Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 20.02.2008
Aktenzeichen: I-18 U 184/04
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 3. Juni 2004 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf (31 O 32/03) teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 22.745,94 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 4. Februar 2003 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten

des Revisionsverfahrens trägt die Beklagte mit Ausnahme derjenigen Kosten, die durch die Anrufung des Landgerichts Hamburg verursacht wurden; diese trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils von ihr zu vollstreckenden Betrages leistet.

Wegen des Sach- und Streitstandes wird zunächst auf den Tatbestand des Senatsurteils vom 13. April 2005 verwiesen.

Dieses Senatsurteil hat der Bundesgerichtshof insoweit aufgehoben, als die Beklagte zur Zahlung von mehr als 2.289,31 € nebst Zinsen (Summe der Schadensersatzansprüche aus den Schadensfällen 1, 2, 8 und 9) verurteilt worden ist und der Senat dabei ein Mitverschulden der Versenderin wegen Nichtversendung als Wertpaket verneint hat.

Die Beklagte beantragt nunmehr,

das angefochtene Urteil teilweise abzuändern und die Klage abzuweisen, soweit sie, die Beklagte, zur Zahlung von mehr als 2.289,31 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 4. Februar 2003 verurteilt worden ist.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat die Zeugen S. und C. vernommen. Wegen des Ergebnisses dieser Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 30. Januar 2008 (Bl. 1098 - 1103 GA) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin bleibt hinsichtlich der allein noch streitgegenständlichen Schadensersatzansprüche aus den Schadensfällen 3 bis 6 und 10 weiterhin ohne Erfolg, soweit der Senat die Klage wegen dieser Schadensfälle nicht bereits schon in seinem Urteil 13. April 2005 stattgegeben hat. Denn die Schadensersatzansprüche der Klägerin aus diesen Schadensfällen sind nicht wegen eines Mitverschuldens der Versenderin dadurch gemindert, dass es die Versenderin unterlassen hat, die verloren gegangenen Pakete als Wertpakete zu versenden.

Die Versenderin trug nicht einmal möglicherweise dadurch zu den Paketverlusten bei, dass sie den jeweiligen Paketwert nicht deklarierte. Die Beklagte behauptet zwar, sie behandele wertdeklarierte Pakete auch im EDI-Verfahren sorgfältiger als nicht wertdeklarierte Pakete. Für diese Behauptung ist die Beklagte indessen jedenfalls für den hier interessierenden Zeitraum (Mai/November 2002) beweisfällig geblieben.

Die vom Senat hierzu vernommenen Zeugen S. und (mit geringerer Detailgenauigkeit) C. haben zwar als den heutigen Stand geschildert, dass ab der Softwareversion 7.02 mit dem Tagesabschluss beim Kunden ein dem Abholfahrer zu übergebendes Dokument ausgedruckt werde, welches die wertdeklarierten Pakete mit "1Z"-Nummern und Wertangabe enthalte und welches der Fahrer zusammen mit den wertdeklarierten Paketen im Abholcenter dem Schichtleiter übergebe, und dass die Software der Beklagten aus den von den Kunden fernübertragenen Daten die wertdeklarierten Pakete herausfiltere und den jeweiligen Zustellcentern zuordne, wo täglich die für diese Niederlassung bestimmten Wertpakete abgefragt und ihr Eingang überwacht würden. Das gilt jedoch nach den Aussagen frühestens seit 2005 (Einführung der Programmversion 7.02) bzw. April 2004 (Abfrage der wertdeklarierten Pakete durch die Zustellcenter).

Für den hier maßgeblichen Zeitraum lässt sich entsprechendes dagegen nicht feststellen. Soweit der Zeuge S. bekundet hat, dass wertdeklarierte Pakete auch in den Jahren 2001/2002 sorgfältiger als andere behandelt worden seien, konnte der Senat gleichwohl keine entsprechende Überzeugung gewinnen.

