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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 13.12.2006
Aktenzeichen: I-18 U 104/06
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 305b
BGB § 305 c Abs. 2
BGB § 307
ZPO § 287
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 4. Mai 2006 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.

I.

Soweit die Klägerin Ersatz des dem Nachnahmebetrag entsprechenden Warenwerts von 10.380 € begehrt, ist die Klage nach Art. 21 CMR begründet.

1.

Im Rahmen des der CMR unterfallenden Transportauftrages hat die Klägerin der Beklagten im EDI-Versand mit der in der EDV-Maske unter der Rubrik "Zusatzleistungen/Nachnahme" gewählten Option "nur Bargeld" die Weisung erteilt, das Gut nur gegen Nachnahme im Sinne des Einzugs von Geld auszuliefern. So ist bei der hier gegebenen Geltung deutschen Rechts die auf den EDI-Dokumenten sodann aufgedruckte Klausel "COD CASH 519 EUR" zu verstehen (vergleiche Koller, Transportrecht, 5. Aufl., Art. 21 CMR Rdnr. 2), was zwischen den Parteien außer Streit steht.

2.

Mit dieser Auftragserteilung verstieß die Klägerin nicht gegen Ziffer 8.1. der Beförderungsbedingungen der Beklagten.

a)

In den Beförderungsbedingungen der Beklagten heißt es in den hier maßgeblichen Passagen wie folgt:

1. D.

In diesen Bedingungen bedeutet " Frachtbrief " ein einzelner U.-Frachtbrief/Lieferschein oder das auf einem Absendebeleg unter demselben Datum, derselben Empfängeradresse und Serviceart dokumentierte Frachtgut. Alle Pakete unter einem Frachtbrief werden als eine einzige Sendung angesehen.

8. Nachnahmesendungen

...

8.1.

Einziehung von Nachnahmebeträgen in bar: wird U. in dem Frachtbrief in korrekter und eindeutiger Weise angewiesen, ausschließlich Bargeld anzunehmen, wird U. den Nachnahmebetrag in bar in der Währung des Bestimmungslandes einziehen.

Bei Bareinzug von Nachnahmebeträgen beläuft sich der maximal einziehbare Nachnahmebetrag pro Empfänger und Tag auf den Gegenwert von USD 5000 in der jeweiligen Landeswährung. Unbeschadet der vorstehenden Regelung beläuft sich der maximale einziehbare Nachnahmebetrag für Sendungen, die für Empfänger in Frankreich bestimmt sind, auf e 750 pro Empfänger und Tag. ... Gibt der Versender einen Betrag an, der über die vorstehenden Höchstbeträge hinausgeht, ist U. berechtigt, Schecks anzunehmen.

8.2

Einziehung von Nachnahmebeträgen per Scheck: Wird U. in dem Frachtbrief nicht in korrekter und eindeutiger Weise angewiesen, ausschließlich Bargeld anzunehmen, ist U. berechtigt, den Auftrag entweder abzulehnen oder ausnahmsweise als Ersatzzahlungsmittel Schecks jeglicher Art entgegenzunehmen, die auf den Versender ausgestellt sind und in dem Bestimmungsland als amtliches Zahlungsmittel gelten, oder aber Bargeld, und zwar in den Grenzen nach Abschnitt 8.1.

8.3

Alle Schecks ... werden dem Versender entweder auf dem regulären Postweg auf Gefahr des Versenders übermittelt oder dem Versender ... ausgehändigt,...

