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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 16.10.2006
Aktenzeichen: I-16 W 57/06
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, InsO


Vorschriften:

ZPO §§ 114 ff.
ZPO § 121
ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 127 Abs. 4
BGB § 133
BGB § 134
BGB § 135
BGB § 138
BGB § 138 Abs. 1
BGB § 157
InsO §§ 286 ff.
InsO § 287 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 24. April 2006 wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal vom 6. April 2004 abgeändert.

Der Klägerin wird zur Durchführung der am 21. Februar 2006 beim Landgericht eingereichten Klage Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin ... in ... bewilligt. Raten werden nicht erhoben. Die Bewilligung gilt ab Antragstellung.

Der Beschwerdewert wird auf bis zu 35.000,-- € festgesetzt.

Gründe:

Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte sowie fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Klägerin, mit der sie sich dagegen wendet, dass das Landgericht ihren auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gerichteten Antrag für die von ihr am 21. Februar 2006 beim Landgericht eingereichte Vollstreckungsgegenklage zurückgewiesen hat, hat Erfolg. Auf ihre sofortige Beschwerde ist der Klägerin Prozesskostenhilfe zu bewilligen.

I.

Die Voraussetzungen, unter denen einer Partei für die beabsichtigte Rechtsverfolgung gemäß §§ 114 ff. ZPO Prozesskostenhilfe zu bewilligen ist, liegen vor.

1.

Die von der Klägerin erhobene Vollstreckungsklage (§ 767 ZPO) hat entgegen der Auffassung des Landgerichts hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde des Notars Dr. ... in ... vom 28. März 2000 ist nach derzeitigem Sach- und Streitstand unzulässig. Denn die von der Klägerin in der notariellen Grundschuldbestellungsurkunde des Notars Dr. ... in ... vom 28. März 2000 übernommene persönliche Haftung verstößt gegen die guten Sitten (§ 138 Abs. 1 BGB) und ist deshalb nichtig. Sie überforderte die Klägerin finanziell in krasser Weise, ohne dass sich für die Beklagte berechtigte entlastende Umstände anführen lassen.

a)

Die Klägerin ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht echte Mitdarlehensnehmerin, sondern nur Mithaftende.

Die Qualifizierung der von der Klägerin übernommenen Verpflichtung als Darlehensschuld oder als Beitrittsschuld ist davon abhängig, ob die Klägerin als gleichberechtigte Vertragspartnerin neben ihrem damaligen Ehemann einen Anspruch auf Auszahlung der Darlehensvaluta hatte und deshalb gleichgründig zur Rückzahlung des Darlehens verpflichtet sein sollte, oder ob sie aus dem Darlehensvertrag selbst keine Rechte erwerben, sondern der Beklagten nur zu Sicherungszwecken haften sollte.

Maßgebend für die Abgrenzung zwischen der Begründung einer echten Mitdarlehensnehmerschaft und einer Mithaftungsübernahme des Kreditgebers ist die von den Vertragsparteien tatsächlich gewollte Rechtsfolge (vgl. BGH, NJW-RR 2004, 924; NJW 2005, 973, 975). Die Privatautonomie schließt in den Grenzen der §§ 134 und 135 BGB die Freiheit der Wahl der Rechtsfolgen und damit des vereinbarten Vertragstyps ein, umfasst allerdings nicht die Freiheit zu dessen beliebiger rechtlicher Qualifikation (BGH, NJW-RR 2004, 924; NJW 2005, 973, 974). Die kreditgebende Bank hat es deshalb nicht in der Hand, durch eine im Darlehensvertrag einseitig gewählte Formulierung wie "Mitdarlehensnehmer", "Mitantragsteller", "Mitschuldner" oder dergleichen einen materiell-rechtlich bloß Mithaftenden zu einem gleichberechtigten Mitdarlehensnehmer zu machen und dadurch den weit reichenden Nichtigkeitsfolgen des § 138 BGB zu entgehen (vgl. BGH, NJW 2002, 744; NJW 2002, 2705 f., NJW-RR 2004, 924; NJW 2005, 973). Maßgeblich ist vielmehr der wirkliche Parteiwille bei Abschluss des Darlehensvertrags. Dieser ist in Streitfällen im Wege der Vertragsauslegung nach §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Zu den anerkannten Auslegungssätzen gehören dabei die Maßgeblichkeit des Vertragswortlauts als Ausgangspunkt jeder Auslegung und die Berücksichtigung der Interessenlage der Vertragspartner (vgl. BGH, NJW-RR 2004, 924; NJW 2005, 973, 974).

