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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 21.09.2005
Aktenzeichen: I-2 W 8/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 793
ZPO § 890
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin vom 5. April 2005 gegen den Beschluss der 4b. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 23. März 2005 wird zurückgewiesen.

Die Schuldnerin hat auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren beträgt 30.000 Euro.

Gründe:

Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss der 4b. Zivilkammer des Landgerichts vom 23. März 2005 ist gemäß § 793 ZPO zulässig, sachlich jedoch nicht gerechtfertigt.

I.

Die Schuldnerin ist durch Urteil des Senats vom 16. Dezember 2004 (Az. I - 2 U 71/03), von welchem ihr eine vollstreckbare Ausfertigung zu Händen ihrer Prozessbevollmächtigten am 28. Dezember 2004 zugestellt worden ist, unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel verurteilt worden, es zu unterlassen, Münzschlösser mit einer Kopplungseinrichtung, zum Anbau an Transportwagen, insbesondere an Einkaufswagen, die auf Pfandbasis ein An- und Abkoppeln von Transportwagen ermöglichen, die mit einer fest installierten Sammelstelle direkt oder über weitere Transportwagen indirekt mit dieser Sammelstelle verbunden sind, herzustellen, feilzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu einem dieser Zwecke zu besitzen oder einzuführen, bei denen das Münzschloss mit einem oder zwei Schiebegriffabschnitten ausgestattet ist und die Endbereiche des Münzschlosses zur Befestigung an den Transportwagen bestimmt sind.

Im Januar 2005 lieferte die Schuldnerin an den Einkaufsmarkt P. in Bad Liebenzell Einkaufswagen mit einem von der Firma S. hergestellten und von ihr unter der Bezeichnung "S. E" vertriebenen und feilgehaltenen Münzschloss, welches das aus den Fotografien gemäß Anlagen HZV 6 und aus der Werbung der Schuldnerin im Internet vom 3. und 7. Februar 2005 gemäß Anlage HZV 3 ersichtliche Aussehen hat.

Die Gläubigerin sieht in der Werbung und in dem Inverkehrbringen dieses Münzschlosses "S E" durch die Schuldnerin eine Zuwiderhandlung gegen das Verbotsurteil des Senats vom 16. Dezember 2004.

Mit Antrag vom 7. Februar 2005 hat sie beantragt,

gegen die Schuldnerin wegen Verstoßes gegen das Verbotsurteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 16.12. 2004 ein der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestelltes Ordnungsgeld zu verhängen.

Die Schuldnerin hat beantragt,

den Ordnungsmittelantrag der Gläubigerin zurückzuweisen.

