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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 31.05.2006
Aktenzeichen: I-18 U 205/05
Rechtsgebiete: HGB, BGB


Vorschriften:

HGB § 425 Abs. 2
HGB § 449 Abs. 2
BGB § 254 Abs. 2 Satz 1
1. Zur Wirksamkeit eines formularmäßigen Verzichts des Absenders auf die Durchführung von Schnittstellenkontrollen durch den Frachtführer.

2. Zum Ausmaß des Mitverschuldens eines Absenders, der es unterlässt, den Frachtführer (Paketdienstunternehmen) auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen.

3. Zum Ausmaß des Mitverschuldens eines Absenders, der bei Abschluss des Frachtvertrages weiß, dass der Frachtführer keine Schnittstellenkontrollen durchführt.


Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 24. November 2005 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf (31 O 45/05) teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 17.529,78 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6. Juni 2005 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 23 % und

die Beklagte zu 77 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten hat im zuerkannten Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.

A.

Das Landgericht hat im Ausgangspunkt zu Recht dahin erkannt, dass die Beklagte wegen der hier in Rede stehenden Paketverluste der Klägerin vollen Schadensersatz leisten muss, ohne sich auf die in ihren Beförderungsbedingungen beziehungsweise im HGB vorgesehenen Haftungsbeschränkungen berufen zu können, weil sie die Warenverluste leichtfertig verursacht hat.

An dieser leichtfertigen Schadensverursachung vermag auch der Inhalt der zwischen der E. T. GmbH und der Beklagten am 31. Oktober 2003/28. November 2003 getroffenen Vereinbarung nichts zu ändern. Zwar hat die E. T. GmbH in dieser Vereinbarung darauf verzichtet, dass die Beklagte während der Beförderung Schnittstellen kontrolliert, weil sie sich damit einverstanden erklärt hat, dass Eingangs- und Ausgangskontrollen nicht durchgeführt werden. Dies führt jedoch entgegen der Ansicht der Beklagten nicht dazu, dass sie aufgrund der Frachtverträge, die den Schadensfällen 5 bis 9 zugrunde lagen, tatsächlich keine Schnittstellenkontrollen mehr schuldete, weil diese Vereinbarung vom 31. Oktober 2003 aus Rechtsgründen unwirksam ist.

Mangels gegenteiligen substantiierten Vortrags der Beklagten muss der Senat davon ausgehen, dass der Inhalt dieser Vereinbarung von der Beklagten für eine Vielzahl von Kunden vorformuliert worden ist, so dass es sich bei diesem Schnittstellenkontrollverzicht um eine allgemeine Geschäftsbedingung handelt. Deswegen ist diese Vereinbarung sowohl gemäß §§ 305 ff BGB als auch gemäß § 449 Abs. 2 HGB unwirksam.

Wenn keine Schnittstellenkontrollen mehr geschuldet sein sollen, entbindet die Klausel die Beklagte von ihrer aus der Obhutspflicht für das Frachtgut abgeleiteten Kardinalpflicht, das Transportgut während des Transports ständig unter Kontrolle zu halten. Eine Klausel in den allgemeinen Geschäftsbedingungen, die den Frachtführer von dieser Kardinalpflicht entbindet, benachteiligt den Versender entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen, weil eine gravierende Abweichung vom gesetzlichen Leitbild des Frachtvertrages vorliegt. Darüber hinaus handelt es sich bei dieser Absprache in der Sache um eine weitgehende Freizeichnung von der gesetzlich vorgeschriebenen Haftung des Frachtführers für den Verlust des Transportgutes, was nach § 449 Abs. 2 HGB nicht wirksam durch allgemeine Geschäftsbedingungen vereinbart werden kann.

Weil es somit dabei verbleibt, dass die Beklagte auch in den Schadensfällen 5 bis 9 die Warenverluste leichtfertig verursacht hat, kann wegen der dreijährigen Verjährungsfrist auch die Einrede der Verjährung nicht durchgreifen.

B.

