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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 27.10.2005
Aktenzeichen: I-16 W 32/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO §§ 167 ff.
ZPO § 183 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 183 Nr. 2
ZPO § 183 Nr. 2 2. Alt.
ZPO § 185
ZPO § 203 Ab. 1 a. F.
ZPO § 707
ZPO § 707 Abs. 1
ZPO § 707 Abs. 2
ZPO § 717 Abs. 1
ZPO § 717 Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird - unter Verwerfung des weitergehenden Rechtsmittels - der Beschluss der

1. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 19. April 2004 aufgehoben, soweit mit diesem der Antrag des Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einspruchspruchsfrist gegen das Versäumnisurteil der Kammer vom 3. Juli 2003 zurückgewiesen worden ist.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 53.635,-- EUR festgesetzt.

Gründe: Die sofortige Beschwerde des Beklagten ist zulässig und begründet, soweit sie sich gegen die Zurückweisung seines Wiedereinsetzungsantrages richtet. Soweit sich die Beschwerde darüber hinaus auch gegen die gleichzeitige Zurückweisung des Antrages auf Einstellung der Zwangsvollstreckung richtet, ist sie hingegen nicht zulässig. I. Der angefochtene Beschluss, durch welchen das Landgericht den Antrag des Beklagten vom 19. Februar 2004 auf Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen angeblicher Versäumung der Einspruchsfrist gegen das Versäumnisurteil der Kammer vom 3. Juli 2003 zurückgewiesen hat, ist aufzuheben, weil das Landgericht über diesen Antrag nicht hätte entscheiden dürfen. Eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bedurfte es vorliegend überhaupt nicht. Die Frist zur Einlegung des Einspruchs hat hier nicht zu laufen begonnen, weil dem Beklagten das Versäumnisurteil des Landgerichts vom 3. Juli 2003 nicht wirksam zugestellt worden ist. Damit bedurfte es hinsichtlich dieses Versäumnisurteils keiner Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Einspruchsfrist und das Landgericht hätte über den Wiedereinsetzungsantrag nicht entscheiden dürfen, weil dieser gegenstandslos war. Im Einzelnen gilt Folgendes: 1. Die öffentliche Zustellung der Klageschrift vom 26. November 2001 und die anschließende Zustellung des Versäumnisurteils vom 3. Juli 2003 sind unwirksam, weil die Voraussetzungen für eine öffentliche Bekanntmachung nach § 185 ZPO in beiden Fällen nicht vorgelegen haben und das Landgericht dies hätte erkennen können. a) Die öffentliche Zustellung ist unwirksam, wenn die Voraussetzungen für eine öffentliche Bekanntmachung nicht vorgelegen haben und das die öffentliche Zustellung bewilligende Gericht dies hätte erkennen können. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 26. Oktober 1987 (NJW 1988, 2361) ausgeführt, dass eine öffentliche Bekanntmachung im Zivilprozess zuzustellender Schriftstücke die in § 203 Ab. 1 ZPO a. F. geregelte Zustellungsfiktion nicht auslösen könne, wenn die Voraussetzung dieser Norm, ein unbekannter Aufenthalt der Partei, nicht vorliege. Die Zustellungsfiktion der öffentlichen Bekanntmachung sei im Hinblick auf die Anforderungen des Art. 103 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich nur zu rechtfertigen, wenn eine andere Art der Zustellung aus sachlichen Gründen nicht oder nur schwer durchführbar sei, sei es wegen des unbekannten Aufenthalts des Zustellungsempfängers, sei es wegen der Vielzahl oder der