Sie hat geltend gemacht, die nunmehr von der Gläubigerin als Zuwiderhandlung gegen das oberlandesgerichtliche Urteil angesehene Ausführungsform eines Pfandschlosses sei ein vollkommen anderer Gegenstand als derjenige des Erkenntnisverfahrens und werde von dem Unterlassungsgebot im Urteil des Senats vom 16. Dezember 2004 nicht erfasst. Gegenstand des Erkenntnisverfahrens sei ein Pfandschloss mit der Bezeichnung "Compact E" gewesen, welches sie selbst hergestellt habe, während das nunmehr angegriffene Pfandschloss eine ganz andere Bezeichnung trage, nämlich "S E", und lediglich ein Zukaufteil sei, das von der Firma S hergestellt werde. Es unterscheide sich von den technischen Merkmalen des Pfandschlosses "Compact E", die für die Gläubigerin ganz wesentlich für die Begründung des Verletzungstatbestandes gewesen seien. Bei dem nunmehr angegriffenen Münzschloss "S." sei die Schlüsselkette über ihr Halteteil bei montiertem Münzschlossgehäuse nicht mehr unmittelbar am Kernrohr befestigt, sondern ausschließlich am Münzschlossgehäuse selbst. Des Weiteren sei das Münzschlossgehäuse auch nicht mehr aus Ober- und Unterschale gebildet, die am Kernrohr befestigt seien. Vielmehr sei bei dem Münzschloss "S" das Münzschloss oval ausgebildet mit einer lichten inneren Ausnehmung, mit der es auf das Kernrohr aufgeschoben werde. Der Gläubigerin sei das Münzschloss "S E", welches sie bereits seit November 2000 umfangreich bewerbe und vertreibe, zur Zeit des Erkenntnisverfahrens bestens bekannt gewesen, gleichwohl habe sie es nicht zum Gegenstand des Erkenntnisverfahrens gemacht. Weil es sich mithin konstruktiv bei dem Pfandschloss "S" um ein anderes Schloss als dasjenige aus dem Erkenntnisverfahren, nämlich das Münzschloss "C,", handele, und weiterhin der Gläubigerin zum Zeitpunkt der Klageerhebung das Pfandschloss "S" bekannt gewesen sei, könne die Gläubigerin weder objektiv noch getragen von ihrer subjektiven Vorstellung hinsichtlich des Streitgegenstandes aus dem Erkenntnisverfahren beanspruchen, dass hier ein und derselbe Streitgegenstand vorliege.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 23. März 2005 gegen die Schuldnerin wegen schuldhafter Zuwiderhandlung gegen das Unterlassungsgebot im Urteil des Senats vom 16. Dezember 2004 ein Ordnungsgeld von 30.000 Euro verhängt. Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt, bei dem Münzschloss "S" handele es sich zwar nicht exakt um das Produkt, das der Beurteilung in dem dem Titel vorausgehenden Erkenntnisverfahren zugrundegelegen habe, sondern um ein Erzeugnis, das demgegenüber abgewandelt sei. Sämtliche Abweichungen änderten jedoch nichts daran, dass das Münzschloss "S" exakt dem Urteilstenor entspreche und aufgrund derselben Erwägungen, die das Verbotsurteil im Hinblick auf das Schloss "C" getroffen habe, als Verletzung des Klagepatents zu werten sei. Die Schuldnerin habe auch schuldhaft gehandelt, und zwar unabhängig davon, ob der Gläubigerin die Ausführungsform "S" bereits vor Klageerhebung bekannt gewesen sei.

Gegen diesen Beschluss hat die Schuldnerin sofortige Beschwerde eingelegt, der das Landgericht nicht abgeholfen hat.

Die Schuldnerin wiederholt mit ihrer sofortigen Beschwerde im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen und trägt ergänzend vor, ausgehend von der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 30. März 2005, Aktenzeichen X ZR 126/01 - Blasfolienherstellung (Anlage S 1), müsse für die Festlegung, was Streitgegenstand eines Patentverletzungsverfahrens sei, gerade für den Fall, dass unterschiedliche Ausführungsformen zwischen den Parteien bekannt seien, die Begründung der Klage berücksichtigt werden, sofern eine exakte Beschreibung der angegriffenen Ausführungsform im Klageantrag nicht vorhanden sei.

Die Gläubigerin bittet um Zurückweisung der sofortigen Beschwerde.

II.

Die gemäß § 793 ZPO statthafte sofortige Beschwerde ist frist- und formgerecht eingelegt worden, jedoch in der Sache nicht begründet.

Das Unterlassungsgebot im Urteil des Senats vom 16. Dezember 2004 ist hinreichend bestimmt und damit als Grundlage für eine Zwangsvollstreckung geeignet. Dass das Unterlassungsgebot dabei mit dem Wortlaut des Patentanspruches 1 des deutschen Patents 37 14 115 (nachfolgend: Klagepatent), welcher zwei verschiedene Alternativen umfasst (vgl. "mit einem oder mit zwei Schiebegriffabschnitten"), dasjenige beschreibt, was als Verletzung des Klagepatents beanstandet worden ist, nämlich die Ausgestaltung eines Münzschlosses mit diesen Merkmalen entsprechend dem im Erkenntnisverfahren als Anlage H 9 vorgelegten Münzschloss "C E", und was die Schuldnerin in Zukunft zu unterlassen hat, macht den Titel auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesgegerichtshofes vom 30. März 2005 (Az: X ZR 126/01 - "Blasfolienherstellung", vgl. Anlage S 1) nicht so unbestimmt, dass er nicht Grundlage der Vollstreckung sein kann. Auch nach dieser Entscheidung des Bundesgerichtshofes gilt nämlich weiterhin der schon vom Reichsgericht begründete Grundsatz der Rechtsprechung, dass zum Verständnis einer Urteilsformel die Urteilsgründe heranzuziehen sind (vgl. RGZ 147,27,29; RG GRUR 35, 428,429). Aus der Entscheidung "Blasfolienherstellung" lässt sich nicht entnehmen, dass dieser Grundsatz in Zukunft nicht mehr gelten solle. Bei Heranziehung der Urteilsgründe ist aber, sofern die Urteilsformel aus sich heraus nicht verständlich sein sollte, völlig klar, was die Schuldnerin zu unterlassen hat.