Die Berufung bleibt auch ohne Erfolg, soweit die Beklagte in der Berufungsinstanz weiterhin bestreitet, dass die verloren gegangenen Pakete den von der Klägerin behaupteten Inhalt hatten.

In den Schadensfällen 1 bis 4 und 6 bis 8 besteht aufgrund der Rechnungen und Lieferscheine ein Anscheinsbeweis für den von der Klägerin behaupteten Paketinhalt. Der von der Beklagten geforderte Bezug zwischen diesen Versanddokumenten und den Übernahmequittungen ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Begründung des Anscheinsbeweises nicht erforderlich.

Im Schadensfall 5 besteht aufgrund der Rechnung und des Lieferscheins nur ein Anscheinsbeweis dahin, dass die in diesen Dokumenten aufgeführten Waren sich in den beiden Paketen befunden haben. Demgegenüber besteht aufgrund dieser Dokumente kein Anscheinsbeweis hinsichtlich der Aufteilung der gesamten Warensendung auf die beiden Pakete.

Aufgrund der Gesamtumstände lässt sich im Schadensfall 5 jedoch mit der für eine Schadensschätzung nach § 287 ZPO erforderlichen Genauigkeit die Verteilung der Warensendung auf die beiden Pakete ermitteln. Das verloren gegangene Paket wog ausweislich der EDI-Versandliste 24 kg, das zugestellte Paket wog 9 kg. Die Gesamtlieferung bestand aus 44 Handys. Nach Darstellung der Klägerin sollen im verloren gegangenen Paket 30 Handys gewesen sein, was einer Verteilung von etwa 2/3 zu 1/3 entspricht. Damit steht die von der Klägerin behauptete Verteilung in etwa in Einklang mit den Paketgewichten. Darüber hinaus hat die Klägerin eine Email der Empfängerin sowie ein Telefax der Empfängerin (Bl. 98/99 GA) vorgelegt, in der die Empfängerin mitteilt, welche Handys sie erhalten hat. Bei dieser Sachlage verbleiben nach Auffassung des Senats unter Anwendung des § 287 ZPO keine vernünftigen Zweifel an der von der Klägerin behaupteten Aufteilung der Warensendung auf die beiden Pakete.

C.

Der von der Beklagten erhobene Mitverschuldenseinwand wegen Nichtversendung als Wertpaket verfängt ebenfalls nicht, weil die Versenderin EDI-Kunde ist und daher das Paket auch bei Versendung als Wertpaket nur im Standardversand transportiert worden wäre. Der Einwand der Beklagten, die Versenderin müsse das Paket dem Fahrer gesondert unter Hinweis auf den bestellten Wertpakettransport übergeben, verfängt nicht, weil der Versender dies nicht weiß. Nachdem die Beklagte ihm eine Software zur Verfügung gestellt hat, die eine Rubrik für den einzutragenden Haftungswert enthält, darf jeder Versender davon ausgehen, mit der EDV-mäßigen Eintragung des Warenwertes alles Erforderliche getan zu haben, um eine Wertpaketbeförderung in Auftrag zu geben (vgl. BGH Urteil vom 1. Dezember 2005, Az.: I ZR 117/04).

D.

Demgegenüber ist die Berufung der Beklagten teilweise begründet, soweit sie im Schadensfall 4 einwendet, die Versenderin treffe ein Mitverschulden am entstandenen Schaden, weil sie es unterlassen habe, auf einen drohenden ungewöhnlich hohen Schaden hinzuweisen.

Gemäß § 425 Abs. 2 HGB hängen die Verpflichtung zum Schadensersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes davon ab, inwieweit bei der Entstehung des Schadens ein Verhalten des Absenders mitgewirkt hat. Die Vorschrift des 425 Abs. 2 HGB greift den Rechtsgedanken des § 254 BGB auf und fasst alle Fälle mitwirkenden Verhaltens des Ersatzberechtigten in einer Vorschrift zusammen. Ein mitwirkender Schadensbeitrag des Versenders kann sich daher auch daraus ergeben, dass er von einem Hinweis auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens abgesehen hat. Die vom Bundesgerichtshof zur Rechtslage vor dem Inkrafttreten des Transportrechtsreformgesetzes am 1. Juli 1998 zu § 254 Abs. 1 und 2 BGB ergangenen Entscheidungen sind somit ohne inhaltliche Änderungen auf § 425 Abs. 2 HGB übertragbar (BGH Urteil vom 1. Dezember 2005, Az. I ZR 108/04).