Unüberschaubarkeit des Kreises der Betroffenen. Die Anforderungen des Art. 103 Abs. 1 GG würden zumindest dann nicht gewahrt, wenn eine öffentliche Bekanntmachung erfolge, obwohl eine andere Form der Zustellung ohne weiteres möglich gewesen wäre. Um dem Anspruch aus Art. 103 Abs. 1 GG Rechnung zu tragen, müsse (späteres) Verteidigungsvorbringen - auf welche Weise auch immer - einer gerichtlichen Entscheidung zugeführt werden. Hiervon ausgehend hat der Bundesgerichtshof (v. 19.12.2001 - VIII ZR 282/00, BGHZ 149, 311 = NJW 2002, 827) entschieden, dass dem Gebot des Bundesverfassungsgerichts, in der Sache über das Vorbringen der Partei, die in ihrem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt wurde, zu entscheiden, zivilprozessual dadurch Rechnung zu tragen ist, dass die unzulässig bewilligte öffentliche Zustellung des Versäumnisurteils keine Einspruchsfrist in Lauf setzt, in dieser Hinsicht also unwirksam ("wirkungslos") ist. Dies gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, welcher der Senat folgt, jedenfalls dann, wenn die Anordnung der öffentlichen Zustellung auf einem Fehler des Gerichts beruht, die Voraussetzungen des § 185 ZPO also für das Gericht erkennbar nicht vorlagen. So liegen die Dinge hier. 2. Das Landgericht hat nicht beachtet, dass dem Beklagten sowohl die Klageschrift als auch das Versäumnisurteil über das Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland in Südafrika hätten wirksam zugestellt werden können. a) Es mag dahinstehen, ob sich das Landgericht, welches zunächst die zuständige Behörde in Südafrika um eine förmliche Zustellung der Klageschrift ersucht hatte (Bl. 36 ff GA), mit der Auskunft des Generalkonsulates in dessen Schreiben vom 6. März 2003 (Bl. 40 GA), wonach das Generalkonsulat in einem anderen förmlichen Zustellungsverfahren an den Beklagten festgestellt habe, dass es sich bei der - vom Beklagten mit Schreiben vom 6. August 2002 (Bl. 30 GA) mitgeteilten - Anschrift ... "um ein leeres Grundstück" handele, zufrieden geben durfte. Aus dieser Mitteilung des Generalkonsulates ging weder hervor, um welches Zustellungsverfahren es sich gehandelt hat, noch von wem, wie und wann eine entsprechende Feststellung getroffen worden ist. b) Jedenfalls hätte das Landgericht hier den vom Generalkonsulat in dem Schreiben vom 6. März 2003 (Bl. 40 GA) ausdrücklich vorgeschlagenen Weg einer Zustellung über das Generalkonsulat an die Postfachadresse des Beklagten beschreiten können und müssen. aa) Gemäß § 183 Nr. 2 ZPO kann eine Zustellung im Ausland u. a. auf Ersuchen des Vorsitzenden des Prozessgerichts - wie hier zunächst beabsichtigt - durch die Behörde des fremden Staates oder auch durch die diplomatische oder konsularische Vertretung des Bundes, die in diesem Staat residiert, erfolgen. bb) Was die Zustellung durch deutsche Auslandsvertretungen gemäß § 183 Nr. 2 2. Alt. ZPO anbelangt, leisten diese Rechtshilfe bei Zustellungen in eigener Zuständigkeit, soweit der Adressat - wie im Streitfall der Beklagte - deutscher Staatsbürger ist und der Adressat zur Entgegennahme der Zustellung bereit ist (§§ 13, 31p ZRHO; vgl. dazu Zöller/Geimer, ZPO, 24. Aufl., § 183 Rdnr. 75; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 4. Aufl., Rdnr. 2138). Die deutschen Auslandsvertretungen können danach zwar nur formlos zustellen (§ 13 Abs. 1 ZRHO). Allerdings ist auch diese Zustellung eine vollgültige Zustellung im Sinne der Zivilprozessordnung (§ 