8.4

Im Fall des Nichterhalts des Nachnahmebetrags oder des Schecks muss der Versender U. schriftlich innerhalb von 45 Tagen nach dem Zustellungsdatum davon in Kenntnis setzen. Andernfalls sind jegliche Ansprüche gegenüber U. aus dem Nachnahmeauftrag ausgeschlossen.

b)

Die Allgemeinen Beförderungsbedingungen der Beklagten sind Vertragsbestandteil geworden. Auf den von der Klägerin ausgedruckten EDI-Dokumenten findet sich der Hinweis, dass der Absender sich mit den Allgemeinen Beförderungsbedingungen/Servicerichtlinien von U. einverstanden erklärt, die über www.U..com zugänglich sind und ebenfalls in den U.-Service-Zentren eingesehen werden können. Hierdurch hat die Beklagte vor Paketübernahme erkennbar auf ihre AGB verwiesen; die Klägerin hat der Geltung der Allgemeinen Beförderungsbedingungen, von denen sie in zumutbarer Weise Kenntnis nehmen konnte, nicht widersprochen. Dies genügt, um im Verkehr mit Unternehmern Allgemeine Geschäftsbedingungen wirksam einzubeziehen (§§ 310 Abs. 1, 14 BGB; vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 63. Aufl., § 305 Rdnrn. 50 bis 54).

c)

In Ziffer 8.1 ihrer Allgemeinen Beförderungsbedingungen bestimmt die Beklagte nicht wirksam, dass sie Barzahlungs-Nachnahmeaufträge nur bis zu einer bestimmten Obergrenze (750 € bzw. 5.000 $) anzunehmen bereit ist. Denn diese Klausel ist insoweit unklar, was gemäß § 305 c Abs. 2 BGB zu Lasten der Beklagten als Verwender geht. Die Klausel kann aus dem Gesamtzusammenhang nämlich dahin verstanden werden, dass die Beklagte zwar Barzahlungs-Nachnahmeaufträge in jeder Höhe annehmen wird, sie sich indes vorbehalten möchte, diese Aufträge nicht immer zu befolgen. Diese Lesart legt der letzte Satz von Ziffer 8.1. nahe, der lautet: "Gibt der Versender einen Betrag an, der über die vorstehenden Höchstbeträge hinausgeht, ist U. berechtigt, Schecks anzunehmen.". Diese "Berechtigung" schließt die Möglichkeit ein, dass die Beklagte bei Überschreiten der Obergrenzen gleichwohl einen Bareinzug vornehmen wird. Dies relativiert damit den Inhalt der vorstehenden Sätze, die mit "maximal einziehbaren Beträgen" zunächst für sich gesehen suggerieren, die Beklagte wolle keine Nachnahmeaufträge annehmen, die oberhalb der Höchstbeträge liegen.

3.

Die Allgemeinen Beförderungsbedingungen der Beklagten berechtigten diese nicht dazu, das Gut, wie geschehen, gegen Scheck auszuliefern.

a)

Mit dem Auftrag, das Gut per Nachnahme auszuliefern und hierbei "nur Bargeld" entgegenzunehmen, hat die Klägerin der Beklagten die individuelle Weisung erteilt, den eingetragenen Nachnahmebetrag in bar zu kassieren. Ziffer 8.1. der Beförderungsbedingungen der Beklagten vermag diese individuell erteilte Anweisung nicht wirksam dahin umzudeuten, dass statt Bargeld doch nur ein Verrechnungsscheck eingezogen werden kann, weil der von dem in Frankreich ansässigen Empfänger einzuziehende Nachnahmebetrag sowohl über 750 € wie auch über 5.000 $ liegt. Dies folgt bereits aus dem Grundsatz, dass Individualvereinbarungen dem Inhalt allgemeiner Geschäftsbedingungen vorgehen, soweit diese, wie hier, der Individualvereinbarung widersprechen, § 305b BGB.

b)