Nach dem der Zwangsvollstreckung der Gläubigerin zugrundeliegenden Titel war und ist die Schuldnerin nämlich gehalten, Münzschlösser, die die Merkmale des Vollstreckungstitels aufweisen (vgl. Ziffer I. 1. des Urteiltenors), nicht mehr feilzubieten und/oder in Verkehr zu bringen, und zwar ganz gleich, ob sie diese Schlösser zuvor selbst hergestellt oder von einem Dritten bezogen hat. Dieser Verpflichtung ist die Schuldnerin, wie das Landgericht mit dem angefochtenen Beschluss zutreffend ausgeführt hat, jedenfalls nicht in vollem Umfang nachgekommen, da sie im Januar/Februar 2005 Münzschlösser feilgehalten und vertrieben hat, die genau diese Merkmale aufweisen, wie die von dem Münzschloss "Sieloc E" zu den Akten gereichten Abbildungen gemäß Anlagen HZV 3, 5 und 6 zeigen.

Der Umstand, dass der Vollstreckungstitel ausweislich seiner Gründe damit begründet worden ist, die Beklagte habe Münzschlösser hergestellt und unter der Bezeichnung "C E" vertrieben, die wortsinngemäß von der Lehre des Patentanspruches 1 des Klagepatents Gebrauch machten, die nunmehr beanstandeten Münzschlösser "S E" jedoch nicht völlig identisch mit den Münzschlössern "C E" sind, ändert daran nichts. Das zur Unterlassung verurteilende Urteil gilt für die in der Urteilsformel erfasste konkrete Verletzungsform, allerdings in der aus der Fassung der Urteilsformel sich ergebenden Verallgemeinerung (vgl. RGZ 147, 27, 31; 156, 321, 327). Maßgebend ist der Sinn der Urteilsformel, zu deren Verständnis auch die Urteilsgründe heranzuziehen sind (RGZ 147, 27,29; RG GRUR 35, 428, 429), nicht aber, wie die Schuldnerin geltend macht, die von der Gläubigerin mit ihrer Klage, die zu dem Urteil geführt hat, gegebene Begründung. Das Urteil stellt zwar keine Grundlage zur Zwangsvollstreckung für einen anderen Verletzungstatbestand dar (RG GRUR 35, 428,429). Jedoch kann sich der Verletzer nicht durch jede Änderung der Verletzungsform der Vollstreckungswirkung des Unterlassungsurteils entziehen; vielmehr sind Abänderungen der Verletzungsform von der Urteilswirkung dann erfasst, wenn die Abänderung den Kern der Verletzungsform unberührt lässt und sich innerhalb der durch Auslegung zu ermittelnden Grenzen des Urteils hält (vgl. u.a. RGZ 321, 327/328; RG GRUR 35, 428,429; BGH GRUR 52, 577,580; 52, 70, 72; 57, 561, 564; OLG München GRUR 59, 597; OLG Düsseldorf GRUR 67, 135, 136; OLG Karlsruhe GRUR 1984, 197,198). Ein solcher Fall ist hier gegeben, wie das Landgericht im angefochtenen Beschluss im Einzelnen zutreffend dargelegt hat.

