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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 03.03.2008
Aktenzeichen: I-2 W 4/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 269 Abs. 2
ZPO § 775
ZPO § 776
ZPO § 890
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die sofortigen Beschwerden der Schuldner gegen den Beschluss der 4a. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 8. Januar 2008 werden zurückgewiesen.

Die Schuldner haben die Kosten der Beschwerdeverfahren zu tragen.

Der Streitwert für jedes Beschwerdeverfahren beträgt 25.000,00 €.

Gründe:

I.

Die Schuldner sind durch Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 23. Januar 2007 u.a. verurteilt worden, es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen, näher bezeichnete Dachflächenfenster nebst Montagewinkel anzubieten, in den Verkehr zu bringen, zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen, die von der Lehre des europäischen Patents 0 293 460 (Klagepatent) Gebrauch machen. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 200.000,00 € für vorläufig vollstreckbar erklärt worden. Die Gläubigerin hat die Sicherheit durch Bankbürgschaft erbracht, die den damaligen Prozessbevollmächtigten der Schuldner am 28. Februar 2007 zugestellt wurde. Eine vollstreckbare Ausfertigung des Urteils war den Schuldnern zuvor am 30. Januar 2007 zugestellt worden. Das Klagepatent war unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität vom 12. Dezember 1986 am 4. Dezember 1987 angemeldet worden. Die Erteilung wurde am 7. November 1990 veröffentlicht. Das Klagepatent ist im Dezember 2007 abgelaufen.

Am 3. November 2007 erwarben die Prozessbevollmächtigten der Gläubigerin in einem P.-Baumarkt in M. ein F.-Dachflächenfenster mit der Artikel-Nummer 3....., einschließlich Montagewinkel. Das Fenster ist in der 37. Kalenderwoche 2007 produziert worden (Anlagenkonvolut TW 3). Am 8. November erwarben die Patentanwälte der Gläubigerin in einem Baumarkt in L. eine weitere F.-Dachflächenfenster nebst Montagewinkeln. Produktionswoche des Fensters war die 29. KW 2007 (Anlagenkonvolut TW 5). Die Schuldner unterhalten des weiteren eine Webseite ("f.....de", Anlagenkonvolut TW 6), auf der sie ein Dachflächenfenster nebst Montagewinkeln bewerben.

Nach Ansicht der Gläubigerin machen diese Dachflächenfenster nebst Montagewinkeln von der Lehre nach dem Klagepatent Gebrauch und sind von dem landgerichtlichen Vollstreckungstitel erfasst. Die Schuldner verneinen dies mit dem Hinweis auf eine veränderte Ausführungsform. Sie sind des weiteren der Auffassung, die Verhängung eines Ordnungsgeldes komme wegen der Erledigung des landgerichtlichen Vollstreckungstitels durch Ablauf der Laufzeit des Klagepatents nicht mehr in Betracht.

Auf Antrag der Gläubigerin vom 21. November 2007 hat das Landgericht Düsseldorf mit Beschluss vom 8. Januar 2008 gegen die Schuldner ein Ordnungsgeld von jeweils 25.000,00 € wegen Verstoßes gegen das im landgerichtlichen Urteil ausgesprochene Unterlassungsgebot verhängt. Den sofortigen Beschwerden der Schuldner hat es nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die sofortigen Beschwerden, mit welchen die Schuldner sich dagegen wenden, dass das Landgericht ihnen wegen Verstoßes gegen das in dem Vollstreckungstitel, dem Urteil des Landgerichts vom 23. Januar 2007, ausgesprochene Unterlassungsgebot ein Ordnungsgeld von jeweils 25.000,00 € auferlegt hat, sind nicht begründet.

Zu Recht hat das Landgericht angenommen, die Schuldner hätten dem ihnen auferlegten Unterlassungsgebot zuwidergehandelt, so dass gemäß § 890 ZPO gegen sie ein Ordnungsgeld festzusetzen sei, und der spätere Wegfall des Vollstreckungstitels der Verhängung eines Ordnungsgeldes nicht entgegen stehe.