Im übrigen ist, wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 2. Februar 2005 (I-18 U 145/04) ausgeführt hat, Ziffer 8.1. der Beförderungsbedingungen gemäß § 307 BGB unwirksam, soweit hierin ein auf Bargeldeinzug gerichteter Nachnahmeauftrag in einen Auftrag auf Einziehung eines Verrechungsschecks umgedeutet wird, weil diese Bestimmung die Kunden der Beklagten entgegen dem Gebot von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Ein Kunde, der der Beklagten einen Nachnahmeauftrag mit der Anweisung erteilt, Bargeld einzuziehen, gibt damit unmissverständlich zu erkennen, dass der Frachtführer die Warensendung nur aushändigen soll, wenn er im Gegenzug den Kaufpreis sicher erhält. An dem Erhalt eines Verrechungsschecks hat der Kunde für den Frachtführer erkennbar gerade kein Interesse. Denn ein Verrechungsscheck hat - im Gegensatz zu Bargeld - nur dann einen Wert, wenn der Scheck auch gedeckt ist, was der Frachtführer bei Empfangnahme des Schecks nicht überprüfen kann. Händigt der Frachtführer die Warensendung gegen Übergabe eines Verrechungsschecks aus, verliert der Versender jegliche Verfügungsmacht hierüber, obgleich die Bezahlung des Kaufpreises noch nicht gesichert ist.

Für die Umdeutung des Nachnahmeauftrages "Bargeld" in einen Nachnahmeauftrag "Verrechungsscheck" bei Nachnahmebeträgen über 5.000,- $ bzw. über 750 € gibt es auch kein legitimes Interesse der Beklagten. Zwar hat die Beklagte in dem zuvor genannten Verfahren zutreffend darauf hingewiesen, dass sie ein Interesse daran hat, dass ihre Zustellfahrer nicht mit sehr großen Summen Bargeldes unterwegs sind. Dieses Ziel könnte jedoch einfach dadurch erreicht werden, dass die Beklagte keine Nachnahmeaufträge mehr annimmt, wenn der Nachnahmebetrag 5.000,- $ bzw. 750 € überschreitet. Demgegenüber besteht kein anerkennenswertes schützenswertes Interesse der Beklagten daran, einen auf den Einzug von Bargeld gerichteten, angenommenen Nachnahmeauftrag in einen auf Einzug eines Verrechungsschecks gerichteten umdeuten zu dürfen.

4.

Der Anspruch der Klägerin ist nicht nach Ziff. 8.4 der Beförderungsbedingungen der Beklagten ausgeschlossen. Hiernach muss im Fall des Nichterhalts des Nachnahmebetrags oder des Schecks der Versender U. schriftlich innerhalb von 45 Tagen nach dem Zustellungsdatum davon in Kenntnis setzen.

Die Pakete wurden der Empfängerin am 13.04.2005 zugestellt, weswegen die 45-tägige Frist am 28.05.2005 ablief. Die Klägerin hat die Beklagte mit Schreiben vom 27.05.2006 (Anl. K 7, Blatt 61 GA) und damit innerhalb der vorgenannten Frist darauf hingewiesen, den Nachnahmebetrag nicht erhalten zu haben. Zu Unrecht stellt die Beklagte bei der Berechnung der Frist auf den Zugang einer Benachrichtigung über den Nichterhalt des Nachnahmebetrages ab. In Ziff. 8.4 der Beförderungsbedingungen wird für die Berechnung der Frist nicht auf den Zugang der Benachrichtigung bei der Beklagten abgestellt. Zumindest ist diese Klausel insoweit unklar, weswegen die Zweifel, ob nicht die rechtzeitige Absendung der Benachrichtigung ausreicht, zu Lasten der Beklagten gehen.

Ob die Klausel Ziff. 8.4 gegen Art. 41 CMR verstößt und damit unwirksam ist, was zu bejahen sein dürfte, braucht daher nicht entschieden zu werden.

5.

Der bei Nichterhebung einer vereinbarten Nachnahme nach Art. 21 CMR zu ersetzende Schaden reicht bis zur Höhe des Nachnahmebetrages (hier 20 x 519 € = 10.380 €), besteht aber nicht ohne weiteres und stets in dieser Höhe. Die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich des Schadens, den der Frachtführer nach Art. 21 CMR bis zur Höhe des Nachnahmebetrages zu ersetzen hat, trifft grundsätzlich den Ersatzberechtigten (BGH NJW 1992, 621).