Zwar spricht hier der Wortlaut des Darlehensvertrages vom 30. März 2000 für eine echte Mitvertragspartnerschaft der Klägerin. Sie ist im Kreditvertrag ebenso wie ihr damaliger Ehemann als "Darlehensnehmer" bezeichnet. Eine Vertragsauslegung kann aber zu einem vom Wortlaut abweichenden Ergebnis gelangen, wenn sich ein dies rechtfertigender übereinstimmender Wille der Vertragspartner feststellen lässt (vgl. BGH, NJW 2005, 973, 974). Überdies ist dem Wortlaut angesichts der Stärke der Verhandlungsposition der kreditgebenden Bank und der Verwendung von Vertragsformularen in Fällen der vorliegenden Art grundsätzlich weniger Bedeutung beizumessen als sonst (vgl. BGH, NJW 2005, 973, 974). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist als echter Mitdarlehensnehmer daher ungeachtet der Vertragsbezeichnung in aller Regel nur derjenige anzusehen, der für den Darlehensgeber erkennbar ein eigenes sachliches und/oder persönliches Interesse an der Kreditaufnahme hat sowie als im Wesentlichen gleichberechtigter Partner über die Auszahlung bzw. Verwendung der Darlehensvaluta mitentscheiden darf (vgl. BGHZ 146, 37, 41 = NJW 2001, 815; BGH, NJW 1999, 135; NJW 2002, 744; NJW 2002, 2705; NJW-RR 2004, 924; NJW 2005, 973, 974).

Beides ist hier nicht feststellbar. Die Kreditaufnahme über 140.000,-- DM diente nach dem übereinstimmenden Willen der Vertragsschließenden ausschließlich zur (teilweisen) Finanzierung des Kaufpreises für eine Immobilie, welche der damalige Ehemann der Klägerin mit notariellem Kaufvertrag vom 8. März 2000 und damit bereits vor Abschluss des Darlehensvertrages vom 30. März 2000 sowie vor der Abgabe des notariellen Schuldversprechens vom 28. März 2000 alleine erworben hatte. Alles das war der Beklagten bekannt. Am Erwerb der Immobilie hatte die Klägerin kein eigenes unmittelbares sachliches oder persönliches Interesse. Der Umstand, dass die zu finanzierende Immobilie von der aus den Eheleuten, der Tochter der Klägerin aus erster Ehe sowie dem gemeinsamen Kind der Eheleute, dessen Geburt bevorstand, bewohnt werden sollte, stellte nur einen regelmäßig nicht einmal zuverlässig feststellbaren und häufig nur flüchtigen mittelbaren Vorteil aus der Kreditaufnahme dar (vgl. BGH, NJW 2002, 2705, 2706; NJW 2000, 1182, 1184; OLG Celle, NJW 2004, 2598, 2599; vgl. a. Nobbe/Kichhof, BKR 2001, 5, 13). Ein solch lediglich mittelbarer Vorteil aus der Kreditaufnahme reicht für die Qualifizierung der Vertragspartei als echter Mitdarlehensnehmer grundsätzlich nicht aus. Daran ändert sich selbst dann nichts, wenn der auf dem Immobilienerwerb beruhende Vermögenszuwachs des geschiedenen Ehemannes der Klägerin - eben nur indirekt - Einfluss auf einen der Klägerin gegebenenfalls zustehenden Zugewinnausgleich haben sollte (vgl. OLG Celle, NJW 2004, 2598, 2599). Nach dem Vorbringen der Klägerin konnte sie tatsächlich auch nicht über Auszahlung und Verwendung der Darlehensmittel mitentscheiden. Die Entscheidung über die Kreditaufnahme war nach ihrem Vorbringen allein von ihrem damaligen Ehemann getroffen worden. Die Kreditmittelverwendung stand von vornherein fest. Der Verwendungszweck war von ihrem damaligen Ehemann mit der Beklagten besprochen und festgelegt worden. An den Kreditverhandlungen war sie nicht beteiligt. Hierfür ist bislang jedenfalls nichts dargetan und auch nichts ersichtlich.

