse nicht befriedigt werden kann. Allein bei der Beurteilung dieser Frage kann der Vorbehalt der Erfüllbarkeit rechtliche Bedeutung erlangen. Die Erfüllbarkeit ist daher nicht Bedingung für das Entstehen einer (Masse-) Verbindlichkeit.

II.

Zur Berufung des Zweitbeklagten

Erfolg hat die Berufung des Zweitbeklagten, soweit dieser sich gegen seine persönliche Inanspruchnahme durch die Klägerin wendet.

1. Entgegen der Auffassung des Landgerichts haftet der Zweitbeklagte der Klägerin nicht nach § 61 InsO persönlich auf Schadensersatz für die Nichterfüllbarkeit der von ihm begründeten Masseverbindlichkeit. Seine Inanspruchnahme durch die Klägerin scheidet vorliegend aus, weil der Schutzzweck der Norm, jedenfalls aber Treu und Glauben sowie auch der Rechtsgedanke des Mitverschuldens (§§ 242, 254 BGB) ihr entgegenstehen.

Gemäß § 61 InsO ist der Insolvenzverwalter dem Massegläubiger zum Schadensersatz verpflichtet, wenn eine Masseverbindlichkeit, die er durch eine Rechtshandlung begründet hat, aus der Insolvenzmasse nicht voll erfüllt werden kann. Der Verwalter ist also im Rahmen eines Vertragsanbahnungsverhältnisses verpflichtet, Rechtshandlungen zu unterlassen, oder den Vertragspartner zu warnen, wenn die Masse "voraussichtlich" zur Erfüllung der daraus sich ergebenden Verpflichtungen nicht ausreicht (Münchener Kommentar/Brandes, Rdnr. 34 zu § 60 f.; Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl., Rdnr. 8 zu § 60). Er hat dem Gläubiger den Vertrauensschaden zu ersetzen, den dieser dadurch erleidet, dass er bei Begründung der Verbindlichkeit auf eine für den Insolvenzverwalter mögliche Erfüllung vertraut hat (Breutigam/ Blersch/Goetsch, Insolvenzrecht, Rdnr. 5 zu § 61). Die Haftung des Insolvenzverwalters wird durch die Beweislastumkehr des § 61 Satz 2 InsO verschärft, denn sie entfällt nur, wenn dieser beweist, dass er bei Begründung der Verbindlichkeit die voraussehbare Unzulänglichkeit der Masse nicht erkennen konnte. Diese Beweislastumkehr soll sich aus der Erwägung rechtfertigen, dass der Massegläubiger regelmäßig nicht den notwendigen Einblick in Verfahrenseinzelheiten besitzt oder sich verschaffen kann, um beurteilen zu können, ob die Masseunzulänglichkeit im Zeitpunkt des Vertragsschlusses absehbar war (Breutigam/Blersch/ Goetsch, Rdnr. 6 zu § 61 InsO; Münchener Kommentar/Brandes, Rdnr. 35 zu §§ 60 f.; Kind in: Frankfurter Kommentar zur InsO, 3. Aufl., 2002, Rdnr. 7 f. zu § 61).

Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist für eine Haftung nach § 61 InsO dann kein Raum, wenn der Vertragspartner über dieselben tatsächlichen Kenntnisse wie der Insolvenzverwalter verfügt und seine Entscheidung zur Begründung einer Masseverbindlichkeit zu seinen Gunsten nicht auf einem besonderen Vertrauen in den Insolvenzverwalter beruht, sondern auf einer eigenverantwortlichen, in Kenntnis aller Tatsachen und Risiken getroffenen Beurteilung der Sach- und Rechtslage und damit bei einem bewussten Handeln auf eigenes Risiko. Wollte man in einem solchen Fall nicht bereits den Anwendungsbereich des § 61 InsO verneinen, müsste der Schadensersatzanspruch jedenfalls an den Rechtsgedanken der §§ 242, 254 BGB scheitern.

