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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 11.07.2008
Aktenzeichen: I-17 U 140/07
Rechtsgebiete: HGB, BGB


Vorschriften:

HGB §§ 74 ff.
HGB § 74 Abs. 2
HGB § 75 d
BGB § 138 Abs. 1
BGB § 286
BGB § 288 Abs. 1
BGB § 305 Abs. 1
BGB §§ 307 ff.
BGB § 343
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 29.06.2007 verkündete Urteil des Vorsitzenden der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Mönchengladbach wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor zu 2) wie folgt lautet:

Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin 20 % der Jahresbruttoumsätze, die er in der Zeit vom 1. Oktober 2006 bis zum 30. September 2008 mit solchen Mandanten tätigen wird, die am 30. September 2003 in einem steuerberaterlichen Auftragsverhältnis zur Klägerin standen und die in den anschließenden 2 Jahren den Beklagten beauftragt haben, zu zahlen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe:

I.

Die Klägerin, deren Gesellschafter der Beklagte bis zum 31.12.2002 und deren Geschäftsführer er bis zum 30.09.2003 war, nimmt den Beklagten aus einem im Geschäftsführervertrag vereinbarten Wettbewerbsverbot in Anspruch. Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen, durch das der Beklagte zur Zahlung von 19.893,44 EUR nebst Zinsen verurteilt und festgestellt worden ist, dass der Beklagte verpflichtet ist 20 % der in der Zeit vom 01.10.2006 bis zum 30.09.2008 mit ehemaligen Mandanten der Sozietät erzielten Umsätze an die Klägerin zu zahlen. Nach der Auffassung des Landgerichts enthält § 6 Abs. 2 des Gesellschafter-Geschäftsführervertrages ein wirksames Wettbewerbsverbot und § 6 Abs. 3 die wirksame Vereinbarung einer Vertragsstrafe.

Mit der Berufung rügt der Beklagte, § 6 Abs. 2 des Geschäftsführervertrages sei unwirksam, weil entgegen § 74 Abs. 2 HGB keine Entschädigung vorgesehen sei; als Minderheitsgesellschafter mit einer Beteiligung von 12,5 % und nicht allein vertretungsberechtigter Geschäftsführer habe er keine herausgehobene unternehmergleiche Stellung innegehabt, sondern sei einem angestellten Steuerberater vergleichbar gewesen. Jedenfalls sei die Regelung im Geschäftsführervertrag unwirksam, weil § 6 Abs. 3 faktisch eine Ausdehnung des Wettbewerbsverbots über 2 Jahre hinaus zur Folge habe.

Der Beklagte beantragt,

das am 29.Juni 2007 verkündete Urteil des Landgerichts Mönchengladbach - 7 O 9/07 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin fasst den erstinstanzlich gestellten Feststellungsantrag dahin, dass er vor dem letzten Komma um den Zusatz ergänzt werden soll: " ... und die in den anschließenden 2 Jahren den Beklagten beauftragt haben", und beantragt mit dieser Maßgabe,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und weist darauf hin, es sei dem Beklagten unbenommen, nach Ablauf von 2 Jahren Mandate früherer Mandanten anzunehmen; die 5-Jahres-Frist betreffe lediglich eine Zahlungsmodalität.

Wegen der Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

1.

Die Klägerin hat einen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung von 19.893,44 EUR aus § 6 Abs. 3 des zwischen den Parteien geschlossenen Geschäftsführervertrages vom 01.07.1998.

a)

Die Voraussetzungen dieser Regelung sind erfüllt.

Unstreitig hat der Beklagte entgegen der in § 6 Abs. 2 des Vertrages übernommenen Verpflichtung innerhalb von 2 Jahren nach seinem Ausscheiden Aufträge von Mandanten angenommen, die zuvor der Klägerin Aufträge erteilt hatten. Unstreitig ist auch, dass er aus diesen Mandaten nach der als Anlage zur Klageschrift vorgelegten Aufstellung (Bl. 36 - 38 GA) in der Zeit vom 01.10.2005 bis zum 30.09.2006 Honorareinnahmen in Höhe von 99.467,22 EUR brutto erzielt hat. Der ausgeurteilte Betrag von 19.893,44 EUR entspricht 20 % dieser Summe. Sollte die Zahlungspflicht aus § 6 Abs. 3, wie es bei Vertragsstrafen der Fall ist, nur bei schuldhaften Verstößen gegen § 6 Abs. 2 entstehen, wäre auch diese Voraussetzung erfüllt: Der Beklagte wusste und wollte, dass er Aufträge von früheren Mandanten der Klägerin annahm.

b)

Die Regelungen in § 6 Abs. 2, 3 des Geschäftsführervertrages sind wirksam.

aa)

Das in § 6 Abs. 2 normierte Verbot, Aufträge von Mandanten der Sozietät anzunehmen, ist weder gem. §§ 74 Abs. 2, 75 d HGB noch gem. § 138 Abs. 1 BGB nichtig.