Nach der Darstellung des Zeugen S. hatten die Abholfahrer Kunden, die ihnen ein Wertpaket gesondert übergaben, zunächst danach zu befragen, wie hoch der Warenwert der Ware ist, die sich in dem Paket befindet. Sofern ihnen der Kunde einen Warenwert von mehr als 2.500 € (bzw. 5.000,- DM) angab, hatten sie das Paket an einem gesonderten Platz beim Schichtleiter oder einer sonst beauftragten Person im Abholcenter abzugeben, wo das Paket einen sog. Origin Scan erhielt und, sofern die Paketsortierung nicht schon begonnen hatte, es bis zur Sortierung in einem Wertkäfig oder sonst gesondert aufbewahrt wurde; die Niederlassung Düsseldorf kündigte das Wertpaket außerdem mittels eines sog. pre-sheet per Telefax der Zustellniederlassung an, welche am Folgetag im Zuge der Beladung der Zustellfahrzeuge den Eingang der Wertpakete überwachte. Es verbleiben indessen nicht auszuräumende Zweifel daran, ob diese geschilderte Handhabung wirklich so einheitlich und durchgängig verbreitet war, dass auf Grund dessen der Rückschluss gezogen werden könnte, dass von den Kunden dem Abholfahrer gesondert übergebene werteklarierte Pakete im Regelfall tatsächlich eine sorgfältigere Behandlung erfuhren.

So hat der Zeuge S. eingeräumt, dass er aus eigener Kenntnis nur zu der Arbeitsweise in der Niederlassung D. der Beklagten etwas sagen kann; speziell seine Äußerungen zur parallelen Beibehaltung des pre-sheets bezog er ausdrücklich nur auf diese Niederlassung. Da es aber, wie er (insoweit in Übereinstimmung mit dem Zeugen C.) weiter angegeben hat, bei der Beklagen keine bundeseinheitlichen schriftlichen oder sonst förmlichen Verfahrensanweisungen für die Behandlung von Wertpaketen im EDI-Verfahren gab, sei es direkt an die Abholfahrer, sei es an die Center- bzw. Schichtleiter gerichtet, steht keineswegs fest, dass die von dem Zeugen S. in Bezug auf die Niederlassung D. geschilderte Verfahrensweise auch tatsächlich allgemein und durchgängig in den anderen Abholcentern praktiziert wurde.

Um die vom Zeugen geschilderte Wertpakettransportorganisation im EDI-Versand sicherzustellen, ist nach Auffassung des Senats eine schriftliche Arbeitsanweisung unerlässlich, jedenfalls solange sich noch keine betriebliche Übung für den Wertpakettransport im EDI-Versandverfahren fest etabliert hat. Dies zeigt sich exemplarisch bereits an dem Aufgabenbereich, der dem Abholfahrer hierbei zugewiesen ist. Weil es nach Darstellung des Zeugen zum Aufgabenbereich des Abholfahrers gehören soll, zu prüfen, ob die für die Sonderbehandlung vorgesehene Warenwertgrenze von 2.500,- € erreicht ist, wären organisatorische Maßnahmen notwendig, die sicherstellen, dass der Fahrer den Kunden tatsächlich nach dem Warenwert der Sendung fragt. Da die Summary-Section des Absendemanifests nicht erkennen lässt, ob und gegebenenfalls welche der nur der Anzahl nach erfassten Pakete wertdeklariert sind, muss der Fahrer bei der Lagerung der wertdeklarierten Pakete zugleich sicherstellen, dass die jeweiligen mit den einzelnen Wertpaketen übernommenen Summary-Sections auch während der Beförderung zum Abholcenter sicher zugeordnet bleiben. Auch hierfür müsste eine eingerichtete Betriebsorganisation konkrete Anweisungen an den Fahrer vorsehen, wie er sicherzustellen hat, dass diese bei der Übernahme des Pakets erfolgte Zuordnung von Paket und Summary-Section erhalten bleibt. Stattdessen hat der Zeuge Szczur bekundet, dass selbst in der Niederlassung D. improvisiert wurde, um die für den Frachtbriefversand vorgeschriebene Wertpaketbehandlung sinngemäß auf den EDI-Versand zu überragen; so wurde beispielsweise für die Quittung des Schichtleiters gegenüber dem Abholfahrer nach der Aussage des Zeugen S. die "Summary Section" verwendet, die hierfür nicht formularmäßig vorgesehen ist. Ohne eine institutionalisierte "procedure" (so der Ausdruck des Zeugen C.) ist in Einheiten von der Größe der Beklagten aber nicht sichergestellt, dass eine bestimmte Handhabung einheitlich stattfindet, sondern es bleibt den im Einzelfall tätigen Mitarbeitern überlassen, ob sie sie treffen oder nicht. Das gilt um so mehr, als die Handhabung mit persönlicher Übergabe, Origin-Scan und insbesondere pre-sheet einen Zusatzaufwand darstellt; die mit dem hochtechnisierten Verfahrensablauf des EDI-Verfahrens verbundenen Vorteile und Rationalisierungseffekte werden dadurch konterkariert.