31p Abs. 3 ZRHO; vgl. dazu Zöller/Geimer, a.a.O., § 183 Rdnr. 75). Sie wird gemäß § 183 Abs. 2 Satz 2 ZPO durch Zustellungszeugnis der ersuchten deutschen Auslandsvertretung (§ 16 KonsularG) nachgewiesen (§ 31p Abs. 3 Satz 2 ZRHO; vgl. dazu Zöller/Geimer, a.a.O., § 183 Rdnr. 76). Für die Ausführung der Zustellung gelten hierbei nicht die §§ 167 ff. ZPO (Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 4. Aufl., Rdnr. 2138). cc) Südafrika ist lediglich Vertragsstaat des hier nicht einschlägigen Haager Beweisaufnahmeübereinkommens. Im Übrigen wird von Südafrika vertragslos Rechtshilfe geleistet. Die Auslandsvertretungen der Bundesrepublik Deutschland können in Südafrika Anträge auf formlose Zustellung in eigener Regie erledigen (vgl. Länderteil der ZRHO "Südafrika"). dd) Damit war hier eine "formlose" Zustellung nach der ZRHO durch das Generalkonsulat, welche eine vollgültige Zustellung im Sinne der Zivilprozessordnung ist, zulässig. ee) Sie war tatsächlich auch möglich. Da eine solche Zustellung die Annahmebereitschaft des Empfängers voraussetzt, muss dem Adressaten das zuzustellende Schriftstück zwar selbst übergeben werden. Eine solche Übergabe kann dadurch geschehen, dass ein Konsularbeamter das zuzustellende Schriftstück dem Adressaten an dessen Wohnsitz übergibt oder der Adressat zum Zwecke der Übergabe des Schriftstückes in das Konsulat einbestellt wird und ihm das Schriftstück dort übergeben wird. Ebenso konnte eine formlose Zustellung durch die Auslandsvertretung im vorliegenden Fall aber auch dadurch erfolgen, dass - wie vom Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland in Südafrika ausweislich der vom Beklagten überreichten Unterlagen (vgl. Bl. 138 GA) in einem anderen Zustellungsverfahren praktiziert - dem Beklagten die zuzustellenden Schriftstücke mit einem zu unterschreibenden und an das Konsulat zurückzusendenden Empfangsbekenntnis übersandt wurden und der Beklagte hierbei gleichzeitig schriftlich darüber belehrt wurde, dass er nicht verpflichtet sei, die Schriftstücke anzunehmen. Wie der Beklagte dargetan und glaubhaft gemacht hat, ist dies in anderen Zustellungsverfahren problemlos geschehen. Gegen diese Art der Zustellung bestehen vorliegend keine durchgreifenden Bedenken. Aus Sicht des Zustellungsstaates ist es einerlei, ob das Schriftstück im Zustellungsstaat durch den dort residierenden deutschen Konsularbeamten unmittelbar übergeben wird oder ob der Konsularbeamte das Schriftstück im Zustellungsstaat zur Post aufgibt und dieses dem Adressaten in der oben beschriebenen Form auf diesem Wege zukommen lässt, zumal der Adressat auch auf dem Postwege in das Konsulat einbestellt werden kann, um ihm das zuzustellende Schriftstück dort persönlich zu übergeben. Die Rechte des Adressaten werden hierdurch ebenfalls nicht beeinträchtigt. Er darf sich auch bei dem beschriebenen Zustellungsverfahren das zuzustellende Schriftstück zunächst anschauen, bevor er sich entscheidet, ob er es freiwillig annimmt. Außerdem hatte der Beklagte hier auch durch die Bekanntgabe seiner Postfachadresse (Bl. 30 GA) sein Einverständnis mit einer Zustellung über seine Postfachadresse zum Ausdruck gebracht. 