(1)

§ 74 Abs. 2 HGB gilt für den Beklagten als früheren Geschäftsführer nicht.

Zwar wird die Vorschrift über ihren Wortlaut hinaus nicht nur auf Handlungsgehilfen, sondern auf alle Arbeitnehmer angewandt (Boecken in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Aufl., § 74, Rn. 7). Der Beklagte wurde aber dadurch, dass seine Gesellschafterstellung bereits 9 Monate vor seiner Geschäftsführerstellung geendet hat, weder zum Arbeitnehmer der Klägerin noch zu einer arbeitnehmerähnlichen Person. Es ist anerkannt, dass § 74 Abs. 2 HGB gegenüber Organmitgliedern von Kapitalgesellschaften, zu denen auch der Fremdgeschäftsführer einer GmbH gehört, nicht gilt; die Gesellschaft soll sich durch Vereinbarungen mit ihrem Geschäftsführer davor bewahren können, dass dieser die in dem Unternehmen erlangten Kenntnisse und Verbindungen zu ihrem Schaden ausnutzt, ohne dass sie dabei den Beschränkungen der starren, auf ganz anders geartete Rechtsverhältnisse zugeschnittenen sozialen Schutzrechte der §§ 74 ff. HGB unterworfen wird (BGH NJW 1992, 1892; BGH NJW 2002, 1875; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, 18. Aufl., § 35, Rn. 197; Boecken in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Aufl., § 74, Rn. 7).

(2)

Das Wettbewerbsverbot gem. § 6 Abs. 2 des Geschäftsführervertrages ist nicht gem. § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig und nichtig.

Nachvertragliche Wettbewerbsverbote verstoßen mit Rücksicht auf die grundgesetzlich geschützte Berufsausübungsfreiheit nur dann nicht gegen die guten Sitten, wenn und soweit sie notwendig sind, um die Partner des Ausgeschiedenen vor einer illoyalen Verwertung der Erfolge der gemeinsamen Arbeit zu schützen; sie dürfen nicht dazu dienen, den früheren Mitgesellschafter und Geschäftsführer als Wettbewerber auszuschalten. Ihre Wirksamkeit hängt daher grundsätzlich davon ab, dass sie in räumlicher, gegenständlicher und zeitlicher Hinsicht das notwendige Maß nicht überschreiten (st. Rspr. des BGH, vgl. BGH NJW 2005, 3061 m.w.N.).

Eine hinreichende gegenständliche und räumliche Begrenzung weist § 6 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages dadurch auf, dass das Wettbewerbsverbot sich als sogenannte Mandantenschutzklausel allein auf die bisherigen Mandanten der Sozietät bezieht (vgl. BGH NJW 2000, 2584). Da die Klägerin, wie sich aus Ziff. 9 des Gesellschafterbeschlusses vom 23.10.2002 ergibt, auf die Einhaltung des in § 19 des Gesellschaftsvertrages vereinbarten Wettbewerbsverbots im Umkreis von 50 km Luftlinie gegen Zahlung von 5.000 EUR verzichtet hat, war der Beklagte nicht gehindert, alle anderen denkbaren Mandanten am Ort der Sozietät wie auch anderenorts zu betreuen.

In zeitlicher Hinsicht entspricht § 6 Abs. 2 des Geschäftsführervertrages ebenfalls den Anforderungen. Eine zwei Jahre überschreitende Verbotsfrist ist in aller Regel unangemessen, weil sich die geknüpften Mandantenbeziehungen nach Ablauf dieser Zeitspanne typischerweise weitgehend gelöst haben (BGH NJW 2004, 66; MünchKommBGB-Armbrüster, 5. Aufl., § 138, Rn. 79). Auch bei Mandantenschutzklauseln ist die Zwei-Jahres-Grenze einzuhalten (BGH NJW 2000, 2584). Die vereinbarte Verpflichtung des Beklagten, keinen Auftrag eines Mandanten der Sozietät anzunehmen, ist ausdrücklich auf diesen Zeitraum beschränkt. Dass § 6 Abs. 3 die Verpflichtung enthält, im Falle eines Verstoßes gegen Abs. 2 fünf Jahre lang einen Teil der eingenommenen Honorare an die Klägerin abzuführen, bedeutet entgegen der Auffassung des Beklagten nicht, dass er für mehr als zwei Jahre in der Annahme von Mandaten eingeschränkt worden wäre. Nimmt er mehr als zwei Jahre nach seinem Ausscheiden einen Auftrag von einem früheren Mandanten der Klägerin an, löst das die Zahlungspflicht gem. Abs. 3 nicht aus.