Demnach kann der Klägerin der begehrte Betrag der Nachnahme als Schadensersatz nur dann zustehen, wenn feststünde, dass der Empfänger den Betrag gezahlt haben würde, sofern die Beklagte darauf bestanden hätte, oder wenn der Wert der beförderten Waren dem Nachnahmebetrag entsprochen hätte (vgl. BGH, a.a.O.).

Letzteres ist der Fall, weswegen das Landgericht der Klägerin zu Recht einen Anspruch auf Ersatz des dem Nachnahmebetrag entsprechenden Rechnungsbetrages über 10.380 € zugesprochen hat.

Denn die Rechnung (Anl. K 12, Blatt 67 f. GA) und der hiermit korrespondierende Lieferschein (Anl. K 17, Bl. 82 ff. GA) erbringen einen von der Beklagten nicht erschütterten Anscheinsbeweis dafür, dass die 20 Pakete die in den vorgenannten Dokumenten aufgeführten Waren enthielten.

Der von der Beklagten vermisste Bezug zwischen Lieferschein und korrespondierender Rechnung einerseits und dem in Verlust gegangenen Paket ist gegeben, weil das Datum der Übernahmequittung mit dem Datum des Lieferscheins und der korrespondierenden Rechnung übereinstimmt.

Nach der CMR liefert die Handelsrechnung ein Indiz für den Marktwert der Warensendung zum Zeitpunkt der Übernahme der Warensendung beim Absender. Dieses Indiz rechtfertigt es im vorliegenden Fall, den Wert der beförderten Waren gemäß § 287 ZPO auf den in der Rechnung ausgewiesenen Kaufpreis zu schätzen.

II.

Der Klägerin steht ein Anspruch auf Ersatz der Kosten des französischen Rechtsanwalts von 300 € wie auf Ersatz der durch die Vorlage des Schecks der Klägerin entstandenen Kosten in Höhe von 75,57 € nach Art. 29 CMR zu.

Wie bereits erwähnt, hat der Senat bereits in einem am 2. Februar 2005 verkündeten Urteil in dem Verfahren I-18 U 145/04, an welchem die Beklagte beteiligt war, ausgeführt, Ziffer 8.1. der Beförderungsbedingungen sei gemäß § 307 BGB unwirksam, soweit hierin ein auf Bargeldeinzug gerichteter Nachnahmeauftrag in einen Auftrag auf Einziehung eines Verrechungsschecks umgedeutet wird, weil diese Bestimmung die Kunden der Beklagten entgegen dem Gebot von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Durch dieses der Beklagten vor Annahme des hier in Rede stehenden Nachnahmeauftrags bekannt gewordene Urteil war der Beklagten bekannt, dass sie einen auf Bargeldeinzug gerichteten Nachnahmeauftrag nicht in einen Auftrag auf Einziehung eines Verrechungsschecks umdeuten darf. Gleichwohl nahm sie dieses Urteil weder zum Anlass, ihre dahingehende Praxis zu ändern noch derartige Nachnahmeaufträge nur bis zu den in ihren Allgemeinen Beförderungsbedingungen gesetzten Höchstgrenzen anzunehmen. Indem sie entgegen der Weisung, das Gut per Nachnahme auszuliefern und hierbei nur Bargeld entgegenzunehmen, das Gut gegen Scheck hergab, verstieß sie bewusst gegen die ihr erteilte Weisung, ohne sich auf einen Rechtsirrtum berufen zu können. Dieses Verhalten erfüllt die Voraussetzungen eines qualifiziertes Verschuldens nach Art. 29 CMR.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Der Streitwert für die Berufung wird festgesetzt auf 10.755,57 €.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gem. § 5433 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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