3. Abgesehen davon hat das Landgericht hier auch nicht beachtet, dass es mit der öffentlichen Zustellung allein grundsätzlich nicht sein Bewenden haben kann. Art. 103 Abs. 1 GG gebietet dem deutschen Gericht, zusätzlich alle Möglichkeiten von Amts wegen auszuschöpfen, dass der Zustellungsempfänger auch tatsächlich Kenntnis von dem zuzustellenden Schriftstück erlangt (Geimer, IZPR, a.a.O., Rdnr. 2087). Neben der öffentlichen Zustellung muss das Gericht das zuzustellende Schriftstück hierzu grundsätzlich auch auf dem Postwege ins Ausland versenden (vgl. Geimer, IZPR, a.a.O., Rdnr. 2087). Notfalls muss es das Schreiben hierzu in "neutraler Aufmachung" versenden, wenn zu befürchten ist, dass Schreiben mit Absenderangabe von der ausländischen Post nicht weitergeleitet werden (vgl. Geimer, IZPR, a.a.O., Rdnr. 2087). 4. Damit ist der angefochtene Beschluss, durch welchen das Landgericht den Wiedereinsetzungsantrag des Beklagten zurückgewiesen hat, aufzuheben. Für eine Entscheidung über diesen Antrag war hier kein Raum. 5. Vorsorglich weist der Senat noch darauf hin, dass die beschließenden Richter der 1. Zivilkammer auf Grund der Ablehnungsgesuche des Beklagten nicht gehindert waren, am 19. April 2004 über den Wiedereinsetzungsantrag des Beklagten zu entscheiden. Das Ablehnungsgesuch des Beklagten vom 25. Oktober 2003 ist bereits durch Beschluss der 1. Zivilkammer vom 28. November 2003 zurückgewiesen worden. Dieser Beschluss ist dem Beklagten allerdings bislang offenbar noch nicht zugestellt worden, was das Landgericht nunmehr nachzuholen hat. Das weitere Ablehnungsgesuch des Beklagten ist erst am 3. Mai 2004 und damit erst nach Erlass des angefochtenen Beschlusses beim Landgericht eingegangen. II. Soweit sich der Beklagte mit seiner sofortigen Beschwerde darüber hinaus auch gegen die Zurückweisung seines gleichzeitig gestellten Antrages auf Einstellung der Zwangsvollstreckung wendet, ist die Beschwerde hingegen nicht statthaft und damit unzulässig. Gemäß § 717 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 707 Abs. 2 ZPO findet eine Anfechtung des Beschlusses nach §§ 707 Abs. 1, 717 Abs. 1 ZPO nicht statt. Eine Beschwerde gegen die einen Einstellungsantrag zurückweisende Entscheidung ist hiernach ausgeschlossen (vgl. Zöller/Herget, a.a.O., § 707 Rdnr. 22). Eine Beschwerde ist insoweit auch nicht ausnahmsweise unter dem Gesichtspunkt einer greifbaren Gesetzeswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung statthaft. Nach der Neuregelung des Beschwerderechts durch das Zivilprozessreformgesetz ist ein außerordentliches Rechtsmittel grundsätzlich selbst dann nicht mehr statthaft, wenn die beanstandete Entscheidung "greifbar gesetzeswidrig" ist (vgl. BGH v. 7.3.2002 - IX ZB 11/02, BGHZ 150, 133 = NJW 2002, 1577 = MDR 2002, 901; KG v. 29.5.2002 - 26 W 114/02, MDR 2002, 1086; OLG Frankfurt v. 29.8.2002 - 26 W 102/02, NJW-RR 2003, 140; Zöller/Gummer, a.a.O., Vor § 567 Rdnr. 7 m. w. N.). Das gilt auch für Entscheidungen nach § 707 ZPO (vgl. Zöller/Herget, a.a.O., § 707 Rdnr. 22). Vorsorglich weist der Senat allerdings darauf hin, dass es dem Beklagten unbenommen bleibt, jederzeit einen neuen Einstellungsantrag zu stellen, über welchen das Landgericht dann erneut zu entscheiden hat. Hierbei wird das Landgericht zu berücksichtigen haben, dass dem Beklagten bereits die Klageschrift und die Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens nicht wirksam zugestellt worden sind. III. Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen, weil entstandene Kosten Teil der Prozesskosten sind und als solche ggf. bei der Hauptsachentscheidung zu berücksichtigen sind.

Ende der Entscheidung

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