Ein solcher Fall liegt hier vor: Die Klägerin war bereits im Zeitpunkt der Einleitung des Insolvenzverfahrens die maßgebliche Gläubigerin der Schuldnerin, denn diese hatte ihr gegenüber Kreditverbindlichkeiten in Höhe von 12,6 Mio DM, die umfassend durch Sicherungsübereignung des Warenlagers, des Maschinenparks, Globalzession von sämtlichen Forderungen aus Lieferungen und Leistungen sowie Grundpfandrechte an dem Betriebsgrundstück gesichert waren.

Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1. Juli 2000, der am 17. August 2000 die Anzeige der Masseunzulänglichkeit folgte, war sie durch ihren Mitarbeiter K... im Gläubigerausschuss vertreten. Sie hatte - dies ist unbestritten - durch ihre Mitarbeiter K..., K.. und W... ständigen Kontakt zu den Mitarbeitern der Schuldnerin und dem Erstbeklagten, war in die Vertragsverhandlungen, die u.a. in ihren Räumen stattfanden, eingebunden und nahm Einfluss auf den Kaufpreis für das mit Vertrag vom 17. November 2000 veräußerte Unternehmen der Schuldnerin. Sie war außerdem durch kontinuierliche Übersendung von Kontoständen, teilweise über Tagesauszüge, Umsatzlisten, Ergebnisplanung und Inventurdaten umfassend über die wirtschaftliche Situation der Abwicklung informiert (Bl. 26, 43 GA). Da sie maßgebliche Gläubigerin war, lag die Fortführung des Insolvenzverfahrens mit dem Ziel der Veräußerung des Schuldnerunternehmens unter Abführung des dabei zu erzielenden Erlöses an sie ganz überwiegend in ihrem Interesse. Daher hatte sie auch bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Verfahrenskosten garantiert (Bl. 40 GA).

Der Abschluss der streitigen Erlösverteilungsvereinbarung und die von der Klägerin zugleich abgegebene Massekostendeckungszusage erfolgten im Zusammenhang mit der Veräußerung des Schuldnerunternehmens an die G... mbH zum 01. Dezember 2000, wobei beide Vereinbarungen vom Gläubigerausschuss genehmigt wurden (Bl. 17, 21, 93 GA). Bei den Verkaufsverhandlungen am 17. November 2000, die in den Räumen der Klägerin und in Gegenwart ihrer Vertreter stattfanden, legte der Vertreter des Erstbeklagten, Rechtsanwalt S..., einen Vermögensstatus vor, nach dem - unter Berücksichtigung der Verkaufserlöse - den Aktiva von 10.120 TDM Passiva in Höhe von 10.429 TDM gegenüber standen, so dass sich bereits eine Unterdeckung von 309 TDM ergab, welche die Klägerin durch die von ihr sodann abgegebene Massekostendeckungszusage in Höhe von 350 TDM ausglich, um die sofortige Verfahrenseinstellung zu verhindern. Es war ihr dabei bewusst, dass die Erfüllung der von dem Erstbeklagten eingegangenen Masseverbindlichkeit über netto 3,53 Mio DM insoweit unsicher war, als aus der Veräußerung des Unternehmens nur 2,95 Mio. DM erzielt wurden, von denen wiederum nur 0,27 Mio. DM der Masse zufließen sollten, so dass an sie "nur" 2,68 Mio DM - wie erfolgt - abgeführt werden konnten. Ob der Differenzbetrag in Höhe von 850.000 DM aus der Masse erfüllt werden konnte, hing davon ab, ob und inwieweit die Forderungen aus Lieferung und Leistung in Höhe von 2,467 Mio DM noch eingebracht würden können, wobei eine weitere Unsicherheit darin bestand, dass der Finanzplan vom 17. November 2000 davon ausging, dass bis zum Betriebsübergang, also bis zum 30. November 2000, für Warenlieferungen noch 1 Mio. DM fakturiert werden könnten. Anders als der typische Neumassegläubiger hatte die Klägerin hier also den notwendigen Einblick in die Verfahrenseinzelheiten, um eigenständig beurteilen zu können, ob sie bei der Durchsetzung der zu begründenden Neumasseverbindlichkeit mit einer Masseunzulänglichkeit rechnen musste. Das Risiko, dass Warenforderungen nicht vollständig würden eingezogen und für den Zeitraum vom 16. bis 30. November 2000 Warenlieferungen und -leistungen nicht noch im prognostizierten Umfang von 1 Mio. DM würden fakturiert werden können, war ihr daher bei Abschluss der Vereinbarung bewusst. Dies ergibt sich letztlich auch aus ihren Schreiben vom 21. November 2000 sowie vom 05. März 2001 (Bl. 9, 17 GA), in denen sie selbst darauf hinweist, dass bei vorstehender Rechnung unterstellt werde, dass die Masse bis zum 30. November 2000 noch Rechnungen für Warenlieferungen und Leistungen von ca. 1 Mio. DM fakturiert und Warenforderungen von rechnerisch dann 3,235 Mio. DM nahezu vollständig eingezogen werden könnten. Entscheidet sie sich in einer solchen Situation für die Freigabe und damit die Verwertung ihres Sicherungseigentums durch den Insolvenzverwalter gegen Begründung einer zumindest teilweise unsicheren Masseverbindlichkeit, so tut sie dies auf eigenes Risiko und kann dann, wenn die Masse einen entsprechenden Erlös nicht in voller Höhe erzielt, nicht den Insolvenzverwalter auf Schadensersatz in Anspruch nehmen.