Die Abweichungen des nunmehr beanstandeten Münzschlosses "S E" gegenüber dem Münzschloss "C E" ändern nichts daran, dass die Erwägungen, mit denen das Unterlassungsgebot im Vollstreckungstitel und mit denen die wortsinngemäße Verwirklichung des Patentanspruches 1 des Klagepatents begründet worden ist, in genau der gleichen Weise wie für das Münzschloss "C E" auch für das Münzschloss "S E" gelten. Die Änderungen des Münzschlosses "S E" gegenüber dem Münzschoss "C E", die darin bestehen, dass die Schlüsselkette nicht in das Kernrohr eingreift, sondern an dem Münzschlossgehäuse befestigt ist, das Münzschloss nicht aus Unter- und Oberschale besteht, sondern einstückig ausgebildet ist und deshalb abweichend von dem Münzschloss "C E" seitlich auf das Kernrohr aufgeschoben wird, lassen den Kern der Verletzungsform unberührt. Wie das Münzschloss "C E" besitzt auch das Münzschloss "S E" eine Kopplungseinrichtung zum Anbau an Transportwagen, insbesondere an Einkaufswagen, wobei das Münzschloss auf Pfandbasis ein An- und Abkoppeln frei stehender Transportwagen untereinander und/oder ein Ankoppeln von Transportwagen ermöglicht, die mit einer fest installierten Sammelstelle direkt oder über weitere Transportwagen indirekt mit dieser Sammelstelle verbunden sind.

In gleicher Weise wie das Münzschloss "C E" ist auch das Münzschloss "S E" mit einem oder zwei Schiebegriffabschnitten ausgestattet und sind die Endbereiche zur Befestigung an den Transportwagen bestimmt. Das Landgericht hat dies auf den Seiten 6 und 7 des angefochtenen Beschlusses unter Heranziehung der Gründe des Urteils des Senats vom 16. Dezember 2004 im Einzelnen zutreffend dargelegt, so dass auf diese Ausführungen verwiesen werden kann.

Das Landgericht ist in dem angefochtenen Beschluss auch zu Recht davon ausgegangen, dass die Schuldnerin bei der Zuwiderhandlung schuldhaft, nämlich fahrlässig, gehandelt hat, als sie die Münzschlösser "S E" noch im Januar und Februar 2005 feilgehalten und vertrieben hat. Bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt wäre für die Schuldnerin erkennbar gewesen, dass die Münzschlösser "S E" dem Unterlassungsgebot im Vollstreckungstitel unterfielen. Aus dem Umstand, dass die Gläubigerin trotz Kenntnis von diesen Schlössern diese Schlösser nicht explizit in das Erkenntnisverfahren (als weitere Verletzungsform) eingeführt hatte, konnte die Schuldnerin nicht ohne weiteres den Schluss ziehen, diese Schlösser würden von dem Vollstreckungstitel nicht erfasst. Vielmehr hatte die Schuldnerin unabhängig davon die Tragweite der Urteilsformel zu prüfen. Bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt hätte sie dann, insbesondere auch unter Heranziehung der zur Auslegung des Urteilstenors zu berücksichtigenden Begründung des Urteils (und nicht der in der Klageschrift gegebenen Begründung), aber ohne weiteres erkennen können, dass auch diese Münzschlösser dem Unterlassungsgebot unterfallen.

Bei der Höhe des gemäß § 890 ZPO festzusetzenden Ordnungsgeldes hat das Landgericht nicht nur den aufgezeigten Grad des Verschuldens der Schuldnerin, sondern auch das Ausmaß der Beeinträchtigung der Gläubigerin zutreffend und angemessen berücksichtigt. Gegen das vom Landgericht verhängte Ordnungsgeld in Höhe von 30.000 Euro, welches mit dazu beitragen soll, die Schuldnerin in Zukunft zu einer hinreichend sorgfältigen Beachtung des gegen sie erwirkten Vollstreckungstitels anzuhalten, bestehen daher auch der Höhe nach keine Bedenken.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 788, 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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