Den Auftraggeber trifft gemäß § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB die allgemeine Obliegenheit, auf die Gefahr eines außergewöhnlich hohen Schadens hinzuweisen, um dem Vertragspartner die Möglichkeit zu geben, geeignete Maßnahmen zur Verhinderung eines drohenden Schadens zu ergreifen. Daran wird der Schädiger jedoch gehindert, wenn er über die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens im Unklaren gelassen wird.

In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob der Auftraggeber Kenntnis davon hatte oder hätte wissen müssen, dass der Frachtführer das Gut mit größerer Sorgfalt behandelt hätte, wenn er den tatsächlichen Wert der Sendung gekannt hätte. Ein Mitverschulden wegen Absehens von einem Hinweis auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens (§ 254 Abs. 2 Satz 1 BGB) setzt auch nicht die Feststellung voraus, dass der Frachtführer Wertsendungen generell sicherer befördert. Die Kausalität des Mitverschuldenseinwands nach § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB kann nur verneint werden, wenn der Transporteur trotz eines Hinweises auf den ungewöhnlich hohen Wert des Gutes keine besonderen Maßnahmen ergriffen hätte (BGH, Urteil vom 1.12.2005, Az. I ZR 265/03).

Die Voraussetzung einer ungewöhnlichen Höhe des Schadens lässt sich nicht in einem bestimmten Betrag oder in einer bestimmten Wertrelation angeben. Die Frage, ob ein ungewöhnlich hoher Schaden droht, kann vielmehr regelmäßig nur unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls beurteilt werden. Hierbei ist maßgeblich auf die Sicht des Schädigers abzustellen. Dabei ist auch in Rechnung zu stellen, welche Höhe Schäden erfahrungsgemäß - also nicht nur selten - erreichen. Weil die Sicht des Schädigers maßgeblich ist, ist namentlich zu berücksichtigen, in welcher Höhe dieser, soweit für ihn die Möglichkeit einer vertraglichen Disposition besteht, Haftungsrisiken einerseits vertraglich eingeht und andererseits von vornherein auszuschließen bemüht ist. Angesichts dessen, dass nach den Geschäftsbedingungen der Beklagten in ersterer Hinsicht Beträge bis zu 510,- € und in letzterer Hinsicht 50.000,- US $ im Raum stehen, liegt es nahe, die Gefahr eines besonders hohen Schadens im Sinne des § 254 Abs. 2 BGB in solchen Fällen anzunehmen, in denen der Wert der Sendung 5.000,- € übersteigt.

Im Rahmen der Haftungsabwägung berücksichtigt der Senat beim Mitverschulden wegen Absehens von einem Hinweis auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens zum einen, dass der Versender der Beklagten durch den unterlassenen Hinweis auf den ungewöhnlich hohen Wert des Gutes die Möglichkeit genommen hat, geeignete Maßnahmen zur Verhinderung eines drohenden Schadens zu ergreifen. Dieses den Versendern anzulastende Verschulden nach § 254 Abs. 2 BGB ist nach Auffassung des Senats geringer einzustufen als das einem Versender nach § 254 Abs. 1 BGB anzulastende Verschulden, die Waren nicht als Wertpaket versandt zu haben. Denn der Vorwurf, für das Transportgut nicht die sicherste Beförderung gewählt zu haben, wiegt schwerer als die Verletzung der allgemeinen Obliegenheit, nicht auf die Gefahr eines drohenden ungewöhnlich hohen Schadens hingewiesen zu haben.