Eine übermäßige Beschränkung der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit des Beklagten, der nach Ziff. 4, 5 des Gesellschafterbeschlusses vom 23.10.2002 von seinen Mitgesellschaftern für die Abtretung seiner Geschäftsanteile einen Kaufpreis von 135.000 EUR erhalten hat, kann danach nicht festgestellt werden.

bb)

Auch die in § 6 Abs. 3 des Geschäftsführervertrages normierte Zahlungspflicht ist rechtlich nicht zu beanstanden.

(1)

Sollte es sich, wie das Landgericht angenommen hat, um die Vereinbarung einer Vertragsstrafe für den Fall von Verstößen gegen das in Abs. 2 normierte Wettbewerbsverbot handeln, ist diese wirksam.

Ein Verstoß gegen § 138 Abs. 1 BGB ist nicht erkennbar. Mit 20 % des innerhalb von fünf Jahren erzielten Honorars aus Aufträgen der Mandanten, von denen der Beklagte unter Verstoß gegen § 6 Abs. 2 Aufträge angenommen hat, ist die Vertragsstrafe nicht unverhältnismäßig überhöht. Der zu zahlende Betrag entspricht bei gleichbleibendem Auftragsumfang einem Jahreshonorar und damit in etwa der Hälfte der durch den Verstoß gegen das zweijährige Wettbewerbsverbot erzielten Einnahmen. Ein Jahresumsatz ist auch die Bemessungsgröße, nach der sich gem. § 17 des Gesellschaftsvertrages die im Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters zu zahlende Abfindung richten sollte. Die Vertragsstrafe liegt nur dann deutlich über einem Jahreshonorar, wenn das Volumen der Aufträge, die der Beklagte von den früheren Mandanten der Sozietät erhält, sich im Lauf der fünf Jahre nach seinem Ausscheiden stark erhöht. Andererseits unterschreitet sie das im ersten Jahr erzielte Honorar, wenn der Auftragsumfang sich in den Folgejahren verringert. Dass die Parteien des Geschäftsführervertrages dies bei der Vereinbarung der pauschal an dem Umsatz von fünf Jahren orientierten Vertragsstrafe in Kauf genommen haben, führt nicht dazu, dass die Regelung in sittenwidriger Weise einseitig und grob unangemessen wäre.

§§ 307 ff. BGB sind nicht anwendbar; dass es sich bei den Klauseln des Geschäftsführervertrages um Allgemeine Geschäftsbedingungen i.S.v. § 305 Abs. 1 BGB handelte, geht aus dem Vortrag des Beklagten nicht hervor.

Eine Herabsetzung der Vertragsstrafe gem. § 343 BGB beantragt der Beklagte nicht. Er trägt auch keine Tatsachen vor, aus denen sich eine unangemessene Höhe der Vertragsstrafe ergäbe.

(2)

§ 6 Abs. 3 des Geschäftsführervertrages ist auch dann nicht unwirksam, wenn die Regelung - der Rechtsauffassung des Beklagten entsprechend - nicht als Vereinbarung einer Vertragsstrafe, sondern als Mandantenübernahmeklausel aufgefasst wird. Selbst wenn sie dazu führte, dass dem Beklagten im Ergebnis die Übernahme der Mandate untersagt würde, weil sich ihre Bearbeitung wirtschaftlich nicht lohnte (so der Ansatz des Bundesarbeitsgerichts in der von dem Beklagten angeführten, ihn als Geschäftsführer nicht unmittelbar betreffenden Entscheidung BAG NZA 2002, 1282), läge keine sittenwidrige Beeinträchtigung seiner Berufsausübungsfreiheit vor, weil, wie ausgeführt, ein auf frühere Mandanten der Sozietät und eine Zeitdauer von zwei Jahren beschränktes Wettbewerbsverbot zulässig ist.

3. Der Feststellungsantrag ist mit der Einschränkung, dass er sich nur auf in den ersten zwei Jahren nach dem Ausscheiden des Beklagten übernommene Mandate bezieht, zulässig und begründet.

Das Feststellungsinteresse der Klägerin ergibt sich daraus, dass der Beklagte seine Zahlungspflicht dem Grunde nach in Abrede stellt und die Erhebung einer Leistungsklage nicht möglich ist, da noch nicht bekannt ist, welche Honorareinnahmen der Beklagte aus den betreffenden Mandaten bis zum 30.09.2008 erzielen wird.

Die Feststellungsantrag ist begründet, weil der Beklagte, wie ausgeführt, die festzustellende Zahlungspflicht in § 6 Abs. 2, 3 des Geschäftsführervertrages wirksam übernommen hat.

4.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 Abs. 1 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe, gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 55.000 EUR festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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