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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 21.07.2008
Aktenzeichen: I-2 W 28/08
Rechtsgebiete: RPflG, ZPO


Vorschriften:

RPflG § 11 Abs. 1
ZPO § 109
ZPO § 109 Abs. 1
ZPO § 109 Abs. 2
ZPO § 109 Abs. 4
ZPO § 567
ZPO § 710
ZPO § 720a
ZPO § 720a Abs. 1
ZPO § 720a Abs. 1 Satz 1
ZPO § 720a Abs. 3
ZPO § 751 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Beklagten zu 2. vom 20. Mai 2008 gegen den Beschluss der Rechtspflegerin der 4a. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 25. April 2008 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Beklagte zu 2. zu tragen.

Der Beschwerdewert wird auf 31.000,00 festgesetzt.

Die gemäß § 11 Abs. 1 RPflG i.V.m. §§ 109 Abs. 4, 567 ZPO statthafte und auch ansonsten zulässige sofortige Beschwerde des Beklagten zu 2., mit der er sich dagegen wendet, dass die Rechtspflegerin seinen Antrag auf Anordnung der Rückgabe der von ihm geleisteten Sicherheit in Höhe von 31.000,00 € durch den angefochtenen Beschluss zurückgewiesen hat, hat keinen Erfolg. Zu Recht hat die Rechtspflegerin dem Antrag des Beklagten zu 2. nicht entsprochen. Die Voraussetzungen des § 109 Abs. 1 und 2 ZPO liegen nicht vor.

Es kann dahinstehen, ob § 109 ZPO in einer Fallkonstellation wie der vorliegenden unmittelbar oder entsprechend anwendbar ist. Ebenso kann offen bleiben, ob der Beklagte zu 1. zunächst einen Antrag auf Fristsetzung (§ 109 Abs. 1 ZPO) hätte stellen müssen. Hierauf kommt es letztlich nicht an. Jedenfalls sind die weiteren Voraussetzungen des § 109 Abs. 1 und 2 ZPO nicht erfüllt.

Grundlegende Voraussetzung für eine Anordnung nach § 109 ZPO ist der Wegfall der Veranlassung für die Sicherheitsleistung. Hat der Schuldner - wie hier der Beklagte zu 2. - zur Abwendung der Zwangsvollstreckung Sicherheit geleistet, besteht ein Anspruch auf Rückgewähr dementsprechend nur insoweit, als die Veranlassung für die Sicherheitsleistung weggefallen ist (OLG Koblenz, OLGR 2001, 281; vgl. a. BGH, NJW 1990, 2128, 2129). Die Veranlassung für eine prozessuale Sicherheitsleistung ist weggefallen, wenn ein Schaden nicht (mehr) entstehen kann (vgl. OLG Düsseldorf [6. ZS], Rpfleger 1996, 165: OLG Frankfurt, MDR 1987, 239; OLG Jena, NJW-RR 2002, 1505, 1506; MDR 2007, 1448). Es muss sicher sein, dass kein Schaden oder doch kein weiterer Schaden entstehen kann (Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 109 Rdnr. 17 m. w. Nachw.). Das ist insbesondere der Fall, wenn der zu vollstreckende Titel aufgehoben wird (vgl. Stein/Jonas/Bork, a.a.O., § 109 Rdnr. 17). Wann die Veranlassung für die Sicherheitsleistung im Übrigen weggefallen ist, ist jeweils nach ihrem Zweck zu bestimmen (vgl. BGH, NJW-RR 2006, 710, 11; OLG Düsseldorf [6. ZS], Rpfleger 1996, 165; OLG Köln, MDR 1993, 270; OLG Koblenz, OLGR 201, 281; Musielak/Foerste, ZPO, 6. Aufl., § 109 Rdnr. 3; Stein/Jonas/Bork, a.a.O., § 109 Rdnr. 17; MünchKommZPO/Giebel, ZPO, 3. Aufl., § 109 Rdnr. 7).

Hiervon ausgehend ist im Streitfall der Anlass für die Sicherheitsleistung des Beklagten zu 2. nicht weggefallen.