Bei der Bemessung der Höhe des Mitverschuldens hat der Senat ferner berücksichtigt, dass nach der Rechsprechung des Bundesgerichtshofs jedenfalls in Schadensfällen, in denen der Wert der Sendung sich in dem Rahmen bewegt, für den die Beklagte von der Möglichkeit einer vertraglichen Disposition Gebrauch gemacht hat, Haftungsrisiken von vornherein auszuschließen, das Mitverschulden des Versenders wegen Nichtversendung als Wertpaket nicht höher als 50 % betragen kann (vgl. BGH, Urteil vom 11. November 2004, Az.: I ZR 120/02).

Für die Höhe des Mitverschuldens ist ferner der Wert der transportierten Ware von Bedeutung. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass das Mitverschulden des Versenders, für die Beförderung des Pakets nicht die sicherste Transportart in Auftrag gegeben zu haben, umso schwerer wiegt, je wertvoller die Ware im Paket gewesen ist. Diese Überlegung muss nach Auffassung des Senats auch für den hier in Rede stehenden Mitverschuldenseinwand wegen unterlassenen Hinweises auf einen drohenden ungewöhnlich hohen Schaden gelten. Denn diese unterlassene Warnung der Beklagten wiegt umso schwerer, je höher der Warenwert der Sendung ist.

In der Gesamtschau dieser einzelnen Gesichtspunkte kommt der Senat nach umfassender Abwägung der Gesamtumstände zu dem Ergebnis, das Mitverschulden des Versenders durch eine stufenweise Kürzung des Schadensersatzanspruches zu berücksichtigen. Sofern der Fall keine weiteren, für die Abwägung bedeutsamen Besonderheiten aufweist, erachtet der Senat es als angemessen, den Schadensersatzanspruch für die ersten 5.000,- € des Warenwertes ungekürzt zu lassen. Für den zwischen 5.000,01 € und 10.000,- € liegenden Warenwert der Sendung wird der Schadensersatzanspruch um 20 % gekürzt. Bei den darüber hinausgehenden Warenwerten wird der Kürzungsprozentsatz stufenweise für jede angefangenen weiteren 5.000,- € um 1 Prozentpunkt erhöht. Mithin ist beispielsweise ein Schadensersatzanspruch für eine Warensendung im Wert von 15.000,- € wegen Mitverschuldens nach § 254 II 1 BGB um 2.050,- € (nämlich um 20 % von 5.000,- € plus 21 % von 5.000,- €) zu kürzen, so dass ein Anspruch in Höhe von 12.950,- € verbleibt.

Im Schadensfall 4 hatte die Warensendung einen Wert von 6.584,39 €, so dass sich auf der Grundlage der oben dargestellten Berechnungsmethode ein um das Mitverschulden nach § 254 Abs. 2 BGB gekürzter Schadensersatzanspruch in Höhe von 6.267,51 € ergibt. Unter Anrechnung der vorprozessual von der Beklagten gezahlten 500,- € verbleibt somit aus dem Schadensfall 4 ein der Klägerin zuzuerkennender Schadensersatzanspruch in Höhe von 5.767,51 €. Mithin führt die Berufung im Schadensfall 4 zu einem Teilerfolg in Höhe von 316,88 €.

E.

In den Schadensfällen 5 bis 9 muss die Klägerin sich ebenfalls ein Mitverschulden der Versenderin gemäß §§ 425 Abs. 2 HGB, 254 BGB anrechnen lassen, weil die Versenderin die Transportaufträge, die diesen Schadensfällen zugrunde lagen, in Kenntnis des Umstandes erteilt hat, dass die Beklagten während des Transports keine Ein- und Ausgangskontrollen durchführen wird. Denn Ziffer 12 der Vereinbarung vom 31. Oktober/28. November 2003 hat die Versenderin darüber informiert, dass die Beklagte keine Schnittstellenkontrollen durchführt.

In den Schadensfällen 5 bis 9 wird vermutet, dass die eingetretenen Paketverluste auf diesem Organisationsmangel der Beklagten beruhen. Damit wird zugleich vermutet, dass sich in diesen Schadensfällen tatsächlich das Risiko verwirklicht hat, dass die E. T. GmbH mit der Erteilung der Transportaufträge bewusst eingegangen ist.