Damit liegen hier aber keine Umstände oder Verhältnisse vor, die die Klägerin trotz ihrer fehlenden (Mit-)Eigentümerstellung an der erworbenen Immobilie nach dem Willen verständiger und redlicher Vertragsparteien als gleichgestellte Mitdarlehensnehmerin neben ihrem damaligen Ehemann erscheinen lassen.

Entgegen der Ansicht der Beklagten zeigt sich die Stellung der Klägerin als gleichberechtigte Kreditnehmerin auch nicht daran, dass die Zins- und Tilgungsleistungen einem Gemeinschaftskonto der Eheleute belastet worden sein sollen. Zwar kann in der vertragsgemäßen Bedienung des aufgenommenen Darlehens durch einen Vertragsteil durchaus eine für die Vertragsauslegung bedeutsame Indiztatsache liegen (vgl. BGH, NJW-RR 2004, 924; NJW 2005, 973, 975). Dies setzt aber grundsätzlich voraus, dass aus der maßgebenden Sicht eines rational handelnden Kreditgebers bereits konkrete Anhaltspunkte für ein unmittelbares Eigeninteresse des Betroffenen an der Kreditgewährung bestehen. Anderenfalls - so auch hier - ist das Beweisanzeichen nicht stark genug, um im Wege der Vertragsauslegung auf eine echte Mitgläubigerschaft zu schließen (vgl. BGH, NJW 2005, 973, 975).

Gegen eine echte Mitdarlehensnehmerschaft der Klägerin spricht schließlich auch, dass im Rubrum der notariellen Urkunde vom 28. März 2000 nur der damalige Ehemann der Klägerin als "Darlehensnehmer" bezeichnet ist, nicht hingegen die Klägerin. Diese wird in der notariellen Urkunde lediglich durch den vorformulierten Klammerzusatz "(Darlehensnehmer)" bei der persönlichen Haftungsübernahme und Zwangsvollstreckungsunterwerfung - plötzlich - ebenfalls als Darlehensnehmerin bezeichnet.

Damit hat die Klägerin bei Würdigung der objektiven Umstände zur Absicherung des Kredits ihres damaligen Ehemannes lediglich die Mithaftung übernommen.

b)

Die Übernahme der Mithaftung oder der Bürgschaft durch einen privaten Sicherungsgeber für nicht ganz unerhebliche Verbindlichkeiten eines Dritten kann anerkanntermaßen gemäß § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig und nichtig sein, wenn der Mithaftende oder Bürge hierdurch finanziell krass überfordert wird. Nach inzwischen übereinstimmender Rechtsprechung des IX. und XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs liegt eine finanziell krasse Überforderung des Mithaftenden oder Bürgen bei nicht ganz geringen Bankschulden grundsätzlich vor, wenn er voraussichtlich nicht einmal die von den Darlehensvertragsparteien festgelegte Zinslast aus dem pfändbaren Teil seines Einkommens und Vermögens bei Eintritt des Sicherungsfalls dauerhaft tragen kann. In einem solchen Fall krasser finanzieller Überforderung ist nach der allgemeinen Lebenserfahrung ohne Hinzutreten weiterer Umstände widerleglich zu vermuten, dass der dem Hauptschuldner persönlich nahestehende Bürge oder Mithaftende die für ihn ruinöse Personalsicherheit allein aus emotionaler Verbundenheit mit dem Hauptschuldner übernommen und der Kreditgeber dies in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat (vgl. BGHZ 136, 347, 351 = NJW 1997, 3372; BGHZ 146, 37, 42 = NJW 2001, 815; BGHZ 151, 34, 37 = NJW 2002, 2228; BGHZ 156, 302, 307 = NJW 2004, 161; BGH, NJW 2000, 1182, 1183; NJW 2002, 746; NJW 2002, 744 f.; NJW 2002, 2230, 2231; NJW 2002, 2705, 2706; NJW-RR 2004, 337, 338; NJW 2005, 971, 972; NJW 2005, 973, 975).

c) Nach diesen Rechtsgrundsätzen verstößt die von der Beklagten verlangte Mithaftungsübernahme der Klägerin gegen die guten Sitten.