1. Die Schuldner haben durch den Vertrieb der F.-Dachfenster mit der Artikel-Nummer 3......... in einem P.-Baumarkt in M. am 3. November 2007 und einem solchen Baumarkt in L. am 8. November 2007 sowie durch ihren Internetauftritt auf ihrer Webseite "f.....de" (Auszug gemäß Anlage TW 6) gegen das Unterlassungsgebot des Urteils des Landgerichts vom 23. Januar 2007 verstoßen. Zur Begründung wird auf die ausführlichen und zutreffenden Erwägungen des Landgerichts in dem angegriffenen Beschluss vom 8. Januar 2008 verwiesen. Zwar war die Benutzung der die Halterungsnut betreffenden Anspruchsmerkmale (4) und (2) im Erkenntnisverfahren unstreitig. Das Landgericht hat jedoch mit Recht darauf Bezug genommen, dass sich seine Ausführungen zum (seinerzeit streitigen) Merkmal (1) der Sache nach auch dazu verhalten, welche Anforderungen an die den Flachdorn aufnehmende Halterungsnut zu stellen sind. Es hat ausgehend hiervon zutreffend festgestellt, dass auch die neue, abgewandelte Ausführungsform eine Vorfixierung der Montagewinkel erlaubt, wie es Sinn und Zweck der patentgemäßen Haterungsnut ist. Soweit die Schuldner in der Beschwerdebegründung erneut darauf verweisen, dass es sich bei den Nuten der verfahrensgegenständlichen Dachflächenfenster um bloße Montagehilfen - ähnlich einer Farbmarkierung - handelt, ist dem schon mit Rücksicht darauf zu widersprechen, dass die Nutwände, seien sie auch vergleichsweise niedrig - anders als eine Farbmarkierung - den Montagewinkel über dessen Flachdorn eindeutig positionieren.

2. Die Zwangsvollstreckung aus dem landgerichtlichen Titel ist nicht dadurch unzulässig geworden, dass die Laufzeit des Klagepatents abgelaufen ist. Die allgemeine Zwangsvollstreckungsvoraussetzung, das Vorliegen eines Titels, aus dem die Zwangsvollstreckung betrieben werden kann (§ 704 ZPO), ist dadurch erfüllt, dass zu dem Zeitpunkt, zu dem die Schuldner ihre gegen das Unterlassungsgebot des landgerichtlichen Urteils verstoßenden Handlungen vorgenommen haben, dieser Vollstreckungstitel in Kraft stand. Er hat erst danach wegen des Ablaufs der Patentlaufzeit mit Wirkung ex nunc seine Gültigkeit verloren.

Es entspricht der überwiegenden Ansicht in Rechtsprechung und Literatur, dass bei nachträglicher Aufhebung eines Titels oder seinem rückwirkenden Wegfall (etwa bei Klagerücknahme, Vergleich, Aufhebung des Titels im Rechtsmittelverfahren etc.) aus ihm nicht mehr vollstreckt werden kann, da Voraussetzung für die Verhängung von Ordnungsmitteln das Vorhandensein eines gültigen Vollstreckungstitels ist (vgl. BGH, GRUR 2004, 264, 266 - Euro-Einführungsrabatt, m.w.N.; Zöller/Stöber, ZPO, 26. Aufl., § 890 Rdnr. 9a m.w.N.). Im vorliegenden Fall ist der Titel jedoch nicht rückwirkend wieder entfallen, sondern hatte zum Zeitpunkt der Zuwiderhandlung gegen den Titel durch die Schuldner noch Gültigkeit. Für diesen Fall wird nach überwiegend vertretener Meinung (OLG Hamm, NJW-RR 1990, 1086; OLG Stuttgart, NJOZ 2001, 1222, 1223; OLG Düsseldorf, 16. ZS, OLGR 2001, 350; MK/Gruber, ZPO, 3. Aufl. § 890 Rdnr. 18, 29; Zöller/Stöber, a.a.O., § 890 Rdnr. 10, 25; Musielack, ZPO, 5. Aufl., § 890 Rdnr. 16; a.A.: Stein/Jonas/Brehm, ZPO, 22. Aufl., § 890 Rdnr. 28; wohl auch Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 66. Aufl., § 890 Rdnr. 26, 29) die Zulässigkeit der Verhängung von Ordnungsmitteln wegen eines Verstoßes gegen das titulierte Unterlassungs- oder Duldungsgebot nicht mehr in Frage gestellt. Dem schließt sich der Senat (unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung in GRUR 1987, 975 - Titelfortfall) an.