In der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist seit der Entscheidung TranspR 1999, 410 ff anerkannt, dass ein Versender gegen Treu und Glauben verstößt, wenn er einerseits die Geschäftsbeziehung zu einem Spediteur fortsetzt, obwohl er weiß, dass der Spediteur aufgrund grober Organisationsmängel seine Obhutsverpflichtung, das Transportgut vor Verlust zu schützen, nicht nachkommen wird, er andererseits aber wegen dann tatsächlich eingetretener Warenverluste gleichwohl Schadensersatz verlangt. Ein solcher Verstoß gegen Treu und Glauben führt dazu, dass der Schadensersatzanspruch des Versenders nach § 254 BGB wegen mitwirkenden Verschuldens des Geschädigten beschränkt oder ausgeschlossen ist. Dieser rechtlichen Bewertung des Bundesgerichtshofs hat sich der Senat angeschlossen.

Art und Ausmaß des Mitverschuldens durch Auftragserteilung in Kenntnis des Umstandes, dass während des Transports keine Schnittstellenkontrollen durchgeführt werden, wiegen nach Auffassung des Senats schwer, weil der Versender hierdurch einen sehr gewichtigen Mitverschuldensbeitrag zur Schadensverursachung setzt.

Dieses Mitverschulden beruht wie dargelegt in erster Linie auf der Erwägung, dass der Auftraggeber in einen nach der genannten Vorschrift beachtlichen Selbstwiderspruch gerät, wenn er mit der Transportdurchführung einen Spediteur beauftragt, von dem er weiß, dass es in dessen Unternehmen aufgrund grober Organisationsmängel zu Verlusten kommen kann. Wenn er gleichwohl den Spediteur beauftragt, so nimmt er damit bewusst ein Risiko in Kauf, dessen Verwirklichung allein dem Schädiger anzulasten unbillig erscheint und mit dem § 254 BGB zugrunde liegenden Gedanken von Treu und Glauben unvereinbar ist.

Ein Transportunternehmen, das nach seiner Betriebsorganisation außerstande ist, während des Transports insbesondere an den erfahrungsgemäß besonders schadensträchtigen Umschlagstellen den für die fachgerechte Ausführung der Beförderung absolut notwendigen Schutz des Transportgutes vor Verlust zu gewährleisten, ist für jeden Versender erkennbar für den Transport werthaltiger Güter, insbesondere für die Beförderung von Gütern im kaufmännischen Handelsverkehr, objektiv ungeeignet. Folglich wird auch kein Kaufmann, der im Fall eines Verlusts eines wertvollen Transportgutes den Schaden selbst tragen müsste, einen Frachtführer mit dem Transport beauftragen, von dem er weiß, dass er seiner Obhutsverpflichtung während des Transports im erheblichen Umfang nicht nachkommen wird. Für den Fall des Versendungskaufs gilt im Ergebnis nichts anderes, weil der Versender des Transportgutes bei der Auswahl des Frachtführers das Interesse des Empfängers, die Warensendung tatsächlich zu erhalten, berücksichtigen muss. Dass im vorliegenden Fall die E. T. GmbH trotz des offenbarten Verlustrisikos der Beklagten gleichwohl weiterhin Transportaufträge erteilt hat, mag darauf beruhen, dass die mit der Klägerin abgeschlossene Transportversicherung auch dieses hohe Verlustrisiko gedeckt hat. Dieser Gesichtspunkt kann indes im Rahmen der Abwägung des der E. T. GmbH anzulastenden Mitverschuldens nicht zu ihren Gunsten berücksichtigt werden.