Die Mithaftung überforderte die Klägerin finanziell in krasser Weise. Denn sie selbst war von Anhang an voraussichtlich nicht in der Lage, auch nur die Zinslast aus dem Darlehensvertrag über 140.000,-- DM zu tragen. Die Klägerin hatte zum Zeitpunkt der Darlehensaufnahme kein eigenes Einkommen. Nach ihrem Vorbringen besaß sie auch kein eigenes Vermögen. Soweit die Beklagte vorträgt, die Klägerin habe gegenüber ihren Mitarbeitern bekundet, sie verfüge über erheblichen Grundbesitz in Russland, ist ihr Vorbringen ohne Substanz. Davon, dass die Klägerin künftig in der Lage sein würde, die Zinslast aus dem Darlehensvertrag dauerhaft alleine zu tragen, konnte und durfte die Beklagte nicht ausgehen. Die Klägerin war russische Staatsangehörige und hatte nach ihrem Vorbringen noch bis zu ihrer Hochzeit im Juni 1999 in Russland gelebt. Nach ihrem Vorbringen war sie seinerzeit der deutschen Sprache nicht mächtig. Für die Richtigkeit ihres Vorbringens spricht, dass es in der notariellen Urkunde vom 28. März 2000 einleitend heißt, dass die Klägerin russisch spricht und deshalb eine Dolmetscherin hinzugezogen wurde (Bl. 6 GA). Die Klägerin war bei Abschluss des Kreditvertrages außerdem hochschwanger und hatte bereits für eine Tochter aus erster Ehe im Alter von 13 Jahren zu sorgen. Dass sie in den ersten Jahren nach Abschluss des Kreditvertrages einer Beschäftigung nachgehen würde, war nicht zu erwarten. Auch danach war allenfalls mit der Aufnahme einer geringfügigen Beschäftigung zu rechnen. Dass sie alleine aus dem pfändbaren Teil des aus einer solchen Beschäftigung erzielbaren Einkommens bei Eintritt des Sicherungsfalls die Zinslast aus dem Darlehen dauerhaft hätte tragen können, war nicht anzunehmen.

Bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Klägerin ist das Leistungsvermögen ihres damaligen Ehemanns nicht zu berücksichtigen. Die Bürgschaft oder Mithaftung wird in aller Regel gerade für den Fall der Insolvenz des Hauptschuldners oder anderer Leistungshindernisse vereinbart. Auf diese Situation ist deshalb nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. z. B. BGHZ 146, 37, 43 = NJW 2001, 815; BGH, NJW 2002, 2705, 2706; NJW 2005, 973. 975) im Rahmen der Prüfung der finanziellen Möglichkeiten des mitverpflichteten Ehepartners abzustellen.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts ändert an der finanziellen Überforderung der Klägerin auch die von ihrem damaligen Ehemann bestellte Grundschuld in Höhe von 320.000,-- DM nichts. Zwar sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anderweitige Sicherheitsleistungen des Kreditnehmers - vor allem dingliche Sicherheiten - dann zu berücksichtigen, wenn sie das Haftungsrisiko des Betroffenen in rechtlich gesicherter Weise auf ein vertretbares Maß beschränken (vgl. BGHZ 136, 347, 352 f. = NJW 1997, 3372; BGHZ 146, 37, 44 = NJW 2001, 815; BGH, NJW 2002, 2705, 2706; Nobbe/Kirchhof, BKR 2001, 5, 10). Diese engen Voraussetzungen erfüllt eine Grundschuld, die nicht nur das Darlehen, sondern auch alle gegenwärtigen und künftigen Forderungen der Bank gegen den Kreditnehmer sichern soll, nicht (BGH, NJW 2002, 2705, 2706; vgl. a. Nobbe/Kirchhof, BKR 2001, 5, 10). Dass dies auch hier der Fall ist, macht die Klägerin allerdings nicht geltend und dies kann der Senat auch nicht feststellen, weil die in dem Darlehensvertrag in Bezug genommenen "besonderen Sicherungszweckerklärungen" nicht vorliegen. Gleichwohl hat sich hier das Haftungsrisiko der Klägerin durch die Grundschuld aber nicht auf ein vertretbares Maß beschränkt. Die Grundschuld war tatsächlich nicht so werthaltig, dass sie eine übermäßige Inanspruchnahme der Klägerin hätte verhindern können. Nach Verwertung der Immobilie belief sich die Restschuld immer noch auf 33.928,33 € (Bl. 38 GA). Die Klägerin alleine war angesichts ihrer persönlichen und finanziellen Verhältnisse voraussichtlich auch nicht in der Lage, die vereinbarten Zinsen in Höhe von jährlich 6,55 % aus einem Darlehen in dieser Höhe zu tragen. Soweit das Landgericht der Ansicht ist, die Beklagte habe bei Abschluss des Darlehensvertrages damit rechnen dürfen, dass die Verwertung des Grundstücks zu ihrer Befriedigung führen würde, und es nicht erkennbar gewesen sei, dass bei der Klägerin auch nach einer Verwertung des Grundstücks eine Restschuld in der Größenordnung, wie sie sich dann realisiert habe, verbleiben würde, kann der Senat dem nicht beitreten. Zum einen hätte in diesem Falle aus Sicht der Sparkasse keine Veranlassung bestanden, die Klägerin eine Mithaftung übernehmen zu lassen. Zum anderen, und dem kommt entscheidende Bedeutung zu, ist bislang weder dargetan noch ersichtlich, dass der Wert der Immobilie bei Abschluss des Kreditvertrages tatsächlich dem vom damaligen Ehemann der Klägerin gezahlten Kaufpreis von 320.000,-- DM entsprach. Dass die Beklagte seinerzeit ein Wertgutachten eingeholt hat, ist nicht dargetan.

Der nach Verwertung der Immobilie noch offene Betrag ist schließlich auch nicht so gering, dass die vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätze zur Sittenwidrigkeit von Bürgschaften naher Angehöriger vorliegend nicht anwendbar sind. Der Bundesgerichtshof hat wiederholt deutlich gemacht, dass die in Rede stehenden Grundsätze bereits "bei nicht ganz geringen Bankschulden" Geltung beanspruchen (vgl. z.B. BGHZ 156, 302, 306 = NJW 2004, 161). Der Senat sieht keine Veranlassung, den Versuch zu unternehmen, insoweit eine allgemeine Grenze zu bestimmen. Jedenfalls dann, wenn der Bürge oder Mithaftende über keine oder nur über relativ geringfügige Einkünfte verfügt, ist auch eine Schuld von über 33.000,-- € in dem genannten Sinne als nicht ganz gering anzusehen (vgl. a. OLG Celle, ZIP 2005, 1911, 1913).

d)

Die Rechtsprechung zur Nichtigkeit von den Bürgen krass überfordernden Bürgschaftsverträgen ist nach zutreffender, vom Senat geteilter Auffassung auch nach Inkrafttreten der Insolvenzordnung aufrechtzuerhalten (vgl. OLG Frankfurt, NJW 2004, 2392, 2393; LG Mönchengladbach, NJW 2006, 67, 68 f.; Wagner, NJW 2005, 2956 ff.; vgl. a. OLG Celle, ZIP 2005, 1911, 1913).