Zudem folgen nicht auszuräumende Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen S. aus den Bekundungen des Zeugen C. Der Zeuge C. hat zwar angegeben, dass er in seiner Vernehmung vor dem Senat am 15.08.2007 (in Sachen I-18 U 75/06, 207/06 und 36/07) falsch verstanden worden sei, soweit dort als seine Aussage protokolliert wurde, dass selbst dann, wenn Kunden dem Fahrer wertdeklarierte Pakete gesondert übergaben, diese nicht anders behandelt wurden als Standardpakete und insbesondere nicht das von den Sendungen mit Papier-Frachtbriefen her bekannte und auf solche beschränkte pre-sheet-Verfahren und auch keine andere Sonderbehandlung stattfand. Auch jetzt hat der Zeuge C. aber eine durchgehende Wertpaketbehandlung im EDI-Verfahren nicht bestätigt, sondern von Unsicherheiten und Unklarheiten gesprochen. So hat er zunächst ausgesagt, dass es wegen des Fehlens papiermäßiger Frachtbriefe den Abholfahrern nicht mehr möglich gewesen sei, sich die Ablieferung von Wertpaketen im Abholcenter quittieren zu lassen. Auf Vorhalt der Aussage des Zeugen S. hat er ergänzt, auch er habe Quittungen auf den Summary Sections schon gesehen. Schließlich hat er gemeint, dass im Regelfall für den Abholfahrer der Origin Scan ausgereicht haben dürfte. Pre-sheets seien zum Teil versandt, zum Teil aber auch weggelassen worden.

Angesichts dieser Widersprüchlichkeit der Aussagen beider zur selben Zeit in der Niederlassung D. der Beklagten tätig gewesenen Zeugen, die somit dieselbe Sachnähe zu den in Rede stehenden Betriebsabläufen haben, kann der Senat mangels anderweitiger eindeutiger Anhaltspunkte nicht die Überzeugung gewinnen, dass der Aussage des Zeugen S. eine höhere Verlässlichkeit als der Aussage des Zeugen C. zukommt. Aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme kann damit nicht festgestellt werden, dass in dem hier interessierenden Zeitraum besondere Kontrollen beim Wertpaketversand für Pakete im EDI-Verfahren organisatorisch vorgesehen waren oder jedenfalls regelmäßig tatsächlich stattfanden. Damit steht ebenfalls nicht fest, dass die Versenderin als Teilnehmerin am EDI-Versandsystem seinerzeit eine gesicherte Möglichkeit hatte, durch einen EDV-mäßig erteilten Auftrag zum Wertpaketversand neben einer Anhebung der Haftungshöchstgrenze auch zu erreichen, dass die Beklagte das Paket mit größerer Sorgfalt beförderte. Unter diesen Umständen kann vorliegend die Nichtversendung als Wertpaket im EDI-Versandverfahren nicht als Verstoß der Versenderin gegen ihre eigenen wohlverstandenen Interessen (Mitverschulden) angesehen werden.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 2, 97 Abs. 1, 281 Abs. 3, 708 Nr. 10 und 711 ZPO.

Ein Anlass, zugunsten der Beklagten die Revision zuzulassen, besteht nicht, § 543 Abs. 2 ZPO.

Streitwert des Berufungsverfahrens nach dem Revisionsurteil: 20.456,63 €.

Ende der Entscheidung

Zurück