Schnittstellenkontrollen sind bei jeder Güterbeförderung schlechthin unerlässlich, damit ein Frachtführer seine Kardinalpflicht, das Transportgut auf dem Transportweg ständig unter Kontrolle zu halten und vor Verlust zu schützen, tatsächlich erfüllen kann. Auf dem Transportweg stellt jeder Warenumschlag einen besonders schadensträchtigen Beförderungsvorgang dar. Hierbei kommen viele Menschen - häufig auch nicht nur Mitarbeiter des Frachtführers, sondern auch Mitarbeiter der von ihm eingeschalteten Subunternehmer - mit der Warensendung unmittelbar in Berührung. Dies bewirkt eine erhebliche Gefährdung des Transportguts durch Warendiebstahl. Während des Warenumschlags besteht des Weiteren die Gefahr, dass die Warensendung fehlverladen wird und hierdurch außer Kontrolle gerät. Werden keine Schnittstellenkontrollen durchgeführt, bleibt es schließlich auch längere Zeit unentdeckt, wenn die Warensendung innerhalb des Umschlagslagers - absichtlich oder versehentlich - an falscher Stelle abgelegt wird. Hieraus folgt, dass ein Frachtführer, der keinerlei Schnittstellenkontrollen eingerichtet hat, Warenverluste geradezu vorprogrammiert hat.

Schließlich ist auch hier zu berücksichtigen, dass dieser Vorwurf mitwirkenden Verschuldens an der Schadensentstehung umso schwerer wiegt, je höher der Wert der Warensendung ist. Denn je wertvoller die zu transportierenden Güter sind, desto mehr muss der Versender davor zurückschrecken, einen Frachtführer mit der Beförderung zu beauftragen, der erklärtermaßen die zum Schutz vor Verlust der Waren erforderlichen und anerkannten Sicherheitsstandards in besonders schadensanfälligen Bereichen nicht einhalten kann oder will.

In der Gesamtschau dieser einzelnen Gesichtspunkte erachtet es der Senat nach umfassender Abwägung der Gesamtumstände als angemessen, das Mitverschulden des Versenders durch eine stufenweise Kürzung des Schadensersatzanspruches zu berücksichtigen. Sofern der Fall keine weiteren, für die Abwägung bedeutsamen Besonderheiten aufweist, wird der Senat bei dem hier in Rede stehenden Mitverschulden durch Auftragserteilung in Kenntnis der Organisationsmängel den Schadensersatzanspruch für den Sendungswert bis 510,- € ungekürzt lassen, weil die Beklagte insoweit durch die von ihr freiwillig angebotene Haftungsübernahme bis zu einem Wert von 510,- € auch das durch ihre Organisationsmängel erhöhte Verlustrisiko in voller Höhe übernimmt. Für den zwischen 510,01 € und 5.000,- € liegenden Warenwert der Sendung wird der Schadensersatzanspruch um 50 % gekürzt. Bei darüber hinausgehenden Warenwerten wird die Kürzungsprozentsatz stufenweise für jede angefangenen weiteren 5.000,- € jeweils um 2 Prozentpunkte erhöht.

Im Schadensfall 5 kommt hinzu, dass die Versenderin sich als weiteres Mitverschulden entgegen halten lassen muss, die Beklagte nicht vor einem im Verlustfall drohenden ungewöhnlich hohen Schaden gewarnt zu haben. Diese Obliegenheitsverletzung fällt im Rahmen der nach § 425 Abs. 2 HGB vorzunehmenden Gesamtabwägung allerdings nicht mehr besonders schwer ins Gewicht, weil ein Versender, der einen Transportauftrag in Kenntnis des Organisationsmangels erteilt und damit die durch diesen Organisationsmangel bedingte massive Erhöhung des Verlustrisikos bewusst in Kauf nimmt, aus seiner Sicht kaum noch einen Anlass sieht, anzunehmen, die Beklagte werde das Transportgut wesentlich sicherer befördern, wenn sie um den tatsächlichen Wert der Warensendung weiß. Darüber hinaus ist schon bei den Kürzungen wegen Mitverschuldens durch Auftragserteilung in Kenntnis des Organisationsmangels berücksichtigt, dass die Mitverschuldensquote mit der Höhe des Wertes der Sendung ansteigt. Deswegen erachtet es der Senat als sachgerecht, die Verletzung der Hinweispflicht durch einen fixen Aufschlag von 5 Prozentpunkten auf die einzelnen Kürzungsstufen, beginnend bei der Stufe von 5.000,01 € bis 10.000,- € zu berücksichtigen.