Zwar beruht die Rechtsprechung zur Sittenwidrigkeit von Bürgschaftsverträgen u.a. darauf, dass der Bürge vor einer lebenslangen Überschuldung geschützt werden soll. Durch die Möglichkeit der Restschuldbefreiung kann der Eintritt einer solch fatalen Situation vermieden werden. Allerdings müssen in diesem Zusammenhang dogmatischer Ansatz und Zielrichtung der Restschuldbefreiung nach §§ 286 ff. InsO auf der einen Seite und der Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB auf der anderen Seite berücksichtigt werden. Die Sittenwidrigkeit hat Einfluss auf die Wirksamkeit der vertraglichen Bindung, betrifft also den Vertragsschluss. Die (nachträgliche) Restschuldbefreiung mit der sie beinhaltenden Abtretung der pfändbaren Bezüge aus einem Dienstverhältnis auf die Dauer von sechs Jahren, § 287 Abs. 2 InsO, kann dagegen nicht die Sittenwidrigkeit selbst beeinflussen, sondern stellt einen umständlichen, lang andauernden Weg dar, um sich ohne oder mit geringem finanziellen Aufwand weit höherer Verpflichtungen entledigen zu können. Die Restschuldbefreiung als Norm des sozialen Schutzes dient demnach strukturell einem ganz anderen Ziel als die rechtliche Sanktion des § 138 BGB. Sie soll dem redlichen Schuldner einen wirtschaftlichen Neuanfang aus einer Verschuldung auf Grund wirksamer Schuldrechtsverpflichtungen ermöglichen, während es bei § 138 BGB um eine Begrenzung der Vertragsfreiheit geht (OLG Frankfurt, NJW 2004, 2392, 2393; LG Mönchengladbach, NJW 2006, 67, 69). Dass der Gesetzgeber mit der Einführung der Restschuldbefreiung auch die Fälle der "Angehörigenbürgschaft" neu regeln wollte, lässt sich den Gesetzgebungsmaterialien nicht entnehmen (vgl. Wagner, NJW 2005, 2956, 2957 f.). Außerdem lässt sich bei Vertragsschluss noch gar nicht sagen, ob der Bürge oder Mithaftende im Insolvenzfalle tatsächlich in den Genuss einer Restschuldbefreiung kommt. Denn sie wird nicht automatisch, sondern auf Antrag des Schuldners durch das Insolvenzgericht bewilligt. Unter bestimmten Voraussetzungen hat das Insolvenzgericht die Restschuldbefreiung jedoch zu versagen (§§ 290, 296, 297 InsO) oder zu widerrufen (§ 303 InsO). Die Restschuldbefreiung ist eine vom Gesetz eingeräumte Möglichkeit, die aber im Einzelfall nicht zum Tragen kommen kann und deswegen nicht per se die Sittenwidrigkeit einer den Bürgen finanziell krass überfordernden Bürgschaft ausschließt. Dass die Versagung oder der Widerruf der Restschuldbefreiung in der Regel auf Obliegenheitsverletzungen des Schuldners beruht, ist in diesem Kontext unerheblich, weil die insolvenzrechtliche Obliegenheitsverletzung keinen Bezug zum Bürgschaftsverhältnis haben muss und eine außerhalb der konkreten Vertragspflichten liegende Pflichtverletzung es allein nicht rechtfertigt, den Bürgen einer durch die (sittenwidrige) Bürgschaft bedingten lebenslangen Überschuldung auszusetzen (LG Mönchengladbach, NJW 2006, 67, 69). Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass auch die Pfändungsfreigrenzen der Zivilprozessordnung dem Schuldner das wirtschaftliche Überleben sichern sollen, ohne dass die Rechtsprechung daraus die Schlussfolgerung gezogen hätte, dass deswegen die Bürgschaften nicht als sittenwidrig anzusehen seien (LG Mönchengladbach, NJW 2006, 67, 69).

e) Soweit die Klägerin durch die Mitunterzeichnung des Darlehensvertrages zur Absicherung des Kredits ihres damaligen Ehemannes im Wege des Schuldbeitritts die Mithaftung übernommen hat, verstößt diese damit nach derzeitigem Sach- und Streitstand gegen die guten Sitten (§ 138 Abs. 1 BGB) und ist deshalb nichtig. Nichts anderes gilt für das streitgegenständliche notarielle Schuldanerkenntnis, welches von der Klägerin ebenfalls zur Absicherung des Kredits ihres damaligen Ehemannes abgegeben wurde.

2. Der Klägerin hat dargetan und glaubhaft gemacht, dass sie nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung aufzubringen.

II.

Damit ist der angefochtene Beschluss abzuändern und der Klägerin ratenfreie Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Die Entscheidung über die Beiordnung des Rechtsanwalts beruht auf § 121 ZPO.

Eine Anordnung der Kostenerstattung im Beschwerdeverfahren unterbleibt gemäß § 127 Abs. 4 ZPO.

Ende der Entscheidung

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