Die Beklagten sind durch Urteil des Landgerichts vom 19. Oktober 2004 wegen Patentverletzung zur Unterlassung, Rechnungslegung und Vernichtung der als patentverletzend beanstandeten Erzeugnisse verurteilt worden. Außerdem ist ihre Verpflichtung zur Leistung von Schadensersatz festgestellt worden. Die Kosten des Rechtsstreits hat das Landgericht den Beklagten auferlegt. Gegen dieses - gegen Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärte - Urteil haben die Beklagten Berufung (I-2 U 103/04) eingelegt, über die noch nicht entschieden worden ist; durch Beschluss vom 3. März 2005 hat der Senat die Verhandlung bis zum Abschluss des das Klagepatent betreffenden Einspruchsverfahrens ausgesetzt. Auf Antrag der Klägerin hat das Landgericht am 21. April 2005 einen Kostenfestsetzungsbeschluss gegen die Beklagten erlassen. Aus diesem Kostenfestsetzungsbeschluss hat die Klägerin gegen die Beklagten die Sicherungsvollstreckung nach § 720a Abs. 1 ZPO eingeleitet. Zur Abwendung dieser Vollstreckung hat der Beklagte zu 2. die in Rede stehende Sicherheit geleistet.

Der Anlass für die Sicherheitsleistung des Beklagten zu 2. ist nicht entfallen (zum Wegfall der Veranlassung für die Sicherheitsleistung des Schuldners nach § 720a Abs. 3 ZPO vgl. Stein/Jonas/Münzberg, a.a.O., § 720a Rdnr. 14 f.). Weder ist das dem Kostenfestsetzungsbeschluss zugrunde liegende landgerichtliche Urteil aufgehoben oder abgeändert worden noch hat die Klägerin - was nach herrschender Meinung ebenfalls dazu führen soll, dass der Anlass für eine vorher vom Schuldner geleistete Sicherheit entfällt (so zu § 720a ZPO: OLG München, JurBüro 1991, 594, 595; Stein/Jonas/Münzberg, a.a.O., § 720a Rdnr. 14.; Zöller/Stöber, ZPO, 26. Aufl., § 720a Rdnr. 10; MünchKommZPO/Krüger, a.a.O., § 720a Rdnr. 5; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 65. Aufl., § 720a Rdnr. 5; zu § 711 ZPO: OLG Oldenburg, MDR 1985, 504; OLG Köln, MDR 1993, 270; Stein/Jonas/Münzberg, a.a.O., § 711 Rdnr. 8; Zöller/Herget, a.a.O., § 109 Rdnr. 3; vgl. ferner Musielak/Foerste, a.a.O., § 109 Rdnr. 5; MünchKommZPO/Giebel, a.a.O., § 109 Rdnr. 11; a. A. OLG Jena, MDR 2007, 1448) - ihrerseits die ihr obliegende Sicherheit geleistet.

Allein dadurch, dass die Beklagten nach Leistung der Sicherheit ihren Abwendungswillen aufgegeben und der Klägerin mitgeteilt haben, dass die Abwendung der Zwangsvollstreckung nicht weiter aufrechterhalten werden solle, ist die Veranlassung für die Sicherheitsleistung entgegen der Auffassung des Beklagten zu 2. nicht entfallen.