Ausgehend von diesen stufenweisen Kürzungen ergeben sich in den Schadensfällen 5 bis 9 folgende Schadensersatzansprüche der Klägerin:

I.

Im Schadensfall 5 ist lediglich ein Teilverlust eingetreten, so dass zunächst die Mitverschuldensquote zu ermitteln ist, die der Versenderin anzulasten wäre, wenn die gesamte Warensendung verloren gegangen wäre. Die gesamte Warensendung hatte einen Wert von 10.240,20 €. Auf der Stufe von 510,- € bis 5.000,- € beträgt die Kürzungsquote 50 %, was einem Betrag von 2.245,- € entspricht. Auf der Stufe von 5.000,01 € bis 10.000,- € beträgt die Kürzungsquote unter Einschluss des Mitverschuldens wegen des unterlassenen Hinweises auf einen drohenden ungewöhnlich hohen Schaden 57 %, was einem Betrag von 2.850,- € entspricht. Auf der Stufe von 10.000,- € bis 15.000,- € beträgt die Kürzungsquote unter Einschluss des Mitverschuldens wegen des unterlassenen Hinweises 59 %, was einem Betrag von 141,78 € entspricht. Mithin beliefe sich die Kürzung im Fall des Totalverlusts der Sendung insgesamt auf 5.236,78 €, was bezogen auf die gesamte Warensendung einer Mitverschuldensquote von 51,14 % entspricht.

In dem verloren gegangenen Paket der Warensendung befanden sich Waren im Wert von 6.711,20 €. Hieraus errechnet sich nach Kürzung um die Mitverschuldensquote von 51,14 % ein verbleibender Schadensersatzanspruch der Klägerin in Höhe von 3.279,09 €. Abzüglich der vorprozessualen Zahlung der Beklagten in Höhe von 500,- € verbleibt mithin ein Schadensersatzanspruch der Klägerin in Höhe von 2.779,09 €, so dass die Berufung im Schadensfall 5 in Höhe von 3.432,11 € Erfolg hat.

II.

Im Schadensfall 6 hatte die Warensendung einen Wert von 2.418,50 €, so dass sich ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 1.464,25 € ergibt. Da die Beklagte vorprozessual bereits 500,- € gezahlt hat, verbleibt ein Anspruch in Höhe von 964,25 €, so dass die Berufung im Schadensfall 6 in Höhe von 947,75 € begründet ist.

III.

Im Schadensfall 7 hatte die Warensendung einen Wert von 704,50 €, so dass sich ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 607,25 € ergibt. Dies bedeutet unter Anrechung der vorprozessualen Zahlung von 500,- € einen verbleibenden Anspruch in Höhe von 107,25 €, was einen Berufungserfolg in Höhe von 97,25 € bedeutet.

IV.

Im Schadensfall 8 war die Warensendung 1.341,60 € wert, so dass sich der gekürzte Schadensersatzanspruch auf 925,80 € beläuft. Unter Anrechnung der vorprozessual gezahlten 500,- € verbleibt mithin noch ein Anspruch in Höhe von 425,80 €. Somit hat die Berufung der Beklagten im Schadensfall 8 in Höhe von 415,80 € Erfolg.

F.

Die weiteren rechtlichen Angriffe, die die Beklagte gegen das landgerichtliche Urteil erhebt, hat sie bereits in einer Vielzahl von Berufungsverfahren erhoben. Mithin ist ihr hinlänglich bekannt, dass und warum der Senat in ständiger Rechtsprechung diese rechtlichen Angriffe nicht als erheblich ansieht, so dass der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf seine diesbezüglichen Ausführungen in früheren Urteilen verweist.

G.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 und 713 ZPO.

Ein Anlass, zu Gunsten einer Partei die Revision zuzulassen, besteht nicht, § 543 Abs. 2 ZPO.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 22.739,57 €

Ende der Entscheidung

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