Den Ordnungsmitteln des § 890 ZPO kommt eine zweifache Funktion zu. Zum einen ist mit der Androhung und späteren Verhängung von Ordnungsmitteln ein Beugecharakter verbunden, der dazu dient, den Willen des Schuldners dahin zu lenken, dass er das titulierte Unterlassungsgebot künftig befolgt. Liegt ein solcher Titel nicht (mehr) vor, läuft diese Funktion ins Leere. Die nach Androhung erfolgte Verhängung von Ordnungsmitteln hat darüber hinaus jedoch auch einen repressiven Charakter, nämlich als Strafsanktion gegen den Schuldner (BVerfG, GRUR 2007, 618 - Organisationsverschulden), der sich von der Androhung des Ordnungsmittels nicht hat davon abhalten lassen, gegen das titulierte Unterlassungsgebot zu verstoßen. Der auch repressive Charakter folgt u.a. daraus, dass es im Moment der Verhängung und Beitreibung des Ordnungsmittels nicht mehr darauf ankommt, ob der Schuldner zwischenzeitlich Willens geworden ist, den titulierten Anspruch zu befolgen (vgl. auch Melullis, GRUR 1993, 241, 242).

Gleichwohl bleibt auch die Verhängung eines Ordnungsmittels eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung, die das Vorliegen eines gültigen Titels fordert, und im Beschwerdeverfahren oder über die §§ 775, 776 ZPO die Aufhebung eines Ordnungsmittelbeschlusses erlaubt, wenn der zugrunde liegende Titel entfallen ist. Entscheidend für die Überlegung, ob der zugrunde liegende Titel als Rechtsgrundlage für die Zwangsvollstreckung "entfallen" ist, ist damit der Zeitpunkt des Fortfalls und die Frage, in welcher Weise sich der Fortfall auf den Bestand des Titels auswirkt. Zu unterscheiden ist zwischen Titeln, die ex tunc wirkungslos werden, so z.B. nach § 269 Abs. 2 ZPO oder bei uneingeschränkter übereinstimmender Erledigungserklärung, und solchen, die von vornherein auf eine zeitlich begrenzte Dauer angelegt sind (wie z.B. bei der Verletzung gewerblicher Schutzrechte, die eine begrente Schutzdauer haben). Letztere können nach Ablauf der Schutzdauer für die Zukunft keine Wirkung mehr entfalten, der zwischenzeitliche Fristablauf lässt jedoch den Titel für die Vergangenheit unberührt. Dass die Schutzdauer abgelaufen ist, nimmt einer Schutzrechtsverletzung, die in der Vergangenheit stattgefunden hat, nicht die Rechtswidrigkeit (Melullis, a.a.O., S. 246). Damit lässt es die Straffunktion der Ordnungsmittel, die sich in der Sanktion gegenüber dem einzelnen und der Prävention gegenüber der Allgemeinheit ausdrückt, zu, auch dann ein Ordnungsmittel zu verhängen und zu vollstrecken, wenn der Schuldner zwar nicht mehr dazu angehalten werden muss, dem Unterlassungsgebot zukünftig Folge zu leisten, aber ein in der Vergangenheit liegender Verstoß gegen den damals noch gültigen Titel sanktioniert werden soll. Dies ermöglicht es, dem titulierten Anspruch, der lediglich durch Zeitablauf seine Gültigkeit verliert, bis zum letzten Tag seiner Laufzeit Geltung zu verschaffen, da der Schuldner daran gehindert wird, zum Ende der Laufzeit mit Verletzungshandlungen zu beginnen und darauf zu spekulieren, das Ordnungsmittelverfahren in die Länge zu ziehen, bis das Klagepatent durch Zeitablauf erloschen ist und ein Ordnungsmittel nicht mehr verhängt werden kann.

Es bedarf keiner abschließenden Entscheidung, ob bei der Bemessung des Ordnungsgeldes zugunsten des Schuldners ins Gewicht fällt, dass der Vollstreckungstitel für die Zukunft seine Wirkung eingebüßt hat. Vorliegend rechtfertigt sich das vom Landgericht verhängte, am unteren Ende des Ordnungsgeldrahmens angesiedelte Ordnungsgeld auch dann in voller Höhe, wenn nur auf die Bestrafungsfunktion abgestellt wird.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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