2.

Auch seine Haftung aus § 60 InsO scheidet aus, denn es lässt sich nicht feststellen, dass der Zweitbeklagte persönlich haftet, weil er die ihm gegenüber der Klägerin obliegenden vertraglichen oder die gesetzlichen Pflichten eines Insolvenzverwalters verletzt hat.

Die Klägerin kann ihren Schadensersatzanspruch nicht darauf stützen, dass er seiner Verpflichtung aus § 170 Abs. 1 InsO zur unverzüglichen Abführung des aus der Verwertung des Warenlagers erzielten Erlöses nicht nachgekommen sei. Dem steht schon entgegen, dass sie selbst geltend macht, die Parteien hätten sich durch die streitgegenständliche Vereinbarung vom 21./27. November 2000 vergleichsweise u.a. über die Ansprüche nach § 170 Abs. 1 InsO geeinigt (Bl. 300 GA), so dass es ihr jedenfalls nach Treu und Glauben verwehrt ist, den Zweitbeklagten gleichwohl noch wegen etwaiger Pflichtverletzungen in Anspruch zu nehmen. Daher kommt es nicht weiter darauf an, dass ihr Vorbringen auch ohne Substanz ist, denn sie zeigt nicht auf, in welcher Höhe er aus den in der Zeit vom 25.05. bis 30.09.2000 verbrauchten Vorräten tatsächlich Erlöse erzielt hat und in welcher Höhe ihr diese - nach Abzug der Kosten für die Bearbeitung und Verwertung - zustehen sollten. Das Gutachten der H... O... U... gibt dafür nichts her, denn in diesem ist nur der Wert der verbrauchten Vorräte mit 2.443 TDM ermittelt worden (Bl. 243 f. GA).

Ebenso wenig zeigt die Klägerin schlüssig auf, dass der Zweitbeklagte nach Abschluss der streitgegenständlichen Vereinbarung dadurch gegen seine vertraglichen Pflichten verstoßen haben könnte, dass er Erlöse nicht abgeführt hat, obwohl ihm dies möglich gewesen wäre.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Beschwer beträgt für die Klägerin und den Beklagten zu 1) 393.695 EUR.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Nr. 2 ZPO liegen nicht vor. Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung wirft der Rechtsstreit nicht auf, auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht.

Ende der Entscheidung

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