Die Sicherheitsleistung des Beklagten zu 2. erfolgte hier zur Abwendung der Sicherungsvollstreckung der Klägerin nach § 720a ZPO. Gemäß § 720a Abs. 1 Satz 1 ZPO darf der Gläubiger aus einem nur gegen Sicherheit vorläufig vollstreckbaren Urteil, durch das der Schuldner zur Leistung von Geld verurteilt worden ist, ohne Sicherheitsleistung die Zwangsvollstreckung insoweit betreiben, als bewegliches Vermögen gepfändet wird oder im Wege der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen eine Sicherungshypothek oder Schiffshypothek eingetragen wird. Der Schuldner ist gemäß § 720a Abs. 3 ZPO allerdings befugt, die Zwangsvollstreckung nach § 720a Abs. 1 ZPO durch Leistung einer Sicherheit in Höhe des Hauptanspruchs abzuwenden, wegen dessen der Gläubiger vollstrecken kann, wenn nicht der Gläubiger vorher die ihm obliegende Sicherheit geleistet hat. Auf Kostenfestsetzungsbeschlüsse (§ 794 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) ist § 720a ZPO entsprechend anzuwenden ist, wenn sie - wie der vorliegende Kostenfestsetzungsbeschluss - auf einem nur gegen Sicherheit vorläufig vollstreckbaren Urteil beruhen (§ 795 Satz 2 ZPO). Als Ausnahme von § 751 Abs. 2 ZPO schützt § 720a ZPO die Interessen des Gläubigers, indem er ihm ermöglicht, die Vollstreckung mit rangwahrender Wirkung schon vor Sicherheitsleistung durchzuführen, allerdings beschränkt auf der Beschlagnahme dienende Vollstreckungshandlungen. Der Gläubiger kann so, ohne dass die Voraussetzungen des Arrestes oder des § 710 ZPO vorliegen, ohne Sicherheitsleistung verhindern, dass der Schuldner die Haftungsmasse beiseite schafft, oder sich vor einem Vermögensverfall des Schuldners schützen (Musielak/Lackmann, a.a.O., § 720a Rdnr. 1; MünchKommZPO/Krüger, a.a.O., § 720a Rdnr. 1; vgl. a. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, a.a.O., § 720a Rdnr. 2 m. w. Nachw.). Dieses Schutzes bedarf der Gläubiger allerdings nicht, wenn der Schuldner seinerseits Sicherheit geleistet hat (§ 720a Abs. 3 ZPO), auf die der Gläubiger später ggf. zugreifen kann; in diesem Falle entfällt das Sicherungsbedürfnis des Gläubigers (vgl. Musielak/Lackmann, a.a.O., § 720a Rdnr. 1; MünchKommZPO/Krüger, a.a.O., § 720a Rdnr. 1).

Die vorliegend vom Beklagten zu 2. zur Abwendung der Sicherungsvollstreckung der Klägerin geleistete Sicherheit erfüllt nach wie vor ihren Zweck. Dieser ist nicht in Wegfall geraten. Der Sinn der Sicherheitsleistung des Beklagten zu 2. erschöpft sich nicht allein darin, die Sicherungsvollstreckung gegen ihn und die Beklagte zu 1. abzuwenden, sondern sie dient auch der Sicherung der Klägerin. Die vom Beklagten zu 2. geleistete Sicherheit hat bewirkt, dass die Klägerin nicht aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts die Sicherungsvollstreckung nach § 720a Abs. 1 ZPO betreiben konnte, wie sie dies ohne die Sicherheitsleistung des Beklagten zu 2. hätte tun können, ohne ihrerseits eine Sicherheitsleistung erbringen zu müssen. Die hieraus resultierende Gefahr der Klägerin besteht fort. Wie bereits ausgeführt, dient § 720a ZPO dem Schutz des Gläubigers vor wirtschaftlichen Verlusten, die ihm durch ein Beiseiteschaffen der Haftungsmasse durch den Schuldner oder durch einen Vermögensverfall des Schuldners drohen. Es liegt auf der Hand, dass es diesem Schutz des Gläubigers zuwider liefe, wenn der Schuldner, der zunächst die Sicherungsvollstreckung des Gläubigers durch Leistung der Sicherheit abgewendet hat, durch bloße spätere Aufgabe seines Abwendungswillens die Rückgabe der von ihm geleisteten Sicherheit erreichen könnte. Denn es bestünde die Gefahr, dass der Schuldner die von ihm zur Abwendung der Sicherungsvollstreckung geleistete Sicherheit zurück erhält, obwohl er zwischenzeitlich Haftungsmasse beiseite geschafft hat oder Vermögensverfall eingetreten ist. Es bedarf keiner weiteren Ausführungen, dass der Gläubiger dies nicht hinnehmen muss. Die geleistete Sicherheit muss den Gläubiger weiterhin davor schützen, dass der Schuldner zwischenzeitlich sein Vermögen verloren hat. Damit scheidet aber eine Anordnung nach § 109 ZPO aus. Denn diese Vorschrift ist - wie bereits ausgeführt - nur anzuwenden, wenn dem Gläubiger kein Schaden (mehr) entstehen kann. Das lässt sich hier nicht feststellen lässt.

Damit erweist sich die sofortige Beschwerde des Beklagten zu 2. als unbegründet, weshalb sie zurückzuweisen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 und 3 ZPO nicht vorliegen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.

Ende der Entscheidung

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